Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsoder Pauschalierungsbescheides
Leitsatz (NV)
Ein Bescheid ist mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam, wenn nicht feststellbar ist, ob das FA dem Arbeitgeber gegenüber eine Haftungs- oder eine pauschale Steuerschuld festsetzen wollte. Zur Auslegung des Bescheides ist auch ein diesem angehefteter Prüfungsbericht heranzuziehen.
Normenkette
EStG § 40a Abs. 1, § 42d Abs. 1; AO 1977 § 119 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisonsbeklagte (Kläger) beschäftigte in den Streitjahren 1974 bis 1977 in seinem Baumschulbetrieb zwischen 10 und 19 Aushilfskräfte, die ausschließlich zu typisch gärtnerischen Arbeiten, hauptsächlich zur Bodenpflege, herangezogen wurden und deren Löhne der Kläger pauschal mit 2 v. H. versteuerte.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung sah der Prüfer bei acht Aushilfskräften, regelmäßig Hausfrauen, die Voraussetzungen einer Pauschalierung mit 2 v. H. nicht als erfüllt an. Da diese Arbeitnehmer in den Streitjahren jeweils von März/April bis Oktober/Dezember jeden Monat beschäftigt worden seien, könne nicht mehr angenommen werden, daß von Fall zu Fall ein Dienstverhältnis für eine im voraus bestimmte Arbeit von vorübergehender Dauer eingegangen worden sei. Vielmehr habe eine laufende Beschäftigung im Sinne eines Dauerarbeitsverhältnisses vorgelegen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schloß sich dieser Auffassung an. Das FA errechnete bei Aushilfslöhnen in Höhe von 40 343 DM unter Anwendung eines Pauschsteuersatzes von 10 v. H. und bei Berücksichtigung bereits pauschal mit 2 v. H. ermittelter und abgeführter Lohnsteuer nachzuerhebende Beträge von 3 227,44 DM Lohnsteuer und 235,65 DM Kirchenlohnsteuer, die es neben unstreitigen Beträgen mit ,,Lohnsteuerhaftungsbescheid" vom 25. Januar 1978 nachforderte.
Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Aushilfskräfte seien nicht laufend beschäftigt worden. Das ergebe sich aus der Tatsache, daß die Arbeiten nur zu bestimmten Jahreszeiten angefallen seien und daß schon aus Witterungsgründen Unterbrechungen hätten erfolgen müssen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmungen in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1980, 519 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Senat braucht nicht auf die von den Beteiligten angeschnittenen materiell-rechtlichen Fragen einzugehen, da sich der angegriffene Bescheid schon aus formellen Gründen als fehlerhaft erweist.
1. Ist Lohnsteuer nachzuerheben, weil sie vom Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt worden ist, kommt eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch Haftungsbescheid oder durch Pauschalierungsbescheid (Steuerbescheid) in Betracht. Zwar können Haftungs- und Pauschalierungsbescheid, sofern Haftungs- und Pauschalierungsschuld betragsmäßig und nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage erkennbar getrennt sind, äußerlich in einer Verfügung verbunden werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. November 1984 VI R 176/82, BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266). Jedoch schließt das Gebot inhaltlicher Bestimmtheit eines Verwaltungsakts es aus, in einem Bescheid Haftungs- und pauschalierte Steuerschuld gleichzeitig zu erheben, da die pauschalierte Lohnsteuer, die der Arbeitgeber selbst schuldet, gegenüber einer vom Arbeitnehmer geschuldeten Lohnsteuer, für die der Arbeitgeber lediglich haftet, wesentliche Unterschiede aufweist (vgl. zur wesensmäßigen Verschiedenheit BFH-Urteile vom 5. November 1982 VI R 219/80, BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91, und vom 7. Dezember 1984 VI R 72/82, BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170). Aus demselben Grund unwirksam ist ein Bescheid, wenn nach seiner Bezeichnung unklar ist, ob das FA eine Haftungsschuld oder eine pauschale Lohnsteuer festsetzen wollte (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1983 VI R 47/80, BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362). Gleiches gilt für einen Bescheid, nach dessen Tenor der Arbeitgeber als Haftender in Anspruch genommen wird, dessen Begründung aber eindeutig auf die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer hinweist (BFH-Urteil vom 15. März 1985 VI R 30/81, BFHE 143, 226, BStBl II 1985, 581).
2. Im Streitfall ist der angefochtene Bescheid im beschriebenen Sinne unbestimmt.
Der Bescheid vom 25. Januar 1978 ist mit ,,Haftungsbescheid" überschrieben. Im Text des Bescheids heißt es ,,Sie werden . . . hiermit für die o. a. Steuerabzugsbeträge nach § 42d Abs. 1 EStG 1975 . . . als Haftender in Anspruch genommen". Auch in der im Bescheid erteilten Rechtsbehelfsbelehrung ist nur von einer Inanspruchnahme als Haftender und nicht als Steuerschuldner die Rede. Dagegen heißt es in dem dem Bescheid angefügten Prüfungsbericht unter Tz. 17, ,,Aus den vorgenannten Gründen ist daher die Pauschalierung der Steuerabzugsbeträge von Aushilfslöhnen gem. § 40a Abs. 2 EStG unzulässig. Liegen die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG nicht vor, bleibt die Anwendung des § 40a Abs. 1 EStG (Pauschsteuersatz i. H. v. 10 v. H.) hiervon unberührt". Sodann wurde in der Anlage die nachzuerhebende Steuer auf den Arbeitslohn eines Teils der Aushilfskräfte mit 10 v. H. abzüglich der bereits abgeführten 2 v. H. ermittelt.
Daraus ist zu folgern, daß der Prüfer nicht etwa nur in Anlehnung an § 40a Abs. 1 EStG im Schätzungswege einen Durchschnittsteuersatz für eine Haftungsschuld ansetzen wollte, sondern vielmehr, daß er davon ausging, die Pauschalierungsvoraussetzungen des § 40a Abs. 1 EStG lägen vor und eine Inanspruchnahme des Klägers nach dieser Bestimmung komme in Betracht. Diese Vorstellung hat sich das FA durch Verweisung auf den Prüfungsbericht und dessen Anfügen an den Bescheid zu eigen gemacht. Folgerichtig hat das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, die streitigen Löhne seien ,,dem Pauschsteuersatz von 10 v. H. gemäß § 40a Abs. 1 EStG 1975 - Abschn. 52c LStR 1972 - unterworfen" worden, als auch im Revisionsverfahren noch vorgetragen, der Kläger könne sich auf ein fehlerhaftes Auswahlermessen nicht berufen, da er Steuerschuldner und nicht Haftender sei.
Wegen des aufgezeigten Widerspruchs zwischen dem Tenor des Bescheids und seiner Begründung im angefügten Prüfungsbericht genügt der Bescheid dem Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 414335 |
BFH/NV 1986, 517 |