Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Anspruch auf rechtliches Gehör und der Mitteilungspflicht des FG; Tatbestandswirkung der AdV-Verfügung; Vertreterstellung kann sich aus den tatsächlichen Umständen ergeben; Bezeichnung des Bekanntgabeadressaten bei förmlicher Zustellung; Zinslauf für Aussetzungszinsen bei Änderungsbescheiden; Antrag auf getrennte Veranlagung im Revisionsverfahren
Leitsatz (NV)
1. Die in § 75 FGO geregelte Pflicht, den Beteiligten die Unterlagen der Besteuerung von Amts wegen mitzuteilen, dient der Gewährung rechtlichen Gehörs und hat somit als spezielle Ausprägung des Rechts auf Gehör lediglich klarstellende Bedeutung.
2. Wer sich im Verwaltungs- und anschließenden Klageverfahren zu den Streitfragen ausführlich äußern konnte und geäußert hat, kann keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen.
3. Die AdV wird mit dem bekannt gegebenen Inhalt der Verfügung wirksam. Ihr kommt Tatbestandswirkung zu und sie bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt wird.
4. Als Vertreter in einem Verfahren gegen die Festsetzung von Aussetzungszinsen kann angesehen werden, wer die in der Vollziehung ausgesetzten Einkommensteuerbescheide empfangen, gegen sie Einspruch eingelegt, AdV beantragt und im Übrigen in einer Vielzahl weiterer Verfahren die Steuerpflichtigen vollumfänglich in ihren Einkommensteuerangelegenheiten und den sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren vertreten hat.
5. Für die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung ist die tatsächliche Rechtsstellung des Bekanntgabeadressaten und nicht dessen Bezeichnung entscheidend.
6. Dem Sinn und Zweck der Aussetzungszinsen, dem Steuerpflichtigen den Zinsvorteil zu nehmen, der ihm durch die unberechtigt in Anspruch genommene AdV entstanden ist, wird allein ein Zinslauf gerecht, der sich vom Zeitpunkt der erstmals gewährten AdV bis zur Tilgung der Steuerschuld unabhängig von in der Zwischenzeit vorgenommenen Änderungen der Einkommensteuerfestsetzung erstreckt. Deshalb können die zu § 68 FGO entwickelten Überlegungen zum Verhältnis eines Änderungsbescheides zum ursprünglichen Bescheid nicht auf den ganz anderen Regelungszusammenhang der Bemessung von AdV-Zinsen übertragen werden.
7. Ein erstmals nach Beendigung der Tatsacheninstanz gestellter Antrag auf getrennte Veranlagung ist im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
FGO §§ 75-76, 96 Abs. 2; AO §§ 119, 122 Abs. 5 S. 2, § 124 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, §§ 237, 238 Abs. 1, § 239; VwZG § 8 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer an verschiedenen Personengesellschaften, z.B. der X-KG, deren Einkünfte durch das Betriebsstättenfinanzamt (FA B) einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Der im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) zunächst allein beauftragte Prozessbevollmächtigte (PV) war nach den vom FG beigezogenen Einkommensteuerakten der Kläger auch im Streitjahr deren Empfangsbevollmächtigter. Alle die Kläger betreffenden Bescheide wurden ihm mit dem Zusatz "als Empfangsbevollmächtigter für/von Herrn Dr. Z und Frau Z" zugesandt.
Mit Einkommensteueränderungsbescheid 1995 vom 1. September 1997 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften in Höhe von insgesamt … DM auf … DM, fällig am 6. Oktober 1997, fest. Die Einkünfte aus der Beteiligung an der KG waren entgegen der Feststellungserklärung mit 0 DM statt mit ./. … DM angesetzt. Nach einer am 1. Oktober 1997 beim FA eingegangenen Mitteilung des FA B war die Vollziehung des entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheides 1995 vom 7. Juli 1997 aufgrund eines Einspruchs vom 6. August 1997 in Höhe von insgesamt … DM ausgesetzt, wovon … DM auf das Sonderbetriebsvermögen des Klägers entfielen.
Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 1. September 1997 Einspruch ein. Sie wandten sich gegen eine Doppelerfassung von Einkünften in Höhe von … DM aus einer weiteren Beteiligungsgesellschaft und beantragten gleichzeitig durch PV die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der hierauf entfallenden Einkommensteuer, die überschlägig mit … DM (48 % von … DM) berechnet war.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 1997 setzte das FA daraufhin die nach der Abrechnung zum Einkommensteuerbescheid 1995 vom 1. September 1997 zu wenig gezahlten Einkommensteuern 1995 in Höhe von … DM ab Fälligkeit (6. Oktober 1997) aus. Die AdV war für Herrn Dr. Z und Frau Z angeordnet. Eine Erläuterung, inwieweit die ausgesetzten Beträge auf dem Einspruch wegen Doppelerfassung bzw. auf der Aussetzung des Grundlagenbescheides beruhten, enthielt die Aussetzungsverfügung nicht. Der Bescheid nahm nur Bezug auf den Antrag vom 6. Oktober 1997.
Aufgrund des Einspruchs erging am 20. November 1997 ein Abhilfebescheid. Danach belief sich die festgesetzte Steuer auf … DM und die zu wenig gezahlte Einkommensteuer auf … DM. Hiervon war ein Betrag in Höhe von … DM mit dem Vermerk "Ausgleich durch Verrechnung" (zuviel gezahlter Solidaritätszuschlag) abgezogen, so dass die als verbleibende, zu wenig gezahlte und am 23. Dezember 1997 fällige Einkommensteuer mit … DM ausgewiesen war. Die bereits gezahlte Einkommensteuer war nunmehr mit … DM (… DM plus … DM) angegeben.
Mit Bescheid vom selben Tag setzte das FA die Einkommensteuer für 1995 in Höhe von … DM ab Fälligkeit aus. Wiederum war die AdV für beide Kläger angeordnet und Bezug genommen auf den Antrag vom 6. Oktober 1997. In den Erläuterungen wurde auf den eingelegten Rechtsbehelf gegen den Feststellungsbescheid 1995 für die KG hingewiesen. Hinsichtlich des auf den Kläger entfallenden Anteils am ausgesetzten Betrag in Höhe von … DM wurde auf die Mitteilung des FA B vom 30. September 1997 verwiesen.
Nach einer am 7. Oktober 1998 beim FA eingegangenen Mitteilung des FA B war der Gewinnfeststellungsbescheid 1995 für die KG aufgrund der Klage vom 18. September 1998 gemäß § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) weiterhin in Höhe von … DM im Hinblick auf die anteiligen Einkünfte des Klägers ausgesetzt.
Am 18. Januar 1999 zahlten die Kläger die zuletzt zum 11. Januar 1999 fällig gestellten Beträge.
Nach Beendigung des Klageverfahrens der KG durch Klagerücknahme am 29. Juni 1999 auf der Grundlage einer tatsächlichen Verständigung vom 24. Juni 1999 erließ das FA B einen geänderten Grundlagenbescheid. Danach wurden dem Kläger insgesamt auf das Gesamthands- und auf das Sonderbetriebsvermögen entfallende Teilwertabschreibungen von … DM zugerechnet.
Das FA setzte daraufhin mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 auf der Grundlage eines zu verzinsenden Betrages von … DM Aussetzungszinsen nach § 237 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von … DM fest. Dieser Bescheid wurde PV mit dem Vermerk "Dieser Bescheid ergeht an Sie als Empfangsbevollmächtigter für Herrn Dr. Z und Frau Z" am 19. Dezember 2000 förmlich mit nur einer Ausfertigung zugestellt. Der Beginn des Zinslaufs war mit dem 6. Oktober 1997 (Fälligkeit laut Bescheid vom 1. September 1997) und das Ende mit dem 18. Januar 1999 (Zahlungseingang) angesetzt.
Der dagegen gerichtete Einspruch war nach dem Wortlaut des Einspruchsschreibens "namens und im Auftrag des Klägers" eingelegt; im Betreff war es mit den Vornamen und dem gemeinsamen Ehenamen der Kläger überschrieben. In der Sache machten die Kläger geltend, dass sich aufgrund der tatsächlichen Verständigung im Klageverfahren gegen den Grundlagenbescheid die Einkommensteuer der Kläger für 1995 um … DM verringert habe (das entspricht einem Steuersatz von 46,891882 %). Auf dieser Grundlage errechnete PV den zu verzinsenden Betrag mit … DM.
Weiter hielten die Kläger lediglich einen Zinslauf von 12 Monaten für berechtigt. Die AdV sei bezogen auf die Grundlagenaussetzung erst ab dem 23. Dezember 1997 erfolgt. Die Aussetzungsverfügung vom 8. Oktober 1997 sei für die Festsetzung von Aussetzungszinsen im Hinblick auf den Gewinnfeststellungsbescheid für die KG ohne Belang.
