Leitsatz (amtlich)
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen. Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (Anschluß an BFH-Urteil vom 23.Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).
2. Der Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft muß kein Zufluß eines Vermögensvorteils beim Gesellschafter entsprechen.
3. Die Unterscheidung zwischen einer Vorteilsziehung durch einen beherrschenden Gesellschafter und einer solchen durch eine ihm nahestehende Person rechtfertigt keine unterschiedliche Beurteilung der verdeckten Gewinnausschüttung (Anschluß an BFH-Urteile vom 1.Oktober 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 29.April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797; vom 2.März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786).
Orientierungssatz
Verdeckte Gewinnausschüttungen, die aus dem Vermögen einer Kapitalgesellschaft erst nach dem 31.12.1976 tatsächlich abfließen, berühren die Höhe des zum 31.12.1976 festzustellenden EK 03 nicht.
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2; KStG 1977 § 30 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war bis einschließlich 1976 Komplementärin der R GmbH & Co. KG. Kommanditisten der R GmbH & Co. KG und gleichzeitig Gesellschafter der Klägerin waren:
bis 31.Mai 1976 ab 1.Juni 1976
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R 30 v.H. 45 v.H.
A 30 v.H. 45 v.H.
B 10 v.H. 10 v.H.
C 30 v.H. -
Ende 1975 übernahm die Klägerin das Geschäft der R GmbH & Co. KG mit allen nicht zum Anlagevermögen gehörenden Aktiva und Passiva. Das der R GmbH & Co. KG verbleibende Anlagevermögen bestand im wesentlichen aus vermieteten Maschinen. Diese erwarb die Klägerin erst zum 31.Dezember 1976. Schon ab dem 1.Januar 1976 wurde der Geschäftsbetrieb der R GmbH & Co. KG nur noch im Namen der Klägerin geführt. Diese erstellte in 1976 die Mietrechnungen an die Personen ("Endverbraucher"), die die Maschinen von der R GmbH & Co. KG gemietet hatten. Die Klägerin vereinnahmte Mietzinsen in Höhe von 60 402,76 DM. Außerdem führte sie Wartungsarbeiten mit einem Aufwand in Höhe von 1 803,07 DM durch.
Im Rahmen der Um- und Abschlußbuchungen zum 31.Dezember 1976 verbuchte die Klägerin u.a. einen Betrag von 42 462 DM Verbindlichkeiten gegenüber der R GmbH & Co. KG wegen der Anmietung von Anlagevermögen im Jahre 1976. Ein schriftlicher Mietvertrag und eine schriftliche Vereinbarung über die Zahlung von Miete an die R GmbH & Co. KG wurden dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) und dem Finanzgericht (FG) nicht vorgelegt.
Nach einer Außenprüfung sah das FA in der Mietzahlung der Klägerin an die R GmbH & Co. KG eine verdeckte Gewinnausschüttung. Es änderte die Körperschaftsteuerbescheide 1975 (bezüglich des früher durchgeführten Verlustrücktrags) und 1976, den Gewerbesteuermeßbescheid 1976 und die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) zum 31.Dezember 1976.
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das FG gab dagegen der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 141 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968.
Es beantragt, das Urteil des FG München vom 9.Oktober 1984 VII 28/82 K, FK, G aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen. Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).
Fehlt es an einer im voraus getroffenen und klaren Vereinbarung, so besteht wegen des nicht vorhandenen Interessengegensatzes zwischen der Gesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung der Einkommen der Gesellschaft und des Gesellschafters jeweils am günstigsten ist.
Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt, daß die Geschäftsanteile an der Klägerin bis zum 31.Mai 1976 von vier und ab dem 1.Juni 1976 von drei Gesellschaftern gehalten wurden. Kein Gesellschafter hielt für sich genommen mehr als 50 v.H. der Geschäftsanteile. Der Frage, ob die Gesellschafter bezüglich der streitigen Mietzahlungen gleichgerichtete Interessen verfolgten, ist das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter nachgegangen, weil es sie nicht für entscheidungserheblich hielt. Die vom FA als verdeckte Gewinnausschüttung behandelten Mietzahlungen flossen jedenfalls der R GmbH & Co. KG zu. Vermögensmäßig ist der (hier unterstellte) Zufluß eines Beteiligungsertrages in das Vermögen einer KG etwas anderes als der in das Vermögen eines Gesellschafters der KG. Im ersteren Fall kommt der Zufluß dem Gesellschafter nur mittelbar über seinen Gewinnanteil an der KG bzw. über eine Werterhöhung des Gesellschaftsanteils zugute. In diesem Sinne ist die KG eine Person, die den Gesellschaftern der Klägerin nahesteht (vgl. BFH-Urteil vom 1.Oktober 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459).
