Leitsatz (amtlich)
1. Öffentliche Zuschüsse zur Liquiditätsstärkung eines Betriebs z.B. nach § 44 StBauFG sind als Betriebseinnahmen bei der steuerlichen Gewinnermittlung zu erfassen, wenn nicht besondere Vorschriften die Befreiung von der Einkommensteuer vorsehen.
2. Die Besteuerung dieser Zuschüsse widerspricht weder der Systematik noch den Wertungen des EStG; ein Steuererlaß wegen sachlicher Unbilligkeit ist deshalb nicht gerechtfertigt.
Orientierungssatz
1. Aus sachlichen Gründen kann ein Steuererlaß gewährt werden, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (vgl. BFH-Rechtsprechung und BVerwG-Rechtsprechung).
2. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach nur die im Betrieb erwirtschafteten Einnahmen steuerlich erfaßt werden. Für einen derartigen Grundsatz enthält § 4 EStG keinen Anhaltspunkt. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG erhöhen Zugänge in Geld oder Geldeswert, die das Betriebsvermögen vermehren, als Betriebseinnahmen den Gewinn. Entscheidend ist nicht, daß die Zugänge im Betrieb erwirtschaftet worden sind, sondern allein, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind (vgl. BFH-Urteil vom 21.11.1963 IV 345/61 S).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 1; AO 1977 § 227 Abs. 1; StBauFG § 44; EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau betrieben in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft einen Baustoffhandel. Der Kläger war der einzige Komplementär, seine Ehefrau die einzige Kommanditistin. Der Betrieb wurde bis zum Frühjahr 1974 in der Innenstadt von A, und zwar in einem Sanierungsgebiet, betrieben. Auf Veranlassung und mit Förderung der Stadt A verlegten der Kläger und seine Ehefrau den Betrieb nach außerhalb des Innenstadtbereichs von A.
Da der Kläger um weitere finanzielle Hilfe zu der Verlegung gebeten hatte, ließ die Stadt A im Jahre 1974 durch einen Wirtschaftsprüfer ein Gutachten über die voraussichtlichen Auswirkungen der Betriebsverlegung erstellen. Der Wirtschaftsprüfer kam in dem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Betrieb, verursacht durch die mit der Verlegung einhergehende Ausweitung des Betriebs, weiteres Eigenkapital benötige, um in Zukunft keine Verluste zu erwirtschaften. Der Gutachter schlug vor, einen "Investitionszuschuß" in Höhe von X DM sowie Zinszuschüsse zu gewähren. Die Stadt A bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau daraufhin im Jahre 1974 auf der Grundlage des § 44 des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) weitere Sanierungsmittel, und zwar neben Zinszuschüssen in Höhe von insgesamt Y DM einen einmaligen Zuschuß in Höhe von X DM "zur Minderung des Kontokorrentkredits und zur Liquiditätsstärkung des Gewerbebetriebs".
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) kam im Anschluß an eine Betriebsprüfung zu der Auffassung, der dem Kläger und seiner Ehefrau gewährte Zuschuß zur Minderung des Kontokorrentkredits und zur Liquiditätsstärkung erhöhe den laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb der Gesellschaft. Den gegen den danach erlassenen Gewinnfeststellungsbescheid eingelegten Einspruch nahm der Kläger zurück.
