Leitsatz (amtlich)
Begleitet ein Arzt zum Zwecke der ärztlichen Betreuung der Pilger einen von einer Organisation veranstalteten Pilgerzug, so können die dabei von ihm selbst getragenen Kosten der Fahrt, der Unterbringung und der Verpflegung abzugsfähige Spenden sein, wenn anderenfalls der Organisation Aufwendungen dafür in dieser Höhe entstanden waren.
Normenkette
EStG 1961 § 10b
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist freipraktizierende Ärztin. Sie ist römisch-katholischen Glaubens. Auf Wunsch des Deutschen Lourdes-Vereins in X begleitete sie dessen Pilgerzug ehrenamtlich als Ärztin; in dem Reisezug stand ihr ein besonderes Ärzteabteil zur Behandlung der Pilger zur Verfügung. Die Steuerpflichtige erhielt für die Betreuung der Kranken von dem Verein kein Honorar.
Der Steuerpflichtigen sind bei der Pilgerfahrt Reisekosten entstanden. Sie möchte diese als Betriebsausgaben berücksichtigt haben. Das beklagte FA hat in seinem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 19 .. den Betrag nicht in Ansatz gebracht.
Mit ihrer Sprungklage machte die Steuerpflichtige geltend, sie habe die Fahrt lediglich aus beruflichen Gründen mitgemacht. Das FA war demgegenüber der Ansicht, die Steuerpflichtige sei nicht durch ihren Beruf, sondern durch ihre Kirchenzugehörigkeit zu der Pilgerfahrt veranlaßt worden. Die Aufbringung der Reisekosten für den Verein könne man auch nicht als Spende an diesen ansehen (§ 10b EStG).
Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Reisekosten seien nicht durch den Betrieb veranlaßt worden. Es sei weder ersichtlich noch irgendwie substantiiert vorgetragen worden, inwiefern für die Begleitung des Pilgerzugs rein berufliche Interessen nicht aber caritative, religiöse oder ähnliche Motive bestimmend gewesen seien. Die Steuerpflichtige habe nicht darlegen können, daß und welche beruflichen Interessen sie mit der Pilgerreise verfolgt habe. Keinesfalls sei ein solches Interesse schon insofern zu bejahen, als das ärztliche Berufsethos der Steuerpflichtigen für ihren Entschluß, den Pilgerzug zu begleiten, bestimmend gewesen sein möge. Schließlich liege auch keine Sonderausgabe im Sinne des § 10b EStG vor. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Deutsche Lourdes-Verein in X eine Vereinigung im Sinne des § 10 EStG in Verbindung mit § 48 EStDV sei. Jedenfalls sei diesem unmittelbar keine Spende zugeflossen. Die Reisekosten, die der Steuerpflichtigen entstanden seien, seien für ihre eigene Lebensführung aufgewendet worden und nicht in das Vermögen des Vereins geflossen. Der Umstand, daß der Verein möglicherweise durch die Hilfsbereitschaft der Steuerpflichtigen die Kosten für einen nicht ehrenamtlich tätigen Arzt gespart habe, genüge nicht, um eine Sachspende der Steuerpflichtigen an den Verein anzunehmen.
Die Steuerpflichtige hat die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Betrag von "X DM" als Betriebsausgabe anzuerkennen.
Sie trägt vor, das FG habe den Begriff der Betriebsausgaben verkannt. Sie habe nicht etwa eine Pilgerfahrt gemacht und bei dieser Gelegenheit kranke Pilger behandelt, sondern auf die an sie als Ärztin gerichtete Bitte des Vereins in Erfüllung ihrer ärztlichen Aufgaben den Pilgerzug begleitet. Damit aber seien die Reisekosten durch die Berufsausübung entstanden. Es komme entgegen der Ansicht des FG nicht darauf an, welche beruflichen Interessen mit den Ausgaben hätten verfolgt werden sollen. Es komme aber auch ein Abzug als Spende in Frage, die man darin erblicken könne, daß sie, die Steuerpflichtige, auf den Ersatz der ihr entstandenen Kosten verzichtet habe. Zwar könne man normalerweise im Wirtschaftsleben davon ausgehen, daß keine Spende, sondern eine Betriebsausgabe vorliege, wenn der Aufwand zu Werbezwecken gemacht werde. Bei einem Arzt, der einem strikten Werbeverbot unterliege, könnte man jedoch nur mit Einschränkungen diesen Grundsatz aufrechterhalten, ihn aber dennoch anwenden. Ein Arzt könne, ohne gegen standesrechtliche Vorschriften zu verstoßen, um seinen Ruf zu heben, einen Aufwand machen, der dann als Spende anzusehen sei.
Das FA hält die Ansicht des FG für richtig. Es macht noch geltend, in dem Verzicht auf Ersatz der Reisekosten liege keine Sachspende an den Verein, auch nicht in dem Verzicht auf das Honorar, weil allein den Pilgern und nicht dem Veranstalter der Pilgerreise etwas zugewendet worden sei.
Die Steuerpflichtige erwidert hierauf, zwar habe der Vorteil der kostenlosen ärztlichen Behandlung bei den einzelnen Pilgern gelegen, der Veranstalter des Pilgerzuges hätte aber, wenn sie nicht der Aufforderung nachgekommen wäre, einen anderen Arzt bestellen müssen, und dieser Arzt sei dann in der Lage gewesen, entweder Honorar zu fordern oder Ersatz der Reisekosten. Der Verein habe also einen Vorteil erlangt.
