Leitsatz (amtlich)
1. Lange Lagerdauer und damit sinkende Verkaufsmöglichkeit von Waren rechtfertigen eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert nicht, solange die Waren zu den ursprünglichen Preisen oder doch ohne ins Gewicht fallende Preisabschläge angeboten und verkauft werden.
2. Der Zinsverlust und der Zinsaufwand, der für länger lagernde Waren entsteht, rechtfertigen für sich allein keine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert.
2. Erstrebt der Steuerpflichtige, daß das FA einen fehlerhaften Bilanzansatz im Rahmen der durch die Betriebsprüfung aufgerollten oder berichtigungsfähigen Veranlagungen bis zur Fehlerquelle zurückberichtigt (vgl. BFH-Urteil IV R 96/67 vom 30. November 1967, BFH 90, 430, BStBl II 1968, 144), so muß er die Veranlagungen der Jahre, deren Bilanzen er geändert haben will, anfechten, auch wenn sich dann bei der von ihm angestrebten Berichtigung eine höhere Einkommensteuer ergibt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; AO § 231; AO a.F. § 232
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen auf das Warenlager eines Jueweliers in den Bilanzen vom 31. Dezember 1959 und 1960.
Der Steuerpflichtige betrieb in der X-Straße, einer großstädtischen Hauptgeschäftsstraße in Y, ein Juweliergeschäft. Das Warenlager wurde in den Bilanzen 1956 bis 1960 wie folgt bewertet: 1956 653 369 DM, 1957 653 528 DM, 1958 750 489 DM, 1959 844 986 DM, 1960 1 191 365 DM,
Die Waren wurden teils nach den tatsächlichen Einkaufspreisen, teils durch Abzug von der Kalkulation entsprechenden Rohgewinnabschlägen von den Verkaufspreisen (retrograde Methode) bewertet. Von den so ermittelten Anschaffungskosten machte der Steuerpflichtige Abschläge, um niedrigere Teilwerte zu ermitteln. Bei den Goldwaren und Schmuckgegenständen, die in einem Lagerbuch erfaßt und nach den tatsächlichen Anschaffungskosten bewertet waren (rd. 84 v. H. aller Waren), wurde der Anschaffungspreis in Stein-, Gold- und Fassonwert aufgeteilt. Nur auf den Fassonwert erfolgten Teilwertabschreibungen. Im ersten Jahr wurde der volle Fassonwert angesetzt, sodann wurden jährlich 20 v. H. abgeschrieben, so daß nach etwa sechs Jahren der Fassonwert noch mit 1 DM zu Buch stand. Die Anschaffungskosten anderer Gold-, Silber- und Schmuckwaren, die nach der retrograden Methode ermittelt waren, wurden zum 31. Dezember 1960 um Teilwertabschreibungen zwischen 15 und 66 2/3 v. H. gekürzt.
Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1962 wurde die Warenbewertung für 1959 und 1960 nicht anerkannt. In den Entscheidungen über die Einsprüche der Steuerpflichtigen für 1959 und 1960 erkannte der Steuerausschuß nur folgende Teilwertabschreibungen auf den Warenbestand an: Für 1959: 5 v. H. vom Einkaufspreis der Goldwaren, der Großuhren und der Armbanduhren = 45 035 DM und für 1960: 5 v. H. von den Anschaffungskosten aller Waren = 75 775 DM.
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Mit der Revision beantragt der Steuerpflichtige Wiederherstellung der ursprünglichen Veranlagungen. Er rügt unrichtige Rechtsanwendung und Verfahrensmängel. Das FG habe zu Unrecht von der Beiziehung eines Sachverständigen abgesehen und die Vernehmung des Angestellten K. unterlassen. Das FG hätte sich auch durch eine Besichtigung des Geschäfts und des Warenbestandes von der besonderen Note des Unternehmens überzeugen müssen. Es handle sich um ein Unternehmen von internationalem Rang, das zu den wenigen exklusiven deutschen Juweliergeschäften gehöre und besonders auserlesene Schmuckstücke mit weitgehend modischem Einschlag anbiete. Rabattgewährungen und Preisnachlässe seien bei dem Charakter des Geschäfts ausgeschlossen. Aus der Unterlassung von Preisherabsetzungen könne daher nicht geschlossen werden, daß der Teilwert nicht gesunken sei. Es stehe fest, daß ein Teil der eingekauften Stücke nicht abzusetzen sei. Diesem Umtand werde bei der Kalkulation Rechnung getragen. Bei der hochmodischen Ausrichtung des Warenangebots hätten nicht sogleich verkaufte Waren später schlechte Absatzchancen. Der Steuerpflichtige brauche ein breites Angebot. Gerade durch den Unterschied zwischen den neueren Schmuckstücken und den Ladenhütern, die den Kunden vorgelegt würden, würden diese veranlaßt, moderne Stücke zu kaufen. Der Kunde erwarte ein großes Angebot, um unbewußt die modischen Stücke herauszugreifen.
