Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer: Vermächtnis zugunsten einer dem Erblasser gehörenden Kapitalgesellschaft, Kapitalgesellschaften oder juristische Personen als Steuersubjekt, Steuerbefreiung nach § 13 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1974)
Leitsatz (amtlich)
Ein Vermächtnis zugunsten einer Kapitalgesellschaft, deren (mittelbarer) Alleingesellschafter der Erblasser war, unterliegt der Erbschaftsteuer auch dann, wenn auf den mit dem Vermächtnis belasteten Alleinerben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch die (mittelbare) Alleingesellschafterstellung des Erblassers übergegangen ist.
Orientierungssatz
1. Ob ein Vermächtnis vorliegt, ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen. Danach ist ein Vermächtnis die durch Testament oder Erbvertrag erfolgte Einzelzuwendung eines Vermögensvorteils von Todes wegen (vgl. Literatur).
2. Unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden oder Erwerbe von Todes wegen, bei denen eine GmbH oder eine andere juristische Person Empfänger ist, sind erbschaftsteuerrechtlich und schenkungsteuerrechtlich bei dieser und nicht etwa bei den Gesellschaftern zu erfassen. Die durch die Zuwendung eines Vermögensvorteils an die GmbH bewirkte Erhöhung des Werts ihrer Geschäftsanteile kann die Bereicherung der GmbH weder aufheben noch mindern.
3. Eine GmbH erhält die Steuerbefreiung nach § 13 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1974 nicht, wenn nur ihre Alleingesellschafterin, nicht aber sie selbst gemeinnützig ist.
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, §§ 10, 13 Abs. 1 Nr. 16; BGB § 2147; ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. A war alleiniger Gesellschafter der A-GmbH (Betriebsgesellschaft). Diese hielt 80 v.H. der Geschäftsanteile der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Die restlichen 20 v.H. der Geschäftsanteile der Klägerin wurden unmittelbar von A gehalten. Im Eigentum des A standen zahlreiche Grundstücke, die an die Betriebsgesellschaft verpachtet waren. Im Jahre 1982 verstarb A. Aufgrund Testaments wurde die bereits vorher von A errichtete gemeinnützige A-Stiftung (Stiftung) seine alleinige Erbin. In dem Testament wurden der Klägerin die genannten Grundstücke vermacht. Die Klägerin nahm das Vermächtnis an. Das Vermächtnis wurde von der Stiftung erfüllt und das Eigentum an den Grundstücken auf die Klägerin umgeschrieben.
Durch vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid vom 4. August 1983 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für den Erwerb der Klägerin durch Vermächtnis Erbschaftsteuer in Höhe von 6 968 242 DM fest. Mit der Einspruchsentscheidung setzte es dann die Erbschaftsteuer endgültig auf 7 006 098 DM fest.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde vorgetragen, daß sich die Geschäftsanteile der Klägerin zu 100 v.H. im Besitz der A-Stiftung befänden. Unmittelbar gehörten der Stiftung 20 v.H. der Geschäftsanteile, mittelbar auch die weiteren 80 v.H. da diese von der Betriebsgesellschaft gehalten würden, die gänzlich im Besitz der Stiftung sei. Durch das Vermächtnis sei das Vermögen der Klägerin zwar vermehrt worden, zugleich habe sich aber der Wert der entsprechenden Geschäftsanteile der Klägerin erhöht. Diese Werterhöhung der Geschäftsanteile sei als "automatisches Entgelt" anzusehen. Das "automatische Entgelt" sei bei der Klägerin abzugsfähig mit der Folge, daß die Bereicherung der Klägerin entfalle. Die wahre Bereicherung sei bei dem Inhaber der Geschäftsanteile eingetreten, hier also bei der A-Stiftung. Deren Steuerpflicht entfalle aber wegen Gemeinnützigkeit.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das Vermächtnis sei nach § 1 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 2 Abs.1 Nr.1 Buchst.d und § 3 Abs.1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) erbschaftsteuerpflichtig. Zwar bewirke das Vermächtnis auch eine Wertsteigerung der Anteile der Gesellschafter an der Klägerin. Die Bereicherung der Gesellschafter hebe jedoch die Bereicherung der Gesellschaft nicht auf. Der erbschaftsteuerliche Durchgriff durch die Körperschaft hindurch auf die Gesellschafter der Körperschaft finde nicht statt. Auch der Gedanke, daß es sich bei dem Vermächtnis lediglich um eine Vermögensumschichtung handele, könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Die Zuwendung der Grundstücke an die Klägerin im Wege des Vermächtnisses sei als Gesellschaftereinlage zu qualifizieren. Gegenstand des Vermächtnisses sei die Verpflichtung zur Leistung einer Einlage durch die A-Stiftung. Diese Gesellschaftereinlage beruhe auf der Gesellschaftereigenschaft der Stiftung. Hilfsweise sei die Zuwendung durch den Erblasser als eine der Stiftung nahestehende Person erfolgt. Es fehle an einer erbschaftsteuerpflichtigen Zuwendung bereits deshalb, weil eine etwaige Bereicherung der Klägerin nicht auf Kosten des Erblassers und/oder der Stiftung erfolgt sei. Selbst bei Annahme einer steuerpflichtigen Zuwendung stehe dem Vermögenszugang bei der Klägerin eine Werterhöhung ihrer Anteilsrechte gegenüber, die den Wert der Bereicherung der Klägerin mindere. Gegenstand des Vermächtnisses sei eine Verpflichtung zur Vermögensumschichtung. Insoweit sei der Fall einem vollentgeltlichen Kaufrechtsvermächtnis vergleichbar. Hätte der Erblasser zu seinen Lebzeiten den Betriebsgrundbesitz in die Klägerin eingebracht, so hätte dies nicht der Schenkungsteuer unterlegen. Eine Besteuerung der Einbringung im Wege des Vermächtnisses verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG). Die vom Erblasser gewählte Gestaltung stelle gewissermaßen eine Anordnung für die gesellschaftsrechtliche Fortführung des Unternehmens dar.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids bejaht.
