Leitsatz (amtlich)
Werden nach dem Erwerb eines Gebäudes im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Aufwendungen auf das Gebäude gemacht, dann kann für eine Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand nicht darauf abgestellt werden, inwieweit der tatsächliche Kaufpreis für das instandsetzungsbedürftige Gebäude unter dem Kaufpreis für ein vergleichbares, jedoch durchschnittlich gut erhaltenes Gebäude lag.
Normenkette
EStG §§ 6-7, 9 Nr. 7
Tatbestand
Streitig ist, ob anschaffungsnaher Aufwand nach Erwerb eines bebauten Grundstücks zum Teil als Erhaltungsaufwand zu behandeln ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 1962 für 132 728 DM ein Mietwohngrundstück, dessen abschreibungsfähiger Gebäudewert nach einer Betriebsprüfung auf 87 018 DM festgesetzt wurde. Nach einer Aufforderung des Bauaufsichtsamtes, Teile des Gebäudes instandzusetzen oder zu erneuern, ließ der Kläger 1964 für insgesamt 80 457 DM Instandsetzungsarbeiten durchführen. Dabei handelte es sich im einzelnen um Putzarbeiten an der Fassade und den Hausaufgängen sowie Instandsetzen und Erneuern sämtlicher Balkone für rd. 35 000 DM, Klempnerarbeiten für rd. 8 000 DM, Malerarbeiten für rd. 10 700 DM, Töpferarbeiten für rd. 7 800 DM und Hausbockbekämpfung für rd. 7 000 DM sowie zahlreiche weitere kleinere Arbeiten.
In seiner Erklärung für 1964 über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung machte der Kläger die gesamten Ausgaben als Erhaltungsaufwand geltend und beantragte nach § 82b EStDV eine Verteilung auf fünf Jahre. Demgegenüber behandelte der Beklagte und Revisionskläger (FA) nach einer Auskunft des Vermessungsamtes, daß es den Kaufpreis unter Berücksichtigung der für vergleichbare Objekte mit einem schlechten Gebäudezustand erzielten Preise für angemessen halte, die Aufwendungen als Herstellungsaufwand und verteilte diesen auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage hiergegen insoweit Erfolg, als das FG nur einen Teil der Gesamtausgaben von 80 457 DM, nämlich 31 000 DM, als Herstellungsaufwand und die restlichen Ausgaben von 49 457 DM als Erhaltungsaufwand ansah. Das FG führte dazu im wesentlichen aus:
Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22, August 1966 Gr. S. 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) sei regelmäßig Herstellungsaufwand anzunehmen, wenn ein Gebäude, das beim Erwerb stark heruntergewirtschaftet war, und für das ein entsprechend niedriger Kaufpreis gezahlt wurde, mit hohen Aufwendungen wieder instandgesetzt werde. Dies sei hier der Fall. Nach einer Auskunft des Vermessungsamtes und nach einem Schreiben des Bauaufsichtsamtes habe sich das vom Kläger erworbene Gebäude in einem schlechten Zustand befunden. Das FG sehe als erwiesen an, daß deswegen der Kaufpreis entsprechend niedriger festgesetzt worden sei. Nach einer Auskunft des Vermessungsamtes anhand von vier Beispielsfällen hätten 1962 die Kaufpreise für Grundstücke mit einem besseren Gebäudezustand zwischen dem 6,7fachen und dem 7,8fachen der Jahresmiete gelegen. Der Kläger habe dagegen entsprechend den übrigen Vergleichsfällen mit schlechtem Gebäudezustand nur das 5,5fache der Jahresmiete als Kaufpreis gezahlt. Mit einem Aufwand, der fast dem abschreibungsfähigen Gebäudewert entsprochen habe, sei das Gebäude wieder in einen hervorragenden Zustand versetzt worden.
Da nach dem vorgenannten Beschluß die Behandlung von Erhaltungsaufwand als Herstellungsaufwand damit begründet werde, daß bei einem hohen Grad von Instandsetzungsbedürftigkeit des Gebäudes oder bei erheblichen Mängeln der Erwerbspreis im allgemeinen noch unter dem Betrag liege, der sich nach Abzug der planmäßigen AfA von den ursprünglichen Anschaffungsoder Herstellungskosten ergebe, sei aber eine Aktivierung von Erhaltungsaufwand nur insoweit zulässig, als der Kaufpreis über die normale AfA hinaus gemindert worden sei. Die Aufwendungen müßten deshalb in aktivierungspflichtige Herstellungskosten und sofort abziehbare Instandhaltungskosten aufgeteilt werden. Dies könne nur durch Schätzung geschehen. Als geeignete Schätzungsgrundlage sehe das FG die Kaufpreise an, die für Grundstücke mit normalem Erhaltungszustand durchschnittlich gezahlt würden. Diese betrügen nach den Feststellungen des Vermessungsamtes das 7fache der Jahresmiete. Soweit der tatsächliche Kaufpreis unter diesem Durchschnittsbetrag liege, sei Raum für eine Nachaktivierung. Danach ergebe sich folgende Berechnung: Jahresmiete bei Veräußerung rd. 21 000 DM, bei 7fachem Mietwert Kaufpreis von 147 000 DM, vertraglich vereinbarter Kaufpreis 116 000 DM, bleibt Differenz von 31 000 DM als Herstellungsaufwand.
Mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts rügenden Revision des FA wird dagegen vorgebracht:
Das FG habe es unterlassen, die Steuer selbst festzusetzen.
Der Begriff des Herstellungsaufwands sei verkannt, wenn er auf den Teil der Aufwendungen beschränkt werde, der zwischen dem erzielbaren Kaufpreis eines vergleichbaren Durchschnittshauses und dem tatsächlichen Kaufpreis liege. Kaufpreisgestaltungen seien für eine Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand ungeeignet. Umfangreiche Aufwendungen zur Instandsetzung eines stark heruntergewirtschafteten Gebäudes seien insgesamt Herstellungsaufwand, wenn sie eng zusammenhingen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Streitsache an das FG.
Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 2/66 kann anschaffungsnaher Aufwand nach dem Erwerb eines bebauten Grundstücks nicht als Teil der Anschaffungskosten, sondern nur als Herstellungsaufwand oder Erhaltungsaufwand beurteilt werden. Die Annahme von Herstellungsaufwand setzt danach im allgemeinen voraus, daß nach dem Grundstückserwerb im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Aufwendungen auf das Gebäude gemacht werden, durch die dessen Wesen verändert, der Nutzungswert erheblich erhöht oder die Nutzungsdauer erheblich verlängert wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Steuerpflichtige ein Gebäude, das im Zeitpunkt des Erwerbs stark heruntergewirtschaftet war und für das er einen entsprechend niedrigen Kaufpreis bezahlt hat, durch hohe Aufwendungen wieder vollkommen instand setzt. Handelt es sich dagegen um verdeckte Mängel, die zu keiner Minderung des Kaufpreises geführt haben, so stellt ihre Beseitigung nach der durch den Großen Senat gebilligten ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 31. Januar 1963 IV 119/59 S, BFHE 77, 23, BStBl III 1963, 325; vom 20. Oktober 1965 VI 185/65 U, BFHE 84, 44, BStBl III 1966, 16) Erhaltungsaufwand dar. Sind Aufwendungen angefallen, die für sich betrachtet teilweise Herstellungsaufwand, teilweise Erhaltungsaufwand sind, dann ist eine einheitliche Beurteilung als Herstellungsaufwand geboten, wenn die einzelnen baulichen Maßnahmen in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1960 IV 96/58 U, BFHE 70, 360, BStBl III 1960, 136; vom 9. März 1962 I 192/61 U, BFHE 74, 523, BStBl III 1962, 195). Eine Aufteilung der Aufwendungen - unter Umständen durch Schätzung - ist nur möglich, soweit die Arbeiten ohne diesen Zusammenhang lediglich gleichzeitig vorgenommen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 14. Oktober 1960 VI 100/59 U, BFHE 71, 653, BStBl III 1960, 493; vom 29. Juni 1965 VI 236/64 U, BFHE 83, 16, BStBl III 1965, 507).
Mit diesen Grundsätzen steht die Vorentscheidung nicht in Einklang, wenn sie im Streitfall Herstellungsaufwand nur insoweit angenommen hat, als der tatsächliche Kaufpreis für das instandsetzungsbedürftige Gebäude unter dem Kaufpreis für ein vergleichbares, jedoch durchschnittlich gut erhaltenes Gebäude lag. Der Vorentscheidung liegt erkennbar die Überlegung zugrunde, daß bei anschaffungsnahen Aufwendungen Herstellungsaufwand nur insoweit gegeben sein könne, als der unter Berücksichtigung der Instandsetzungsbedürftigkeit eines Gebäudes gezahlte Kaufpreis unter dem Wert liegt, der den um die planmäßige AfA geminderten ursprünglichen Herstellungskosten entspricht. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar wird in dem angeführten Beschluß des Großen Senats die Behandlung von anschaffungsnahen Aufwendungen als Herstellungsaufwand damit begründet, daß ein hoher Grad von Instandsetzungsbedürftigkeit oder erhebliche bauliche Mängel dazu führen, daß der Kaufpreis weiter herabgesetzt wird, als es der Verminderung der ursprünglichen Herstellungskosten um die einheitliche planmäßige AfA beim Veräußerer entspricht, und die Instandsetzung oder Beseitigung der Mängel dann bewirkt, daß der Wert des Gebäudes um einen Betrag erhöht wird, der in den Anschaffungskosten des Erwerbers noch nicht enthalten ist. Diesen Ausführungen ist aber nicht zu entnehmen, daß damit auch schon der Umfang des Herstellungsaufwands festgelegt wird und Herstellungskosten nur in Höhe der wegen baulicher Mängel vorgenommenen Kaufpreisminderung gegeben sein könnten. Es wurde lediglich ausgesprochen, daß die Aufwendungen zur Beseitigung der Mängel als Herstellungsaufwand behandelt werden müssen. Daß diese Aufwendungen im Einzelfall nicht nur bei verdeckten, sondern auch bei offenen Mängeln höher sein können als eine vorhergehende Kaufpreisminderung, liegt auf der Hand. Denn abgesehen von der Fehleinschätzung des notwendigen Instandsetzungsaufwands beim Kauf kann der Erwerber eines mängelbehafteten Gebäudes aus den verschiedensten Gründen Aufwendungen machen, die das Gebäude über eine bloße Mängelbeseitigung hinaus für bestimmte Zwecke nutzbar machen sollen.
Da die Vorentscheidung von anderen Erwägungen ausgegangen ist und darauf beruht, war sie aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst entscheiden. Der vom FG festgestellte Sachverhalt reicht nicht aus, um nach den eingangs dargestellten Grundsätzen darüber zu befinden, ob und inwieweit es sich um Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand gehandelt hat. Die Streitsache geht deshalb an das FG zurück.
Kommt das FG nach der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis, daß die Steuerfestsetzung in dem angefochtenen Steuerbescheid geändert werden muß, dann ist es nach § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO grundsätzlich gehalten, den für richtig erachteten Steuerbetrag selbst festzusetzen (vgl. BFH-Entscheidung vom 16. Dezember 1968 Gr. S. 3/68, BFHE 94, 436, BStBl II 1969, 192).
Fundstellen
Haufe-Index 70416 |
BStBl II 1973, 483 |
BFHE 1973, 36 |