Normenkette
UStG 1967 § 15 Abs. 1-2; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Klägerin ist die aus den Eheleuten H bestehende Grundstücksgemeinschaft. Die Eheleute H errichteten in den Jahren 1972/73 ein Gebäude mit sieben Wohnungen sowie Garagen. Das Eigentum an dem Baugrundstück war in sieben Miteigentumsanteile in der Weise geteilt worden, daß mit jedem Anteil das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden war.
Am 15. April 1973 schlossen die Eheleute H mit der H-GmbH einen Vertrag über die Nutzung des "Anwesens". Der Gesellschaftsvertrag der H-GmbH war am 31. Dezember 1972 geschlossen worden. Die H-GmbH setzte den Betrieb eines Textileinzelhandelsgeschäfts fort, das bis dahin der Ehemann H als Einzelkaufmann geführt hatte. Vom Stammkapital der H-GmbH in Höhe von 60 000 DM hatten die Eheleute H Stammeinlagen von je 30 000 DM übernommen. Geschäftsführer der H-GmbH waren in den Jahren 1973 und 1974 beide Ehegatten.
Durch den am 15. April 1973 geschlossenen Vertrag vermieteten die Eheleute H an die H-GmbH das "Anwesen" zum monatlichen Mietpreis von 2 500 DM zuzüglich 11 v. H. Umsatzsteuer. Die Wohnungen wurden im April 1973 bezugsfertig. Die H-GmbH vermietete die Wohnungen im eigenen Namen weiter. Eine Wohnung vermietete sie an den Ehemann H, der diese Wohnung mit seiner Ehefrau als Familienwohnung selbst nutzte. Zwei Garagen und einen Büroraum vermietete die H-GmbH nicht, sondern nutzte diese selber.
Die Klägerin erklärte gegenüber dem Finanzamt, sie verzichte auf die Steuerbefreiung ihrer Umsätze aus Vermietung. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1973 und 1974 machte sie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 80 845,55 DM (1973) und 1 057,53 DM (1974) geltend.
Das Finanzamt hat die Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsbeträge abgelehnt und die Umsatzsteuer der Jahre 1973 und 1974 jeweils auf 0 DM festgesetzt. Es vertrat die Ansicht, zwischen der Klägerin und der H-GmbH bestehe Unternehmereinheit. Außerdem stelle der Mietvertrag einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG dar, weil keine Gründe ersichtlich seien, die eine Zwischenschaltung der H-GmbH als wirtschaftlich geboten oder vernünftig erscheinen ließen.
Der Einspruch der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Diese war darauf gestützt worden, es sei wirtschaftlich geboten gewesen, die einkommens- und finanzstarke H-GmbH als Zwischenmieter einzuschalten; außerdem habe die H-GmbH die Verwaltungsarbeiten abwickeln können. Hierzu führt das Finanzgericht aus: Wegen der Unternehmereinheit zwischen der Klägerin und der H-GmbH seien Vermietungsumsätze zu verneinen. Außerdem liege in dem Vertrag vom 15. April 1973 ein Gestaltungsmißbrauch. Wirtschaftliche Gründe für den Abschluß eines Zwischenmietvertrages seien nicht ersichtlich. Die an sich auf einem völlig anderen Gebiet als dem der Vermietung tätige H-GmbH entspreche nicht dem Gesamtbild eines eigenständigen und eigene Interessen verfolgenden Zwischenvermieters. Infolge der kurzen Kündigungsfrist des Vertrages habe die H-GmbH keine gesicherte Stellung gehabt. Wegen der Personengleichheit der Teilhaber der Klägerin mit den Gesellschaftern der H-GmbH könne das geschäftliche Verhalten der H-GmbH gesteuert und ihr Vermieterrisiko ausgeschaltet werden. Eine Entfaltung eigener unternehmerischer Initiativen seitens der H-GmbH sei nicht denkbar. Die von der H-GmbH geschlossenen Mietverträge seien sämtlich allein vom Ehemann unterschrieben worden. Die Einschaltung eines Zwischenvermieters sei auch deshalb ungewöhnlich, weil die Eheleute H selbst in dem vermieteten Gebäude wohnten.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie wendet sich gegen die Ausführungen des Finanzgerichts zur Unternehmereinheit. Eine Gestaltungsmißbrauch verneint sie unter Hinweis auf die bürgerlichrechtliche Vertragsfreiheit. Auf deren Grundlage habe sie wegen der bereits im Klageverfahren vorgetragenen wirtschaftlichen Gründe die Zwischenvermietung verwirklicht. Eine unangemessene Gestaltung könne nicht daraus hergeleitet werden, daß Ehegatten ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wie geschehen ordneten. Andernfalls verstoße man gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau und diskriminiere die Ehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Die bei der Klägerin aus Anlaß der Hauserrichtung angefallenen Steuern sind insoweit keine nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 abziehbaren Vorsteuerbeträge, als sie anteilig auf die an die GmbH zum Zwecke der Weitervermietung vermieteten Räumlichkeiten entfallen. Dem Abzugsbegehren der Klägerin steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der errichteten Räumlichkeiten durch eine nach § 4 Nr. 12 UStG 1967 steuerfreie Vermietung erfolgte (Urteil vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394).
