Leitsatz (amtlich)
Die durch Abzinsung einer unverzinslichen betrieblichen Verbindlichkeit entstehenden jährlichen Zinsanforderungen sind - wenn auch die weiteren Voraussetzungen für die Annahme von Dauerschuldzinsen vorliegen - zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags 1965 des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), ob in dem in monatlichen Raten zu zahlenden Restkaufpreis für einen Gewerbebetrieb Zinsen enthalten sind, die als Dauerschuldzinsen dem gewerblichen Gewinn wieder hinzugerechnet werden müssen (§ 8 Nr. 1 GewStG).
Der Kläger hat zum 1. April 1964 einen gewerblichen Betrieb zum Preis von 304 000 DM erworben. Davon war ein Betrag von 160 000 DM sofort zu bezahlen, der Rest - 10 Jahre lang - in monatlichen Raten von 1 200 DM zu begleichen. In dem Vertrag ist die Restkaufpreisforderung als unverzinslich bezeichnet.
In der Eröffnungsbilanz zum 1. April 1964 wies der Kläger die Verbindlichkeit mit dem Nennwert (144 000 DM) aus, in Höhe der Differenz zwischen Nennwert und Barwert (110 029,85 DM) bildete er einen "Wertberichtigungsposten" auf der Aktivseite der Bilanz. Den Barwert der Verbindlichkeit legte der Kläger auch der Bewertung der erworbenen Wirtschaftsgüter - einschließlich eines Geschäftswerts - zugrunde. Zum 31. Dezember 1964 betrug der Barwert der Verbindlichkeit 108 159,85 DM und zum 31. Dezember 1965 noch 98 520 DM. Aus der Differenz dieser beiden Barwerte und den im Jahre 1965 tatsächlich geleisteten Tilgungsbeträgen errechnete der Kläger einen Zinsanteil von 4 760,15 DM (14 400 DM ./. 9 639,85 DM) und buchte diesen als "außerordentliche Aufwendungen" gewinnmindernd.
In dem berichtigten Gewerbesteuermeßbescheid 1965 vom 2. Juni 1967 behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Betrag von 4 760 DM als Dauerschuldzinsen und rechnete diesen nach § 8 Nr. 1 GewStG dem gewerblichen Gewinn wieder hinzu.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hielt die Ansicht des Klägers, die "außerordentlichen Aufwendungen" seien keine Zinsen, sondern Wertberichtigungen, die der allmählichen Heranführung des Teilwerts an den Nominalwert der Schuld dienten, für unzutreffend. Die Berücksichtigung eines Zinsanteils ergebe sich im Streitfall aus der Vermutung, daß sich Vertragspartner im Wirtschaftsleben nichts schenkten. Das zeige auch die Vereinbarung, daß der Kläger im Verzugsfall 7 v. H. Verzugszinsen zu zahlen habe.
Mit der Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und seiner Klage stattzugeben. Er rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 8 Nr. 1 GewStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die als außerordentlicher Aufwand behandelte periodische Auflösung der "Wertberichtigung" ist durch Hinzurechnung zum gewerblichen Gewinn wieder zu neutralisieren (§ 8 Nr. 1 GewStG). Denn insoweit handelt es sich um Dauerschuldzinsen:
1. Der vom Kläger errechnete jährliche "außerordentliche Aufwand" ist ein Zins aufwand.
Unverzinsliche Verbindlichkeiten sind nach herrschender Meinung abzuzinsen (Urteile des BFH vom 12. März 1964 IV 456/61 U, BFHE 80, 138, BStBl III 1964, 525, mit weiteren Nachweisen; vom 3. Juli 1964 IV 262/63 U, BFHE 81, 225, BStBl III 1965, 83; vom 1. Dezember 1965 IV 423/62, HFR 1966, 208; vom 18. November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133 [136]; vom 29. Oktober 1970 IV R 141/67, BFHE 100, 390, BStBl II 1971, 92 am Ende; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 6 Anm. 101; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., 1974, § 6, Tz. 471 am Ende; Hüttemann, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Verbindlichkeiten (1970) S. 111, mit weiteren Nachweisen aus dem handelsrechtlichen Schrifttum). Davon ist auch im Streitfall auszugehen.
