Leitsatz (amtlich)
Soll die sachliche Unrichtigkeit formell ordnungsmäßig aufgezeichneter Betriebseinnahmen durch eine Nachkalkulation nachgewiesen werden, muß bei geringfügiger Abweichung der Nachkalkulation vom Buchführungsergebnis in Erwägung gezogen werden, daß die Abweichung auf Schätzungsunschärfen beruhen kann. Liegt die Abweichung im Unschärfebereich, findet keine Schätzung statt.
Normenkette
AO 1977 §§ 158, 162 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt seit 1972 einen Kiosk (Tabakwaren, Zeitschriften, Süßwaren, Getränke in Flaschen, Kaffee) in der Nähe einer größeren Dienststelle. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erklärte für die Streitjahre folgende Umsätze und Gewinne:
Umsatz (netto, ohne
Eigenverbrauch) Gewinn
1973 672 150 DM 36 446 DM
1974 689 815 DM 36 192 DM
1975 709 433 DM 43 847 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, die Buchführung sei nicht ordnungsmäßig (fehlende Wareninventuren); anhand einer Nachkalkulation ergäben sich Fehlbeträge von 15 135 DM (1973), 18 153 DM (1974) und 23 746 DM (1975). Das FA erhöhte die Umsätze, Gewinne und Gewerbeerträge um 12 600 DM (1973), 14 600 DM (1974) und 18 600 DM (1975); darin waren Erhöhungen des Eigenverbrauchs um jährlich 2 600 DM enthalten (erklärter Eigenverbrauch jährlich 720 DM). Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Der Senat hob mit Urteil vom 22. Juli 1980 VIII R 205/78 das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er hielt die Nachkalkulation des Betriebsprüfers für fehlerhaft. Es sei nicht ersichtlich, ob die vom Betriebsprüfer festgestellten Inventurmängel auf ihre Gewichtigkeit überprüft worden seien.
Das FG setzte im zweiten Rechtsgang die Hinzuschätzungsbeträge für 1973 um ca. 2 000 DM und für 1974 um ca. 2 500 DM herab und wies die Klage im übrigen ab. Es führte aus: Die Buchführung sei formell ordnungsmäßig. Die Inventurmängel seien nicht gewichtig. Aufgrund eigener Schätzung, die sich an die vom FA nachgereichte Nachkalkulation des Betriebsprüfers anlehne, und unter Berücksichtigung verschiedener Einwendungen des Klägers seien Hinzuschätzungen von 10 642 DM (1973), 12 195 DM (1974) und 19 553 DM (1975) gerechtfertigt, wobei der Eigenverbrauch jährlich lediglich um 720 DM zu erhöhen sei. Für 1975 entfalle wegen des Verböserungsverbots eine Erhöhung der Steuerfestsetzung. Nicht gefolgt werde dem Einwand des Klägers, die Ergebnisse der Betriebsprüfung dürften wegen der angeblich fehlerhaften Prüfungsanordnung nicht verwertet werden.
Der Kläger macht mit der Revision geltend: Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) verletzt. Es habe im unklaren gelassen, wie die Aufschlagsätze ermittelt worden seien. Das FG gehe zu Unrecht davon aus, daß er die Aufschlagsätze nicht bestritten habe. Das Gegenteil ergebe sich aus seinem Schriftsatz vom 26. Juni 1981. So sei der Aufschlagsatz für Zeitungen und Zeitschriften viel zu hoch angesetzt worden. Da das FG im zweiten Rechtsgang die Buchführung als formell ordnungsmäßig angesehen habe, hätte sichergestellt sein müssen, daß die Abweichungen nicht auf betrieblich veranlaßten Umständen beruhten, die vom Steuerpflichtigen im nachhinein nicht in allen Einzelheiten aufklärbar seien. Ferner hätten die ins Gewicht fallenden Abweichungen für die Umsatzsteuer und Einkommensteuer getrennt beurteilt werden müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Juni 1970 IV 17/65, BFHE 100, 159, BStBl II 1970, 838). Schließlich werde daran festgehalten, daß die Betriebsprüfungsergebnisse "wegen diverser fehlender Begründungen" der Prüfungsanordnung nicht verwertet werden dürften (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Mai 1980 V 439/78, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1981, 5).