Darauf beantragte der Kläger, die auf den Zuschußbetrag von X DM entfallende Einkommensteuer, die Stabilitätsabgabe und die Ergänzungsabgabe im Billigkeitswege zu erlassen. Zur Begründung führte der Kläger aus, es widerspreche dem Zweck des durch die öffentliche Hand geleisteten Zuschusses, wenn ihm der Zuschuß durch Steuern in Höhe von mehr als 65 v.H. des Zuschußbetrages wieder entzogen werde und insoweit nicht dem Betrieb zugeführt werden könne. Die Belastung des Zuschusses mit Steuern sei somit sachlich unbillig. Das FA lehnte den Erlaß ab. Die Beschwerde blieb erfolglos.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß die ertragsteuerliche Erfassung des dem Kläger und seiner Ehefrau gewährten Zuschusses sowohl gegen den mit dem Zuschuß verfolgten Zweck als auch gegen Wertungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) verstoße. Das Ermessen nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) für einen Billigkeitserlaß sei auf null reduziert, so daß das FA verpflichtet sei, die auf den Zuschuß entfallende Steuer zu erlassen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er macht geltend, die Auffassung des FG, daß nur die im Betrieb erwirtschafteten Vermögensmehrungen der Besteuerung zu unterwerfen seien, finde im Gesetz keine Stütze. Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln, die dem Steuerpflichtigen zur Verwendung im Rahmen des Betriebs zuflössen, seien grundsätzlich Betriebseinnahmen im Sinne der Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung. Ausnahmen, wie sie im Investitionszulagengesetz (InvZulG) oder auch bei der von der Rechtsprechung entwickelten Rücklage für Ersatzbeschaffung vorgesehen seien, seien nicht zu verallgemeinern.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FA kann nicht verpflichtet werden, für das Streitjahr die Einkommensteuer, den Stabilitätszuschlag und die Ergänzungsabgabe insoweit zu erlassen, als sie darauf beruhen, daß im Gewinn aus Gewerbebetrieb der öffentliche Zuschuß zur Minderung des Kontokorrentkredits und zur Liquiditätsstärkung in Höhe von X DM erfaßt wurde.
1. Nach § 227 Abs.1 AO 1977 können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. Es kann offenbleiben, ob das FG das FA auf Grund dieser Ermessensvorschrift überhaupt zum Erlaß des gesamten Steuerbetrages verpflichten durfte oder ob es sich darauf beschränken mußte, lediglich über eine Verpflichtung zum Erlaß eines erneuten Bescheides zu entscheiden. Es liegen bereits die Voraussetzungen für die Anwendung des § 227 Abs.1 AO 1977 nicht vor.
2. Ein Steuererlaß nach dieser Bestimmung kann aus persönlichen oder sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein. Da persönliche Billigkeitsgründe, die sich aus den persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen, Verhältnissen des Klägers ergeben, hier nicht geltend gemacht werden, kommen nur sachliche Billigkeitsgründe in Betracht. Aus sachlichen Gründen kann ein Steuererlaß gewährt werden, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.März 1969 II R 123/68, BFHE 96, 283, BStBl II 1969, 602; vom 9.Februar 1972 II R 99/70, BFHE 105, 172, BStBl II 1972, 503; vom 25.Juli 1972 VIII R 59/68, BFHE 106, 486, BStBl II 1972, 918; vom 11.März 1976 VIII R 93/72, BFHE 118, 420, BStBl II 1976, 394; vom 24.September 1976 I R 41/75, BFHE 120, 212, BStBl II 1977, 127; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 29.September 1982 8 C 49/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1984, 302). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
3. Der öffentliche Zuschuß, um dessen Erfassung durch die Einkommensteuer es geht, ist dem Kläger auf Grund von § 44 StBauFG gewährt worden. Die einkommensteuerliche Erfassung dieses Zuschusses widerspricht nicht den Wertungen, die in den früheren steuerlichen Vorschriften des StBauFG zum Ausdruck kommen.
a) Das im Streitjahr geltende StBauFG enthielt in den §§ 76 ff. eine Reihe von abgaben- und steuerrechtlichen Vorschriften, die Steuerbefreiungen und Steuererlasse für bestimmte unter das Gesetz fallende Vorgänge vorsehen. Über die Zuschüsse nach § 44 StBauFG finden sich dort keine Regelungen. Das deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber diese Zuschüsse nicht von der Steuer freistellen, sondern den Steuergesetzen unterwerfen wollte.