a) Zur Auslegung des § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1967 in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachpunkt hat der Senat im Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75 (BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388) ausgeführt, § 15 UStG 1967 werde vom Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung der Leistungsbezüge und der mit ihrer Hilfe ausgeführten Umsätze beherrscht. Dieses Zuordnungsprinzip sei auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer den über den Vorsteuerabzug entscheidenden Umsatz nicht selbst ausführe, sondern durch eine andere Person (Mittelsperson) mit Hilfe der ihr zur Verfügung gestellten Leistungsbezüge ausführen lasse und ihm das wirtschaftliche Ergebnis des auf diese Weise auf die Mittelsperson verlagerten Umsatzes zufließe.
Zum Bereich der sog. Zwischenvermietungen hat der erkennende Senat gefolgert, bei Errichtung von Haus- und Wohnungseigentum richte sich die Abziehbarkeit der in diesem Zusammenhang beim Eigentümer angefallenen Vorsteuerbeträge im Falle der Einschaltung einer Mittelsperson in den Vermietungsvorgang danach, ob die (im eigenen Namen auftretende) Mittelsperson steuerpflichtige oder (zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende) steuerfreie Vermietungsumsätze bewirke. Hierauf komme es nämlich an, wenn zwischen Eigentümer und Mittelsperson kein Mietverhältnis (mit steuerpflichtigen Mietumsätzen des Eigentümers), sondern ein Geschäftsbesorgungsverhältnis bestehe oder wenn wegen § 6 StAnpG (jetzt § 42 AO 1977) einem derartigen Mietvertrag die angestrebten steuerlichen Folgen zu versagen und damit die Mittelsperson lediglich als Geschäftsbesorger tätig geworden sei.
b) Die Klägerin hat laut dem Vertrag vom 15. April 1973 das "Anwesen" vermietet. Da das Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt war, sind Gegenstand des Vertrages die sieben Eigentumswohnungen. Infolgedessen sind Gegenstand des Leistungsbezugs und Gegenstand der Verwendung nicht identisch. Die mangelnde Identität ist jedoch umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, sofern der Empfänger der Gebäudeerrichtungsleistungen zugleich die dingliche Rechtszuständigkeit bezüglich der in diesem Gebäude befindlichen Eigentumswohnungen besitzt (BFH-Urteil vom 1. August 1984 V R 12/78, BFHE 141, 362, BStBl II 1984, 728).
2. Die vom Finanzgericht vertretene Rechtsauffassung, der zwischen der Klägerin und der H-GmbH abgeschlossene Mietvertrag stelle einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts i. S. des § 6 StAnpG dar, hält der rechtlichen Nachprüfung insoweit stand, als sie die an die H-GmbH zum Zwecke der Weitervermietung vermieteten Räumlichkeiten betrifft. Die Klägerin kann sich in bezug auf die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht auf das Bestehen eines Mietvertrages mit steuerpflichtigen Vermietungsleistungen an die H-GmbH berufen.
