Leitsatz (amtlich)
Veräußert der Sicherungsnehmer nach Eintritt der Verwertungsreife ihm zur Sicherung übereignete Gegenstände auf Grund einer Abrede mit dem Sicherungsgeber in dessen Namen, ist die Lieferung eine solche des Sicherungsnehmers auf Grund der ihm vom Sicherungsgeber verschafften Verfügungsmacht.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin, eine Teilzahlungsbank, gewährt Darlehen für unternehmerische und private Zwecke. Dabei läßt sie sich Gegenstände aus dem Vermögen der Darlehensnehmer sicherungsweise übereignen. Nach Ziff. 7 Abs. 3 der den Darlehensanträgen beigefügten Darlehensbedingungen ist sich die Klägerin für den Sicherungsfall "mit dem Darlehensnehmer darüber einig, daß die Verwertung (der Sicherheiten) im Auftrag und für Rechnung des Darlehensnehmers erfolgt".
Auf diese Weise hat die Klägerin in den Jahren 1962 bis 1967 Sicherungsgut für 1 294 472 DM "im Auftrag" der den Erwerbern namentlich benannten Darlehensnehmer (Sicherungsgeber) veräußert und diesen den Erlös gutgeschrieben. Lediglich in Höhe von zusätzlich 358 257,04 DM wickelte die Klägerin Verwertungsverkäufe im eigenen Namen ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, bei den Verwertungsgeschäften im Auftrag der Darlehensnehmer handle es sich nicht um ihr zurechenbare Umsätze; vielmehr seien die erzielten Verwertungserlöse für sie durchlaufende Posten. Sie versteuerte demgemäß in den Jahren 1962 bis 1967 lediglich die im eigenen Namen durchgeführten Verwertungsgeschäfte in Höhe von 358 257,04 DM, wobei sie den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1951) in Anspruch nahm.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer 1962 bis 1966 entsprechend den Steuererklärungen zunächst vorläufig fest (§ 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung). Nach einer im Jahre 1969 durchgeführten weiteren Betriebsprüfung vertrat es den Standpunkt, die Klägerin bewirke auch dann ihr zurechenbare steuerpflichtige Umsätze, wenn sie das Sicherungsgut im Auftrag der Darlehensnehmer veräußere. Sämtliche Verwertungsverkäufe seien dem Steuersatz 4 v. H. zu unterwerfen, da die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 nicht buchmäßig nachgewiesen seien oder nicht vorgelegen hätten.
Aufgrund dieser Feststellungen hat das Finanzamt am 21. November 1969 für die Jahre 1962 bis 1966 berichtigte und endgültige Umsatzsteuerbescheide erlassen sowie die Steuer für 1967 abweichend von der Steuererklärung erstmalig festgesetzt.
Mit der Klage hat sich die Klägerin gegen die Versteuerung der "im Auftrag" der Darlehensnehmer abgewickelten Verwertungsverkäufe gewandt: Die Umsätze seien ihr nicht zuzurechnen.
Das Finanzgericht hat die Umsatzsteuer für die Jahre 1962 bis 1967 auf insgesamt 4 581,29 DM herabgesetzt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 498 - EFG 1975, 498 -).
Das Finanzgericht hält die angefochtenen Steuerbescheide sowie die Einspruchsentscheidung für rechtswidrig, weil die Verwertungsverkäufe im Auftrag der Darlehensnehmer den steuerpflichtigen Umsätzen hinzugerechnet worden seien.
Mit der Revision rügt das Finanzamt Verletzung des § 3 Abs. 1 UStG 1951 und des § 5 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Es ist der Ansicht, die Verwertung des Sicherungsgutes im Auftrag der Darlehensnehmer widerspreche den wirtschaftlichen Gegebenheiten: Das Handeln in fremdem Namen erfolge zum Schein und sei unbeachtlich. Ein Sicherungseigentümer könne nicht sein Eigentum übertragen und gleichzeitig in fremdem Namen dem Erwerber Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschaffen. Die Klägerin handle für eigene Rechnung, weil sie mit dem Verwertungserlös ihre eigenen Ansprüche gegen die Darlehensnehmer abdecke.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bringt vor, die Verwertung im Auftrag der Darlehensnehmer diene der Pflege des Geschäftsklimas und sei eine bloße Hilfestellung für die Sicherungsgeber; sie verzichte dabei konkludent auf ihr Verwertungsrecht als Sicherungeigentümerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Finanzamts ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Verwertung eines sicherungshalber übereigneten Gegenstandes durch Veräußerung an Dritte ist auch dann eine Lieferung der Sicherungsnehmerin, wenn sie die Verwertung im Namen des Sicherungsgebers durchführt. Die Feststellungen des Finanzgerichts reichen jedoch nicht aus, die Voraussetzungen der Steuerermäßigung gemäß § 7 Abs. 3 UStG 1951 abschließend zu prüfen.