a) Eine Hinzurechnung des im Streitjahr aufgelösten und als Aufwand behandelten Teils des vom Kläger gebildeten Wertberichtigungspostens als Dauerschuldzins gem. § 8 Nr. 1 GewStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die durch diese teilweise Auflösung entstehende Minderung des Gewinns nicht Zinszahlung, sondern nur "Berechnungsart für den Ansatz der Verpflichtung" ist, wie dies der BFH im Urteil vom 10. Juli 1964 VI 352/62 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 6 Abs. 1 Nr. 3, Rechtsspruch 110) für die dort zu beurteilende Verbindlichkeit annahm. Die Entscheidung geht davon aus, daß Verbindlichkeiten eines bilanzierenden Kaufmanns nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich mit dem Teilwert zu bewerten sind, also mit dem Betrag, den ein Erwerber des Betriebes mehr zahlen würde, wenn die Verbindlichkeit nicht bestünde und mit dem der Erwerber deshalb die Verbindlichkeit in der Übernahmebilanz ansetzen würde (vgl. BFH-Urteile IV 456/61 U und vom 20. November 1969 IV R 22/68, BFHE 98, 28, BStBl II 1970, 309). Dieser Betrag aber ist der B a r w e r t der Verbindlichkeit (vgl. BFH-Urteil I 133/64). Unter dem Gesichtspunkt einer jährlichen - indirekten - Teilwertabschreibung über den (niedrigeren) Barwert der Verbindlichkeit hinaus wäre die Beurteilung des vom Kläger auf der Aktivseite seiner Bilanz ausgewiesenen Bilanzpostens als "Wertberichtigung" zutreffend.
Die Bewertung der Verbindlichkeit mit dem Teilwert erfordert jedoch die Kenntnis der Anschaffungskosten der Verbindlichkeit. Nach den Anschaffungskosten bestimmt sich ferner, ob und in welcher Höhe Z i n s e n in den jährlichen Zahlungen enthalten sind. Zinsen setzen das Bestehen einer auf die Hauptleistung gerichteten (Kapital-)Schuld voraus, neben der sie eine sich ständig erneuernde, fortlaufend zu entrichtende Nebenleistung bilden (vgl. zuletzt Urteil des BGH vom 20. November 1970 V ZR 71/68, DB 1971, 92, BB 1971, 107). Dementsprechend geht die Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 6. Juli 1973 VI R 379/70, BFHE 110, 336, BStBl II 1973, 868, mit weiteren Nachweisen) davon aus, daß Schuldzinsen begrifflich die Überlassung von Kapital voraussetzen. Diese Kapitalschuld ist im Streitfall die Kaufpreisschuld. Die Höhe dieser Schuld bestimmt sich danach, welchen Wert die Parteien im Zeitpunkt des Erwerbs dem Gewerbebetrieb - den Geschäftswert mit eingeschlossen - beigelegt haben. Mit diesem Wert (Anschaffungskosten) sind die erworbenen Wirtschaftsgüter zu bilanzieren. Mit diesem Wert (Verfügungsbetrag) ist auch die Verbindlichkeit - gewinneutral - anzusetzen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 29. Juni 1967 IV 131/63, BFHE 89, 377, BStBl III 1967, 670). Liegt der Rückzahlungsbetrag über diesem Verfügungsbetrag, ist die Differenz Entgelt für die Stundung des Kaufpreises.
b) Im Streitfall besteht eine solche Differenz zwischen Rückzahlungsbetrag und Verfügungsbetrag. Zwar haben die Parteien die Unverzinslichkeit der Verbindlichkeit vereinbart. Das steht jedoch der Annahme eines niedrigeren Verfügungsbetrages nicht entgegen. Werden für die Besteuerung Vorgänge von Bedeutung, die im Bereich des Privatrechts gestaltet werden, ist grundsätzlich an die von den Beteiligten geschaffenen Vereinbarungen anzuknüpfen, sofern diese eindeutig erklärt, ernstlich gewollt und tatsächlich durchgeführt sind (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 10. Juli 1974 I R 187/72, BFHE 113, 263, BStBl II 1974, 779). Die Vereinbarung der Unverzinslichkeit von Verbindlichkeiten bietet regelmäßig Anlaß zu einer Prüfung, ob diese ernsthaft gewollt ist. Interessengegensätze zwischen den Vertragsparteien können hier entfallen. Es ist deshalb nicht stets davon auszugehen, daß der Rückzahlungsbetrag auch den Anschaffungskosten der Verbindlichkeit entspricht. Findet die Zinslosigkeit der Verbindlichkeit keine Rechtfertigung in den wirtschaftlichen Gegebenheiten des konkreten Streitfalles, so ist für die Zwecke der Besteuerung von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, daß längerfristige Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten. Ein Kaufmann fordert für seine Leistungen die angemessene Gegenleistung. Wird dieser Erfahrungssatz im Einzelfall anhand von Beweisanzeichen bestätigt, so ist aus dem Rückzahlungsbetrag ein Zinsanteil herauszurechnen. Verfügungsbetrag (Anschaffungskosten) ist in diesem Fall der Barwert der Verbindlichkeit, der mit dem Teilwert übereinstimmt.
