Leitsatz (amtlich)
Eine Personengesellschaft, die ein Grundstück erwirbt, um darauf zur Vermietung oder Verpachtung bestimmte Industrie- oder Gewerbebauten zu errichten und damit einen Gewerbebetrieb zu betreiben, erzielt grundsätzlich keinen tarifbegünstigten Betriebsaufgabegewinn, sondern einen laufenden gewerblichen Gewinn, wenn sie etwa zwei Jahre später nach Scheitern des Projekts das Grundstück parzelliert, teilweise erschließt und die Parzellen an verschiedene Erwerber veräußert.
Normenkette
EStG § 16
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die ein großes Grundstück zum Zwecke der Bebauung und Vermietung für gewerbliche Zwecke erworben hatte, mit der Aufgabe der Bebauungsabsicht ihren Betrieb aufgegeben hat und der Gewinn aus der folgenden Parzellierung und Veräußerung des Grundstücks deshalb als tarifbegünstigter Betriebsaufgabegewinn zu beurteilen ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft der bürgerlichen Rechts.
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 30. September 1964 erwarb die Klägerin ein Industriegelände.
Die Klägerin behauptet, sie habe das Grundstück ausschließlich zu dem Zwecke erworben, um darauf einen Gewerbe- oder Industriehof mit einer Bausumme von etwa ... DM errichten und an zahlreiche Gewerbetreibende zu vermieten.
Mit Schreiben vom 2. Juli 1965 teilte der Senator für Wirtschaft der Klägerin mit, daß er der geplanten Errichtung eines Gewerbe- oder Industriehofes nicht zustimmen könne, sondern im Interesse der z. Zt. auf dem Gelände befindlichen Industrie- und Handwerksbetriebe auf einer Parzellierung und Veräußerung des Grundstücks, insbesondere an die bisherigen Grundstückspächter bestehen müsse. Die Klägerin erhielt daraufhin vom Senator für Wirtschaft eine Liste derjenigen Firmen, die am Erwerb einer Parzelle des Grundstücks interessiert waren.
In der Zeit vom 2. August 1965 bis 10. Oktober 1966 veräußerte die Klägerin das Grundstück in Teilflächen unterschiedlicher Größe an 16 Bewerber zum Preise von insgesamt ... DM, nachdem sie vorher selbst entsprechend den Auflagen zur Parzellierung eine für die Erschließung der Parzellen notwendige Privatstraße angelegt hatte.
Die Klägerin reichte für 1965 eine einheitliche Gewinnfeststellungserklärung ein, in der sie einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM und einen Veräußerungsgewinn (Betriebsaufgabegewinn) in Höhe von ... DM auswies.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA), vertrat die Ansicht, eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe liege nicht vor, weil die Parzellierung und Weiterveräußerung des Grundstücks in 16 Teilflächen den alleinigen Inhalt der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin bilde. Wäre die Klägerin nicht gewerblich tätig gewesen, so hätte sie die erzielten Gewinne ebenfalls zum normalen Steuersatz nach § 23 EStG versteuern müssen.
Demgemäß lehnte es das FA im Gewinnfeststellungsbescheid für 1965 vom 4. August 1969 ab, festzustellen, daß im festgestellten Gewinn ein Veräußerungsgewinn i. S. von § 16 EStG enthalten sei.
Den Einspruch wies das FA zurück.
Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin ausschließlich dagegen, daß das FA den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks nicht als begünstigten Veräußerungsgewinn festgestellt habe. Sie machte sinngemäß unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 16. September 1966 VI 118, 119/65 (BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70) geltend, sie habe das Grundstück ausschließlich zum Zwekke der Errichtung des Gewerbehofs, nicht hingegen zum Zwecke einer evtl. Parzellierung und Veräußerung erworben. Durch das Eingreifen des Senators für Wirtschaft sei die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks unmöglich geworden. Die Parzellierung und Veräußerung des Grundstücks sei deshalb lediglich die Aufgabe eines im Vorbereitungsstadium steckengebliebenen Gewerbebetriebs.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid aufzuheben und bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte von einem nach den §§ 16, 34 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn von ... DM auszugehen.