Mit Bescheid vom 9. April 2001 half das FA dem Einspruch insoweit ab, als nur noch ein erfolglos gebliebener Teil in Höhe von … DM allerdings weiterhin für 15 Monate der Verzinsung unterworfen wurde. Die festgesetzten Aussetzungszinsen beliefen sich danach auf … DM. Das FA ermittelte die auf den erfolgreichen Teil des Einspruchs und der Klage gegen den Grundlagenbescheid von … DM entfallende Steuer mit … DM (das entspricht einem Steuersatz von 46,99288 %) und zog diesen Betrag von dem ursprünglich verzinsten Betrag ab.
Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage machten die Kläger erstmals geltend, dass die als zusammengefasste Verwaltungsakte ergangenen Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 18. Dezember 2000 und 9. April 2001 "unzulässig" seien, weil die Eheleute nicht Gesamtschuldner der festgesetzten Aussetzungszinsen seien. Der Verwaltungsakt über die Aussetzung des Grundlagenbescheides betreffe allein den Kläger. Seine Ehefrau sei weder am Rechtsbehelfs- noch am Aussetzungsverfahren beteiligt gewesen. Hieran ändere nichts, dass die Aussetzungsverfügungen "für die Kläger" ergangen seien. Die Zinsbescheide hätten auch als zusammengefasste Bescheide nicht ergehen dürfen, da nur der Kläger die Aussetzungszinsen schulde. Außerdem sei der Zinsbescheid vom 18. Dezember 2000 mangels wirksamer Zustellung nichtig. Denn für diesen Bescheid habe das FA gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO die Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) angeordnet. In diesem Falle hätten, weil der Bescheid einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter zugestellt worden sei, so viele Ausfertigungen oder Abschriften zugestellt werden müssen, wie Beteiligte vorhanden seien (§ 8 Abs. 2 VwZG).
Eine Heilung durch den Zinsbescheid vom 9. April 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2001 sei nicht möglich, da mit Ablauf des Jahres 2000 Festsetzungsverjährung eingetreten sei und ein rechtsunwirksamer Bescheid nicht geeignet sei, die Festsetzungsfrist zu wahren.
In der mündlichen Verhandlung vor dem FG überreichte PV eine handschriftliche Berechnung der Aussetzungszinsen mit einer gegenüber dem vom FA angesetzten zu verzinsenden Betrag um … DM niedrigeren Bemessungsgrundlage.
Nach der mündlichen Verhandlung korrigierte PV seine Berechnung. Der zu verzinsende Betrag bewegte sich in dieser Berechnung zwischen … DM und … DM. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung beantragte er die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Das FG wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 316 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Es bejahte die Wirksamkeit der Zinsbescheide, weil die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides gegenüber beiden Klägern habe ausgesetzt werden können. Festsetzungsverjährung sei zu verneinen. Der Zinslauf habe mit Wirkung der AdV am 6. Oktober 1997 begonnen und durch Zahlung am 18. Januar 1999 geendet. Damit sei die Verzinsung für 15 volle Monate vorzunehmen gewesen. Für die Ermittlung des zu verzinsenden Betrages sei von dem ausgesetzten Betrag in Höhe von … DM die auf den erfolgreichen Teil des Rechtsbehelfs entfallende Steuer (… DM x Steuersatz) abzusetzen. Dieser Betrag sei nicht zu mindern, weil entgegen der Darstellung im Einkommensteuerbescheid vom 20. November 1997 der Betrag von … DM nicht auf rückständige Einkommensteuer 1995, sondern auf den Solidaritätszuschlag für das IV. Quartal 1997 verrechnet worden sei. Die auf den erfolgreichen Teil entfallende Steuer habe das FA zutreffend mit … DM ermittelt.
Entgegen der Auffassung der Kläger biete die Vorschrift des § 237 AO keinerlei Anhalt dafür, dass der Zinslauf eines ausgesetzten Betrages nur von der Fälligkeit der einzelnen Bescheide bis zur Bekanntgabe eines nachfolgenden Änderungsbescheides zu berechnen sei und erst mit dessen Fälligkeit wiederum in Lauf gesetzt werde.
Zutreffend habe das FA beide Kläger als Gesamtschuldner der Aussetzungszinsen in Anspruch genommen, da auch die Klägerin Schuldnerin der festgesetzten Aussetzungszinsen sei.