2. Das FG ist allerdings in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 8.März 1967 I 119/64, BFHE 88, 289, BStBl III 1967, 372; vom 21.Januar 1970 I R 125/67, BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466) davon ausgegangen, daß Leistungen einer Kapitalgesellschaft an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person nicht auf einer im voraus getroffenen und klaren Vereinbarung beruhen müssen. Diese Rechtsprechung hat jedoch der erkennende Senat aufgegeben (vgl. Urteile in BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 29.April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797; vom 2.März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786). An der Änderung der Rechtsprechung ist Kritik geübt worden (vgl. Lange, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB--, Fach 4, S.3547). Der Senat hält dennoch an der geänderten Rechtsprechung fest.
Die verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 setzt zwar bei einer Kapitalgesellschaft eine durch das Gesellschaftsverhältnis ausgelöste Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) voraus, die sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt. Dieser Vermögensminderung muß jedoch kein Zufluß eines Vermögensvorteils beim (beherrschenden) Gesellschafter entsprechen. Das Beispiel einer unangemessen hohen Pension, die einem Gesellschafter-Geschäftsführer (nur) versprochen wird, macht dies besonders deutlich (vgl. BFH-Urteil vom 16.Februar 1977 I R 132/75, BFHE 121, 343, BStBl II 1977, 444). Entscheidend ist nur, daß die bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensminderung keine betriebliche Veranlassung hat, sondern durch die Gesellschafterposition eines oder mehrerer Gesellschafter ausgelöst ist. Diese Voraussetzung ist stets erfüllt, wenn die Vermögensminderung der Kapitalgesellschaft darauf abzielt, dem (beherrschenden) Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil societatis causa zuzuwenden. Entsprechend kommt es für die Anwendung des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 nur auf den Anlaß der bei der Kapitalgesellschaft eintretenden Vermögensminderung an. Die Frage, wer den Vorteil aus der Vermögensminderung der Kapitalgesellschaft zieht, ist insoweit von indizieller Bedeutung für die Beurteilung der maßgebenden Veranlassung. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen der Vorteilsziehung durch einen beherrschenden Gesellschafter und derjenigen durch eine ihm nahestehende Person nicht gerechtfertigt. In beiden Fällen geht die maßgebliche Veranlassung gleichermaßen von dem beherrschenden Gesellschafter aus. Dann aber muß eine im voraus getroffene und klare Vereinbarung auch bei Leistungen an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person verlangt werden.
3. Mit Rücksicht auf die Ausführungen zu 2. kommt es entgegen der Auffassung des FG für die Entscheidung über den Streitfall darauf an, ob die Gesellschafter der Klägerin bezüglich der Mietzahlungen an die R GmbH & Co. KG gleichgerichtete Interessen verfolgten und deshalb als beherrschende Gesellschafter im Sinn der Rechtsprechung des erkennenden Senats anzusehen sind (vgl. Urteile vom 8.Januar 1969 I R 91/66, BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347; vom 23.Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Das FG hat diesbezüglich keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Sie nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.
4. Der erkennende Senat weist für den zweiten Rechtszug auf folgendes hin:
a) Es besteht Veranlassung, in tatsächlicher Hinsicht der Frage nachzugehen, auf welcher Rechtsgrundlage die Mietforderungen (Mieterträge), die ursprünglich der R GmbH & Co. KG gegenüber den Maschinenmietern ("Endverbrauchern") zustanden, auf die Klägerin übergingen. Insoweit kommt u.a. in Betracht, daß die Gesellschafter der Klägerin die der R GmbH & Co. KG zustehenden Mietforderungen in das Vermögen der Klägerin einlegten. Dann müßte die Klägerin die Mietforderungen erfolgsneutral mit der Folge aktivieren, daß ihre Erfüllung keine erfolgsmäßige Auswirkung nach sich zöge.
b) Bezüglich des vEK-Bescheides zum 31.Dezember 1976 ist das BFH-Urteil vom 9.Dezember 1987 I R 260/83 (BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460) zu beachten. Verdeckte Gewinnausschüttungen, die aus dem Vermögen einer Kapitalgesellschaft erst nach dem 31.Dezember 1976 tatsächlich abfließen, berühren die Höhe des zum 31.Dezember 1976 festzustellenden EK 03 nicht. Gegebenenfalls ist der entsprechenden Klage schon aus diesem Grunde stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 62777 |
BFH/NV 1989, 35 |
BStBl II 1989, 631 |
BFHE 156, 428 |
BFHE 1989, 428 |
BB 1989, 1535-1537 (LT) |
DB 1989, 1803-1804 (LT) |
DStR 1989, 499 (KT) |
HFR 1989, 560 (LT) |
WPg 1989, 534 (ST) |
StRK, R.42 (LT) |
FR 1989, 562 (KT) |
Information StW 1989, 451 (T) |
DStZ/E 1989, 248 (K) |
GmbH-Rdsch 1989, 430-431 (LT) |