Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsfreibetrag nur bei eigenen Aufwendungen der Eltern - Gestaltungsmißbrauch bei Abschluß eines Mietvertrags zwischen Eltern und Kindern - kein Abzugsbetrag nach § 10e EStG bei unentgeltlich überlassener Wohnung an Kind
Leitsatz (amtlich)
1. Haben Eltern ihrem volljährigen Sohn 130 000 DM geschenkt mit der Auflage, diesen Betrag bei einer Bank im Rahmen eines sog. Sparplans anzulegen und mit den daraus monatlich zufließenden Mitteln von 2 000 DM den Lebensunterhalt und die Ausbildungskosten zu bestreiten, steht ihnen kein Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs.2 EStG zu. Den Eltern sind keine Aufwendungen für die Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift erwachsen.
2. Zahlt der Sohn mit den Mitteln aus dem Sparplan Miete für eine den Eltern gehörende Wohnung, liegt in dem Abschluß des Mietvertrages zwischen Eltern und Sohn kein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 (Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 498, BStBl II 1988, 604).
3. Für die aufgrund eines einkommensteuerrechtlich anzuerkennenden Mietvertrages an den studierenden Sohn überlassene Wohnung steht den Eltern kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG zu (Anschluß an das BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BFHE 173, 345).
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG §§ 10e, 21, 33a Abs. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 23.03.1993; Aktenzeichen 6 K 1998/90 E) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) schenkten ihrem (1966 geborenen) Sohn im Juli 1988 jeweils 65 000 DM (insgesamt 130 000 DM). Lt. Schenkungsvertrag dienen die zugewendeten Beträge in vollem Umfang dem angemessenen Unterhalt des Sohnes während des Studiums und einer evtl. weiteren Ausbildung. Die Zuwendung war mit der Auflage verbunden, den Gesamtbetrag für einen sog. Sparplan bei einer Bank zu verwenden. Aus diesem Sparplan sollten monatlich 2 000 DM mit Beginn des Studiums ab Oktober 1988 ausgezahlt werden. Der Sohn verpflichtete sich, mit dem geschenkten Betrag seinen Lebensunterhalt und die Kosten seiner Ausbildung zu bestreiten sowie keine weiteren Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern zu richten.
Im September 1988 erwarben die Kläger am Studienort des Sohnes eine 46 qm große Eigentumswohnung. Sie vermieteten die Wohnung aufgrund eines schriftlichen Vertrages ab 1. November 1988 an ihren Sohn. Der monatliche Mietzins betrug 704 DM, der in Höhe eines Teilbetrags von 104 DM an die Hausverwaltung zu zahlen war.
In der Einkommensteuererklärung 1988 machten die Kläger für die Wohnung zunächst einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 6 690 DM geltend sowie einen erhöhten Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung des Sohnes für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1988 in Höhe von 1 050 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte die beantragte Steuerbegünstigung nach § 10e Abs.1 EStG, weil die Kläger die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzten. Den Ausbildungsfreibetrag zog das FA in der beantragten Höhe ab.
Mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1988 trug der Prozeßbevollmächtigte der Kläger vor, er habe den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG irrtümlich beantragt. Die Kläger hätten die Eigentumswohnung ihrem Sohn aufgrund eines tatsächlich und ernsthaft durchgeführten Mietvertrages überlassen. Den Mieteinnahmen von 1 200 DM stünden Werbungskosten (einschließlich Absetzung für Abnutzung --AfA-- nach § 7 Abs.5 EStG) in Höhe von 8 182 DM gegenüber, so daß sich ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung von 6 982 DM ergebe.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es führte aus, ein ernsthaft vereinbartes Mietverhältnis sei nicht anzunehmen, da die Einnahmen des Sohnes ausschließlich aus Unterhaltsbeiträgen der Kläger bestünden, mit der Folge, daß die Kläger Miete an sich selbst zahlten.
Mit der Klage beantragten die Kläger, einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 6 982 DM zu berücksichtigen, hilfsweise einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG in Höhe von 6 690 DM zu gewähren.
Das Finanzgericht (FG) gab dem Hilfsantrag statt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 649 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e EStG. Es führt u.a. aus: Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liege nicht vor, wenn die gesamte Wohnung anderen zu Wohnzwecken überlassen werde. Selbst wenn man die Überlassung einer Wohnung an unterhaltsberechtigte Kinder als Eigennutzung der Eltern ansähe, sei im Streitfall der Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG nicht zu gewähren; denn der Sohn sei aufgrund der Schenkung finanziell von den Klägern unabhängig.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie tragen vor, für den Fall, daß der Bundesfinanzhof (BFH) zu der Auffassung gelange, die Revision sei begründet, werde beantragt, das zwischen ihnen und ihrem Sohn geschlossene Mietverhältnis steuerlich anzuerkennen. Nach dem bisherigen Vorbringen des FA habe der Sohn über keine eigenen Geldmittel verfügt, sondern lediglich Unterhalt bezogen. Er habe somit seinen Verpflichtungen aus dem geschlossenen und durchgeführten Mietvertrag nicht aus eigenen Einkünften nachkommen können. Von dieser rechtlichen Würdigung sei das FA nunmehr abgerückt, wenn es vortrage, der Sohn sei finanziell unabhängig. Wenn das FA dieser Auffassung sei, müsse es konsequenterweise den Mietvertrag anerkennen.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Inanspruchnahme eines Abzugsbetrages nach § 10e Abs.1 EStG setzt u.a. voraus, daß der Eigentümer die angeschaffte oder hergestellte Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
Im Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91 (BFHE ..., ...) hat der Senat eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen angenommen, wenn dieser einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind i.S. des § 32 Abs.1 bis 5 EStG eine Wohnung unentgeltlich überläßt. Da der Steuerpflichtige in diesen Fällen die Wohnung in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zur Verfügung stelle, sei ihm die Nutzung durch das Kind als eigene zuzurechnen.
