Entscheidungsstichwort (Thema)
Bürgschaftsaufwendungen
Leitsatz (NV)
Entscheidend für die steuerliche Qualifi zierung von Bürgschaftsaufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder verdeckte Einlagen ist nicht der Zeitpunkt der Inanspruchnahme, sondern der der Hingabe der Bürgschaftsversprechen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) waren im Streitjahr (1987) die Kommanditistinnen der H-KG (KG). Die Klägerin zu 2 war an der KG zu 56,25 v. H., die Klägerin zu 1 zu 43,75 v. H. beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war die kapitalmäßig nicht beteiligte H- GmbH (GmbH), an welcher die Klägerinnen zu je 50 v. H. beteiligt waren. Die beiden Ehegatten der Klägerinnen (Ehegatten), der Kaufmann B und der Kaufmann H, waren Geschäftsführer sowohl der GmbH als auch der KG. In den Jahren 1984 und 1985 waren Kommanditisten der KG die Klägerin zu 2 mit einer Beteiligung von 50 v. H., B mit einer Beteiligung von 37,5 v. H. sowie der Kaufmann W mit einer Beteiligung von 12,5 v. H. Im Jahre 1986 waren die Klägerin zu 2 mit 50 v. H., die Klägerin zu 1 mit 37,5 v. H. und W mit 12,5 v. H. beteiligt. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1986 schied W aus der KG aus. Der Kommanditanteil von nominell 25 000 DM wurde im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die beiden Klägerinnen zu je 50 v. H. übertragen.
Mit Beschluß vom ... September 1987 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über die GmbH mangels Masse abgelehnt, mit Beschluß vom ... August 1989 das 1987 eröffnete Konkursverfahren über das Ver mögen der KG mangels einer die weiteren Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt.
Mit ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1987 erklärten die Klägerinnen einen Verlust der KG in Höhe von 199 442 DM. Für Aufwendungen aus in den Jahren 1985 und 1986 von ihren Ehegatten eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen machten die Klägerinnen jeweils 37 528 DM als Sonderbetriebsausgaben geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf ./. 199 442 DM fest, verteilte sie aber anders. Wegen der Auflösung der negativen Kapitalkonten infolge der Konkurseröffnung über das Vermögen der KG ermittelte das FA für die Klägerin zu 2 einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 286 463 DM sowie für die Klägerin zu 1 von 219 048 DM. Die Berücksichtigung der Bürgschaftsaufwendungen versagte es mit der Begründung, daß nicht die Klägerinnen, sondern deren Ehegatten die Bürgschaftsverpflichtungen eingegangen seien.
Im Einspruchsverfahren kürzte das FA den Veräußerungsgewinn der Klägerinnen wegen der Sonderrechtsnachfolge nach dem Kommanditisten W um jeweils 6 250 DM und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit ./. 211 941 DM fest. Im übrigen war der Einspruch erfolglos.
Während des Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten Feststellungsbescheid, in dem es den Verlust der Gesellschaftsanteile an der GmbH als Sonderbetriebsausgaben der Klägerinnen beurteilte und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb damit auf ./. 261 941 DM feststellte. Der geänderte Bescheid wurde auf Antrag der Klägerinnen zum Gegenstand des Verfahrens.
Zur Begründung ihrer Klage tragen die Klägerinnen vor, die Ehegatten hätten die Bürgschaften zur Gewährleistung ihrer bestehenden Anstellungsverträge bzw. zugunsten des persönlich haftenden Gesellschafters übernommen.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1086 veröffentlichten Urteil zu dem Ergebnis, daß die von den Ehegatten geleisteten Bürgschaftszahlungen als Sonderbetriebsausgaben der Klägerinnen zu behandeln seien und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit ./. 336 997 DM fest. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Klägerinnen mit ihren Ehegatten die GmbH und die KG beherrscht hätten, die Ehegatten als Geschäftsführer und die Klägerinnen als Gesellschafterinnen. Damit hätten die Ehegatten die Bürgschaftszahlungen im Interesse der Gesellschaft geleistet, um die gesellschaftsrechtlichen Belange der Klägerinnen zu wahren.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG konnte aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen nicht zu den ausgesprochenen Schlußfolgerungen gelangen.
Zu Unrecht stellt das FG zur steuerlichen Einordnung der Bürgschaftsaufwendungen auf deren Zahlung ab. Es übersieht dabei, daß entscheidend für die Qualifizierung dieser Aufwendungen der Zeitpunkt ist, in dem die Bürgschaftsversprechen gegeben wurden (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23, m. w. N.).
Nach den Feststellungen des FG wurden die Bürgschaften in dem Zeitraum von Dezember 1985 bis Mai 1986 übernommen. Für das Jahr 1985 hatte das FG eine Beteiligung der Klägerin zu 2, des B sowie des W festgestellt, für das Jahr 1986 eine Beteiligung der Klägerin zu 1 und 2 sowie des W. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist mithin schon nicht denkbar, daß Bürgschaftsversprechen des Jahres 1985 im Interesse der Klägerin zu 1 erfolgten.
Die Vorentscheidung hat darüber hinaus nicht geprüft, wie sich die Bürgschaften der Ehegatten auf den in 1985 und 1986 beteiligten Kommanditisten W ausgewirkt haben. Denn das FG hat seine Entscheidung lediglich mit der mehrheitlichen Beteiligung der Klägerinnen begründet.
Die Vorentscheidung enthält auch keine Feststellungen dazu, ob die Ehegatten nach den hingegebenen Bürgschaftsversprechen von den Klägerinnen, der KG oder der GmbH Aufwendungsersatz beanspruchen konnten.
Die Sache ist nicht spruchreif.
Der Senat kann die Qualifizierung der Bürgschaftsaufwendungen mangels tatsächlicher Feststellungen durch die Vorinstanz nicht selbst vornehmen. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit das FG die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt.
Bei der weiteren Behandlung des Streitfalles wird das FG folgendes zu berücksichtigen haben:
Wenn und soweit das FG nach den vorzunehmenden tatsächlichen Feststellungen weiterhin zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß die Ehegatten die Bürgschaften im Interesse der Klägerinnen eingegangen sind ohne von diesen, der KG oder der GmbH, Aufwendungsersatz beanspruchen zu können, sind die Zahlungen auf die Bürgschaft als Zuwendungen an die Klägerinnen zu qualifizieren. Für jene stellen sich die Zahlungen als verdeckte Einlagen dar und erhöhen als Sonderbetriebsvermögen deren Eigenkapital. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH hat dies entgegen der Ansicht der Vorinstanz bei Beendigung der Gesellschaft und Auflösung der negativen Kapitalkonten zur Folge, daß sich der Auflösungsgewinn entsprechend mindert (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1974 IV R 166/70, BFHE 113, 30, BStBl II 1974, 677; vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594; vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226; vom 26. September 1996 IV R 105/94, BFHE 182, 33, BStBl II 1997, 277).
Sollte das FG bei der nochmaligen Überprüfung des Streitfalles zu der Über zeugung gelangen, daß die Bürgschafts aufwendungen sich als Werbungskosten der Ehegatten aus nichtselbständiger Arbeit darstellen, ist insbesondere wegen der Vorschriften des § 174 Abs. 4, Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Beiladung der Ehegatten in Betracht zu ziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 422279 |
BFH/NV 1997, 837 |