Leitsatz (amtlich)
Sind Grund und/oder Höhe eines auf einen von mehreren Gesellschaftern einer OHG entfallenden Veräußerungsgewinn streitig, so hat das FG die Mitgesellschafter im Steuerprozeß des betroffenen Gesellschafters beizuladen, soweit diese zur Geschäftsführung befugt sind.
Normenkette
FGO §§ 48, 60
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin war seit 1946 an der X-OHG beteiligt. Gesellschafter waren die Erben des im Jahre 1930 verstorbenen früheren Geschäftsinhabers, und zwar die überlebende Ehefrau und seine drei Kinder, darunter die Revisionsklägerin. Zum 31. Dezember 1954 wurde die Gesellschaft in der Weise aufgelöst, daß der einzige Sohn das Geschäft übernahm und die Mutter und seine beiden Schwestern aus der Gesellschaft ausschieden. Die Mutter und die Schwester der Revisionsklägerin erhielten im wesentlichen nur ihr Kapitalkonto ausgezahlt, während hinsichtlich der Revisionsklägerin selbst Streit darüber besteht, ob sie wesentlich mehr als das Kapitalkonto erhalten hat und deshalb ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn vorliegt.
Entscheidungsgründe
Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) war daher auch der von der Revisionsklägerin erzielte Veräußerungsgewinn dem Grunde und der Höhe nach streitig. Es handelt sich um eine Streitfrage nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, für die die Revisionsklägerin als persönlich Betroffene selbst rechtsmittelbefugt gewesen ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – III 25/65 U vom 30. April 1965, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 82 S. 603 – BFH 82, 603 –, BStBl III 1965, 464, und IV R 281/66 vom 15. November 1967, BFH 90, 428, BStBl II 1968, 122) kann aber auch der geschäftsführende Gesellschafter einer Personengesellschaft (als Repräsentant der OHG) ein Rechtsmittel einlegen. Im Streitfall kann jedoch dahingestellt bleiben, ob sich schon aus der Rechtsmittelbefugnis des oder der geschäftsführenden Gesellschafter allein die Notwendigkeit ergibt, sie beizuladen, auch wenn der Ausgang des Rechtsstreits für die Gesellschafter selbst ohne Bedeutung sein sollte (vgl. § 60 Abs. 1 FGO). Im Streitfall ist aber die Beiladung schon deshalb notwendig, weil die Mitgesellschafter als Dritte am streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs. 3 FGO). Wohl geht der Streit nur um Grund und Höhe des vom FG für die Revisionsklägerin festgestellten Veräußerungsgewinns. Dieser bildet aber ebenso wie der laufende Gewinn einen untrennbaren Bestandteil des für alle Gesellschafter einheitlich festzustellenden Gesamtgewinns. Hierbei kann auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Abgrenzung zwischen laufendem Gewinn und Veräußerungsgewinn fließend ist und Streitigkeiten der Gesellschafter untereinander hierüber jedenfalls denkbar und auch im Streitfall nicht auszuschließen sind. Der notwendigen Beiladung der übrigen Gesellschafter der OHG steht auch nicht § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO entgegen, nach der diese dann entfällt, wenn die Mitberechtigten gemäß § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Mitgesellschafter nicht schon nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt sind. Sie sind es auf jeden Fall nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, weil sie alle nach § 114 Abs. 1 HGB als Gesellschafter einer OHG zur Führung der Geschäfte der OHG berechtigt und verpflichtet sind. Von dem in § 114 Abs. 2 und § 117 HGB normierten Ausschluß der Geschäftsführungsbefugnis einer oder mehrerer der Mitgesellschafter kann nach Lage der Akten jedenfalls nicht ausgegangen werden. Das FG hätte daher alle übrigen Mitgesellschafter beiladen müssen.
Da es hieran fehlt und die Vorschriften über die Beiladung zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden und unabdingbaren Grundvoraussetzungen des Verfahrens gehören (vgl. z. B. BFH-Urteil IV 258/63 vom 10. Februar 1966, BFH 85, BStBl III 1966, 423), muß das Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 514560 |
BFHE 1971, 354 |