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Nachkalkulation des FG ist nicht zu beanstanden. Das FG hätte jedoch auch dazu Stellung nehmen müssen, ob die von ihm ermittelten Differenzen so erheblich waren, daß sie eine Höherschätzung der Umsätze (und Gewinne) rechtfertigten.
1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder Anlaß besteht, an der sachlichen Richtigkeit der Angaben zu zweifeln (§ 162 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Diese Befugnis steht auch dem FG im finanzgerichtlichen Verfahren zu (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Nachkalkulation, die das FG im Anschluß an die Zahlen des Betriebsprüfers durchgeführt hat, ist grundsätzlich geeignet, die Unrichtigkeit der erklärten Besteuerungsgrundlagen trotz formell ordnungsmäßiger Buchführung nachzuweisen (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, und vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430).
a) Die Nachkalkulation entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung. Das FG hat, dem Betriebsprüfer folgend, den Wareneinsatz in sechs verschiedene Warengruppen eingeteilt (Tabakwaren, Zeitungen, Süßwaren, Getränke, Kaffee, Sonstiges). Die ersten fünf Warengruppen erfassen das Hauptsortiment des Kiosks. Die zusammenfassende sechste Warengruppe "Sonstiges" macht weniger als 2 % des Gesamtwareneinsatzes aus. Ihre weitere Aufgliederung war nicht geboten. Der Eigenverbrauch wurde für Kalkulationszwecke von den Wareneinsätzen abgesetzt. Das FG ist auf das Vorbringen des Klägers eingegangen, es seien -- insbesondere in den Sommermonaten -- Süßwaren verdorben und er habe an Kunden, die stangenweise Zigaretten gekauft hätten, kostenlos Zeitschriften und Zeitungen abgegeben. Die vom FG hierfür gemachten Abschläge sind im Revisionsverfahren nicht beanstandet worden.
b) Das FG hat auch bei der Ermittlung der Aufschlagsätze die erforderliche Sorgfalt walten lassen. Es konnte von der unbeanstandeten Darstellung des FA ausgehen, daß die Aufschlagsätze in der Schlußbesprechung mit dem Kläger und seinem damaligen Berater erörtert und -- ausgenommen bei Kaffee und Sonstiges -- nicht beanstandet worden waren. Das FG hat für die drei Warengruppen Tabakwaren, Zeitungen und Getränke die Aufschlagsätze des Betriebsprüfers (7,24 %, 26 % und 21 %) als "nicht bestritten" übernommen, während es für die drei restlichen Warengruppen (Süßwaren, Kaffee und Sonstiges) gegenüber den Betriebsprüfersätzen (33 %, 33 %, 35 %) im Hinblick auf die Konkurrenz der nahegelegenen Kantine der Dienststelle zu einer Ermäßigung auf jeweils 20 % kam. Es bestehen keine Bedenken gegen die Annahme des FG, die Aufschlagsätze für die erstgenannten Warengruppen seien -- wie schon in der Schlußbesprechung -- unbestritten geblieben und daher vom Kläger gebilligt worden. Der Kläger hatte diese Sätze in einer von ihm selbst erstellten Nachkalkulation verwandt (Anlagen zum Schriftsatz vom 26. Juni 1981). Aus Blatt 2 des Schriftsatzes vom 26. Juni 1981 ergibt sich nicht, daß das FA nach Auffassung des Klägers den Aufschlagsatz für Zeitungen und Zeitschriften mit 26 % zu hoch angesetzt hätte. Das FG hatte daher keinen Anlaß, zusätzliche Ermittlungen anzustellen; die Sachaufklärungsrüge ist unbegründet.
c) Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung der Revision, daß bei formell ordnungsmäßiger Buchführung sichergestellt sein müsse, daß Fehlbeträge nicht betrieblich veranlaßt seien. Werden Fehlbeträge nachgewiesen, muß nicht die Finanzbehörde das Fehlen von entlastenden Umständen darlegen, sondern der Steuerpflichtige muß die entlastenden Umstände anführen.
