Leitsatz (amtlich)
Wird eine personenbezogene Kapitalgesellschaft fm Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG aufgrund einer als „vorläufig” bezeichneten Steuererklärung vorläufig veranlagt, so bleibt sie an den Antrag bzw. die Nichtstellung des Antrages gemäß § 19 Abs. 4 KStG, wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG besteuert zu werden, bei der endgültigen Veranlagung gebunden.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 4; AO § 100
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine GmbH, die die Voraussetzungen für eine Besteuerung als personenbezogene Kapitalgesellschaft nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG erfüllt. Sie beantragte Verlängerung für die Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1962. Weil ein Betriebsprüfungsbericht noch ausstand, erklärte sich der Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) damit einverstanden, daß wegen der zu erwartenden Auswirkung der Betriebsprüfung auf den Abschluß zum 31. Dezember 1962 die Steuererklärung vorläufig eingereicht werde und verlängerte die Erklärungsfrist bis zum 31. Dezember 1963. Die Steuerpflichtige gab die Erklärung am 31. Dezember 1963 mit einer „vorläufigen” Bilanz ab, stellte aber keinen Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Ebenso wurde für 1963 die Steuererklärungsfrist bis 15. Dezember 1964 verlängert und die Steuererklärung von der Steuerpflichtigen mit „vorläufiger” Bilanz fristgerecht eingereicht; auch für dieses Jahr wurde ein Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG nicht gestellt.
Das FA setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre 1962 und 1963 durch vorläufige Bescheide gemäß § 100 Abs. 2 AO vom 20. April 1965 erklärungsgemäß fest. Mit dem Einspruch beantragte die Steuerpflichtige, gemäß § 19 Abs. 4 KStG wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG besteuert zu werden. Für den Fall, daß die Frist zur Stellung dieses Antrages versäumt sei, beantragte sie, ihr deswegen Nachsicht zu gewähren. Daß der Antrag nicht bereits in der Steuererklärung gestellt worden sei, habe auf einem Versehen des Büros ihres Prozeßbevollmächtigten beruht. Dem Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG müsse auch deshalb entsprochen werden, weil die Veranlagungen lediglich vorläufig seien. Außerdem beantragte die Klägerin, den Ausschüttungssteuersatz auch auf die Gewinnausschüttung 1963 anzuwenden.
Einspruch und Klage blieben in dem streitigen Punkte ohne Erfolg. Das FG, dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1968 S. 39 veröffentlicht ist, führte u. a. aus, durch die Erlaubnis, eine vorläufige Körperschaftsteuererklärung abzugeben, sei die nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG für die rechtzeitige Antragstellung maßgebende Frist nicht über den Ablauf der Frist für die Abgabe der (vorläufigen) Körperschaftsteuererklärung hinaus verlängert worden. Ein Steuerpflichtiger sei zwar berechtigt, wenn er trotz gebotener eigener Ermittlungsund Feststellungsbemühungen nicht in der Lage sei, über bestimmte für die Steuerpflicht oder die Bemessung der Steuerschuld erhebliche Daten abschließende und endgültige Angaben zu machen, dieses Unvermögen in der Steuererklärung zum Ausdruck zu bringen und die Daten, deren für die Besteuerung letztlich maßgebender Gehalt für ihn noch ungewiß sei, als vorläufig zu kennzeichnen. Erfülle aber eine derartige Steuererklärung die an eine gehörige Steuererklärung zu stellenden Formerfordernisse, so liege eine vollwertige, gültige Steuererklärung vor. Die formgerechte „vorläufige” Steuererklärung sei grundsätzlich die maßgebende Steuererklärung. Der Teil der Erklärung, der den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG betroffen habe, sei vorbehaltlos abgegeben worden. Die Steuerpflichtige habe also keinen derartigen Antrag gestellt. Dem Antrag, die Frist zu verlängern, könne nicht entsprochen werden, weil die Frist eine Ausschlußfrist sei. Nachsicht könne nicht gewährt werden, weil diese Frist weder eine Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs noch zur Einlegung eines rechtsbehelfsähnlichen Antrages sei.
Auch die Vorläufigkeit der Veranlagungen rechtfertige nicht, dem im Einspruchsverfahren gestellten Antrag stattzugeben. Die Vorläufigkeit der Veranlagung habe keinen Einfluß auf das dem Steuerpflichtigen zustehende Tarifwahlrecht des § 19 Abs. 4 Satz 1 KStG. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertige hier keine andere Beurteilung. Der Senat habe keine Tatbestände festgestellt, aufgrund deren die Steuerpflichtige aus Gründen des Vertrauensschutzes beanspruchen könnte, nachträglich so gestellt zu werden, als hätte sie den Antrag nach § 19 Abs. 4 Satz 1 KStG rechtzeitig gestellt.
