Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
In der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft kann nur in Sonderfällen eine steuerbare Schenkung oder andere freigebige Zuwendung unter Lebenden gesehen werden.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die im Jahr 1913 geborene Klägerin (Revisionsbeklagte) hat im Jahr 1954 geheiratet. Eine Woche nach der Eheschließung vereinbarten die Eheleute allgemeine Gütergemeinschaft. Das gütergemeinschaftliche Vermögen stammt nahezu ganz vom Mann. Dieser war im Jahr 1900 geboren, seine erste Ehe im Jahr 1953 geschieden worden.
In der ersten Ehe des Mannes hatte Gütertrennung bestanden. Durch Erbvertrag hatten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Knapp vor Scheidung der Ehe hatten sie vereinbart, daß es dabei auch nach Scheidung der Ehe bleiben solle. Gegen Ende des Jahres 1958 hoben sie den Erbvertrag auf und regelten Unterhalt und Abfindung der geschiedenen Frau neu.
Das Finanzamt (FA) sieht in der Vereinbarung der Gütergemeinschaft eine Schenkung. Es hat deshalb die Klägerin zur Schenkungsteuer herangezogen und deren Einspruch zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klägerin insoweit von der Steuer freigestellt. Mit der - noch als Rb. eingelegten - Revision rügt das FA Verletzung des materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Wie der erkennende Senat bereits in dem Urteil II 78/60 U vom 29. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 202, Slg. Bd. 78 S. 532) ausgesprochen hat, kann in der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft nur in Sonderfällen eine steuerbare Schenkung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder andere freigebige Zuwendung unter Lebenden (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) gesehen werden (vgl. auch Urteil des Senats II 1/61 vom 6. Mai 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 Nr. 360 S. 397). Ein solcher Sonderfall ist hier nicht gegeben.
Der Ehevertrag hat einen - grundsätzlich von der Schenkung verschiedenen - eigenen Rechtsgrund in dem vertraglich zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien, ihre güterrechtlichen Beziehungen in bestimmter Weise zu gestalten (Dölle, Familienrecht, Bd. I 1964, § 43 C IV 3 S. 678). Die Gütergemeinschaft verfolgt den Zweck, die Ehegatten entsprechend der sich für sie aus dem inneren Wesen der Ehe ergebenden Lebensgemeinschaft auch wirtschaftlich einander möglichst nahe zu bringen; die durch die Vereinbarung der Gütergemeinschaft bewirkte Vermögensverschiebung bildet auf dieser Grundlage nicht den eigentlichen Vertragsgegenstand, sondern nur eine beabsichtigte Folge der vereinbarten Rechtsgrundsätze (Urteil des Oberlandesgerichts Augsburg vom 14. April 1918 - L 7/18 - Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht 1919 S. 118 Nr. 6). In der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft ist daher selbst bei großer Verschiedenheit der beiderseitigen Vermögensmassen nicht an sich schon eine Schenkung des begüterten Ehegatten an den andern zu sehen (Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 22. November 1915 - IV 176/15 -, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 87 S. 301, 304; Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 13. November 1908, Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts Bd. 9 S. 603, 614; Urteil des Oberlandesgerichts Augsburg vom 14. April 1918, a. a. O.; Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. September 1953 - 3 U 206/52 -, Deutsche Notarzeitschrift 1955 S. 202 Nr. 2; Beschluß des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 30. September 1959 - 2 W 162/59 -, Ehe und Familie 1960 S. 150 Nr. 61; Scheffler in Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB - BGB-RGRK -, 10. Auflage, IV. Band 1. Teil, 1960, § 1408 Anm. 72). Dementsprechend ist die Vereinbarung der Gütergemeinschaft dem Widerruf wegen groben Undanks (§ 530 BGB) entzogen (Dölle, a. a. O., S. 679). Nur bei funktionswidrigem Einsatz der güterrechtlichen Geschäftstypen (Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1964, § 32 I 6 S. 304), wenn die Benutzung güterrechtlicher Vertragsformen nur - wie in dem vom RG am 22. November 1915 entschiedenen Fall (RGZ Bd. 87 S. 301) - die in Wahrheit allein gewollte Schenkung verschleiern (Oberlandesgericht Nürnberg und Oberlandesgericht Augsburg, je a. a. O.) oder verdecken (Lange in Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 9. Auflage, IV. Band 1963, § 1408 Anm. 12; Scheffler, a. a. O.) soll, erscheint die Vereinbarung der Gütergemeinschaft als ein bloßes Mittel, um die an sich gewollte Schenkung durchzuführen und unterliegt daher dem Recht der Schenkung (vgl. RGZ Bd. 87 S. 304).
