Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Abzug von Refinanzierungszinsen, wenn wesentliche Beteiligung inzwischen untergegangen war
Leitsatz (NV)
Bei einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 EStG sind Schuldzinsen, welche auf die Zeit nach dem Untergang der Beteiligung entfallen, keine nachträglichen Werbungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, 3 Nr. 1, §§ 20, 24 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1976 Alleininhaber der A-Kommanditgesellschaft. Zum 31. Dezember 1976 nahm er eine Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert vor. Er hatte das Unternehmen im Juli 1971 zusammen mit seiner Ehefrau (der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten - Klägerin -) käuflich erworben. Als Kaufpreis haben die Kläger die Betriebsschulden übernommen. Eine Zuzahlung erfolgte nicht. Grundlage der Verkaufsverhandlungen war eine von den Veräußerern vorgelegte Vermögensübersicht, bei der die Aktiven und Passiven ausgeglichen waren (Kapital 0 DM). Später ergab sich, daß die Betriebsschulden um 60 949 DM höher waren. Es handelte sich insbesondere um Steuerschulden, für die der Kläger im Wege der Haftung in Anspruch genommen wurde. Diesen Betrag berücksichtigte der Kläger in der Eröffnungsbilanz auf den 16. Juli 1971, indem er die Geschäftsausstattung um 14 000 DM aufstockte und einen Geschäftswert in Höhe von (inzwischen unstreitig 46 979 DM) aktivierte. Die streitige Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert zum 31. Dezember 1976 begründete er damit, daß eine Fehlmaßnahme vorgelegen habe bzw. daß der Geschäftswert zumindest unter den seinerzeit aufgewendeten Betrag gesunken sei. Die Klägerin ist später aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Der Kläger war im Streitjahr außerdem alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der B-GmbH. Die Beteiligung gehörte zu seinem Privatvermögen. Für einen 1972 von der GmbH aufgenommenen Bankkredit hatte der Kläger in Höhe von 60 000 DM die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Als 1974 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt wurde, wurde der Kläger von der Bank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, nahm der Kläger seinerseits in 1975 einen Bankkredit in Höhe von 33 000 DM auf. Darauf zahlte er im Streitjahr 1976 3 020 DM an Zinsen. Diese machte er als gewerblichen Verlust geltend.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte bei der Veranlagung weder die Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert noch die Refinanzierungszinsen als Betriebsausgaben an. Das FA verneinte sowohl eine Fehlmaßnahme als auch eine nachhaltige Ertragsminderung seit Übernahme des Unternehmens, letzteres mit der Begründung, daß das Unternehmen bereits vor dem Erwerb nur Verluste erwirtschaftet habe. Bezüglich der geltend gemachten Refinanzierungszinsen führte das FA aus: Die Zinsen seien keine Betriebsausgaben, weil der Kläger keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehabt habe. Sie seien auch keine Werbungskosten aus nichtselbständiger Tätigkeit, weil nicht erkennbar sei, daß der Kläger die Bürgschaft zur Erhaltung seiner Gehaltsbezüge eingegangen sei. Die Darlehensaufnahme und die Zahlung der Zinsen hätten lediglich der Erhaltung der Kapitalanlage in der GmbH gedient.
Das Finanzgericht (FG) erließ zur Einkommensteuer 1976, zum Gewerbesteuermeßbetrag 1976 und zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1977 ein einheitliches Urteil.
Bezüglich der Einkommensteuer hatte die Klage teilweise Erfolg.
Die Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert ließ das FG nicht zu. Es war der Auffassung, daß ein Geschäftswert von vornherein nicht vorhanden war, wie sich aus der von den Verkäufern vorgelegten Vermögensübersicht ergebe. Eine Aktivierung komme auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß - wie sich später herausgestellt habe - das Unternehmen überschuldet gewesen sei und der Kläger 60 949 DM habe zuzahlen müssen. Dieser Umstand zeige nur, daß der Kläger für das ganze Unternehmen zu viel gezahlt habe (also möglicherweise übervorteilt worden sei). Keinesfalls seien dadurch aber künftige Gewinnchancen (und damit ein Geschäftswert) offenbar geworden. Schließlich hätte eine auf eine Fehlmaßnahme gestützte Teilwertabschreibung bereits auf den 31. Dezember 1971 vorgenommen werden müssen. Es sei nicht zulässig, die Teilwertabschreibung in das Streitjahr zu verlagern, nur weil in diesem Jahr erstmals ein Gewinn erzielt worden sei. Auch unter dem Gesichtspunkt einer schwächer gewordenen Ertragsentwicklung komme eine Teilwertabschreibung nicht in Betracht, weil das Unternehmen bereits vor dem Kauf nur Verluste erwirtschaftet habe.