2. Der Hinweis der Revision auf das Urteil in BFHE 100, 159, BStBl II 1970, 838 geht fehl. Das Urteil enthält Ausführungen zur Gewichtigkeit neuer Tatsachen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) und weist darauf hin, daß für die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer unterschiedliche Gewichtigkeitsgrenzen gelten. § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO ist mit Inkrafttreten der AO 1977 außer Kraft getreten. Im Streitfall galt bereits § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, der eine Berichtigung unabhängig davon erlaubt, ob die neue Tatsache gewichtig ist (BFH-Urteil vom 12. August 1981 I R 78/78, BFHE 134, 3, BStBl II 1982, 100).
3. Das FG hat auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung zurückgegriffen. Diese Ergebnisse durften selbst dann verwertet werden, wenn die Prüfungsanordnung rechtswidrig gewesen sein sollte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in diesem Fall ein Verwertungsverbot besteht (bejahend FG Rheinland-Pfalz in EFG 1981, 5; verneinend die BFH-Rechtsprechung, u. a. Urteil des Senats vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510; siehe auch BFH-Beschluß vom 24. Juni 1982 IV B 3/82, BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659). Unabhängig davon durfte das FG die Betriebsprüfungsergebnisse gemäß § 126 Abs. 5 FGO verwerten. Das zurückverweisende Urteil des Senats band das FG nach § 126 Abs. 5 FGO hinsichtlich der Gründe, die logisch der Aufhebungsansicht vorangingen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1975 I R 78/73, BFHE 117, 4, BStBl II 1976, 42). Der Senat hatte seinerzeit die Entscheidung des FG im ersten Rechtsgang aufgehoben, weil die Nachkalkulation des Betriebsprüfers fehlerhaft war. Diese Betrachtung setzte voraus, daß die Betriebsprüfungsergebnisse verwertet werden durften.
4. Dennoch ist die Vorentscheidung fehlerhaft. Das FG ist gegenüber den erklärten Umsätzen zu folgenden Erhöhungen gekommen (Umsätze jeweils netto, ohne Eigenverbrauch): 1973 = 9 922 DM (1,5 %), 1974 = 11 475 DM (1,7 %) und 1975 = 18 833 DM (2,7 %). Es wird noch erörtern müssen, ob diese relativ geringfügigen Abweichungen von den aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung des Klägers ermittelten Betriebseinnahmen eine Hinzuschätzung rechtfertigen.
a) Die Schätzung ist ein Verfahren, mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz des Bemühens um eine Aufklärung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409). Die so ermittelte Besteuerungsgrundlage enthält einen Unsicherheitsbereich, der vom Wahrscheinlichkeitsgrad der Schätzung abhängig ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Schätzung zutreffend ist, wird um so größer sein, je umfangreicher der zugrunde gelegte gewisse Sachverhalt (Ausgangssachverhalt) ist und je zuverlässiger die angewandte Schätzungsmethode ist. Eine genaue Bestimmung der Besteuerungsgrundlage kann allerdings im Schätzungsweg trotz Bemühens um Zuverlässigkeit allenfalls zufällig erreicht werden.
b) Diese Unschärfe, die jeder Schätzung anhaftet, kann im allgemeinen vernachlässigt werden. Soweit sie sich zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, muß er sie hinnehmen, zumal wenn er den Anlaß für die Schätzung gegeben hat. Das sei im Streitfall anhand der Schätzung des Eigenverbrauchs erläutert. Der Kläger hatte entsprechend einer weitverbreiteten Übung seinen Eigenverbrauch nicht laufend und einzeln aufgezeichnet, sondern pauschal angesetzt. Das FG hat, ohne daß dies zu beanstanden wäre, sowohl diese Ansätze von jährlich 720 DM als auch die Betriebsprüferansätze von jährlich 3 320 DM verworfen und den Eigenverbrauch unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände auf jährlich 1 440 DM geschätzt. Die Unschärfe, die auch in diesem Schätzungsergebnis liegt, muß der Kläger selbst dann hinnehmen, wenn sie ihn belasten sollte. Er hat es unterlassen, Aufzeichnungen über seinen Eigenverbrauch zu führen, und somit Anlaß für die Schätzung gegeben.
