Leitsatz (amtlich)
Auf ein entgeltlich erworbenes dingliches Wohnrecht der privaten Sphäre (Dauerwohnrecht) können AfA nicht vorgenommen werden.
Normenkette
EStG 1965 § 9 Nr. 6, § 7 Abs. 1, 4-5
Tatbestand
Es ist streitig, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Absetzungen für Abnutzung (AfA) für ein von ihr entgeltlich erworbenes und in das Grundbuch eingetragenes Wohnrecht geltend machen kann.
Die Klägerin verkaufte im Jahre 1963 durch notariellen Vertrag ein unbebautes Grundstück gegen Einräumung eines auf die Dauer von 30 Jahren befristeten dinglichen Wohnrechts an einer Wohnung in dem auf dem verkauften Grundstück zu erstellenden Mietwohnhaus. Der Wert des Grundstücks betrug im Zeitpunkt des Verkaufs nach den Angaben der Klägerin 100 444 DM. Nach Bezugsfertigkeit des Hauses vermietete die Klägerin ihre Wohnung gegen eine monatliche Miete in Höhe von 560 DM.
Bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Veranlagungszeiträume 1965 bis 1967 zog die Klägerin von den aus der Vermietung dieser Wohnung erzielten Einnahmen 3 434 DM als Werbungskosten ab. Diese errechnete sie unter Ansatz von 3,33 v. H. des Barwerts des Mietwohnrechts. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte den Ansatz dieser Werbungskosten nicht an.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG ist der Ansicht: Der Ansatz der von der Klägerin geltend gemachten Werbungskosten sei gerechtfertigt. Zwar könne für die Errechnung der AfA nicht von dem Barwert des Wohnrechts ausgegangen werden; es müßte vielmehr als Anschaffungskosten der Wert des weggegebenen Grundstücks angesetzt werden. Da aber der Barwert des Wohnrechts und der Wert des weggegebenen Grundstücks nur geringfügig voneinander abwichen, könne es aber bei dem Ansatz der Klägerin bleiben.
Das dingliche Wohnrecht sei wie der Nießbrauch ein immaterielles Wirtschaftsgut und unterliege durch Zeitablauf einem Wertverzehr, dem durch AfA Rechnung zu tragen sei. Der anderen Ansicht des FA und des Hessischen FG im Urteil vom 25. Oktober 1962 IV 733/60 (EFG 1963, 204), wonach AfA nur bei einem Wertverzehr durch Nutzung möglich seien, könne es nicht folgen. Bei den Einkünften aus Gerwerbebetrieb sei eine AfA bei immateriellen Wirtschaftsgütern ohne weiteres möglich und auch geboten (Hinweis auf die Urteile des BFH vom 4. Juli 1968 IV 298/63, BFHE 93, 66, BStBl II 1968, 681, und vom 18. März 1965 IV 116/64 U, BFHE 82, 119, BStBl III 1965, 289; den Beschluß des BFH vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382). Diese Grundsätze müßten auch bei den Einkunftsarten nach § 2 Abs. 3 Nr. 4-7 EStG gelten.
Im übrigen würde auch die Erfassung der Mieteinnahmen ohne den Ansatz der Werbungskosten dem System des Einkommensteuerrechts zuwiderlaufen. Es habe sich bei dem Tausch des Grundstücks gegen die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts um eine Vermögensumschichtung gehandelt, die dann in vollem Umfang zur ESt herangezogen werde.
Schließlich habe der BFH die Verteilung einmaliger Aufwendungen für den Erwerb eines Erbbaurechtes auf die Vertragsdauer zugelassen mit der Begründung, daß das erworbene Erbbaurecht zu den abnutzbaren Wirtschaftsgütern im Sinne von § 7 EStG gehöre (Urteil vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187).
Mit seiner Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Zur Begründung stützt es sich im wesentlichen auf das Urteil des BFH vom 21. Februar 1967 VI 263/65 (BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311).