Die Klägerin rügt Verletzung des materiellen Rechts (§ 16 EStG) und Verfahrensverstöße.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Für außerordentliche Einkünfte ist die Einkommensteuer aus einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen (§ 34 Abs. 1 EStG). Was außerordentliche Einkünfte i. S. dieser Vorschrift sind, ist in § 34 Abs. 2 EStG erschöpfend aufgezählt. Danach gehören zu den tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften u. a. Veräußerungsgewinne i. S. des § 16 EStG, d. h. Gewinne aus der Veräußerung oder der Aufgabe eines ganzen Gewerbebetriebs.
a) Eine Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG liegt nur vor, wenn - ebenso wie bei der Veräußerung des Gewerbebetriebs als Ganzen - die gewerbliche Tätigkeit eingestellt wird und die dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter innerhalb kurzer Zeit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden und dadurch die - bei der Betriebseinstellung vohandenen, während des Bestehens des Gewerbebetriebs angewachsenen - stillen Reserven in einem Zuge aufgedeckt werden (z. B. BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719, mit weiteren Nachweisen; ferner z. B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1967 I 103/64, BFHE 91, 166, BStBl II 1968, 276).
b) Keine Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG liegt hingegen vor, wenn zwar die bisherige gewerbliche Tätigkeit eingestellt, gleichzeitig aber unter Einsatz des bisherigen gewerblichen Betriebsvermögens eine neue gewerbliche Tätigkeit begonnen also insgesamt lediglich der Gegenstand des gewerblichen Unternehmens (bzw. bei einer Gesellschaft der Gesellschaftszweck) geändert wird. Der aus dieser - mit neuer Zwecksetzung - fortgeführten gewerblichen Tätigkeit erzielte Gewinn ist demgemäß kein tarifbegünstigter Betriebsaufgabegewinn.
Daraus folgt, daß ein Gewinn, den ein Unternehmer aus der Veräußerung von Grundbesitz erzielt, der Anlagevermögen des eingestellten Betriebs war, kein tarifbegünstigter Betriebsaufgabegewinn ist, wenn die Veräußerung des Grundbesitzes sich in einer Weise vollzieht, die die Veräußerung als gewerbliche Betätigung erscheinen läßt. Denn in diesem Falle hat der Unternehmer zwar seine bisherige gewerbliche Tätigkeit eingestellt, gleichzeitig aber eine neue gewerbliche Tätigkeit (Grundstückshandel) aufgenommen und für diese bestimmte Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der bisherigen gewerblichen Tätigkeit Anlagevermögen waren, nunmehr als Umlaufvermögen verwendet, wobei jedenfalls im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG die bisherigen Buchwerte maßgeblich bleiben.
c) Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verkauf unbebauter Grundstücke, die Privatvermögen sind oder zu einem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehören, als gewerbliche Betätigung zu beurteilen ist, vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Parzellierung und Veräußerung von unbebauten Grundstücken zwar den einzelnen Kriterien des § 1 GewStDV genügt, gleichwohl aber - jedenfalls, soweit es sich um ererbten oder schon lange Zeit im Eigentum des Veräußerers stehenden Grundbesitz handelt - noch im Bereich der privaten Vermögensverwaltung liegt und somit nicht als gewerbliche Betätigung zu qualifizieren ist, wenn sich der Veräußerer im wesentlichen auf eine bloße Verkaufstätigkeit beschränkt. Die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung sind jedoch überschritten und damit alle Voraussetzungen einer gewerblichen Betätigung erfüllt, wenn der Eigentümer zum Zwecke des Verkaufs die Grundflächen selbst als Bauland aufbereitet und erschlossen oder zumindest, bei der Aufbereitung und Erschließung aktiv mitgewirkt oder hierauf Einfluß genommen hat (s. z. B. BFH-Urteile vom 13. März 1969 IV R 132/68, BFHE 95, 488, BStBl II 1969, 483; vom 14. November 1972 VIII R 71/72, BFHE 107, 501, BStBl II 1973, 239; vom 7. Februar 1973 I R 210/71, BFHE 109, 308, BStBl II 1973, 642; vom 29. August 1973 I R 214/71, BFHE 110, 348, BStBl II 1974, 6, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die Rechtsgrundsätze müssen sinngemäß gelten, wenn Grundbesitz, der Anlagevermögen eines eingestellten gewerblichen Betriebs war, veräußert wird.