Anders verhält es sich, wenn über einzelne Besteuerungsgrundlagen -- wie hier hinsichtlich der Betriebseinnahmen -- formell ordnungsmäßige Aufzeichnungen geführt worden sind, deren sachliche Richtigkeit zu vermuten ist (§ 208 AO, § 158 AO 1977). Es wird nicht -- wie im Falle der Eigenverbrauchschätzung -- eine Schätzung des Klägers durch eine andere ersetzt. Die Schätzung -- hier durch Nachkalkulation -- soll vielmehr auch die Aufzeichnungen des Klägers widerlegen, die bis zum Beweis des Gegenteils als exakt zu gelten haben. Es geht darum, ob eine Schätzung dem Grunde nach gerechtfertigt ist. In diesem Falle können Schätzungsunschärfen nicht vernachlässigt werden. Die Schätzung muß unterbleiben, wenn sich der Hinzuschätzungsbetrag im Verhältnis zu den erklärten Betriebseinnahmen im Unschärfebereich hält.
c) Die Rechtsprechung hat dieser Erwägung Rechnung getragen. Der Reichsfinanzhof (RFH) hat bei formell ordnungsmäßiger Buchführung das Schätzungsergebnis nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt, wenn es nicht nur unwesentlich von dem Buchführungsergebnis abweicht (Urteil vom 8. Januar 1936 VI A 522/35, RStBl 1936, 166). Eine Hinzuschätzung zum Umsatz um ca. 3 v. H. bei Umsätzen von über 100 000 RM wurde für unzulässig gehalten; die Abweichung müsse mindestens 10 v. H. betragen (Urteil vom 30. September 1936 VI A 765/36, RStBl 1936, 996). Der RFH hat allerdings wenig später nicht mehr an der 10-v. H.-Grenze für die Fälle festgehalten, daß ein auffallend niedriges Rohgewinnergebnis eine Höherschätzung des Umsatzes gebietet (Urteil vom 13. Januar 1937 VI A 418/36, RStBl 1937, 317). Der IV. Senat des BFH hat diese Auffassung bestätigt (Urteil vom 26. Februar 1953 IV 345/52 U, BFHE 58, 85, BStBl III 1953, 323) und in dem Urteil vom 18. März 1964 IV 179/60 U (BFHE 79, 410, BStBl III 1964, 381) herausgestellt, daß sich der RFH mit Schätzungen aufgrund eines äußeren Betriebsvergleichs (Erfahrungs- und Richtsätze) zu befassen hatte. Für den ihm vorliegenden Fall der Schätzung anhand eines inneren Betriebsvergleichs -- der Sache nach eine Nachkalkulation -- sei ein erheblicher Teil möglicher Fehlerquellen ausgeschlossen. Der Steuerpflichtige könne sich nicht darauf berufen, daß der geschätzte Umsatz lediglich um 3 v. H. vom erklärten Umsatz abweiche.