1. Im Streitfall liegt ein Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) vor, der nach § 3 Abs.1 Nr.1 ErbStG 1974 als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterliegt. Ob ein Vermächtnis vorliegt, ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen. Danach ist ein Vermächtnis die durch Testament oder Erbvertrag erfolgte Einzelzuwendung eines Vermögensvorteils von Todes wegen (§ 1939 BGB vgl. auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 55.Aufl., Vor § 2147 Rdnr.1). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Durch Testament hat A seine Erbin verpflichtet, bisher in seinem Eigentum stehende Grundstücke auf die Klägerin zu übertragen. Der Anspruch auf Übertragung der Grundstücke ist für die Klägerin ein Vermögensvorteil. Mit dem Tod des A (Erbfall) ist die Forderung der Klägerin als Vermächtnisnehmerin auf Übertragung der Grundstücke entstanden und damit das Vermächtnis angefallen (§ 2176 BGB) mit der Folge der Entstehung der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs.1 Nr.1, § 9 Abs.1 Nr.1, § 20 Abs.1 ErbStG 1974).
2. Die Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin führt zu einer Erhöhung des Werts der Geschäftsanteile der Klägerin. Erbschaftsteuerrechtlich ist darin jedoch entgegen der Auffassung der Revision kein von der Klägerin geleistetes Entgelt zu sehen, das den der Klägerin durch Übertragung der Grundstücke zugewendeten Vermögensvorteil aufhebt oder deren bei der Bemessung der Erbschaftssteuer zu berücksichtigende Bereicherung (§ 10 ErbStG 1974) mindert. Empfänger der einer GmbH gemachten Zuwendung ist die GmbH selbst, denn das Gesellschaftsvermögen ist Vermögen der GmbH. Sie wird durch die Zuwendung bereichert (so für die freigebige Zuwendung unter Lebenden Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, BFHE 179, 157, BStBl II 1996, 160). Unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden oder Erwerbe von Todes wegen, bei denen eine die GmbH oder eine andere juristische Person Empfänger ist, sind daher erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich bei dieser und nicht etwa bei den Gesellschaftern zu erfassen. Die durch die Zuwendung eines Vermögensvorteils an die GmbH bewirkte Erhöhung des Werts ihrer Geschäftsanteile kann die Bereicherung der GmbH weder aufheben noch mindern. Die von der Klägerin behauptete --möglicherweise-- andere Betrachtungsweise bei anderen Steuerarten (Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer und den früheren Kapitalverkehrsteuern) kann diese erbschafts- bzw. schenkungsteuerrechtliche Beurteilung nicht in Frage stellen. Derselbe Sachverhalt kann nach den einzelnen Steuergesetzen unterschiedlich zu werten sein.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der vorliegende Sachverhalt schon deshalb nicht mit einem sog. Kaufrechtsvermächtnis vergleichbar, weil die Erhöhung des Werts der Geschäftsanteile nicht als ein die Bereicherung der GmbH minderndes Entgelt angesehen werden kann.
3. Auch das Argument der Revision, es liege, wenn schon kein "automatisches Entgelt" so doch eine die Besteuerung nach dem ErbStG ausschließende bloße Vermögensumschichtung vor, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar ist es --wie ausgeführt-- zutreffend, daß durch das der Klägerin zugewandte Vermächtnis sich der Wert der von der Alleinerbin gehaltenen Geschäftsanteile der Klägerin erhöht, der Entreicherung der Stiftung als Erbin mithin eine Bereicherung gegenübersteht. Dies ändert jedoch nichts an der Steuerpflicht des in Frage stehenden Vermächtnisses. Abzustellen ist vielmehr allein darauf, ob dem Vermächtnisnehmer ein Vermögensvorteil vom Erblasser zugewendet wird. Diese Voraussetzung aber ist im Streitfall erfüllt.