Die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung folgt hinsichtlich des Tatbestandes der Schenkung zwingend dem bürgerlichen Recht § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Aber auch der steuerrechtliche Tatbestand einer anderen freigebigen Zuwendung unter Lebenden, durch die der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), ist bei der Vereinbarung der Gütergemeinschaft unter Eheleuten mit unterschiedlichem Ausgangsvermögen nicht schon deshalb erfüllt, weil der Ehevertrag zur Bereicherung des weniger begüterten Ehegatten führt und der andere das auch weiß (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - II 78/60, a. a. O.). Vielmehr ist ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang erst dann gegeben, wenn die Gütergemeinschaft nicht die güterrechtliche Ordnung der ehelichen Lebensgemeinschaft bezweckt, sondern um anderer Gründe, insbesondere um (quasi) erbrechtlicher Folgen willen geschlossen worden ist (Urteil des BFH II 1/61, a. a. O.).
Diese Voraussetzung hält das FA im vorliegenden Fall deshalb für erfüllt, weil der Ehevertrag bezweckt habe, die Hälfte des Mannesvermögens der Erbfolge der geschiedenen Frau als Vertragserbin zu entziehen. Indessen betreffen diese "erbrechtlichen" Folgen nicht das Verhältnis zur Klägerin, sondern nur zur ersten Frau des Mannes, deren Erbanwartschaft allerdings im Wert erheblich gemindert worden ist. Wenn der Mann auch die Gütergemeinschaft nicht zuletzt deshalb abgeschlossen haben mag, um den vor Scheidung seiner Ehe ausgesprochenen Verzicht auf sein Anfechtungsrecht aus § 2281 Abs. 1, § 2078 Abs. 2, § 2079 Satz 1 BGB wenigstens teilweise unwirksam zu machen, so folgt daraus doch nicht, daß er auch im Verhältnis zu seiner zweiten Frau (der Klägerin) nur eine Vorwegnahme der Erbfolge gewollt hätte und nicht eine güterrechtliche Regelung. War aber die Gütergemeinschaft um ihrer selbst willen ernstlich gewollt, so wird sie nicht allein deshalb zur steuerbaren freigebigen Zuwendung, weil der Ehemann bei deren Abschluß auch die vermögensrechtliche Stellung seiner Frau im Falle seines Todes bedacht hat. Eine solche Erwägung ist durchaus noch güterrechtlicher Art, zumal die fortgesetzte Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff. BGB n. F.) sogar dazu bestimmt ist, die sonst eintretende erbrechtliche Regelung zu überlagern (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB).
Der Zeitpunkt, zu dem der Ehevertrag geschlossen wurde, und das Lebensalter und die Lebenserwartung der Ehegatten lassen keine Schlüsse darauf zu, daß der Ehevertrag vor allem um anderer als güterrechtlicher Gründe willen geschlossen wäre. Der Umstand, daß der Mann in erster Ehe in Gütertrennung gelebt hatte, ist rechtlich unerheblich.
Die Revision des FA war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412134 |
BStBl III 1966, 521 |
BFHE 1966, 314 |
BFHE 86, 314 |
StRK, ErbStG:3 R 37 |
NJW 1966, 2140 |