In dem Umstand, dass der Senat die Prozessbevollmächtigten nicht schon in der mündlichen Verhandlung auf die Wege der Berechnung des zu verzinsenden Betrages und die Ermittlung der Steuer sowie auf die Nichtberücksichtigung der Vorschrift des § 32c des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der handschriftlichen Berechnung hingewiesen hatte, sah das FG keinen Grund, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 96 FGO und des materiellen Rechts.
Sie tragen im Wesentlichen vor:
Das FG habe seine Verpflichtung, den Beteiligten die Besteuerungsgrundlagen mitzuteilen (§ 75 FGO), dadurch verletzt, dass es trotz eines entsprechenden Antrags in der mündlichen Verhandlung die Grundlagen für die Berechnung der Aussetzungszinsen nicht dargelegt habe. Infolgedessen hätten sich die Kläger dazu nicht äußern können. Das Urteil stelle deshalb eine Überraschungsentscheidung dar.
Durch die Inanspruchnahme beider Kläger als Schuldner der Aussetzungszinsen habe das FG §§ 118, 119 AO verletzt. Die Klägerin sei nicht Schuldnerin der Aussetzungszinsen. Infolgedessen sei der Zinsbescheid unwirksam und nach § 125 AO nichtig, weil der Schuldner falsch bezeichnet worden sei. Zinsschuldner sei allein der Kläger.
Die Zinsfestsetzung verstoße auch gegen § 239 AO, weil bei Erlass des Zinsbescheides vom 9. April 2001 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Der Zinsbescheid vom 18. Dezember 2000 habe den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht gehemmt. Auf § 8 Abs. 1 VwZG könne die Bekanntgabe nicht gestützt werden, weil sie an den PV ausdrücklich als Empfangsbevollmächtigten gerichtet gewesen sei, ohne dass ein Vertretungsverhältnis bestanden habe. Das Verfahren der Festsetzung der Aussetzungszinsen müsse isoliert betrachtet werden. Aus vorangegangenen Verfahren könnten für die Zinsbescheide keine Folgerungen gezogen werden.
Der Zinsbescheid verletze § 237 Abs. 1 AO hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen. Unberücksichtigt geblieben seien vom FA vorgenommene Verrechnungen, die den geschuldeten Steuerbetrag gemindert hätten. § 237 Abs. 2 AO sei dadurch verletzt, dass das FA einen einheitlichen Zinslauf angenommen habe. Demgegenüber hätte für jeden Verfahrensabschnitt ein eigenständiger Zinslauf angesetzt werden müssen, weil durch die Änderungen des Steuerbescheides, des Grundlagenbescheides und der AdV-Verfügung der Zinslauf mit der Folge jeweils neu begonnen habe, dass Lücken entstanden seien.
Im Laufe der mündlichen Verhandlung übergab PV dem Vertreter des FA den schriftlichen Antrag auf getrennte Veranlagung.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und die Zinsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2001 aufzuheben.
Hilfsweise beantragen sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Verwaltungsentscheidungen mit der Maßgabe zu ändern, dass Aussetzungszinsen in Höhe von … DM festgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das angefochtene Urteil leidet nicht an einem Verfahrensmangel (unten 1.). Zu Recht hat das FA die beiden Kläger als Zinsschuldner in Anspruch genommen (unten 2.a). Der Zinsbescheid war weder unwirksam (unten 2.b) noch stand seinem Erlass Festsetzungsverjährung entgegen (unten 3.). Die Zinsen wurden in der zutreffenden Höhe festgesetzt (unten 4.).
1. Die Rüge der Kläger, das FG habe gegen § 75 FGO verstoßen, greift nicht durch. Die in dieser Bestimmung geregelte Pflicht, den Beteiligten die Unterlagen der Besteuerung von Amts wegen mitzuteilen, dient der Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 FGO und hat somit als spezielle Ausprägung des Rechts auf Gehör lediglich klarstellende Bedeutung (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 75 FGO Rz 1; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 75 Rz 1; Thürmer in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 75 FGO Rz 4). Aus der Sicht der Beteiligten soll der Anspruch auf rechtliches Gehör Überraschungsentscheidungen vermeiden (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 31; Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 224; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 96 FGO Rz 114).
a) Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 76 FGO und § 96 Abs. 2 FGO liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505; BFH-Beschlüsse vom 28. Mai 1998 III B 5/98, BFH/NV 1998, 1352; vom 23. April 1998 VII B 282/97, BFH/NV 1998, 1492). Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht i.S. des § 76 Abs. 2 FGO verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert. Auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte braucht es zumindest dann nicht ausdrücklich hinzuweisen, wenn die Beteiligten fachkundig vertreten sind (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1998 XI B 110/95, BFH/NV 1999, 329).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt und ist das Urteil des FG keine Überraschungsentscheidung. Vor dem Hintergrund des Verwaltungsverfahrens und der Prozessgeschichte bedurfte es keiner besonderen Mitteilung der Grundlagen für die Berechnung der Aussetzungszinsen. Die Höhe des Zinssatzes und die Dauer der Verzinsung ergeben sich aus § 238 Abs. 1 AO. Den vom FA angenommenen Zinslauf weisen die Zinsbescheide vom 18. Dezember 2000 und vom 9. April 2001 aus. Die vom FA angesetzte maßgebliche Bemessungsgrundlage für die Zinsberechnung konnten die Kläger ohne größere Anstrengung auf zwei Wegen ermitteln: entweder durch eine Rückrechnung vom Zinsbetrag … DM und der Verzinsung von 7,5 v.H. (für die Dauer von 15 Monaten) oder durch Abzug der erfolgreich geminderten Steuer (rund 47 v.H. des dem Kläger zugerechneten Verlustes aus seiner Beteiligung) vom ausgesetzten Betrag von … DM. Die gesetzlichen Bestimmungen und sämtliche für die Berechnung der Aussetzungszinsen erforderlichen Daten waren den Klägern bekannt, wie ihre eigenen Berechnungen sowohl vor wie nach der mündlichen Verhandlung vor dem FG zeigen. Insoweit haben sie sich dazu erschöpfend äußern können und geäußert; für das FG bestand kein Anlass für Hinweise, Mitteilungen oder Ausführungen, zumal die Kläger selbst alternative Berechnungen der Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen erstellt haben. Im Übrigen weichen die eigenen --die Entlastung nach § 32c EStG berücksichtigenden-- Berechnungen der Kläger jedenfalls hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen von der des FA und denen des FG auch nicht in einem Maße ab, dass die Kläger von der Entscheidung des FG überrascht sein konnten. Der Unterschied im Ergebnis beruht entscheidend auf einer abweichenden Dauer der Verzinsung und damit auf einer schon im Verwaltungsverfahren unterschiedlichen Betrachtung. Insoweit gilt, dass das FG nicht verpflichtet ist, die maßgeblichen Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend zu erörtern, weil es auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte zumindest dann nicht ausdrücklich hinzuweisen braucht, wenn die Beteiligten --wie hier-- fachkundig vertreten sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 329).
2. Voraussetzung für das Entstehen eines Zinsanspruchs sind die Anhängigkeit eines außergerichtlichen bzw. finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das auf die Überprüfung eines angefochtenen Verwaltungsakts gerichtet ist, die Gewährung der Vollziehungsaussetzung und die endgültige Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs.
a) Schuldner der Zinsen aufgrund einer AdV eines Einkommensteuerbescheides soll nach allgemeiner Auffassung allein derjenige Steuerschuldner sein, der den ausgesetzten Einkommensteuerbescheid mit einem Rechtsbehelf angefochten hat (z.B. BFH-Urteile vom 6. November 1974 II R 18/72, BFHE 113, 426, BStBl II 1975, 129, und vom 28. November 1991 IV R 96/90, BFH/NV 1992, 506; Heuermann in HHSp, § 237 AO Rz 32; Klein/ Rüsken, AO, 9. Aufl., § 237 Rz 23; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 237 AO Rz 19).
aa) Ob der Senat dieser Auffassung folgen könnte, kann dahingestellt bleiben, soweit in dem Zinsbescheid vom 18. Dezember 2000 auch Aussetzungszinsen aufgrund der Aussetzungsverfügung vom 8. Oktober 1997 festgesetzt wurden. Denn unbestritten haben beide Kläger den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 1. September 1997 mit Einspruch angefochten. Konsequenterweise hat das FA die auf diesen Einspruch und den damit verbundenen Antrag auf AdV gestützte Aussetzungsverfügung vom 8. Oktober 1997 an beide Kläger gerichtet. Aufgrund dieser nicht angefochtenen und daher bestandskräftigen Aussetzungsverfügung hat das FA somit zu Recht beide Kläger jedenfalls für den davon erfassten Zeitraum als Schuldner der Aussetzungszinsen in Anspruch genommen.