b) Hierfür spricht ebenfalls, daß im Regelfall nach § 44 StBauFG Zuschüsse für Investitionskosten gewährt werden, die durch die Umsiedlung eines Gewerbebetriebs erforderlich werden (vgl. Hans, Städtebauförderungsgesetz, § 44 Anm.II). So bestimmt Nr.28 Punkt 4 der allerdings erst nach dem Streitjahr erlassenen Verwaltungsvorschrift über den Einsatz von Förderungsmitteln nach dem StBauFG vom 14.Februar 1975 i.d.F. vom 14.März 1979 (Beilage zum Bundesanzeiger --BAnz-- Nr.57 vom 22.März 1979, S.9), daß Aufwendungen gefördert werden, die "vor der Vornahme der Investition" als förderungswürdig anerkannt werden. Für zweckgebundene öffentliche und private Zuschüsse zu Investitionen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (ebenso Abschn.34 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--) grundsätzlich ein Wahlrecht. Der Steuerpflichtige kann die Zuschüsse erfolgswirksam als Betriebseinnahmen ansetzen; in diesem Fall werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betreffenden Wirtschaftsgüter durch die Zuschüsse nicht berührt. Er kann die Zuschüsse aber auch erfolgsneutral behandeln, indem er sie nicht als Betriebseinnahmen ansetzt. Dann müssen aber gleichzeitig die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der mit Hilfe der Zuschüsse angeschafften oder hergestellten Anlagegüter entsprechend niedriger angesetzt werden, was zu geringeren Abschreibungen führt (z.B. BFH-Urteile vom 17.Oktober 1961 I 283/60 S, BFHE 73, 823, BStBl III 1961, 566; vom 4.November 1965 IV 228/63 U, BFHE 84, 459, BStBl III 1966, 167; vom 12.März 1969 I 97/65, BFHE 95, 178, BStBl II 1969, 381; vom 29.April 1982 IV R 177/78, BFHE 136, 90, BStBl II 1982, 591). In beiden Fällen haben die Zuschüsse zu den Investitionen also steuerliche Auswirkungen. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese steuerliche Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers auch für die Aufwendungszuschüsse für Investitionen nach § 44 StBauFG gelten soll (Klemm, Der Betrieb --DB-- 1987, 959). Deshalb ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Zuschüsse nach § 44 StBauFG steuerlich völlig ohne Folgen lassen wollte.
c) Eine andere Sicht ergibt sich im Streitfall nicht daraus, daß die dem Kläger und seiner Ehefrau nach § 44 StBauFG gewährten Zuschüsse nicht für Investitionen zweckgebunden waren, sondern allgemein zur Liquiditätsstärkung (einschließlich der Verminderung des Kontokorrentkredits) des Unternehmens der Kommanditgesellschaft bestimmt waren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob derartige Zuschüsse nach § 44 StBauFG überhaupt zulässig waren. Zwar lassen sich auf Zuschüsse zur Liquiditätsstärkung die genannten steuerlichen Grundsätze für Investitionszuschüsse nicht übertragen. Das erlaubt aber nicht die Annahme, daß die zur Liquiditätsstärkung gewährten Zuschüsse anders als die Investitionszuschüsse keine steuerlichen Auswirkungen haben sollen.
Die Auffassung des FG, daß es dem Zweck eines solchen Zuschusses widerspreche, wenn der Zuschuß zu einem großen Teil "weggesteuert" würde, geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Besteuert wird nach § 2 Abs.2 Nr.1 EStG nicht der Zuschuß, sondern der Gewinn, der nach § 4 Abs.1 EStG durch einen Betriebsvermögensvergleich am Schluß der Wirtschaftsjahre zu ermitteln ist. Dabei wirkt sich der Zuschuß zwar auf den Gewinn aus, wenn er zu den Betriebseinnahmen gezählt wird. Es kommt aber zu keiner oder nur zu einer geringen Besteuerung des Zuschusses, wenn insgesamt kein oder nur ein geringer Gewinn gemacht worden ist. Verhindert wird in einem solchen Fall lediglich, daß der durch den öffentlichen Zuschuß abgedeckte Verlust im Wege des Verlustabzugs nach § 10d EStG noch zusätzlich zu dem Zuschuß zu Steuererstattungen für Vorjahre oder Steuervorteilen für Folgejahre führt. Der Zuschuß wird also nur dann zu einem großen Teil "weggesteuert", wenn er zusammen mit den anderen erfolgswirksamen Einnahmen zu so hohen Gewinnen führt, daß daraus Steuern bezahlt werden müssen, die einen großen Teil des Zuschusses ausmachen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es im Hinblick auf den Zweck des StBauFG und den Zweck des Zuschusses zur Liquiditätsstärkung nicht als unbillig, jemanden, der solche Gewinne mit Hilfe eines öffentlichen Zuschusses erzielt hat, ebenso zu besteuern, wie jemanden, der einen gleich hohen Gewinn ohne derartige Zuschüsse gemacht hat. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, daß der Liquiditätszuschuß an den Kläger und seine Ehefrau letztlich nicht zweckgebunden war. Der Kläger und seine Ehefrau hätten daraus demgemäß sogar ganz oder teilweise private Ausgaben bestreiten können.
