Leitsatz (amtlich)
Die Leistung des Versicherers aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung ist beim Versicherungsnehmer auch dann eine Betriebseinnahme und kein durchlaufender Posten (Zuschuß), wenn sie der Abwendung eines Betriebsunterbrechungsschadens dient und zur Erreichung dieses Zweckes vom Versicherungsnehmer abredegemäß zur Errichtung eines Gebäudes verwendet wird.
Normenkette
EStG 1965 § 4 Abs. 3 S. 2, § 5
Tatbestand
Streitig ist die steuerrechtlich zutreffende Behandlung der Leistung des Versicherers aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung beim Versicherungsnehmer.
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) erlitt 1960 einen Brandschaden, der das erste und zweite Obergeschoß ihres Färbereigebäudes, in denen sich das Lager befand,zerstörte. Unter Berücksichtigung der gutachtlichen Feststellungen der Landesgewerbeanstalt vom 22. April 1960 ordnete die städtische Bauaufsichtsbehörde am 23. Mai 1960 den Abbruch der beiden genannten Geschosse an. Als Termin für den Abbruch wurden die Monate Juli/August 1960, äußerstens die Monate Juli/August 1961 festgesetzt. Mit Ablauf des Jahres 1961 war auch der in den beiden unteren Geschossen untergebrachte Färbereibetrieb einzustellen und das Gebäude völlig abzureißen. Bis dahin ging die Arbeit im Färbereibetrieb - mit Ausnahme der Dauer der Abbrucharbeiten an den Obergeschossen - zunächst weiter. Die Steuerpflichtige errichtete ein neues Färbereigebäude, in das sie nach seiner Fertigstellung ihre Färberei verlegte.
Neben der Brandschadenversicherung (Sachschadenversicherung) besaß die Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Brandes auch eine Betriebsunterbrechungsversicherung. Den Gegenstand dieser Versicherung definiert § 1 der Allgemeinen Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen (FBUB) wie folgt:
"Wird der Betrieb des Versicherungsnehmers infolge eines Sachschadens (§ 2) unterbrochen, so ersetzt der Versicherer nach den folgenden Bestimmungen den dadurch entstehenden Unterbrechungsschaden (§ 3)."
Sachschaden ist nach § 2 FBUB die Zerstörung, die Beschädigung oder das Abhandenkommen einer dem Betrieb dienenden Sache infolge von a) Brand, Explosion oder Blitzschlag, b) Anprall oder Absturz von Luftfahrzeugen oder Luftfahrzeugteilen, c) Löschen, Niederreißen oder Ausräumen bei einem dieser Ereignisse. Unterbrechungsschaden ist nach § 3 FBUB der entgehende Geschäftsgewinn und der Aufwand an fortlaufenden Geschäftskosten in dem versicherten Betriebe, sofern sich der Sachschaden auf einem Grundstück ereignet hat, das in der Versicherungsurkunde als Betriebsstelle bezeichnet ist. Bei Eintritt eines Unterbrechungsschadens hat der Versicherungsnehmer, soweit es ihm billigerweise zugemutet werden kann, nach § 10 Abs. 2 FBUB für die Abwendung oder Minderung des Unterbrechungsschadens zu sorgen und dabei Weisungen des Versicherers zu befolgen. Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Unterbrechungsschadens macht, fallen nach § 11 Abs. 1 FBUB dem Versicherer zur Last.
In der Schlußverhandlung zum Brand- und Betriebsunterbrechungsschaden der Steuerpflichtigen einigten sich Versicherer und Versicherungsnehmer (die Steuerpflichtige) am 21. März 1961 auf die Zahlung von 1,1 Mio DM auf den Betriebsunterbrechungsschaden. Von diesem Betrag verbuchte die Steuerpflichtige 124 135 DM, mit denen sie zusätzliche Transportkosten sowie Abbruchkosten zur Freimachung von Werksgelände für den Färbereineubau abdeckte, erfolgsneutral. Die restlichen 975 865 DM wurden von ihr als durchlaufender Posten behandelt und - neben 132 250 DM aus der Sachschadenversicherung - mit den Aufwendungen für den Färbereineubau (1 286 460 DM) verrechnet. Demgegenüber setzte der Revisionsbeklagte (das FA) die 975 865 DM dem Gewinn der Steuerpflichtigen für das Streitjahr 1961 hinzu. Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Berufung der Steuerpflichtigen führte zu einem Teilerfolg. Das FG führte in seinem in EFG 1965, 588 veröffentlichten Urteil aus, die Steuerpflichtige habe die aus der Betriebsunterbrechungsversicherung erhaltenen 975 865 DM als Betriebseinnahme des Streitjahres im Veranlagungszeitraum 1961 zu versteuern. Als Teil der Herstellungskosten des Färbereineubaus seien sie jedoch in die Grundlage für die Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) des Neubaus mit einzubeziehen.