Das FG habe den von der Rechtsprechung entwickelten Teilwertbegriff nicht richtig angewendet. Wenn dem Erwerber bekannt sei, daß sich im Warenbestand eine große Zahl von Ladenhütern befinde, die sechs Jahre und länger lägen, müsse er schon wegen der hohen Zinskosten oder Zinseinbußen und der Kosten für die Warenunterhaltung Abschläge von den Übernahmepreisen vornehmen, wenn er den üblichen Gewinn erzielen wolle. Das Fremdkapital des Steuerpflichtigen müsse vorrangig zur Finanzierung der Ladenhüter aufgenommen werden. Von Einschmelzungen sei bisher abgesehen worden, weil hierdurch Beschädigungen von Steinen zu befürchten seien. Die Auffassung, Schmuckstücke, Edelmetalle und Steine könnten durch lange Lagerung nicht an Wert verlieren, sei durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt. Es sei auch denkbar, daß die gelenkten Edelsteinpreise verfielen.
Der Steuerpflichtige rügt ferner, daß das FA im Zuge der Betriebsprüfung nicht die Bilanzen bis zurück zum Wirtschaftsjahr 1956 berichtigt habe. Er habe dies nicht mit Rechtsmitteln geltend machen können, da er durch die Veranlagungen 1956 bis 1958 nicht beschwert gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Waren sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Ist der Teilwert niedriger, so ist nach dem für Vollkaufleute geltenden Niederstwertprinzip dieser anzusetzen (§§ 5, 6 Abs. 1 EStG). Entsteht zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA Streit über die Notwendigkeit einer Teilwertabschreibung, so muß der Kaufmann in der Regel in geeigneter Weise durch betriebliche Unterlagen die Angemessenheit der Abschläge nachweisen (Urteil des erkennenden Senats IV 214/61 U vom 3. Oktober 1963, BFH 78, 14, BStBl III 1964, 7). Eine Teilwertabschreibung ist außer bei Sinken der Wiederbeschaffungskosten auch bei sinkenden Verkaufspreisen und bei Minderwert der Ware zulässig (Urteil des erkennenden Senats IV 236/63 S vom 13. März 1964, BFH 79, 529, BStBl III 1964, 426). Wird eine Teilwertabschreibung bei Waren nicht mit sinkenden Einkaufspreisen begründet, so muß der Kaufmann in der Regel darlegen, daß die voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlöse gesunken sind und die Selbstkosten zuzüglich des durchschnittlichen Unternehmergewinns nicht erreichen (Urteil des erkennenden Senats IV 252/60 vom 5. Mai 1966, BFH 86, 28, BStBl III 1966, 370). Dies muß der Kaufmann für eine ausreichende und repräsentative Zahl von Fällen nachweisen oder doch glaubhaft machen.
Der Senat hat im Urteil IV 214/61 U, das ein Juweliergeschäft betraf, ausgesprochen, bei der Würdigung längerer Lagerdauer als Grundlage einer Teilwertabschreibung sei zu beachten, daß man bei Waren, die nach längerer Lagerzeit noch zu Normalpreisen angeboten und ohne ins Gewicht fallende Preisabschläge veräußert würden, davon ausgehen könne, daß sie nicht minderwertig gewesen seien. Ein Kaufmann, der nur gegenüber dem FA von seiner Ware behaupte, sie sei wegen langer Lagerung und ähnlicher Umstände minderwertig und daher abzuschreiben, der die gleiche Ware aber seinen Kunden zum ursprünglich kalkulierten Verkaufspreis anbiete und in einzelnen Fällen auch tatsächlich verkaufe, könne nicht verlangen, daß die Ware in der Bilanz unter dem Einkaufspreis angesetzt werde.
An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Es fehlt in diesen Fällen die wichtigste Voraussetzung für eine Teilwertabschreibung wegen geminderter Verkaufspreise, daß nämlich für die Waren der ursprünglich kalkulierte Preis nicht mehr zu erzielen sei. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht die Teilwertabschreibungen nicht gebilligt. Das Vorbringen des Steuerpflichtigen kann seine Handhabung nicht rechtfertigen. Es steht ihm frei, das Festhalten an den ursprünglichen Preisen zum Geschäftsprinzip zu erheben; dann ist aber solange eine Teilwertabschreibung nicht gerechtfertigt.
