Leitsatz (amtlich)
Eine Eigennutzung i. S. der EinfHaus-VO ist auch dann gegeben, wenn eine Ferien(eigentums)wohnung nur zeitweise genutzt wird (BFH-Urteil vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883). Steht dem Eigentümer die Ferien(eigentums)wohnung während des ganzen Jahres zur Nutzung zur Verfügung, so ist der Nutzungswert nach der EinfHaus-VO zu ermitteln. Wird die Wohnung zeitweise an Feriengäste entgeltlich überlassen, so sind für diesen Zeitraum die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Gegenüberstellung der Einnahmen und der Werbungskosten zu ermitteln; für den übrigen Zeitraum bleibt es bei der Anwendung der EinfHaus-VO.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 2; EinfHaus-VO § 1
Tatbestand
Es ist streitig, nach welchen Vorschriften die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer eigengenutzten Eigentumswohnung zu ermitteln sind, wenn diese vorübergehend in dem Veranlagungszeitraum vermietet wird.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer einer Eigentumswohnung, die sie in der Zeit vom 29. Mai bis zum 15. November 1968 an insgesamt 107 Tagen an Dritte vermieteten. An 92 Tagen (davon 30 in der Saison) nutzten sie die Eigentumswohnung selbst. Den Rest des Jahres blieb die Wohnung leer, stand aber zur jederzeitigen Benutzung den Klägern zur Verfügung.
Für den Veranlagungszeitraum 1968 ermittelten die Kläger den Nutzungswert der Eigentumswohnung, indem sie zu einem Drittel die Einnahmeüberschußrechnung und im übrigen die Einfamilienhaus-Verordnung (Einf-Haus-VO) anwendeten.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) vertrat demgegenüber die Auffassung, daß die Einfamilienhaus-Verordnung nicht anwendbar sei, und ermittelte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den gesamten Veranlagungszeitraum 1968 nach der Einnahmeüberschußrechnung. In seiner Einspruchsentscheidung setzte das FA als Einnahmen neben den tatsächlich erzielten Mieten für die Eigennutzung in der Hauptsaison 30 Tage ... 50 DM = 1 500 DM und außerhalb der Hauptsaison 180 Tage ... 12 DM = 2 160 DM an. Von den so ermittelten Einnahmen in Höhe von 7 806 DM setzte das FA wie bisher die Werbungskosten in Höhe von 5 613 DM ab, so daß sich ein Überschuß von 2 193 DM ergab.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG ist der Ansicht, daß im vorliegenden Fall der Nutzungswert der Eigentumswohnung zum Teil nach der Einfamilienhaus-Verordnung und zum Teil im Wege der Einnahmeüberschußrechnung zu ermitteln ist.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von Bundesrecht. Es ist der Meinung, daß im vorliegenden Fall die Einfamilienhaus-Verordnung nicht angewendet werden könne. Voraussetzung für deren Anwendung sei, daß die Wohnung vom Eigentümer selbst genutzt werde. Dabei könne der Begriff der Eigennutzung nicht vom Grundsatz der Abschnittsbesteuerung gelöst werden. Eine vorübergehende Fremdvermietung könne zwar bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise nicht zum Ausschluß der Einfamilienhaus-Verordnung führen. Wenn jedoch die Fremdvermietung im ganzen einen längeren Zeitraum als insgesamt einen Monat ausmache, könne von einer Eigennutzung i. S. der Einfamilienhaus-Verordnung nicht mehr gesprochen werden.
Sowohl im Fall des § 3 Abs. 2 EinfHaus-VO als auch bei der Teilvermietung von Räumen nutze der Eigentümer das Einfamilienhaus entweder ganz, oder seine Nutzungsmöglichkeit sei lediglich eingeschränkt; sie werde aber nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall sei indessen die Eigentumswohnung als Ganzes vermietet worden. Während der Zeit der Vermietung seien die Kläger daher von jeglicher Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen. Die Vermietung sei zwar im Einzelfall nur kurzfristig bis zu drei Wochen erfolgt, jedoch auf das ganze Kalenderjahr berechnet sei die Wohnung in einem erheblichen Umfang von 107 Tagen vermietet worden. Der erhebliche Anteil der Fremdvermietung verändere nach der Verkehrsauffassung die Eigenart der Wohnung derart, daß nicht mehr von einer eigengenutzten Wohnung i. S. der Einfamilienhaus-Verordnung gesprochen werden könne.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil ersatzlos aufzuheben.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen (und wegen besonderen Schwierigkeitsgrades der Materie einen Prozeßbevollmächtigten im Vorverfahren zuzulassen).