Mit ihrer als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde läßt die Steuerpflichtige vortragen:
Die Leistungen des Versicherers seien, obwohl bei der Steuerpflichtigen gleichermaßen Betriebseinnahmen, steuerrechtlich unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob sie unmittelbar Ersatz der durch die Betriebsunterbrechung entstandenen Einnahmeausfälle oder Ersatz der auf Veranlassung des Versicherers oder mit dessen Einverständnis gemachten Aufwendungen zur Schadensminderung seien. Während sie im erstgenannten Falle erfolgswirksam zu buchen seien, seien sie im letztgenannten Falle durchlaufende Posten. Denn nach § 11 Abs. 1 FBUB fielen Aufwendungen zur Abwendung oder zur Minderung des Unterbrechungsschadens dem Versicherer zur Last. Wenn dieser zum Ausgleich seiner Last einen Zuschuß zu den Baukosten zwecks Minderung der tatsächlichen Kosten gebe, so liege beim Empfänger ein durchlaufender Posten vor, der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung dadurch zum Ausdruck komme, daß der Zuschuß von den Herstellungskosten des mit seiner Hilfe hergestellten Wirtschaftsguts abzusetzen sei (Urteil des BFH IV 82/56 U vom 16. Mai 1957, BFH 65, 282, BStBl III 1957, 342).
Entgegen der Auffassung des FA handele es sich im vorliegenden Streitfall um Zahlungen auf Grund der Bestimmungen der §§ 10 und 11 FBUB. Der Versicherer sei sich des großen Risikos bewußt gewesen, das in einer etwa notwendig werdenden Schließung des Färbereibetriebs in dem stark brandbeschädigten Gebäude lag. Der Ausfall der Färberei hätte den gesamten Produktionsablauf der Steuerpflichtigen ins Stocken bringen können, da mit dem Ausfall der Färberei die Abwicklung und Auslieferung der Garnaufträge und die Weiterbeschäftigung der Weberei unmöglich geworden wäre. Er sei daher an der schnellen Erstellung einer Ersatzanlage interessiert gewesen und habe darum auch die Anregung zu dem Färbereineubau gegeben. Ohne die Gewährung eines Zuschusses wäre aber der Steuerpflichtigen, deren Mittel für andere Investitionen hätten eingesetzt werden sollen, der Neubau nicht möglich gewesen. Sie habe deshalb mit der Vergabe der Bauarbeiten auch erst begonnen, nachdem der Versicherer seine Beteiligung an den Neubaukosten in sichere Aussicht gestellt habe. Mit der sofortigen Inangriffnahme des Neubaus sei die Steuerpflichtige ihrerseits wiederum dem Versicherer entgegengekommen in seinem Bestreben, baldmöglichst aus der Gefahrenzone (Haftung für den Unterbrechungsschaden, der innerhalb eines Jahres seit Eintritt des Sachschadens entsteht: § 3 Abs. 3 FBUB) herauszukommen. Es gehe danach nicht an, die zweckgebundene Zahlung der 1,1 Mio DM als freiverfügbare Leistung nach § 4 FBUB einzuordnen. Die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Buchst. a FBUB sei vom FG unrichtig ausgelegt worden. Ansprüche aus den Bestimmungen der §§ 3 und 4 FBUB hätten von der Steuerpflichtigen nur in geringem Umfang geltend gemacht werden können.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die Steuerpflichtige geht davon aus, daß es für die steuerrechtliche Beurteilung einen Unterschied mache, ob die streitige Zahlung den unmittelbaren Ersatz der durch eine Betriebsunterbrechung entstandenen Einnahmeausfälle oder den Ersatz der auf Veranlassung des Versicherers oder mit dessen Einverständnis gemachten Aufwendungen des Versicherungsnehmers zur Schadensverhütung oder Schadensminderung darstellte. Dem kann der Senat nicht folgen. Die Steuerpflichtige verkennt selbst nicht, daß die streitige Zahlung zur Vermehrung ihres Betriebsvermögens bestimmt war und daß der Zugang des streitigen Betrages deshalb bei ihr eine Betriebseinnahme darstellte. Die Annahme eines durchlaufenden Postens hätte demgegenüber zur Voraussetzung gehabt, daß die Steuerpflichtige die Zahlung mit der Verpflichtung erhalten hätte, sie an einen Dritten weiterzuleiten, so daß sie wirtschaftlich nicht in ihr Betriebsvermögen gelangt und deshalb nicht als Betriebseinnahme anzusehen gewesen wäre (vgl. zur Begriffsbestimmung des durchlaufenden Postens auch § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG 1965).