Die zwischen der Klägerin und der H-GmbH getroffenen Vereinbarungen sind in ihrer rechtlichen Gestaltung den von ihr betroffenen wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen. Für die Abgrenzung einer zulässigen gegen eine von § 6 Abs. 1 StAnpG mißbilligte Gestaltung ist maßgeblich, ob die Gestaltung von verständigen Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung gewählt würde oder nicht. In Zweifelsfällen muß deshalb für rechtliche Gestaltungsformen, die vom Normalbild abweichen, dargetan werden, daß sie auf vernünftigen Erwägungen beruhen.
Das Finanzgericht hat zutreffend die Einschaltung der H-GmbH als unangemessene Gestaltung beurteilt, weil dafür vernünftige wirtschaftliche Gründe nicht ersichtlich sind. Die Garantenstellung der H-GmbH, auf die die Klägerin in diesem Zusammenhang als dem maßgeblichen wirtschaftlichen Grund der Einschaltung abhebt, beruht auf der mangelnden rechtlichen Identität zwischen Grundstücksgemeinschaft einerseits und H-GmbH andererseits. Bei der Beurteilung im Rahmen des § 6 StAnpG, ob die gewählte Gestaltung für sich in Anspruch nehmen kann, wirtschaftlich sinnvoll und vernünftig zu sein, muß aber berücksichtigt werden, daß sich unter dem für den gestaltenden Steuerpflichtigen maßgeblichen Gestaltungsgrund (hier Garantiegesichtspunkt) die Eheleute H als Garantiegeber und Garantienehmer gegenüberstanden. Es gibt keinen Sinn, wenn die Eheleute H geschäftliche Risiken, von denen sie möglicherweise auch als Teilhaber der Grundstücksgemeinschaft betroffen worden wären, auf sich als Gesellschafter der H-GmbH abwälzten. Auf den Gesichtspunkt der Haftungsbeschränkung einer juristischen Person kam es den Eheleuten H in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht an.
Da bereits die Vermietung an die H-GmbH als unangemessene Gestaltung i. S. des § 6 Abs. 1 StAnpG zu beurteilen ist, kommt es auf die weitere unangemessene Gestaltung der Rückvermietung der Familienwohnung an den Ehemann H nicht an (vgl. im übrigen dazu Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398).
Folglich sind bezüglich der durch die H-GmbH an Dritte vermieteten Wohnungen nicht zwei hintereinandergeschaltete Vermietungen zugrunde zu legen, sondern ist nur eine nach § 4 Nr. 12 UStG 1967 steuerfreie Vermietung durch die H-GmbH an Dritte gegeben, die insoweit bei der Klägerin zur Versagung des Vorsteuerabzugs führt.
Von der vorstehenden rechtlichen Beurteilung werden die Artikel 3 und 6 GG nicht berührt.
3. Der Auffassung des Finanzgerichts kann jedoch insoweit nicht zugestimmt werden, als es die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin auch hinsichtlich eines anteiligen Betrages verneint hat, der auf die der H-GmbH zur eigenen Nutzung überlassenen Räumlichkeiten und Garagen entfällt. Betreiben einerseits die Eheleute Grundstücksvermietung und andererseits eine aus ihnen als Gesellschaftern gebildete Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein gewerbliches Unternehmen, kann die Überlassung von Geschäftsräumen an den Gewerbebetrieb zu dessen unternehmerischer Nutzung nicht als unangemessene Gestaltung beurteilt werden. Das Urteil des Finanzgerichts war daher aufzuheben.
Die Sache ist an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Es ist zum einen nicht festgestellt, ob die Nutzung der Garagen und des Büroraumes durch die H-GmbH die erstmalige Verwendung war, die gemäß den Grundsätzen des BFH-Urteils BFHE 127, 238 für den Vorsteuerabzugsanspruch maßgeblich ist. Zum anderen ist offen, ob die H-GmbH, falls sie selbst die Räume erstmalig verwendet hat, hierfür eine Gegenleistung aufwenden mußte. Aus der Vereinbarung eines Gesamtmietzinses von 2 500 DM für die Überlassung des "Anwesens" ergibt sich nicht zwingend, daß die H-GmbH an die Gemeinschaft eine Gegenleistung für die Überlassung des Büroraums und der Garagen erbracht hat. Das Finanzgericht wird festzustellen haben, ob die Nutzung des Büroraums und der Garagen entgeltlich oder nichtentgeltlich erfolgt ist.
Fundstellen
BStBl II 1984, 856 |
BFHE 1985, 572 |