bb) Entsprechendes gilt für den nachfolgenden Zeitraum. Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, nach welchen Kriterien die Frage zu entscheiden ist, wem gegenüber die Vollziehung eines Einkommensteuerbescheides als Folge der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides auszusetzen ist, wenn Betroffener des Grundlagenbescheides lediglich einer der beiden Ehegatten ist, an die der Einkommensteuerbescheid gerichtet ist. Selbst wenn in einem solchen Fall die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides nur gegenüber demjenigen Steuerschuldner verfügt werden dürfte, der an der Gesellschaft beteiligt ist --wogegen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes für den nicht an der Feststellung beteiligten Ehegatten erhebliche Bedenken bestehen--, sind die im Streitfall an beide Kläger gerichteten späteren Aussetzungsverfügungen jedenfalls nicht nichtig, sondern allenfalls rechtswidrig. Denn die AdV wird mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Ihr kommt Tatbestandswirkung zu und sie bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt wird (§ 124 Abs. 2 AO; s. Senatsurteil vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4).
Die Annahme der Wirksamkeit der AdV-Verfügung widerspricht entgegen der Auffassung der Kläger nicht der Entscheidung des BFH vom 14. Januar 1997 VII R 66/96 (BFHE 182, 262). Der BFH hat in diesem Urteil die Frage ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob der Ehegatte, der keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, durch einen an beide Ehegatten gerichteten Bescheid über die AdV betroffen ist, und ausschließlich auf die mangelhafte Bekanntgabe der AdV-Verfügung abgestellt.
cc) Die wirksame Bekanntgabe ist jedoch im Streitfall zu bejahen. Selbst wenn in einer Konstellation wie der vorliegenden --ähnlich wie im Falle der Zusammenveranlagung, in dem nur einer der Ehegatten ein Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegt hat-- die Bekanntgabe je einer Ausfertigung der Aussetzungsverfügung an beide Ehegatten verlangt würde, ist eine zweite Ausfertigung dann nicht erforderlich, wenn die Aussetzungsverfügung --wie hier-- einem Empfangsbevollmächtigten zugeht, der von den Ehegatten als Vertreter bestellt wurde (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 169/90, BFH/NV 1992, 433). Davon sind das FA und das FG --jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht oder Duldungsvollmacht-- aufgrund der gesamten Umstände zu Recht ausgegangen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. März 2003 IX B 206/02, BFH/NV 2003, 884).
Dem als Empfangsbevollmächtigten bezeichneten PV sind bereits die in der Vollziehung ausgesetzten Einkommensteuerbescheide und sämtliche AdV-Verfügungen zugegangen. Er hat für die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 1. September 1997 eingelegt und zugleich AdV beantragt. Darüber hinaus hat das FG darauf hingewiesen, dass der Empfangsbevollmächtigte PV die Kläger in weiteren 20 seit 1999 anhängig gemachten Verfahren vollumfänglich in ihren Einkommensteuerangelegenheiten und den sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren vertreten hat. Das verdeutlicht, dass das FA mit Recht eine umfassende Vertreterstellung des Empfangsbevollmächtigten angenommen hat, die auch das Verfahren der AdV der Bescheide in Sachen Einkommensteuer 1995 und die Festsetzung von Aussetzungszinsen umfasst, die eine zwangsläufige Folge der AdV sein können. Die Beurteilung des FG ist folgerichtig und lebensnah.
dd) Die Kläger haben die an beide Ehegatten gerichteten und ihnen wirksam bekannt gegebenen AdV-Verfügungen nicht angefochten. Aufgrund deren Tatbestandswirkung hat das FA sie somit zu Recht als Grundlage für den Zinsbescheid herangezogen und darauf basierend beide Kläger als Zinsschuldner in Anspruch genommen.
b) Die Bescheide vom 18. Dezember 2000 und vom 9. April 2001 über die Festsetzung der Aussetzungszinsen sind gegenüber beiden Klägern wirksam bekannt gegeben worden. Nach den obigen Überlegungen durfte das FA auch insoweit den als Empfangsbevollmächtigten bezeichneten Bekanntgabeadressaten als Vertreter der Kläger ansehen, dessen Bevollmächtigung auch das Verfahren der Festsetzung der streitigen Aussetzungszinsen umfasst. Infolgedessen ist trotz der vom FA gewählten förmlichen Zustellung nach dem damals geltenden § 8 Abs. 1 Satz 3 VwZG die Übersendung einer Ausfertigung ausreichend gewesen. § 8 Abs. 2 VwZG ist nicht einschlägig. Dass das FA den Bekanntgabeadressaten als Empfangsbevollmächtigten bezeichnet hat, steht der Wirksamkeit der Bekanntgabe des Zinsbescheides nicht entgegen. Die Stellung als Empfangsbevollmächtigter schließt die Stellung als Vertreter nicht aus. Ein als Empfangsbevollmächtigter Bezeichneter kann Vertreter sein. § 8 Abs. 1 Satz 3 VwZG hat nicht verlangt, dass der Bekanntgabeadressat ausdrücklich als Vertreter benannt wird. Vielmehr kommt es auf die tatsächliche Rechtsstellung des Bekanntgabeadressaten an, nicht jedoch auf dessen Bezeichnung als Vertreter. Die zutreffende Schlussfolgerung von FA und FG wird durch das Verhalten des Empfangsbevollmächtigten bestätigt. Er hat den Zinsbescheid vom 18. Dezember 2000 und den folgenden vom 9. April 2001 jeweils entgegengenommen, ohne in seinem Einspruch oder anderen Schriftsätzen das Fehlen einer zweiten Ausfertigung zu beanstanden.