Gegen dieses Urteil hat die Steuerpflichtige Revision eingelegt: Mit Einreichung der vorläufigen Erklärung sei die Steuererklärungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen; das FA habe für die Abgabe „endgültiger Erklärungen” eine zunächst unbegrenzte Einzelfrist gewährt. Sie (die Steuerpflichtige) habe davon ausgehen können, bei Fortfall der für die Vorläufigkeit maßgebenden Gründe noch endgültige Steuererklärungen abgeben zu können.
Außerdem müsse dem Antrag stattgegeben werden, die Steuererklärungsfrist zu verlängern; der Antrag sei begründet, weil die abgegebene Erklärung ergänzungs- und berichtigungsbedürftig sei. Zudem sei die Vorschrift des § 19 Abs. 4 KStG im Wortlaut zu eng gefaßt. Die Steuerpflichtige beantragt, die Körperschaftsteuer 1962 auf 25 475 DM und die Körperschaftsteuer 1963 auf 24 399 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob vorläufige Steuererklärungen zulässig sind, denn das FA hat die Steuerpflichtige zur Abgabe vorläufiger Erklärungen aufgefordert und die Veranlagungen vorläufig durchgeführt. Der Steuerpflichtigen kann aber nicht in der Ansicht zugestimmt werden, ihr sei hiermit für die Abgabe endgültiger Erklärungen eine unbegrenzte Einzelfrist gewährt. Dem FG ist vielmehr darin beizutreten, daß die „vorläufige” Steuererklärung voll gültig ist. Der Steuerpflichtige kommt damit seiner Erklärungspflicht nach; er hat sie – wie jede andere Steuererklärung – nach bestem Wissen richtig und vollständig abzugeben, anderenfalls er sich eines Steuervergehens schuldig machen kann. Das FA seinerseits kann – wie im vorliegenden Fall geschehen – seine Veranlagung aufgrund der vorläufigen Erklärung durchführen. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, welchen Einfluß die Vorläufigkeit der Erklärung auf spätere Änderungsmöglichkeiten hat; jedenfalls hat die Steuerpflichtige mit Abgabe der vorläufigen Erklärung die Abgabefrist gewahrt. Mit Ablauf dieser Frist endete im vorliegenden Falle die Möglichkeit, einen Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG zu stellen. Daß das FA die Veranlagung vorläufig durchgeführt hat, hat auf die hier anstehende Frage keinen Einfluß, weil die Frist für den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG an die Erklärungsfrist anknüpft, unabhängig, ob und wie daraufhin das FA entscheidet.
Das FG hat auch zutreffend ausgeführt, daß dem Antrag im Einspruchsverfahren auf Verlängerung der Frist nicht entsprochen werden konnte, weil die Frist eine Ausschlußfrist ist (vgl. Urteile des BFH I 66/64 vom 7. Juni 1966, BFH 86, 371, BStBl III 1966, 514; I 78/65 vom 11. Januar 1967, BFH 87, 529, BStBl III 1967, 208). Wie schon das FG zutreffend ausgeführt hat, beruft sich die Steuerpflichtige zu Unrecht auf das BFH-Urteil IV 10/57 U vom 12. Dezember 1957 (BFH 66, 401, BStBl III 1958, 154). In diesem Fall hatte der BFH entschieden, daß der Steuerpflichtige die Ausübung des Tarifwahlrechts nach § 32b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1951 unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen konnte. In dem entschiedenen Fall hatte der Steuerpflichtige anders als hier das Wahlrecht selbst fristgerecht ausgeübt, so daß ein Rechtsverlust nicht eingetreten war. Diejenigen Ausführungen des genannten Urteils, die sich mit den Auswirkungen einer vorläufigen Veranlagung befassen, waren lediglich für die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Wahl von Bedeutung. Diese Überlegungen lassen sich daher nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausübung der Wahl übertragen. Auch die Ablehnung von Nachsicht ist vom FG zutreffend begründet worden, weil nach § 86 AO Nachsicht nur bei Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist oder eines rechtsbehelfsähnlichen Antrags gewährt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn der hier in Rede stehende Antrag löst kein Verfahren aus, durch das ein früheres Verfahren überprüft werden sollte.
Der Vorwurf der Steuerpflichtigen, die Vorschrift sei zu eng gefaßt, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Das Gesetz verlangt die Abgabe der Erklärung „innerhalb der Frist zur Abgabe der Steuererklärung”; diese Frist endet mit Ablauf der allgemeinen oder der im Einzelfall verlängerten Frist (vgl. BFH-Urteil I 66/64, a. a. O.). Gegen diese Auslegung des Gesetzes hat die Steuerpflichtige keine Ausführungen gemacht, und der Senat hat keinen Anlaß, hiervon abzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 557318 |
BStBl II 1968, 723 |
BFHE 1968, 142 |