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat die Vorentscheidung im Streitfall im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der im Streitjahr erzielte Gewinn der Klägerin aus der Parzellierung und Veräußerung des am 30. September 1964 erworbenen Grundstücks als laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb einkommensteuerpflichtig und nicht als Betriebsaufgabegewinn tarifbegünstigt ist.
a) Der Senat unterstellt zugunsten der Klägerin, daß diese bei Erwerb des Grundstücks allein die Absicht hatte, darauf einen Industrie- oder Gewerbehof zu errichten, daß sie also - entgegen der Annahme des FG - nicht bereits von Anfang an mit einem Scheitern des Bauprojekts ernsthaft rechnete und für diesen Fall plante, das erworbene Grundstück zu parzellieren, soweit erforderlich zu erschließen und wieder zu veräußern. Damit erweisen sich die einschlägigen Verfahrensrügen als gegenstandslos.
b) Gleichwohl ist der Gewinn aus der Veräußerung der Parzellen kein Betriebsaufgabegewinn, weil die Klägerin ihren Gesellschaftszweck und damit den Gegenstand ihres Unternehmens konkludent änderte, nachdem die Verwirklichung ihres ursprünglichen Gesellschaftszwecks (Errichtung eines Industrie- oder Gewerbehofs) praktisch unmöglich geworden war; dabei war der geänderte Gesellschaftszweck fortan auf eine Tätigkeit gerichtet, die für sich betrachtet als gewerblich zu beurteilen ist.
aa) Die Klägerin hat sich nicht darauf beschränkt, das am 30. September 1964 erworbene Grundstück - nach Aufgabe ihres ursprünglichen Planes, das Grundstück zu bebauen und zu vermieten - zu veräußern. Die Klägerin hat, wie sie in ihrem beim FG eingereichten Schriftsatz vom 3. Juli 1972 vorträgt, auf dem Grundstück selbst eine Privatstraße errichtet, "da die 20 Käufer der Teilparzellen sonst keinen Zugang zu ihren Grundstücken gehabt hätten". Damit hat die Klägerin in erheblichem Umfange an der Aufbereitung und Erschließung des Geländes zum Zwecke der Parzellierung mitgewirkt. Daß der Klägerin die Anlage der Straße offenbar im Zusammenhang mit der behördlichen Genehmigung der Parzellierung zur Auflage gemacht wurde, ändert nichts an der steuerrechtlichen Wertung dieser Aktivität.
bb) Die Klägerin hat ferner im Einspruchsschriftsatz vom 20. August 1969 vorgetragen, das Grundstück wäre in ungeteiltem Zustand nicht oder nur unter großem Verlust zu veräußern gewesen. Auch hieraus erhellt, daß der streitige Gewinn nicht aus einer Realisierung der bis zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung (also der Aufgabe der Absicht, das Grundstück zu bebauen und zu vermieten) angewachsenen stillen Reserven (des Anlagevermögens) herrührt, sondern aus einer erst im Anschluß an die Betriebseinstellung neu entfalteten gewerblichen Aktivität, deren Ziel der Einsatz des bisherigen Anlagevermögens als Umlaufvermögen war.
cc) Rechtlich unerheblich ist, daß die Klägerin insofern unter "Zwang" handelte, als sie ihren ursprünglichen Plan, einen Industrie- oder Gewerbehof zu errichten, nicht verwirklichen konnten, und deshalb aus wirtschaftlichen Gründen naturgemäß bestrebt sein mußte, das Grundstück anderweitig mit größtmöglichem Erfolg zu verwerten. Entscheidend ist nicht die Motivation, sondern die Art und Weise einer Betätigung; diese aber war, wie ausgeführt, gewerblich.
c) Die Auffassung der Revision trifft nicht zu, daß aus der Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG folge, der Gewinn aus der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter nach Betriebseinstellung müsse stets zum tarifbegünstigten Betriebsaufgabegewinn gehören, weil andernfalls die Vorschrift ohne Anwendungsbereich sei. Die vorstehend entwickelten Rechtsgrundsäze schränken den Anwendungsbereich des § 16 EStG nur für bestimmte Formen der Veräußerung, eben für diejenigen ein, die zwar im Vergleich zur bisherigen eingestellten Tätigkeit eine neuartige, aber doch wiederum gewerbliche Betätigung darstellen.
Fundstellen
BStBl II 1977, 721 |
BFHE 1978, 505 |