Zur Begründung verweisen die Kläger auf die Gründe des angefochtenen Urteils, das sie für zutreffend halten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Im Falle der Nutzung einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus ist der Nutzungswert nach der Einfamilienhaus-Verordnung zu ermitteln (§ 29 Abs. 1 EStG). Voraussetzung für die Anwendung der Einfamilienhaus-Verordnung ist nach der Rechtsprechung des BFH, daß der Eigentümer das Einfamilienhaus selbst nutzt (vgl. mit ausführlicher Begründung Urteile vom 24. Januar 1969 VI R 173/67, BFHE 95, 100, BStBl II 1969, 312, und vom 26. August 1975 VIII R 120/72, BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9). In dem letztgenannten Urteil hat zwar der erkennende Senat in dem Fall die Anwendung der Einfamilienhaus-Verordnung verneint, wenn der Eigentümer aus subjektiven Gründen die Wohnung nach Auszug des Mieters einige Monate lang nicht selbst nutzt. Andererseits jedoch hat der Senat ausgesprochen, daß es für die Annahme einer Eigennutzung ausreicht, wenn die Wohnung dem Eigentümer zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung steht (Urteil vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883). Wie lange und wie oft die Wohnung in einem solchen Fall tatsächlich genutzt wird, ist nicht entscheidend.
Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Nutzungswert im vorliegenden Fall nach der Einfamilienhaus-Verordnung zu ermitteln. Denn nach den vom FA nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Kläger im Streitjahr die Wohnung an zweiundneunzig Tagen selbst genutzt und sie stand ihnen in der übrigen Zeit des Jahres zur Nutzung zur Verfügung, abgesehen von den einhundertsieben Tagen, an denen die Wohnung vermietet worden war. Entscheidend für die Annahme der Eigennutzung ist nur, daß die Wohnung dem Eigentümer ständig zu seiner Eigennutzung zur Verfügung steht oder stehen würde.
Eine vorübergehende entgeltliche Überlassung der Wohnung an dritte Personen führt zwar für diese Zeiträume zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, ändert aber im übrigen an dem obigen Ergebnis nichts, weil die Kläger ihre Eigennutzung für diesen Zeitraum zwar vorübergehend einschränken, sie aber nicht aufgeben. Diese Fälle sind nach Meinung des Senats nicht anders zu beurteilen als die teilweise Vermietung eines eigengenutzten Einfamilienhauses oder die teilweise eigene oder fremde Nutzung des Grundstücks zu gewerblichen, beruflichen oder öffentlichen Zwecken.
Für den Fall einer teilweisen Vermietung eines als Einfamilienhaus bewerteten Grundstücks hat sich der erkennende Senat unter Abkehr der Urteile des BFH vom 15. Januar 1960 VI 309/58 U (BFHE 70, 251, BStBl III 1960, 93) und vom 13. November 1964 VI 271/63 (StRK, Einfamilienhaus-Verordnung, § 1, Rechtsspruch 9) und unter Anschluß an das Urteil vom 27. November 1952 IV 131/52 U (BFHE 57, 38, BStBl III 1953, 14) in seinem Urteil vom 1. August 1972 VIII R 99/69 (BFHE 107, 18, BStBl II 1972, 882) dahin entschieden, daß die Einfamilienhaus-Verordnung auf die eigengenutzten Räume anzuwenden sei. Bei der Nutzung eines Einfamilienhauses zu teilweisen eigenen oder fremden gewerblichen, beruflichen oder öffentlichen Zwecken erstreckt sich die Anwendung der Einfamilienhaus-Verordnung auf den verbleibenden Wohnzwecken dienenden Teil (§ 3 Abs. 2 EinfHaus-VO). Die Rechtsprechung und der Gesetzgeber halten es hiernach für möglich, daß die Eigennutzung eines Einfamilienhauses auch dann gegeben ist, wenn Teile hiervon nicht selbst genutzt werden. Der erkennende Senat überträgt diese Erwägungen bzw. Regelungen auch auf den Fall, daß ein im übrigen eigengenutztes Einfamilienhaus (Eigentumswohnung) vorübergehend an Feriengäste vermietet wird. Denn auch hier liegt lediglich eine vorübergehende Einschränkung der Eigennutzung, aber nicht deren Aufgabe vor. Der Senat stellt aber noch einmal besonders klar, daß dies nur dann gilt, wenn an der Eigennutzung aufgrund einer ständigen jederzeitigen eigenen Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit kein Zweifel besteht.
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Zeitraum der Eigennutzung nach der Einfamilienhaus-Verordnung und für die Zeit der Fremdvermietung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln. Daß dies für das Einkommensteuerrecht nichts Außergewöhnliches ist, hat der erkennende Senat in seinem Urteil VIII R 99/69 bereits ausgesprochen. Die Vorinstanz hat die angefallenen Werbungskosten entsprechend der Eigen- und Fremdnutzung zeitanteilig aufgeteilt. Der Senat kann nicht entscheiden, ob nicht eine andere Aufteilung deshalb geboten wäre, weil eine intensivere Nutzung für die Zeit der Fremdvermietung vorliegt. Die Bejahung dieser Frage würde zu einer weiteren Steuerminderung führen, die aber nicht möglich ist, weil die Kläger keine (Anschluß-) Revision eingelegt haben (vgl. auch § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Den Antrag der Kläger, wegen der besonderen Schwierigkeiten der Materie einen Prozeßbevollmächtigten im Vorverfahren zuzulassen, wertet der Senat als einen solchen nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über einen solchen Antrag gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5 - 7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56). Der erkennende Senat kann deshalb hierüber nicht entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 72428 |
BStBl II 1977, 723 |
BFHE 1978, 522 |
NJW 1977, 2096 |