3. Weil die Bekanntgabe des Bescheides vom 18. Dezember 2000 über die Festsetzung der Aussetzungszinsen wirksam ist, sind die Aussetzungszinsen innerhalb der am 31. Dezember 2000 endenden Festsetzungsfrist (vgl. § 239 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 AO) festgesetzt worden. Dem Zinsbescheid vom 9. April 2001 steht keine Festsetzungsverjährung entgegen, weil der Ablauf der Festsetzungsfrist durch den Einspruch der Kläger gegen den Zinsbescheid vom 18. Dezember 2000 gemäß § 171 Abs. 3a Satz 1 AO in der im Zeitpunkt des Erlasses des Zinsbescheides geltenden Fassung gehemmt wurde.
4. FA und FG haben die AdV-Zinsen in der zutreffenden Höhe festgesetzt.
a) Zu Recht ist der Zinslauf mit 15 Monaten angesetzt worden. Ist --wie hier-- die Vollziehung erst nach dem Eingang des Rechtsbehelfs ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der AdV beginnt (§ 237 Abs. 2 AO). Da das FA die Vollziehung rückwirkend ab Fälligkeitstag ausgesetzt hat, beginnt die Verzinsung mit dem 6. Oktober 1997.
Zinsen sind zu erheben bis zu dem Tag, an dem die AdV endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO), im Regelfall bis zu dem im Aussetzungsbescheid bestimmten Zeitpunkt. Erfüllt der Steuerpflichtige den Anspruch vorher (durch Zahlung oder Aufrechnung gemäß § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. § 226 Abs. 1 AO), so endet der Zinslauf bereits mit der Erfüllung, im Streitfall spätestens mit der Tilgung der Steuerschuld am 18. Januar 1999. Zinsen sind nach § 238 Abs. 1 Satz 2 AO von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt (hier mit dem 6. Oktober 1997), nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben unberücksichtigt.
b) Die Einwendungen der Kläger gegen die Berechnung des Zinslaufs rechtfertigen keine Korrektur.
Sinn und Zweck der Aussetzungszinsen ist es, dem Steuerpflichtigen den Zinsvorteil zu nehmen, der ihm durch die --wie im Nachhinein festgestellt-- unberechtigt in Anspruch genommene AdV entstanden ist (vgl. Heuermann in HHSp, a.a.O., § 237 AO Rz 6). Diesem Zweck wird allein ein Zinslauf gerecht, der sich entsprechend dem Wortlaut des § 237 Abs. 2 AO vom Zeitpunkt der erstmals gewährten AdV bis zur Tilgung der Steuerschuld erstreckt. In der Zwischenzeit vorgenommene Änderungen der Einkommensteuerfestsetzung aufgrund des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid bzw. den Grundlagenbescheid vermögen daran nichts zu ändern. Sie schmälern den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen nicht, der ihm durch die AdV entsteht. Dem können die Kläger nicht den Wortlaut des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO entgegenhalten, nach dem der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen ist. Der in einem geänderten Einkommensteuerbescheid dem Steuerpflichtigen eingeräumte Zahlungsaufschub gewährt dem Steuerpflichtigen eine Schonung und bewahrt ihn vor dem Entstehen zusätzlicher Säumniszuschläge, wenn er rechtzeitig zahlt. Er berührt jedoch nicht das Bestehen der im ursprünglichen Bescheid festgestellten Steuerschuld und das Fortbestehen der gewährten AdV. Die Kläger lassen bei ihrer Überlegung den Unterschied zwischen dem Bestehen einer Schuld und deren Fälligkeit außer Acht. Ein geänderter Steuerbescheid berührt allenfalls die Fälligkeit der Schuld, nicht jedoch deren Bestehen.