4. Der vom Senat vertretenen Auffassung zur erbschaftsteuerrechtlichen Beurteilung des Vermächtnisses im Streitfall widerspricht es auch nicht, daß die die Grundstücke übertragende Stiftung zu diesem Zeitpunkt mittelbare Alleingesellschafterin der Klägerin war.
Aufgrund des Testaments des A hatte die Klägerin nach Eintritt des Erbfalls gegen die Stiftung als Alleinerbin einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung der Grundstücke. Die von der Stiftung dann tatsächlich ausgeführte Übertragung der Grundstücke erfolgte in Erfüllung dieses Vermächtnisanspruchs. Der Klägerin stand kein gesellschaftsrechtlicher Anspruch gegen ihre mittelbare Alleingesellschafterin auf Übertragung der Grundstücke zu. Die Leistung der Stiftung (Grundstücksübertragungen) rührte nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis her; sie erfolgte nicht societatis causa, sondern ausschließlich aufgrund und in Erfüllung der letztwilligen Verfügung des Erblassers. Diese erbrechtliche Verpflichtung der Stiftung war auf Übereignung des Grundstücks auf die Klägerin gerichtet. Sie kann für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung nicht aufgrund der Stellung der Stiftung als mittelbare Alleingesellschafterin umgedeutet werden in eine Verpflichtung zur Leistung einer Gesellschaftereinlage.
Der Senat kann daher offenlassen, wie eine Zuwendung durch den Alleingesellschafter an seine Gesellschaft schenkungsteuerrechtlich zu behandeln wäre und ob dies auch für den mittelbaren Alleingesellschafter gelten würde.
Die erbschaftsteuerliche Beurteilung hat an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt anzuknüpfen. Der Erbschaftsteuerpflicht im Streitfall steht daher auch nicht entgegen, daß bei einer anderen Sachverhaltsgestaltung keine Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer angefallen wäre. Für die Entscheidung des Streitfalls ist es weiter unerheblich, ob eine durch den Erblasser zu dessen Lebzeiten erfolgte Gesellschaftereinlage der Schenkungsteuer unterlegen hätte, oder wie es schenkungsteuerrechtlich zu beurteilen wäre, wenn die Stiftung nach Ausschlagung des Vermächtnisses eine entsprechende Gesellschaftereinlage getätigt hätte. Demzufolge ist es auch unerheblich, ob eine Einbringung durch eine dem Gesellschafter "nahestehende Person" im Sinne des Ertragsteuerrechts vorliegen würde. Es ist ohne Gleichheitsverstoß zulässig, daß die Erbschaftsteuer weitergreift als die Schenkungsteuer.
5. Zutreffend hat das FG auch angenommen, daß die Klägerin von der persönlichen Steuerfreiheit der Erbin nach § 13 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1974 nicht erfaßt wird. Die Klägerin ist nicht gemeinnützig. Aufgrund der Selbständigkeit der juristischen Person auch gegenüber ihren Gesellschaftern erstreckt sich die persönliche Steuerfreiheit ihrer mittelbaren Alleingesellschafterin nicht auf sie.
Gründe, die gegen die Höhe der vom FA festgesetzten Erbschaftsteuer sprechen, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Zu Recht hat daher das FG die Klage gegen den Erbschaftsteuerbescheid als unbegründet abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 65888 |
BFH/NV 1996, 258 |
BStBl II 1996, 454 |
BFHE 180, 464 |
BFHE 1997, 464 |
BB 1996, 1546 |
BB 1996, 1546 (Leitsatz) |
BB 1996, 1754 |
DB 1996, 1555-1556 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1996, 1165-1166 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1996, 575-576 (Kurzwiedergabe) |
HFR 1996, 664-665 (Leitsatz) |
StE 1996, 480 (Kurzwiedergabe) |
WPg 1996, 592 (Leitsatz) |
StRK, R.35 (Leitsatz und Gründe) |
Information StW 1996, 543-544 (Kurzwiedergabe) |
GStB 1996, Beilage zur Nr 8 (Leitsatz) |
GmbH-Rdsch 1996, 711-712 (Leitsatz und Gründe) |
UVR 1996, 312 (Leitsatz) |
BFH/NV BFH/R 1996, 258-260 (Leitsatz und Gründe) |
Erbinfo 1996, Nr 9, 1-2 (Kurzwiedergabe) |
NJWE-FER 1997, 22 (Leitsatz und Gründe) |
ZAP, EN-Nr 680/96 (Leitsatz) |
ZEV 1996, 317-318 (Leitsatz und Gründe) |
GmbHR 1996, 711 |