Etwas anderes kann auch nicht deshalb gelten, weil die Steuerpflichtige in der Zahlung des Versicherers einen Zuschuß zu den Kosten des von ihr errichteten Färbereineubaus erblickt. Der Umstand, daß bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Zuschüsse wie durchlaufende Posten behandelt werden, begründet weder einen allgemeinen Grundsatz dahin, daß zweckbestimmte Zuschüsse im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern stets als durchlaufende Posten behandelt werden dürften (BFH-Urteil I 283/60 S vom 17. Oktober 1961, BFH 73, 823, BStBl III 1961, 566; Hermann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 57 zu § 5 EStG - Zuschuß -), noch begründet er die Voraussetzungen für die Annahme, daß im vorliegenden Streitfall ein Zuschuß des Versicherers gegeben sei. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ist die Leistung des Versicherers in jedem Falle ein Ausfluß des Versicherungsvertrages. Ob sie im einzelnen dem Ausgleich von Ausfällen dient, die sich als entgangener Geschäftsgewinn oder als Aufwand an fortlaufenden Geschäftskosten im Sinne der FBUB darstellen, oder ob sie der Abwendung oder Minderung solcher Ausfallschäden dient, vermag in Ansehung ihrer Rechtsgrundlage keinen Unterschied zu begründen. Wenn die Steuerpflichtige wiederholt darauf hingewiesen hat, daß der Versicherer ein eigenes Interesse daran gehabt habe, daß sie - die Steuerpflichtige - alsbald alle Maßnahmen treffe, um einen etwa eintretenden Ausfallschaden möglichst gering zu halten, daß der Eintritt eines solchen Schadens angesichts des baulichen Zustandes des brandbeschädigten Färbereigebäudes mehr als wahrscheinlich gewesen sei und daß die getroffene Regelung - umgehende Errichtung eines neuen Färbereigebäudes unter Beteiligung des Versicherers - den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien am besten entsprochen habe, so hat sie damit zugleich die rechtliche Verpflichtung des Versicherers zur Leistung auf Grund des Versicherungsvertrags betont. Inwieweit der Versicherer dabei der Bestimmung in § 11 Abs. 2 Buchst a FBUB ("Die Aufwendungen werden nicht ersetzt, soweit durch sie über die Haftzeit hinaus für den Versicherungsnehmer Nutzen entsteht ...") selbst Rechnung getragen hat, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Denn in der Erfüllung einer versicherungsvertraglichen Verpflichtung kann in der Regel - und so auch im vorliegenden Streitfall - nicht die Hingabe eines Zuschusses erblickt werden. Aber auch ein Zuschuß, der aus betrieblichen Gründen gewährt wird, ist beim Empfänger infolge der Vermehrung seines Betriebsvermögens zunächst einmal eine Betriebseinnahme.
Die Hingabe eines Zuschusses, der eine Behandlung als durchlaufender Posten rechtfertigt, ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, daß der Einnahme beim Empfänger eine Ausgabe gegenübersteht, die der Zuschußempfänger zu einem erheblichen Teil im Interesse des Zuschußgebers macht. Im vorliegenden Streitfall läßt sich nicht sagen, daß die Steuerpflichtige den Färbereineubau im überwiegenden Interesse des Versicherers errichtet habe. Die Steuerpflichtige hätte nach dem dem FG vorgetragenen und im Revisionsverfahren (im Schriftsatz vom 7. Juni 1967) wiederholten Sachverhalt in jedem Falle an der Stelle des brandbeschädigten und nach Ablauf des Jahres 1961 abzureißenden Färbereigebäudes oder an anderer Stelle ein neues Färbereigebäude errichten müssen, da das zunächst ins Auge gefaßte Provisorium (Unterbringung des Färbereibetriebs in einer Halle) nicht von Dauer sein konnte. Bereits dieses Provisorium hätte Kosten in Höhe von etwa 1,8 Mio DM erfordert. Für diese Kosten hätte nach Ansicht der Steuerpflichtigen zwar der Versicherer aufkommen müssen, da nur so - wenn man sich nicht zu der sofortigen Inangriffnahme eines Neubaus entschlossen hätte - eine Betriebsunterbrechung hätte vermieden werden können. Andererseits fürchtete die Steuerpflichtige jedoch auch, daß sie ggf. auf Grund der Bestimmungen der §§ 3 Abs. 3 oder 11 Abs. 2 FBUB einen nicht unbeträchtlichen Teil dieser Kosten selbst hätte tragen müssen. Hieraus erhellt nach Ansicht des Senats, daß die Steuerpflichtige den Neubau nicht mit überwiegender Rücksichtnahme auf das Interesse des Versicherers, sondern im eigenen Interesse alsbald in Angriff genommen hat. Damit aber scheidet die Einordnung des streitigen Betrages als eines Zuschusses, der eine Behandlung als durchlaufender Posten rechtfertigen könnte, aus. Daß die gefundene Regelung den Interessen beider Vertragsparteien am besten entsprach, vermag eine abweichende Entscheidung ebensowenig zu begründen, wie der Umstand, daß die Vertragsparteien in der Niederschrift über die Schlußverhandlung vom 21. März 1961 von einer Kostenbeteiligung des Versicherers an dem Färbereineubau sprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 68176 |
BStBl II 1968, 737 |
BFHE 1968, 233 |