Ebenso kann nicht der Argumentation des Klägers gefolgt werden, daß die Gemeinde zur Erreichung des nach dem StBauFG beabsichtigten Zwecks einen weit mehr als doppelt so hohen Zuschuß hätte leisten müssen, wenn sie die "Wegsteuerung" vorausgesehen hätte. Da der Gewinn erst nachträglich ermittelt wird, kann seine Höhe vielmehr unter Umständen gerade zeigen, daß der Zuschuß trotz seiner steuerlichen Auswirkungen nicht zu gering bemessen war.
4. Aus diesen Gründen verstößt die gewinnerhöhende Wirkung des Zuschusses entgegen der Auffassung des FG ferner nicht gegen die Wertungen und die Systematik des EStG. Nach § 4 Abs.1 EStG ist Gewinn der Unterschied zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Demgemäß erhöhen alle das Betriebsvermögen erhöhenden Wertzuflüsse den Gewinn und sind daher Betriebseinnahmen, sofern es sich nicht um Einlagen handelt.
a) Folglich müssen in der Regel auch betrieblich veranlaßte öffentliche Zuschüsse den Betriebseinnahmen zugeordnet werden, soweit nicht Besonderheiten gelten. Daß öffentliche Zuschüsse nicht allgemein steuerneutral bleiben können, zeigt schon die oben genannte Rechtsprechung zur Behandlung der Investitionszuschüsse.
Im Schrifttum ist allerdings versucht worden, als Kapitalhilfen (z.B. als Strukturhilfen und Investitionszulagen) gewährte öffentliche Zuschüsse von ihrer Zweckrichtung her allgemein von der steuerlichen Erfassung auszunehmen (Felix, DB 1976, 740). Diese Auffassung findet im EStG und den zugrunde liegenden Wertungen des Gesetzgebers keine Grundlage. Die Regelungen zu § 19 Abs.4 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG), § 5 Abs.2 InvZulG, § 32 Abs.6 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15.Mai 1968 (BGBl I 1968, 365) und § 4 Abs.1 des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie vom 22.Dezember 1981 --InvZulEStahlG-- (BGBl I 1981, 1557), die bestimmte öffentliche Zulagen von der Steuerpflicht freistellen, lassen sich nicht zur Stützung heranziehen. Dieser Regelungen hätte es nicht bedurft, wenn derartige Subventionen bereits nach allgemeinen Grundsätzen unbesteuert blieben (Urteil des BFH vom 3.Juli 1986 IV R 109/84, BFHE 147, 157, BStBl II 1986, 806). Die genannten Bestimmungen haben für die von ihnen gewährten Steuerbefreiungen daher konstitutive und nicht nur deklaratorische Bedeutung. Sie sind erforderlich, weil im Regelfall öffentliche Zuschüsse nach den allgemeinen Grundsätzen der Gewinnermittlung dem betrieblichen Einkommen zugerechnet werden und daher nicht steuerfrei sind (vgl. den Überblick über die umfangreiche Praxis bei Felix, DB 1976, 740, und Groh, Betriebs-Berater --BB-- 1973, 742; vgl. ferner Prang, DB 1984, 582, und zu Einzelfällen der steuerlichen Erfassung öffentlicher Zuschüsse Urteil in BFHE 147, 157, BStBl II 1986, 806, und BMF-Schreiben vom 17.September 1985, Deutsche Steuerzeitung --DStZ-- 1985, Beilage 1, S.1).