Daß das Halten von Waren, mit derem raschen Verkauf der Kaufmann nicht rechnet, die er aber zur Auffüllung des Sortiments am Lager hält, nicht zu einer Teilwertabschreibung berechtigt, hat der RFH schon im Urteil VI 648/38 vom 1. März 1939 (StuW 1939 Nr. 293) ausgesprochen.
Würde das Lager wirklich in dem behaupteten Umfang unverkäufliche Ladenhüter enthalten, so kann nicht angenommen werden, daß der Steuerpflichtige sie über Jahre hinweg im Warenlager halten und mit teurem Fremdkapital finanzieren würde. Mindestens einen Teil hätte er dann einschmelzen lassen und die damit verbundenen Verluste in Kauf genommen.
Entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen kann weder der Zinsaufwand noch der Zinsverlust, der für länger auf dem Lager befindliche Stücke entsteht, eine Teilwertabschreibung begründen. Aus dem RFH-Urteil III 74/39 vom 4. Juni 1940 (RStBl 1940, 1067) kann nichts anderes geschlossen werden. Das Urteil betrifft die Einheitsbewertung, bei der die Rechtslage weitgehend anders ist als bei der Einkommensteuer. Mit Recht hat es das FG auch abgelehnt, die Kosten für Lagerung, Kontrolle, Reinigung und Versicherung, die bei allen Stücken des Warenlagers anfallen, als Rechtfertigung für eine Teilwertabschreibung bei einem Teil des Warenbestands zuzulassen. Es handelt sich um allgemeine Betriebsunkosten, die sich nicht im Minderwert einzelner Waren niederschlagen.
Das FG brauchte keinen Sachverständigen zuzuziehen. Auch die beantragte Vernehmung eines Angestellten des Steuerpflichtigen erübrigte sich, weil die Teilwertabschreibung schon aus Rechtsgründen ohne weitere Feststellungen abzulehnen ist. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die zugelassenen Teilwertabschreibungen vertretbar sind, da eine Verböserung nicht zulässig ist (§ 96 Abs. 1 FGO).
Der Betriebsprüfer und ihm folgend das FA haben die durch die teilweise Nichtanerkennung der Teilwertabschreibungen sich ergebenden Gewinnerhöhungen nur bei den Jahren 1959 und 1960 vorgenommen, obwohl auch die Wirtschaftsjahre 1956 bis 1958 Gegenstand der Betriebsprüfung waren und für diese Jahre auf Grund der Betriebsprüfung erstmalige Veranlagungen durchgeführt wurden. Diese Handhabung entspricht nicht dem Urteil des erkennenden Senats IV R 96/67 vom 30. November 1967 (BFH 90, 430, BStBl II 1968, 144). Danach ist ein unrichtiger Bilanzansatz im Rahmen der im Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965 (BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142) aufgestellten Grundsätze über den Bilanzenzusammenhang in der Regel bis zur Fehlerquelle zurück zu berichtigen. Der Steuerpflichtige konnte also die Verteilung der Mehrgewinne bis zum Wirtschaftsjahr 1956 verlangen, aber nur so lange, wie die Veranlagungen 1956 bis 1958 noch nicht rechtskräftig waren. Der Steuerpflichtige hätte die Handhabung des FA also rechtzeitig rügen müssen. Entgegen seiner Ansicht war er hierzu auch in der Lage. Er hatte gegen alle auf Grund der Betriebsprüfung durchgeführten Veranlagungen zunächst Einspruch eingelegt; die Einsprüche für die Jahre 1956 bis 1958 erledigten sich später. Der Steuerpflichtige hätte es hierzu nicht kommen lassen dürfen; er hätte für den Fall, daß er mit seinem in erster Linie gestellten Antrag, seine Warenbewertung anzuerkennen, keinen Erfolg habe, beantragen müssen, die Erhöhungen auf die Jahre 1956 bis 1960 zu verteilen. Daß ein solches Verlangen für die Jahre 1956 bis 1958 nicht zu einer niedrigeren, sondern zu einer höheren Einkommensteuer führte, steht der Zulässigkeit solcher Rechtsmittel nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Pflichtige auch dann beschwert, wenn das FA für ein Wirtschaftsjahr keine höhere Steuer festsetzt, aber die Behandlung durch das FA sich in späteren Veranlagungszeiträumen zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken kann (vgl. BFH-Urteil I 49/64 vom 11. Januar 1967, BFH 87, 431, BStBl III 1967, 215 und die dort angeführten weiteren Urteile).
Fundstellen
Haufe-Index 68205 |
BStBl II 1968, 801 |
BFHE 1968, 378 |