1. Mit der Übereignung beweglicher Gegenstände zu Sicherungszwecken unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) führt der Sicherungsgeber noch keine Lieferung gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1951 aus. Zur Lieferung wird der Übereignungsvorgang erst, wenn der Gläubiger das Sicherungsgut mit dem Ziel seiner Befriedigung im eigenen Namen an Dritte veräußert (Urteil vom 20. Juli 1978 V R 2/75, BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, Umsatzsteuer-Rundschau 1979 S. 7 - UStR 1979, 7 -). Die Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Gläubiger im eigenen Namen ist jedoch nur eine Art der Verwertung. So können die Parteien des Sicherungsverhältnisses auch vereinbaren, daß das Sicherungsgut vom Sicherungsgeber, und zwar im eigenen oder im Namen des Sicherungsnehmers, verwertet werden soll (vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. III 1970, § 38 II 5).
Im vorliegenden Fall sehen die von der Klägerin mit den Darlehensnehmern getroffenen Vereinbarungen eine hiervon abweichende weitere Art der Verwertung des Sicherungsgutes vor. Es soll "im Auftrag und für Rechnung des Darlehensnehmers" verwertet werden. Diese Art der Verwertung ist aus den nachstehenden Gründen umsatzsteuerrechtlich nicht anders zu beurteilen als die Verwertung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer im eigenen Namen. Auch dabei kommt es zu zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG 1951).
a) Durch die Sicherungsübereignung erhält der Sicherungsnehmer kein ungebundenes Eigentum am Sicherungsgut. Sinn und Zweck der Sicherungsübereignung ist, dem Sicherungsnehmer für den Fall der Nichterfüllung seiner Forderungen die Befriedigung aus dem Sicherungsgut zu gewährleisten. Sicherungseigentum verkörpert danach eine Verwertungsbefugnis. Inhalt dieser Verwertungsbefugnis ist, falls nicht zusätzliche Abreden über eine Nutzungsbefugnis getroffen worden sind, allein das Veräußerungsrecht. Es entsteht mit dem Eintritt der Verwertungsreife (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1979 VIII ZR 298/78, Wertpapier-Mitteilungen 1979 S. 1326). Verwertet der Sicherungsnehmer in Ausübung seines Veräußerungsrechts das Sicherungsgut, vollendet sich der mit der Sicherungsübereignung eingeleitete Liefervorgang. Die Sicherungsübereignung bereitet die Lieferung des Sicherungsgutes vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer zunächst nur vor; jedoch hat der Sicherungsgeber mit der Übertragung des Sicherungseigentums von seiner Seite aus alles getan, um dem Sicherungsnehmer nach Eintritt der Verwertungsreife Substanz, Wert und Ertrag des Sicherungsgutes zuzuwenden und dessen Verwertung durch Veräußerung auf Grund eigener mit der Verwertungsreife verbundener Verfügungsberechtigung zu ermöglichen. Es liegt allein in der Entscheidungsbefugnis des Sicherungsnehmers, nach Eintritt der Verwertungsreife das Sicherungsgut in diesem Sinne an sich zu ziehen (vgl. BFHE 126, 84, Abschn. 2c der Gründe mit Anm. Weiß, UStR 1979, 7, sowie Weiß, UStR 1980, 76). Die Sicherungsübereignung wird damit ohne weiteres Zutun des Sicherungsgebers umsatzsteuerrechtlich zur Lieferung (§ 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 UStG 1951).
Diese Rechtswirkungen treten im Verhältnis des Sicherungsgebers zum Sicherungsnehmer unabhängig davon ein, ob der Sicherungsnehmer seine Verwertungsbefugnis durch Veräußerung des Sicherungsgutes im eigenen Namen oder im Namen des Sicherungsgebers verwirklicht. Denn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs bleibt derselbe. Der Sicherungsnehmer macht in beiden Fällen von seiner Verwertungsbefugnis Gebrauch. Veräußert er das Sicherungsgut im Namen des Sicherungsgebers, ist dies nicht Ausdruck eines beim Sicherungsgeber verbliebenen Verwertungsrechtes und folglich einer im Vergleich zum Regelfall der Verwertung im eigenen Namen schwächeren Rechtsstellung des Sicherungsnehmers; vielmehr läßt eine derartige Sicherungsabrede in besonderer Weise ein wirtschaftliches Übergewicht des Sicherungsnehmers erkennen: Durch die Verwertung im Namen des Sicherungsgebers erreicht er, daß ihm zwar der Erlös aus dem Verwertungsgeschäft - soweit zum Ausgleich der Forderungen benötigt - zugute kommt, etwaige Gewährleistungsansprüche aber nicht ihn, sondern den Sicherungsgeber belasten.