Dagegen gab das FG der Kläge bezüglich der Refinanzierungszinsen statt. Es behandelte sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und führte zur Begründung aus, daß der Kläger im Jahre 1972, als er die Bürgschaft übernommen habe, noch mit Einkünften aus Kapitalvermögen (Gewinne der GmbH) habe rechnen können.
Bezüglich der Gewerbesteuer hatte die Klage keinen Erfolg. Die Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert wurde nicht anerkannt.
Bezüglich der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1977 hatte die Klage vollen Erfolg. Nachdem ein Geschäftswert nach Auffassung des FG von Anfang an nicht vorhanden war, war dieser bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht anzusetzen.
Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 1. März 1982 (beim FG eingegangen am 2. März 1982) hat das FA hinsichtlich der Einkommensteuer 1976 Revision eingelegt. Das FA sieht keinen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Zinszahlung und dem Beteiligungserwerb. Er fehle schon deshalb, weil bei Darlehensaufnahme die Beteiligung nicht mehr bestanden habe.
Mit Schriftsatz vom 2. März 1982 (beim FG eingegangen am 3. März 1982) hat der Kläger ebenfalls Revisison eingelegt ,,wegen Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1976 und Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1977". Er wendet sich gegen die Versagung der Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des Klägers ist unzulässig. Die Revisionsbegründungsfrist wurde dem Kläger mehrmals verlängert, zuletzt bis zum 4. Juni 1982. Die Revisionsbegründung ist jedoch erst am 7. Juni 1982 und damit verspätet beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Zwar hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Der Prozeßbevollmächtigte hat dazu vorgetragen: Am 28. Mai 1982 hätten sich bei ihm auf einer Rückfahrt aus Österreich Zahnschmerzen derart verstärkt, daß er in Gießen einen Zahnarzt hätte aufsuchen müssen. Dieser hätte eine Wurzelvereiterung festgestellt. Er hätte dann bis 4. Juni 1982 in Behandlung bleiben müssen. Er sei bis zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig gewesen, so daß er eine weitere Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nicht habe beantragen können. Auch sei zu beachten, daß er in seiner Praxis die Terminüberwachung selbst vornehme.
Dieser Sachverhalt rechtfertigt die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht.
Krankheit ist bei berufsmäßigen Vertretern in aller Regel kein Wiedereinsetzungsgrund, weil sie für den Fall der Verhinderung Vorsorge getroffen haben müssen, daß Fristen nicht versäumt werden. So müssen sie insbesondere ihr Büropersonal anweisen, im Falle ihres eigenen Unvermögens selbstverantwortlich auf Fristsachen zu achten und ggf. dafür zu sorgen, daß Fristen durch einen Kollegen gewahrt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 25. April 1968 VI R 76/67, BFHE 92, 320, BStBl II 1968, 585; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. Oktober 1985 VII ZB 16/85, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1987, 316; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 1916/1 ff.).
Abgesehen von diesen allgemein geltenden Grundsätzen bezweifelt der Senat, daß die dem Prozeßbevollmächtigten attestierte Krankheit so schwerwiegend war, daß er über einen Zeitraum von acht Tagen nicht in der Lage war, die Revisionsbegründung zu fertigen. Dabei fällt ins Gewicht, daß die Revisionsbegründungsschrift nicht, wie vom Prozeßbevollmächtigten behauptet, das Datum vom 5. Juni 1982, sondern bereits das Datum von 4. Juni 1982 trägt und daß sie lt. Poststempel des bei der Senatsakte befindlichen Briefumschlags auch an diesem Tag zur Post gegeben worden ist. Die Revisionsbegründung ist also tatsächlich am letzten Tag der Revisionsbegründungsfrist vom Prozeßbevollmächtigten gefertigt und abgesandt worden. Dabei muß ihm der bevorstehende Fristablauf aufgefallen sein. Dann ist nicht zu verstehen, daß er nicht wenigstens am letzten Tag der Frist telegrafisch um Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nachgesucht hat. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, die Fristversäumnis als unverschuldet anzusehen.
Da die Revision des Klägers bereits aus diesem Grund unzulässig ist, kann offenbleiben, ob bezüglich der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens 1. Januar 1977 die Beschwer für eine Revision vorliegt (vgl. § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn insoweit hatte das FG dem Begehren des Klägers entsprochen.