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Vorinstanz ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Verfahrensbeteiligten zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin aus der Vermietung der ihr aufgrund eines dinglich gesicherten Wohnungsrechtes erzielten Einnahmen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind. Es entspricht der neueren Ansicht des BFH, daß derjenige, dem die Nutzung einer Sache aufgrund eines dinglichen Rechtes eingeräumt worden ist, originär eigene Einkünfte aus der überlassenen Einkunftsquelle bezieht (vgl. zuletzt Urteil vom 26. März 1974 VIII R 120/69, BFHE 112, 162, BStBl II 1974, 424).
Die Vorentscheidung kann jedoch nicht gebilligt werden, soweit dort AfA auf das dingliche Wohnrecht durch eine Aufteilung der Kosten für den Erwerb auf die vertragliche Dauer des dinglichen Wohnrechts für zulässig erachtet werden. Die von der Klägerin bezogenen Einkünfte rechnen zu denen aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 6 und § 21 EStG. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG bestimmen sich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Gegenüberstellung der Einnahmen mit den Werbungskosten. Der Aufwand der Klägerin könnte mithin nur dann auf die Höhe der von ihr erzielten Einnahmen aus der Vermietung der Wohnung Auswirkungen haben, wenn er in irgendeiner Form als Werbungskosten angesehen werden kann.
Steuerrechtlich gesehen stellt der Erwerb eines dinglichen Wohnrechts - entweder als beschränkt persönliche Dienstbarkeit nach § 1093 BGB oder als Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff. des Wohnungseigentumsgesetzes - den Erwerb einer Einkunftsquelle dar, aus der Einkünfte nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG bezogen werden sollen. Dem Aufwand für den Erwerb einer Einkunftsquelle hat der BFH aber außer in den Fällen des § 9 Nr. 6 EStG (1965) immer die Anerkennung als Werbungskosten versagt. Denn § 9 EStG stellt auf die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und nicht der Erwerbung der Einkunftsquelle ab. Das BFH-Urteil vom 29. Oktober 1953 IV 238/53 U (BFHE 58, 162, BStBl III 1953, 353) führt zwar aus, daß auch Aufwendungen zur Schaffung einer neuen Einkunftsquelle Werbungskosten darstellten; aus der Begründung im übrigen ergibt sich aber, daß die durch die beabsichtigte Eigennutzung eines Einfamilienhauses in Zukunft entstehenden fiktiven Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemeint waren. Entsprechendes gilt auch für die Ausführungen in dem Urteil vom 13. November 1973 VIII R 157/70 (BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161).
Die Auffassung des BFH, daß der Aufwand für den Erwerb einer Einkunftsquelle keine Werbungskosten sind, ist auch folgerichtig und systemgerecht. Denn diese Aufwendungen beziehen sich auf Wirtschaftsgüter, die in aller Regel der privaten Vermögenssphäre zuzurechnen sind und sich in ihrer Substanz der Erfassung bei der Einkommensteuer entziehen. § 9 Nr. 6 EStG (1965) steht hierzu nicht in Widerspruch. Dieser gesetzlichen Regelung liegt die Überlegung zugrunde, daß auch die im Rahmen der in § 2 Abs. 3 Nr. 4 bis 7 EStG zur Erzielung von Einkünften eingesetzten Wirtschaftsgüter trotz ihrer Zugehörigkeit zur privaten Vermögenssphäre durch ihre Verwendung einer Abnutzung unterliegen können. Das ist insbesondere - und anders als z. B. bei den zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen angeschafften Wertpapieren - bei den zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendeten Mietwohnhäusern der Fall. Denn hier tritt durch die ständige Nutzung ein echter Wertverzehr in der Substanz ein, der von demjenigen in Form von AfA geltend gemacht werden kann, der den Wertverzehr wirtschaftlich trägt (vgl. Urteil des BFH vom 9. November 1971 VIII R 97/69, BFHE 104, 325, BStBl II 1972, 314). Denn die AfA werden nicht nach dem Eigentumsrecht im Sinne des § 903 BGB ausgerichtet. Dieses Recht unterliegt keiner Abnutzung. Die AfA bestimmen sich vielmehr nach der Sache, auf die sich das Eigentumsrecht bezieht. Hieraus folgt, daß zwar die von der Klägerin vermietete Wohnung einer Abnutzung unterliegt, nicht aber das ihr eingeräumte dingliche Wohnrecht. Zutreffend hat der VI. Senat in seinem Urteil vom 21. Februar 1967 VI 263/65 (BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311) für Nießbrauchsrechte darauf hingewiesen, daß diese als solche keiner Abnutzung unterliegen. Die gleichen Überlegungen gelten auch für das in die Rechtsform eines dinglichen Rechtes gekleidete Wohnrecht.