b) Die steuerrechtliche Beurteilung, daß Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln an Unternehmen zu den Betriebseinnahmen gehören, stimmt mit der überwiegend im Schrifttum vertretenen handelsrechtlichen Beurteilung überein (vgl. Fachgutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer HFA 1/1984, Die Wirtschaftsprüfung --Wpg-- 1984, 612; Groh, BB 1973, 742; Ewertowski, BB 1984, 1015; Bauer, BB 1985, 161). Zum Teil wird es allerdings als sachgerecht angesehen, eine sofortige vollständige erfolgswirksame Vereinnahmung dadurch zu vermeiden, daß auf der Passivseite ein erst in mehreren Jahren aufzulösender Rechnungsabgrenzungsposten oder eine Rückstellung gebildet werden (vgl. Fachgutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Wpg 1984, 612; Tubbesing, Wpg 1967, 203; Schulte-Groß, Wpg 1971, 155). Es kann offenbleiben, ob und inwieweit solche Lösungen auch auf das Steuerrecht übertragbar sind. Im Streitfall kam die Passivierung einer Rückstellung offensichtlich nicht in Betracht, weil nicht dargetan ist, daß die KG zu irgendwelchen künftigen Leistungen verpflichtet war. Ebenso war die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens schon deshalb nicht möglich, weil der Zuschuß nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit künftigem Aufwand stand und deshalb nicht als Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag zu werten war. Der Zuschuß sollte die Liquidität der KG stärken und verhindern, daß diese einen zu hohen Kontokorrentkredit in Anspruch nehmen mußte. Diese Hilfe mag sich zwar evtl. auch noch auf spätere Jahre auswirken. Primär ging es aber um eine Soforthilfe zur Milderung der finanziellen Lasten der Betriebsverlegung. Deshalb ist es folgerichtig, daß diese Liquiditätshilfe sofort im Wirtschaftsjahr ihrer Gewährung erfolgswirksam in der Bilanz ihren Niederschlag findet.
c) Die hiervon abweichende Auffassung des FG verkennt, daß mit dem Zuschuß Betriebsausgaben finanziert worden sind; es sei denn, er wäre für Privatausgaben verwendet worden. Der Zuschuß war zwar nicht zur Förderung bestimmter Betriebsausgaben zweckgebunden, sondern es ging letztlich darum, eine zu hohe Zinsbelastung aus Fremdmitteln zu vermeiden. Diese Fremdmittel, die durch den Zuschuß ersetzt worden sind, waren aber zur Finanzierung des betrieblichen Aufwands erforderlich. Diesen betrieblichen Aufwand hat der Kläger als Betriebsausgaben abgesetzt. Wenn dementsprechend andererseits der zur Finanzierung gewährte Zuschuß als Betriebseinnahme erfaßt wird, wirkt sich der gesamte Vorgang im Ergebnis nur erfolgsneutral aus, worauf der dem Verfahren beigetretene BMF mit Recht hinweist. Dagegen würde der Abzug des vollen Aufwands als Betriebsausgaben einerseits und die steuerliche Nichterfassung der zur Finanzierung des Aufwands eingesetzten öffentlichen Zuschüsse andererseits zu einer "Überförderung" führen. Ein solches Ergebnis läßt sich nur rechtfertigen, wenn es vom Gesetzgeber wie in § 19 BerlinFG, § 5 Abs.2 InvZulG, § 32 Abs.6 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete und in § 4 Abs.1 InvZulEStahlG wegen der besonderen Zweckrichtung dieser Gesetze besonders angeordnet worden ist. Darüber hinaus kann nicht angenommen werden, daß ein solches Ergebnis dem Willen des Gesetzgebers entspricht.