Das FA hatte noch vor Erlaß des angefochtenen Urteils den Steuerbescheid vom 26. April 1966 nach § 94 AO durch den Bescheid vom 27. Mai 1966 ersetzt. Die Steuerpflichtige hat während des Revisionsverfahrens beantragt, diesen geänderten Bescheid, durch den die Streitfrage nicht beeinflußt wird, zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
1. Das FG hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die Ausgaben für die Reise der Steuerpflichtigen keine Betriebsausgaben sind, weil sie nicht durch berufliche Interessen, sondern durch caritative, religiöse oder ähnliche Erwägungen veranlaßt worden seien. Gegen die dabei zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen sind keine vom Revisionsgericht zu beachtenden Rügen erhoben worden. Daß die Steuerpflichtige von dem Verein gebeten worden war, ärztliche Aufgaben zu übernehmen, schließt nicht aus, daß sie insoweit nicht aus beruflichen, sondern aus der Sphäre der persönlichen Lebenshaltung zuzuordnenden Motiven Aufwendungen gemacht hat. Es widerspricht auch nicht der Lebenserfahrung, daß ein Berufsträger, der seine Tätigkeit kostenlos zur Verfügung stellt und dabei sogar noch selbst Auslagen hat, in erster Linie aus ethischen, nicht aus beruflichen Motiven handelt. Ob eine derartige Haltung steuerlich relevant ist, entscheidet sich dann nach anderen Gesichtspunkten, als sie für den Betriebsausgabenabzug gelten.
2. Indessen hat das FG verkannt, daß hier die Voraussetzungen eines Spendenabzugs vorliegen können. Es hat diesen Abzug nur aus dem rechtlichen Grund versagt, daß die Aufwendungen nicht in das Vermögen des Vereins übergegangen, also diesem nicht unmittelbar zugeflossen seien. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch nicht zutreffend.
Wie der VI. Senat des BFH allerdings erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils, mit Recht in seiner Entscheidung VI R 269/67 vom 25. Juli 1969 (BFH 96, 471, BStBl II 1969, 681) ausgesprochen hat, kommen als Spenden im Sinne des § 10b EStG nicht nur Leistungen in Geld, sondern auch sonstige geldwerte Vorteile in Betracht, sofern es sich um "Ausgaben" des Spenders handelt, und liegt eine unmittelbare Spende an die begünstigte Institution auch vor, wenn der Spender die Spende - nach außen erkennbar - im Namen und im Auftrag der begünstigten Institutionen selbst dem begünstigten Zweck zuführt. In dem damals entschiedenen Falle hatte ein Steuerpflichtiger in seinem Pkw im Rahmen einer vom Deutschen Roten Kreuz betriebenen Aktion alte Leute befördert. Der BFH sah die dabei entstandenen Kosten als dem Deutschen Roten Kreuz unmittelbar zugeflossene Spenden an.
Nun unterscheidet sich allerdings der vorliegende Fall von dem damals entschiedenen insofern, als damals die Ausgaben des Steuerpflichtigen unmittelbar den von der Organisation erstrebten Zweck (Beförderung) bewirkten, während hier die Ausgaben zunächst den Lebensunterhalt der Steuerpflichtigen betreffen und erst die Leistungen der Steuerpflichtigen den Kranken zugute kamen. Das ist indessen kein entscheidender Unterschied. Geht man nämlich - in beiden Fällen - davon aus, daß das Ziel der Organisation die Hilfeleistung für die Betreuten war, daß hierfür (einmal materielle, einmal persönliche) Mittel bereitgestellt werden mußten und daß dafür hätten Kosten aufgewendet werden müssen, so ist der einzige Unterschied der, daß mit diesen Mitteln im ersteren Falle die Beförderung, im zweiten Falle die Präsenz eines Arztes erkauft wurde. Damit die Kranken betreut werden konnten, mußten sie von einem Arzt begleitet werden; um die Begleitung zu erreichen, mußten Fahrtkosten und (erhöhte) Ausgaben für die Lebenshaltung eines Arztes aufgewendet werden. Diese Aufwendungen, die sonst die Organisation hätte tragen müssen, nahm ihr die Steuerpflichtige ab, sie führte damit - nach außen erkennbar - im Namen und im Auftrag des begünstigten Vereins selbst diese Aufgabe dem begünstigten Zweck zu. Dabei ist also auch das Erfordernis erfüllt, daß der Spender "Ausgaben" macht. Der Senat bemerkt ausdrücklich, daß er die Spende nicht etwa in der Zurverfügungstellung der Arbeitskraft der Steuerpflichtigen, sondern in der Selbstverauslagung von Kosten, die die ärztliche Hilfeleistung erst ermöglichten, sieht. Voraussetzung ist allerdings, daß anderenfalls die Organisation Aufwendungen für die ärztliche Betreuung mindestens in dieser Höhe tatsächlich gemacht hätte.
Das FG hat - von seinem Standpunkt mit Recht - noch nicht festgestellt, ob die Voraussetzungen eines Spendenabzugs gegeben sind und in welcher Höhe hier eine Spende abgezogen werden kann. Es muß das nunmehr nachholen.
Fundstellen
Haufe-Index 413163 |
BStBl II 1972, 613 |
BFHE 1972, 465 |
NJW 1973, 584 |