Das gilt jedoch nicht, wenn der Steuerpflichtige seinem Kind die Wohnung aufgrund eines einkommensteuerrechtlich anzuerkennenden Mietverhältnisses überläßt. Nutzt das Kind die Wohnung aufgrund eigenen Rechts, wird die Wohnung aus der Sicht des Steuerpflichtigen zu "fremden" Wohnzwecken genutzt.
Das FG hat den zwischen den Klägern und ihrem Sohn abgeschlossenen Mietvertrag nicht anerkannt. Es hat unter Berufung auf die Entscheidungen des BFH vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604), und vom 14. Juni 1988 IX B 157/87 (BFH/NV 1990, 97) in dem Abschluß des Mietvertrages einen Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gesehen. Der Sohn zahle die Miete aus den in Erfüllung des Unterhaltsanspruchs von den Eltern geschenkten Beträgen. Wirtschaftliche oder beachtliche nichtsteuerliche Gründe für den Abschluß des Mietvertrages seien nicht ersichtlich. Sie fänden ihre Erklärung nur darin, daß der angemessene Unterhalt nach § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu hoch bemessen worden sei. Die getroffene Gestaltung, über die den Klägern gehörende Wohnung einen Mietvertrag abzuschließen, sei damit den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen.
Nach Auffassung des Senats steht § 42 AO 1977 der Anerkennung des Mietvertrages im Streitfall nicht entgegen. Anders als in den vom IX.Senat des BFH entschiedenen Fällen (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; BFH/NV 1990, 97) hat der Sohn im Streitfall den Mietzins nicht aus dem monatlich von den Eltern erhaltenen Barunterhalt bezahlt. Die Kläger hatten ihrem Sohn einen Betrag von insgesamt 130 000 DM geschenkt unter der Auflage, diesen Betrag in einem sog. Sparplan bei einer Bank anzulegen und mit den monatlichen Auszahlungen den Lebensunterhalt und die Kosten der Ausbildung zu bestreiten. Der Sohn verfügte somit über eigenes Vermögen. Ein Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern bestand daher im Streitjahr nicht mehr (§ 1602 BGB). Die Eltern haben somit mit der Überlassung der Wohnung keinen gesetzlichen Anspruch des Sohnes auf Unterhaltsgewährung erfüllt.
2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen ist nur anzuerkennen, wenn es --bürgerlich-rechtlich wirksam-- wie unter Fremden vereinbart und tatsächlich wie vereinbart durchgeführt worden ist (z.B. BFH-Urteile vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834, und vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96). Diese Voraussetzungen hat das FG (aus seiner Sicht zu Recht) nicht geprüft. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das FG ermitteln, ob die vertraglichen Vereinbarungen dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und auch tatsächlich durchgeführt worden sind. Halten der Mietvertrag und seine Durchführung einem Fremdvergleich stand, wird das FG den Verlust aus Vermietung und Verpachtung für die Eigentumswohnung, soweit die im Einspruchsverfahren vorgelegte Berechnung zutrifft, berücksichtigen. Kommt das FG wiederum zu dem Ergebnis, daß der Mietvertrag einkommensteuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, hat es einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG zu gewähren. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BFHE ..., ...
Ferner wird das FG im Wege der Saldierung berücksichtigen, daß das FA zu Unrecht einen anteiligen erhöhten Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung des Sohnes für die Monate Oktober bis Dezember 1988 in Höhe von 1 050 DM abgezogen hat. Ein Ausbildungsfreibetrag steht dem Steuerpflichtigen nach § 33a Abs.2 EStG nur zu, wenn ihm Aufwendungen für die Berufsausbildung des Kindes "erwachsen" sind. Hat er keine derartigen Aufwendungen, darf kein Ausbildungsfreibetrag gewährt werden (BFH-Urteil vom 6. November 1987 III R 178/85, BFHE 151, 425, BStBl II 1988, 442). Im Streitfall sind den Klägern aber keine Aufwendungen für die Berufsausbildung des Sohnes entstanden, da dieser die Kosten für den Unterhalt und die Berufsausbildung aus eigenem Vermögen bestritten hat. Die Vermögensübertragungen im Juli 1988 auf den Sohn sind keine Berufsausbildungsaufwendungen i.S. des § 33a Abs.2 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 64971 |
BStBl II 1994, 694 |
BFHE 173, 551 |
BFHE 1994, 551 |
BB 1994, 991 |
BB 1994, 991-992 (LT) |
DB 1994, 1550-1551 (LT) |
DStR 1994, 477 (KT) |
HFR 1994, 392-393 (LT) |
StE 1994, 275 (K) |
WPg 1994, 728 (L) |
StRK, R.22 (LT) |
FR 1994, 361-362 (KT) |
NJW 1994, 2640 |
NJW 1994, 2640 (LT) |
KFR, 2/94, S 227-228 (H 8/1994) (LT) |
NWB, Fach 3 9051 (7/1994) (KT) |
FamRZ 1994, 1382 (L) |