Die Tatsache, daß der Kläger die von ihm erworbenen Wirtschaftsgüter in der Eröffnungsbilanz mit dem Barwert bewertete und die Vereinbarung von Verzugszinsen sind im Streitfall als ausreichende Beweisanzeichen für die Verzinslichkeit der Verbindlichkeit anzusehen, weil kein Umstand ersichtlich ist, der ernstlich für das Gegenteil spricht. Dann aber ist davon auszugehen, daß die Vereinbarung der Unverzinslichkeit der Verbindlichkeit nur klarstellt, daß nicht - zusätzlich zu dem den Ratenleistungen als Berechnungsgröße dienenden Gesamtkaufpreis - weitere Zinsen zu zahlen sind (vgl. z. B. Urteil des RFH vom 14. Juli 1938 IV 48/38, RStBl 1938, 938). Es muß zwischen dem Kaufpreis als Berechnungsfaktor für die Raten und dem - durch Abzinsung zu ermittelnden - Kaufpreis als Gegenwert für die erworbenen Wirtschaftsgüter unterschieden werden (vgl. auch die zur Grunderwerbsteuer ergangenen Urteile des BFH vom 26. April 1972 II R 188/71, BFHE 106, 236, und vom 14. November 1967 II 93/63, BFHE 91, 130).
c) Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des BFH VI 352/62. Der BFH konnte in dem von ihm zu entscheidenden Falle zu einer Bewertung mit dem Teilwert und einer Beurteilung des Aktivpostens als "Wertberichtigung" kommen, weil er davon ausging, daß den Arbeitnehmern am Bilanzstichtag Arbeitslöhne noch nicht zugeflossen waren, die sie dem Arbeitgeber als - in Raten zu tilgendes - Darlehen hätten zur Verfügung stellen können. Ein Vereinbarungsdarlehen (§ 607 Abs. 2 BGB) lag nicht vor, weil die Arbeitnehmer über ihre Lohnansprüche nicht frei verfügen konnten (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 9. April 1968 IV 267/64, BFHE 92, 221, BStBl II 1968, 525). Es fehlte deshalb schon an der Kapitalnutzung als der begrifflichen Voraussetzung für die Annahme von Zinszahlungen. Diese Voraussetzung ist bei einer gestundeten, verrenteten oder einer in Raten zu zahlenden Kaufpreisforderung stets erfüllt.
Ob die jährlichen, gewinnwirksam aufgelösten Anteile des "Wertberichtigungspostens" auch dann Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG sind, wenn sie - wie z. B. bei Fälligkeitsdarlehen - gar nicht bezahlt, sondern lediglich buchmäßig als Aufwendungen behandelt werden, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Bei Tilgungsdarlehen fließt dem Gläubiger stets mit den Tilgungsraten auch ein Zinsanteil zu (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 20. August 1970 IV 143/64, BFHE 100, 97, BStBl II 1970, 807, mit weiteren Nachweisen).
2. Nach § 8 Nr. 1 GewStG werden Zinsen für Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (Dauerschulden), dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. "Zinsen" i. S. dieser Vorschrift sind Nutzungsvergütungen für die Überlassung des Kapitals, die regelmäßig nach der Höhe und nach der Nutzungsdauer des Kapitals bemessen werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 4. März 1971 IV 318/65, BFHE 102, 392, BStBl II 1971, 716). Der weite Zinsbegriff (Effektivzinsen = gesamtes Entgelt für die Gewährung eines Kredits) kann nach dieser Rechtsprechung bei der Auslegung des § 8 Nr. 1 GewStG nicht herangezogen werden. Der BFH hat daher Abschreibungen auf das Darlehnsabgeld (Damnum) nicht zu den Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG gerechnet. Mit einem Damnum ist der im Streitfall bilanzierte "Wertberichtigungsposten" jedoch nicht vergleichbar. Das zum Ausgleich der Differenz zwischen Barwert und Rückzahlungsbetrag (i. S. von § 156 Abs. 2 AktG 1965) bilanzierte Zinsaktivum ist zwar wie das Damnum als Rechnungsabgrenzungsposten anzusehen. Im Gegensatz zu diesem entspricht die periodische Veränderung des Zinsaktivums aber der periodischen Veränderung des Barwerts der Verbindlichkeit und ist deshalb nach Höhe und Nutzungsdauer echte Vergütung für die Kapitalnutzung.
3. Im Streitfall handelt es sich um Dauerschuld zinsen; denn die Verbindlichkeit hängt wirtschaftlich mit dem Erwerb des Betriebes zusammen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1970 I R 55/68, BFHE 103, 80, BStBl II 1971, 750).
Fundstellen
Haufe-Index 71454 |
BStBl II 1975, 647 |
BFHE 1975, 514 |