Der erkennende Senat folgt dieser Entscheidung darin, daß zwischen Umsatzschätzungen durch äußeren und inneren Betriebsvergleich zu unterscheiden ist. Es ist nach heutigen Vorstellungen ohnehin nur ausnahmsweise zulässig, eine formell ordnungsmäßige Buchführung anhand eines äußeren Betriebsvergleichs zu widerlegen. Soweit eine solche Schätzung zulässig sein sollte, dürfte die Schätzungsunschärfe im allgemeinen erheblich sein. Ob die 10-v. H.-Grenze des RFH in RStBl 1936, 996 einen Anhalt abgibt, kann dahingestellt bleiben. Im allgemeinen haftet jedoch dem äußeren Betriebsvergleich ein starkes Unsicherheitsmoment an, da kaum ein Betrieb dem anderen gleicht. Keine Rolle spielt es, daß der hinzuzuschätzende Betrag im Verhältnis zum Rohgewinn (Urteil in RStBl 1937, 317) wesentlich ist. Auch wenn der Umsatz mit Hilfe einer Rohgewinnaufschlagsrechnung geschätzt wird, handelt es sich um eine Umsatzschätzung und ist es nicht gerechtfertigt, die Wesentlichkeit der Umsatzschätzung anhand einer ihrer Ausgangsgrößen zu überprüfen (siehe auch Frank, Grundsätze und Grenzen der steuerlichen Schätzung, 1938, S. 39 ff.). Erst recht ist entgegen Senft (Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1937, 38) unerheblich, daß der hinzuzuschätzende Betrag im Verhältnis zum Gewinn wesentlich ist.
Zu Recht hat der IV. Senat eine Schätzung aufgrund eines inneren Betriebsvergleichs als zuverlässiger angesehen. Auch eine Nachkalkulation ist nicht frei von Unsicherheiten (BFHE 100, 159, BStBl II 1970, 838). Die Fehlermöglichkeiten sind indessen eingeengt. Wird sie nach den strengen Anforderungen der BFH-Rechtsprechung durchgeführt (BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96; BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430), mögen mit dem IV. Senat bereits Abweichungen zum ausgewiesenen Umsatz von 3% als wesentlich anzusehen sein. Aber auch hier sind schemanscne Überlegungen unangebracht. Je genauer die Verprobung angelegt ist (Aufgliederung nach Warengruppen, Bemessung der Aufschlagsätze, Eingehen auf Besonderheiten des Betriebs und veränderte Preissituationen), um so eher ist die festgestellte Abweichung als wesentlich anzuerkennen. Ist die Verprobung oberflächlich, mögen auch Abweichungen von über 3% noch unwesentlich sein. Entgegen der Auffassung des IV. Senats hat das Verhältnis der Kalkulationsdifferenz zum Gewinn außer Betracht zu bleiben. Auch die Nachkalkulation ist lediglich auf eine Umsatzschätzung gerichtet; ihr Ergebnis ist ausschließlich mit dem ausgewiesenen Umsatz zu vergleichen.
d) Im Streitfall betragen die Umsatzabweichungen aufgrund der Nachkalkulation des FG lediglich 1,5%, 1,7% und 2,7%. Bei solchen geringfügigen Abweichungen besteht Anlaß zu prüfen, ob die Abweichungen auf Schätzungsunschärfen beruhen. Diese Prüfung obliegt dem FG als schätzender Behörde. Es hat die einzelnen Streitjahre gesondert zu beurteilen. Es wird berücksichtigen müssen, daß die Schätzungsmethode der Nachkalkulation vereinfachende Unterstellungen macht. So wird es für zulässig erachtet, gleichartige Waren mit "in etwa" gleich hohen Aufschlagsätzen zu einer Warengruppe zusammenzufassen und für die einzelne Warengruppe einen "gewogenen mittleren Aufschlagsatz" zu bilden (BFHE 135, 11, 19f., BStBl II 1982, 430). Das FG hat von diesen Möglichkeiten in starkem Maße Gebrauch gemacht. Ferner ist der maßgebliche Wareneinsatz in der Weise ermittelt worden, daß von dem erklärten Wareneinsatz der Eigenverbrauch, der Verderb an Süßwaren und die kostenlose Abgabe von Zeitungen mit Schätzwerten abgesetzt worden sind. Dieses Vorgehen ist systematisch zutreffend, trägt jedoch die Schätzungsunschärfen der Absetzungen in die Nachkalkulation hinein.
Fundstellen
Haufe-Index 74694 |
BStBl II 1983, 618 |
BFHE 1983, 323 |