Wegen ihrer besonderen Zielrichtung zwingen die genannten Spezialregelungen entgegen der Auffassung des FG nach dem Gleichheitsgrundsatz des Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) auch nicht dazu, sie auf alle öffentlichen Zuschüsse auszudehnen.
d) Aus vorstehenden Erwägungen folgt ferner, daß es keinen allgemeinen Grundsatz geben kann, wonach nur die im Betrieb erwirtschafteten Einnahmen steuerlich erfaßt werden. Für einen derartigen Grundsatz enthält § 4 EStG keinen Anhaltspunkt. Nach Abs.1 dieser Vorschrift ist der Gewinn im Streitfall vielmehr durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. Zugänge in Geld oder Geldeswert, die das Betriebsvermögen vermehren, erhöhen daher als Betriebseinnahmen den Gewinn. Entscheidend ist deshalb nicht, daß die Zugänge im Betrieb erwirtschaftet worden sind, sondern allein, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind (vgl. Urteil des BFH vom 21.November 1963 IV 345/61 S, BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183). Neben öffentlichen Zuschüssen werden daher z.B. auch private unentgeltliche Zuwendungen steuerlich erfaßt, wenn sie betrieblich veranlaßt sind (BFH a.a.O.; Schmidt/Heinicke, EStG § 4 Anm.89 Stichworte "Unentgeltliche Zuwendungen" und "Zuschüsse, Zulagen"; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 4 Tz.230). Der vom FG vorgenommene Vergleich des dem Kläger und seiner Ehefrau gewährten Zuschusses mit einer etwaigen dem Kläger und seiner Ehefrau von privater Seite gemachten Schenkung unter der Auflage, das Geld in den Betrieb einzulegen, geht daher fehl. Da die betriebliche Veranlassung des Zuschusses nicht zweifelhaft sein kann, wäre allenfalls ein Vergleich mit einer betrieblich veranlaßten privaten Schenkung möglich, die ebenfalls von der Einkommensteuer erfaßt würde. Die Tatsache, daß der Zuschuß nicht der Kommanditgesellschaft sondern dem Kläger und seiner Ehefrau gewährt worden ist, ändert nichts an der betrieblichen Veranlassung. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß eine private Schenkung noch der Schenkungsteuer unterliegen würde und schon deswegen nicht mit einem öffentlichen Zuschuß vergleichbar ist.
e) Ebenso ist es verfehlt, wenn das FG zur Begründung der Steuerfreiheit des dem Kläger und seiner Ehefrau gewährten öffentlichen Zuschusses auf die von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH entwickelten Grundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung zurückgreift. Bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung geht es um die Gegenleistung für ein Wirtschaftsgut, das infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Um die Gegenleistung voll für die Ersatzbeschaffung verwenden zu können, wird eine Realisierung des Gewinns vermieden, der möglicherweise darin liegt, daß die Gegenleistung den Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes übersteigt (vgl. u.a. Urteile des BFH vom 24.Mai 1973 IV R 23-24/68, BFHE 109, 230, BStBl II 1973, 582; vom 15.Mai 1975 IV R 138/70, BFHE 116, 122, BStBl II 1975, 692; vom 11.Dezember 1984 IX R 27/82, BFHE 143, 46, BStBl II 1985, 250). Die Gewinnrealisierung wird dabei nur für die Ersatzbeschaffung nicht aber allgemein etwa für eine anschließende Entnahme oder den Verkauf des wiederbeschafften Wirtschaftsgutes vermieden. Die Interessenlage ist daher völlig anders als bei der Frage, ob öffentliche Zuschüsse zur Kapital- oder Liquiditätshilfe allgemein steuerfrei sein können. Im übrigen ist die Möglichkeit zur Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach der Rechtsprechung des BFH auf enge Ausnahmefälle beschränkt (Urteile in BFHE 109, 230, BStBl II 1973, 582, und in BFHE 116, 122, BStBl II 1975, 692). Schon aus diesem Grunde lassen sich daraus keine allgemeinen Rückschlüsse für ganz anders gelagerte Fälle ziehen. Im Streitfall muß es daher bei dem Grundsatz bleiben, daß sich Zuschüsse, wie sie der Kläger und seine Ehefrau erhalten haben, steuerlich gewinnerhöhend auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 61775 |
BStBl II 1988, 324 |
BFHE 151, 373 |
BFHE 1988, 373 |