2. Im Umfang der vom FA eingelegten Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.
a) Das FG ist davon ausgegangen, daß die vom Kläger im Jahre 1972 aufgenommene Bürgschaft im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der GmbH und nicht mit seiner Beschäftigung als Arbeitnehmer in der GmbH (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596) stand. Diese Würdigung ist möglich und deshalb für den Senat bindend. Die Behauptung des Klägers in der Revision, er habe sich verbürgt, um sich seine Einkünfte als Geschäftsführer für die Zukunft zu erhalten, ist nicht näher substantiiert und deshalb unbeachtlich. Was hier für die Bürgschaft festgestellt ist, gilt auch für die streitigen Zinsen, die der Kläger für das Darlehen aufgenommen hat, mit dessen Hilfe er seiner Verpflichtung aus der Bürgschaft nachgekommen ist. Auch diese Zinsen sind im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der GmbH und nicht mit seiner Arbeitnehmertätigkeit in der GmbH zu sehen.
b) Das FG hat für die Beurteilung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen auf die Verhältnisse des Jahres 1972 zurückgegriffen, in dem der Kläger die Bürgschaftsverpflichtung für die GmbH einging. Aus der Tatsache, daß der Kläger seinerzeit noch mit Ausschüttungen aus der GmbH rechnen konnte, hat das FG gefolgert, daß nicht nur die Bürgschaftsverpflichtung der Sicherung künftiger Kapitaleinkünfte diente (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596), sondern auch das später im Jahre 1975 vom Kläger aufgenommene Darlehen und die darauf gezahlten streitigen Zinsen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen. Es bliebe dabei unberücksichtigt, daß die GmbH-Anteile bereits 1974, noch vor der Darlehensaufnahme, untergegangen waren und seitdem mit Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr zu rechnen war. Die Zinsen stellen sich damit als Aufwendungen dar, die nach der Rechtsprechung steuerlich jedoch nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29).
Diese Rechtsprechung ist zwar in der Literatur auf Kritik gestoßen (vgl. Hörger in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 17 Tz. 74, mit weiteren Fundstellen). Es wird geltend gemacht, der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem aufgenommenen Kredit und dem damit finanzierten Vermögenswert (Wohngrundstück oder GmbH-Anteil) werde nicht dadurch gelöst, daß später das Wohngrundstück oder die GmbH-Beteiligung veräußert würden und der Kaufpreis nicht ausreiche, um den aufgenommenen Kredit zurückzuzahlen. Denn es müsse beachtet werden, daß der Kredit seinerzeit aufgenommen worden sei, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen zu erzielen. Der Senat hat für diese Meinung ein gewisses Verständnis. Er braucht darauf aber nicht näher einzugehen, weil im vorliegenden Fall die Besonderheit vorliegt, daß der Kläger, worauf bereits hingewiesen wurde, den Kredit erst aufgenommen hat, als die GmbH-Anteile bereits untergegangen waren. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger aber mit Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr rechnen.
c) Da die Revision des Klägers unzulässig ist, konnte der Senat im Rahmen jenes Rechtsmittels nicht prüfen, ob das Begehren des Klägers bezüglich der Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert begründet gewesen wäre. Das schließt nicht aus, auf diesen Gesichtspunkt nunmehr im Rahmen der vom FA eingelegten Revision zurückzukommen. Das ist geboten unter dem Gesichtspunkt des herrschenden Streitgegenstandsbegriffs (vgl. BFHBeschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 65 FGO Anm. 3). Denn danach unterliegt der gerichtlichen Überprüfung nicht ein bestimmter Sachverhaltsausschnitt, sondern Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung des Klägers, daß ein Steuerbescheid rechtswidrig sei. Allerdings ist der Streitgegenstand betragsmäßig begrenzt durch die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Steuer und den Antrag des Klägers (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1973 IV R 212/70, BFHE 110, 453, 460, BStBl II 1974, 121, 124; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 165 Anm. 40). Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies folgendes: Im Streit befindlich ist der Einkommensteuerbescheid 1976 im betragsmäßigen Umfang der vom Kläger begehrten und vom FA bestrittenen Berücksichtigung der Abzugsfähigkeit der Refinanzierungszinsen in Höhe von 3 020 DM. Da das FG die Berücksichtigung dieser Zinsen bejaht hat, der erkennende Senat sie aber verneint, kann in diesem Umfang geprüft werden, ob die vom Kläger begehrte Teilwertabschreibung zu gewähren ist. Das ist jedoch nicht der Fall. Das FG-Urteil ist insoweit nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 415648 |
BFH/NV 1988, 554 |