b) Auch im Verhältnis zu den Erwerbern des Sicherungsgutes ist ohne Bedeutung, in wessen Namen der Sicherungsnehmer bei der Verwertung der Gegenstände auftritt. Der Sicherungsnehmer handelt in jedem Falle als dinglich Berechtigter und in Ausübung seines eigenen Verwertungsrechts. Zu keinem Zeitpunkt gibt er diese rechtlichen Positionen zugunsten der Sicherungsgeber auf. Umgekehrt sind die Sicherungsgeber im Zeitpunkt der Verwertung rechtlich nicht in der Lage, über die wirtschaftliche Substanz der sicherungsübereigneten Gegenstände Verfügungen zu treffen. Trotz des scheinbar gegenteiligen Eindrucks, den ein Auftreten des Sicherungsnehmers im Namen der Sicherungsgeber erweckt, können sie auf seine Verwertungsbefugnis nicht einwirken. Allein der Sicherungsnehmer bestimmt, zu welchem Zeitpunkt, an welchen Erwerber und zu welchem Preis das Sicherungsgut veräußert werden soll.
Handelt der Sicherungsnehmer im Namen des Sicherungsgebers, wirkt das obligatorische Veräußerungsgeschäft zwar für und gegen diesen (§ 164 Abs. 1 BGB). Doch auch der Sicherungsnehmer wird durch ein derartiges Geschäft rechtlich gebunden, das ihm gehörende Sicherungsgut den Erwerbern auszuhändigen und ihnen den Eigentumserwerb zu ermöglichen. Der Sicherungsnehmer verstieße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er als Eigentümer des Sicherungsgutes im Namen des dinglich nicht berechtigten Sicherungsgebers Kaufverträge über die Gegenstände abschlösse, die Durchführung dieser Verträge aber verhinderte, indem er die dazu gemäß § 185 Abs. 1 BGB erforderliche Zustimmung verweigerte.
Angesichts dieser Rechtslage sind Verwertungsgeschäfte, die der Sicherungsnehmer hinsichtlich des Sicherungsgutes im Namen des Sicherungsgebers tätigt, umsatzsteuerrechtlich keine Agenturgeschäfte; die damit verbundenen Lieferungen sind vielmehr den Sicherungsnehmern zuzurechnen. Derjenige, der auf Grund eigener Verfügungsbefugnis einen Gegenstand gegen Entgelt einem Erwerber überläßt, kann jedenfalls dann nicht durch Handeln in deren Namen eine andere Person zum Träger des Umsatzes machen, wenn diese dem Erwerber nicht die Berechtigung über die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes verschaffen kann und soll. Die hier gegebene Lage ist wirtschaftlich mit der des Reihengeschäftes (§ 3 Abs. 2 UStDB 1951 = § 3 Abs. 2 UStG 1967) nicht vergleichbar.
2. Demzufolge sind die sicherungsübereigneten Gegenstände trotz der Sicherungsabrede, wonach die Klägerin das Sicherungsgut im Namen der Sicherungsgeber verwerten sollte, zunächst von diesen an die Klägerin und sodann von der Klägerin an die Erwerber geliefert worden.
Die Klägerin hat für diese Lieferungen auch ein Entgelt erhalten. Entgegen dem Wortlaut der Sicherungsabrede, wonach die Verwertung im Auftrage und für Rechnung der Sicherungsgeber geschehen sollte, hat die Klägerin für eigene Rechnung gehandelt. Denn sie beabsichtigte, den erzielten Erlös zur völligen oder teilweisen Deckung ihrer Forderungen gegen die Sicherungsgeber zu verwenden. Sie ist damit zum eigenen Nutzen tätig geworden. Die erzielten Erlöse sind somit Entgelt (§ 10 UStDB 1951) und keine durchlaufenden Posten im Sinne des § 5 Abs. 3 UStG 1951 (vgl. Wilke, UStR 1971, 193 [196]).
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Aufgrund der Feststellungen des Finanzgerichts läßt sich nicht beurteilen, mit welchem Steuersatz die Klägerin die von ihr nicht erfaßten Verwertungsumsätze zu versteuern hat. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 UStG 1951 ermäßigt sich bei Lieferungen im Großhandel - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - die Steuer auf 1 v. H., soweit der Unternehmer die Gegenstände erworben und weder bearbeitet noch verarbeitet hat. Die Voraussetzungen der Steuerermäßigung sind buchmäßig nachzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1980, 673 |
BFHE 1981, 120 |
NJW 1980, 2728 |
ZIP 1980, 791 |