Entscheidungsstichwort (Thema)
Entnahmenfinanzierung zwecks Begleichung von Enkommensteuerschulden
Leitsatz (NV)
Die Entnahmenfinanzierung zwecks Begleichung von Einkommensteuerschulden ist nicht außergewöhnlich. Die Finanzierungsaufwendungen (Schuldzinsen) sind in diesem Fall Betriebsausgaben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co.KG. Gesellschafter sind als persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH und als Kommanditisten W und seine Ehefrau.
Die Klägerin unterhielt bei der Stadtsparkasse A ein sogenanntes Mietkonto, das ständig einen Minussaldo aufwies (bei Eröffnung 1973 77 715,47 DM, am 31. Dezember 1973 467 988,83 DM, am 31. Dezember 1974 296 837,90 DM, am 31. Dezember 1975 300 828,69 DM). Gutschriften ergaben sich vor allem aus Mietzinseingängen (Vermietung von betrieblichen Grundstücken), Lastschriften vor allem aus Zahlungen an die Stadtwerke und aus (betrieblichen) Darlehenstilgungen und -zinszahlungen. 1973 wurden Einkommensteuerzahlungen der Kommanditisten in Höhe von 230 000 DM über dieses Konto abgewickelt.
Die Volksbank B gewährte der Klägerin 1975 ein Darlehen in Höhe von 800 000 DM zur Finanzierung einer Ausstellungshalle mit Büro- und Lagerräumen. Zwecks Abwicklung der Verbindlichkeit wurde ein Darlehenskonto bei der Volksbank eröffnet, das ebenfalls ständig negativ war. 360 000 DM des Darlehens wurden für die Tilgung von Einkommensteuerschulden der Kommanditisten in Anspruch genommen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging nach einer Betriebsprüfung davon aus, daß die Schulderhöhungen, soweit sie auf Einkommensteuerzahlungen zurückzuführen seien (Konto Stadtsparkasse 230 000 DM, jedoch abzüglich einer ,,Einlage" von 68 000 DM am 21. Dezember 1973; Konto Volksbank 360 000 DM, jedoch abzüglich von Darlehens-,,Tilgungen" in 1975 von 30 000 DM), Privatschulden seien und die hierauf entfallenen Zinsen keine Betriebsausgaben seien. Das FA erließ einen entsprechenden geänderten Feststellungsbescheid für 1974 (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) und einen entsprechenden erstmaligen Feststellungsbescheid für 1975.
Der Einspruch blieb im Streitpunkt erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus: Kontokorrentzinsen könnten auch dann Betriebsausgaben sein, wenn die Überziehung des Kontos durch Privatentnahmen hervorgerufen worden sei. Anders verhalte es sich jedoch bei einem Konto, das zur bloßen Abwicklung einer Darlehensabrede errichtet worden sei. Hier entfalle im Vergleich zum Kontokorrentverhältnis die Schwierigkeit, einen täglich wechselnden Zinsaufwand eindeutig dem betrieblichen oder privaten Bereich zuzuordnen. Die private Schuld sei eindeutig aus dem betrieblichen Bereich ausgliederbar. Die Verwendung von Darlehensmitteln zur Bezahlung von Einkommensteuerschulden stelle eine Darlehensgewährung im privaten Bereich dar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juli 1966 VI 12/65, BFHE 86, 482, BStBl III 1966, 542). Unerheblich sei, daß die von der Klägerin erzielten Gewinne die privat verwendeten Darlehensbeträge überstiegen hätten. Im Streitfall seien keine Kontokorrentverhältnisse begründet worden. Der hohe Minussaldo bei der Sparkasse A sei auf die Einkommensteuerzahlungen zurückzuführen. Die Mieteinnahmen hätten nicht einmal ausgereicht, den betrieblich bedingten Eröffnungsminusbestand abzubauen. Das Konto bei der Volksbank habe außer den Tilgungsbeträgen überhaupt keine weiteren Gutschriften aufgewiesen.
Die Klägerin rügt mit der Revision die Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie trägt vor: Sie habe auf Veranlassung ihres Kommanditisten zu Lasten von dessen Darlehenskonto die Einkommensteuerzahlungen vorgenommen. Es handele sich lediglich um eine Umschuldung. Die Gesellschafter hätten einen Anspruch auf Gewinnauszahlung (§ 122 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Die Ausübung des Entnahmerechts stehe in ihrem Belieben. Die Fehlinterpretation des FG werde deutlich, wenn der durch Einkommensteuerzahlungen ausgeweitete Kredit aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden werden sollte; dies könne nur durch eine Einlage und Aufstockung des Darlehenskontos (= Eigenkapital) bewirkt werden. Es sei auch zu überlegen, ob wegen der zwangsläufigen Verbindung ,,Betrieb - Gewinnanteil - hierauf entfallende Einkommensteuer" die Einkommensteuerzahlung betrieblich veranlaßt sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die einheitlich festzustellenden Gewinne 1974 und 1975 zu mindern.