Mit dieser Ansicht steht der Senat nicht im Widerspruch zu den Urteilen IV 298/63 und IV 116/64 und dem Beschluß GrS 1/69. Diese Entscheidungen beziehen sich auf die Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 und § 4 Abs. 1 EStG. Die dort aufgestellten Grundsätze sind bei der Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten wegen Fehlens eines Bestandsvergleichs nicht anwendbar. Denn aus den Begründungen ist jeweils zu entnehmen, daß der Ansatz und die damit verbundenen AfA für das immaterielle Wirtschaftsgut aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung bzw. steuerrechtlichen Aktivierungsgrundsätzen abgeleitet wurde. Dem Urteil VI 252/62 U, in dem AfA auf die für den Erwerb eines Erbbaurechtes gemachten Aufwendungen zugebilligt wurden, folgt der Senat aus den oben angeführten Gründen nicht. Ebenso teilt der Senat nicht die in dem nichtveröffentlichten Urteil vom 8. März 1967 VI 280/65 vertretene Ansicht, daß eine Verteilung von Aufwendungen auf die Dauer des Nießbrauches in Betracht komme, wenn der Nießbraucher für den Erwerb des Nießbrauches etwas aufgewendet habe. In dem damals zu entscheidenden Fall handelte es sich um einen unentgeltlich erworbenen Nießbrauch, so daß diese Rechtsmeinung für die Entscheidung unerheblich war.
Es trifft auch nicht zu, daß die Erfassung der Mieteinnahmen ohne den Ansatz von Werbungskosten im vorliegenden Fall dem System des Einkommensteuerrechts zuwiderlaufe. Denn mit der Versagung der Möglichkeit, AfA auf das dingliche Wohnrecht geltend zu machen, wird die Berücksichtigung von Werbungskosten im Zusammenhang mit der Vermietung dieser Wohnung nicht ausgeschlossen. Soweit der Klägerin Aufwendungen für den Erwerb, die Sicherung und Erhaltung der Einnahmen entstehen, kann sie diese bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ansetzen. Durch die Erfassung der Mieteinnahmen wird auch nicht eine Vermögensumschichtung im vollen Umfang bei der Einkommensteuer erfaßt. Die Erfassung der Mieteinnahmen ist eine Folge davon, daß die Klägerin aus einer Einkunftsquelle nach deren Erwerb Einkünfte bezieht. Jedenfalls ist der Schluß des FG nicht zwingend, daß die gesamte Vermögensumschichtung nunmehr bei der Einkommensteuer erfaßt werde. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Mieteinkünfte den Ertrag des von ihr eingesetzten Kapitals darstellen, wobei die Begrenzung des Wohnrechts auf dreißig Jahre sich auf die Höhe ausgewirkt hat.
Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Die Vorentscheidung enthält keine tatsächlichen Feststellungen, ob der Klägerin außer den von ihr geltend gemachten AfA auf das von ihr erworbene dingliche Wohnrecht möglicherweise andere Werbungskosten entstanden sind, die im Zusammenhang mit ihren Einnahmen aus der Vermietung der Wohnung stehen.
Fundstellen
Haufe-Index 71129 |
BStBl II 1975, 6 |
BFHE 1974, 165 |