aa) Das von den Klägern angestrebte Ergebnis kann nicht aus § 118 AO hergeleitet werden. Die in dieser Bestimmung aufgenommene Definition des Verwaltungsakts als Regelung eines Einzelfalles dient ausschließlich der Abgrenzung zur Allgemeinverfügung. Sie besagt jedoch nicht, dass ein durch die AdV eines Bescheides durchgängig bewirkter Zahlungsaufschub unterbrochen wird, weil einem Änderungsbescheid eine erneute AdV-Verfügung folgt.
bb) Ebenso wenig lässt sich aus Rz 8.2.2 des Anwendungserlasses zu § 361 AO ableiten, dass mit der "Erledigung" der AdV durch einen ändernden oder ersetzenden Steuerbescheid und mit der neuen Entscheidung über die AdV eine Unterbrechung der AdV deshalb eintritt, weil die Finanzverwaltung nicht die sofortige Bezahlung verlangt, sondern im Regelfall einen einmonatigen Zahlungsaufschub gewährt.
cc) Vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 237 Abs. 2 AO und dem Sinn und Zweck der Aussetzungszinsen besteht kein Grund, die vom Großen Senat des BFH im Beschluss vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72 (BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231) zu § 68 FGO entwickelten Überlegungen zum Verhältnis eines Änderungsbescheides zum ursprünglichen Bescheid auf den ganz anderen Regelungszusammenhang der Bemessung von AdV-Zinsen zu übertragen.
c) Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen ist nach § 237 Abs. 1 AO der ausgesetzte Betrag, soweit er wegen endgültiger Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs geschuldet bleibt (Senatsurteil in BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4).
Die Kritik der Kläger an der vom FA ermittelten und vom FG bestätigten Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Aussetzungszinsen geht ins Leere.
Schon im Verfahren vor dem FG haben die Kläger --wenn auch nach der mündlichen Verhandlung-- ausgehend von den Einkommensteuerbescheiden, die den jeweiligen AdV-Verfügungen zugrunde lagen, Berechnungen vorgelegt, die eine höhere als die vom FA angenommene Bemessungsgrundlage auswiesen. Allein wegen des Verbotes der Verböserung hatte das FG keinen Anlass, seine Entscheidung auf die so ermittelte Bemessungsgrundlage zu stützen. Gleiches gilt für den erkennenden Senat, soweit die Kläger in der Revisionsbegründung auf der gleichen Basis erstellte Berechnungen anführen, die in zwei Fällen ebenfalls eine höhere Bemessungsgrundlage ergeben. Eine niedrigere Bemessungsgrundlage haben die Kläger lediglich bezogen auf den Einkommensteuerbescheid vom 20. November 1997 errechnet, indem sie zu ihren Gunsten eine Verrechnung in Höhe von … DM berücksichtigt haben, die in der dem Einkommensteuerbescheid angefügten Abrechnung ausgewiesen ist.
Es kann dahingestellt bleiben, wie sich eine tatsächlich vorgenommene Verrechnung auf die Bemessungsgrundlage für die AdV-Zinsen auswirkt. Denn im Streitfall hat das FG für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend die von den Klägern behauptete Verrechnung verneint. Insoweit haben die Kläger keine Verletzung von Verfahrensrecht geltend gemacht.
5. Der in der mündlichen Verhandlung vom PV dem Beklagtenvertreter ausgehändigte Antrag auf getrennte Veranlagung des Klägers in dem Veranlagungszeitraum 1995 hat keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Revision der Kläger.
Der erkennende Senat ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des FG in dem angefochtenen Urteil gebunden. Danach wurden die Kläger antragsgemäß zusammenveranlagt. Die Beurteilung dieses Sachverhalts durch das FG ist Gegenstand des Revisionsverfahrens. Infolgedessen ist der Antrag auf getrennte Veranlagung, wenn er erstmals nach Beendigung der Tatsacheninstanz gestellt wird, im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen, selbst wenn er noch bis zur Unanfechtbarkeit der Veranlagung möglich ist (dazu BFH-Urteil vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690).
Der Senat kann daher dahingestellt lassen, ob und ggf. in welchem Umfang sich dieser Antrag auf die rechtliche Beurteilung der Zinsbescheide auswirkt.
Fundstellen
Haufe-Index 1779175 |
BFH/NV 2007, 1817 |
HFR 2007, 1003 |