Das Fa beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt mehr als 10 000 DM (§ 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Zwar ist in Gewinnfeststellungssachen der Wert des Streitgegenstandes in der Regel mit 25 v.H. der streitigen Gewinnbeträge zu bemessen. Hiervon kann jedoch in Einzelfällen nach unten und oben abgewichen werden. Ein Satz von 50 v.H. des streitigen Gewinns ist im Hinblick auf die Progressionswirkung bei Gewinnen von über 1 Mio DM für zutreffend erachtet worden (BFH-Urteil vom 2. April 1965 VI 24/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 517; siehe auch BFH-Urteil vom 12. März 1970 IV 4/64, BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547; BFH-Beschlüsse vom 13. März 1980 IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520; vom 2. Oktober 1980 IV R 235/75, BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38). Danach ist der Wert des Streitgegenstandes, wie von der Klägerin begehrt, mit über 10 000 DM zu bemessen.
Die Revision ist auch begründet.
Der IV. Senat des BFH hat nach Ergehen der Vorentscheidung eingehend zu der Frage Stellung genommen, wann passivierte Kredite, deren Valuta ganz oder teilweise für private Zwecke verwandt wird, Betriebsschulden darstellen und demgemäß die für diese Schulden aufgewandten Zinsen Betriebsausgaben sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Er hat in dem Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80 (BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725) für einen bilanzierenden Einzelunternehmer dargelegt, dieser könne über einen Kontokorrentkredit grundsätzlich auch Entnahmen zur Deckung des üblichen Lebensbedarfs finanzieren; anders verhalte es sich mit Beträgen, die eindeutig für eine außergewöhnliche private Verwendung größeren Umfangs gedacht seien, wie z.B. zur Finanzierung eines privaten Hausbaues. In dem Urteil vom 24. Mai 1984 IV R 221/83 (BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706) hat der IV. Senat weiterhin ausgeführt, daß diese Grundsätze sinngemäß zumindest dann auch auf die Gewinnermittlung von Personenhandelsgesellschaften anzuwenden seien, wenn die Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar nur Eheleute oder andere Familienangehörige seien; die Finanzierung selbst hoher Einkommensteuerzahlungen der Gesellschafter sei keine außergewöhnliche private Verwendung, die mit der Finanzierung eines privaten Hausbaues vergleichbar sei. Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 258/80, BFH/NV 1985, 24).
Danach ist entgegen der Auffassung des FG nicht zu unterscheiden zwischen einer Entnahmefinanzierung über ein Kontokorrentkreditverhältnis oder über die Aufnahme sonstiger Verbindlichkeiten. Die Verbindlichkeit ist lediglich dann als Privatschuld anzusehen, wenn eine außergewöhnliche private Verwendung größeren Umfangs vorliegt. Die Zahlung von Einkommensteuerschulden, die im wesentlichen auf die Gewinne aus einem Einzelunternehmen oder - wie hier - auf Gewinnanteile an einer Gesellschaft zurückzuführen sind, wird üblicherweise aus dem Betrieb bewirkt. Auf die Höhe der Entnahme kommt es danach nicht mehr an. Die sachverhaltsmäßigen Vorbehalte, die der IV. Senat im Urteil in BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706 hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs bei Personenhandelsgesellschaften gemacht hat, sind im Streitfall erfüllt. Die die Klägerin beherrschenden Personen sind Eheleute. Die Eigenkapitalausstattung der Klägerin war zufriedenstellend, so daß nicht von einer unangemessenen Entnahmenfinanzierung gesprochen werden kann.
Das Urteil in BFHE 86, 482, BStBl III 1966, 542 steht dieser Rechtsprechung nicht entgegen. Es steht außer Frage, daß die Ansprüche auf Einkommensteuererstattung nicht Betriebsvermögen sein können und Einkommensteuerzahlungen zu Entnahmen führen.
Danach ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Gewinne sind antragsgemäß festzustellen. Die Verteilung der Gewinne auf die Gesellschafter wird dem FA übertragen (Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit).
Fundstellen
Haufe-Index 60857 |
BFH/NV 1986, 88 |