Leitsatz (amtlich)
Das FA darf vom Inhaber eines Gewerbebetriebs gemäß §§ 171, 205a AO in der Regel die Benennung der Gläubiger betrieblicher Schulden verlangen. Auch das Betriebsvermögen im Sinne des § 5 EStG ist "Vermögen" im Sinne des § 205a Abs. 1 AO. Verbindlichkeiten gegenüber nicht genau bezeichneten Gläubigern dürfen das Betriebsvermögen nicht mindern (§ 205a Abs. 3 AO).
Normenkette
AO §§ 171, 205a
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Stpfl.) betreibt ein Damen- und Kindermodengeschäft, dessen Gewinn sie durch Vermögensvergleich nach § 5 EStG ermitfelt. Die von ihr erklärten Gewinne betrugen 1956 = 137 885 DM, 1957 = 123 068 DM, 1958 (Streitjahr) = 20 406 DM und 1959 = 62 189 DM. Die erklärten Umsätze betrugen 1956 = 1 973 593 DM, 1957 = 2 332 810 DM, 1958 (Streitjahr) = 2 286 679 DM und 1959 = 2 134 959 DM.
In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1958 wies die Stpfl. eine Darlehnsschuld an "M." in Höhe von 15 000 DM und eine Darlehnsschuld an "A." in Höhe von 10 000 DM aus. Gegenüber dem Revisionsbeklagten (FA) verweigerte sie die Angabe der Anschriften der Darlehnsgeber mit der Begründung, daß sie deren Geheimhaltung versprochen habe.
Das FA behandelte die Darlehnsbeträge als weitere Betriebseinnahmen des Streitjahres 1958 und erhöhte dementsprechend den gewerblichen Gewinn 1958 um (25 000 DM ./. Rückstellung für Umsatzsteuer 1 000 DM ./. Rückstellung für Gewerbesteuer 3 200 DM =) 20 800 DM.
Einspruch und Berufung der Stpfl. blieben ohne Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, daß das FA auf Grund des § 171 AO berechtigt gewesen sei, von der Stpfl. die Angabe der wirklichen Namen und Anschriften der (angeblichen) Darlehnsgeber zu verlangen. Nach dieser Vorschrift habe die Stpfl. die Richtigkeit ihrer Steuererklärungen auf Verlangen nachzuweisen. Sie habe ihre Angaben, wo sie zu Zweifeln Anlaß gäben, zu ergänzen, den Sachverhalt aufzuklären und ihre Behauptungen, soweit ihr dies nach den Umständen zugemutet werden könne, zu beweisen. Bei einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung sei es nicht üblich, Schuldkonten unter Decknamen zu führen und Buchungen ohne ordnungsmäßige Belege vorzunehmen. Die Zweifel des FA seien deshalb berechtigt gewesen. Diese Zweifel haben auch nicht durch Hinweise auf die im übrigen nicht beanstandete Buchführung und auf die Kassenführung durch fremde Angestellte beseitigt werden können, denn selbst in derart organisierten Betrieben bestehe die Möglichkeit, Betriebseinnahmen in oft beträchtlicher Höhe nicht durch die Bücher laufen zu lassen und der Besteuerung zu entziehen. Die Benennung der Namen der Darlehnsgeber sei der Stpfl. auch zumutbar gewesen. Entgegen deren Meinung bestehe diese Erklärungspflicht nicht nur in den Fällen, in denen ohnehin schon erhebliche Bedenken gegen die Zuverlässigkeit eines Steuerpflichtigen bestehen.
Der durch das Verhalten der Stpfl. nicht weiter aufklärbare Sachverhalt sei unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung zu würdigen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei in Fällen dieser Art von mehreren möglichen Sachverhalten in der Regel von dem dem Steuerpflichtigen ungünstigsten Sachverhalt auszugehen. Dies zwinge im vorliegenden Falle zu der Annahme, daß die Darlehen fingiert wurden und die Mittel für die Einlagen aus unversteuerten Betriebseinnahmen des Jahres 1958 stammten.
Mit der gemäß § 184 FGO als Revision zu behandelnden Rb. wendet sich die Stpfl. gegen die Auffassung, die Benennung der Namen der Darlehnsgeber sei zumutbar. Die Finanzlage ihres Unternehmens sei damals derart katastrophal gewesen, daß selbst ein Fehlbetrag von 25 000 DM die schlimmsten Folgen habe nach sich ziehen können. Auch sei es von wesentlicher Bedeutung, daß die Kassenführung in Händen fremder Personen gelegen habe. Es sei deshalb erforderlich gewesen, Zeugen über die Möglichkeit einer Einnahmeverkürzung zu vernehmen. Auch die Vernehmung des damaligen Betriebsprüfers sei notwendig gewesen, denn dieser habe geäußert, daß es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um nichtversteuerte Einnahmen der Darlehnsgeber handele. Wenn diese Äußerung des Betriebsprüfers zutreffend sei, dann dürfe aber nun nicht angenommen werden, daß nichtversteuerte eigene Betriebseinnahmen eingelegt worden seien.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es beruft sich im wesentlichen auf seine bisher vorgetragene Rechtsauffassung und hebt besonders hervor, die benannten Zeugen hätten allenfalls bestätigen können, daß ihnen keine Einnahmeverkürzungen bekanntgeworden seien. Damit wäre jedoch noch nicht erwiesen, daß solche Verkürzungen tatsächlich nicht stattgefunden haben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FA konnte ohne Verletzung des ihm nach §§ 171, 205a AO eingeräumten Ermessensspielraums die Benennung der Darlehnsgeber verlangen. Zwar hat das FG der bisherigen Rechtsprechung des BFH folgend diese Befugnis des FA nur auf § 171 AO gestützt. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß auch nach § 205a Abs. 1 AO vom Inhaber eines Gewerbebetriebs in der Regel die genaue Bezeichnung der Gläubiger betrieblicher Schulden verlangt werden kann. § 205a AO bezieht sich auf alle Steuern, für deren Errechnung das Vermögen oder das Einkommen von Bedeutung ist (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Anm. 2 zu § 205a AO). Der Senat trägt keine Bedenken, als Vermögen im Sinne des § 205a Abs. 1 AO auch das Betriebsvermögen im Sinne des § 5 EStG anzusehen.
Auch stand § 2 StAnpG dem Verlangen nach Benennung der Darlehnsgeber nicht entgegen. Der Senat hat mit Urteil I 242/54 U vom 17. Januar 1956 (BFH 62, 182, BStBl III 1956, 68) entschieden, daß sich die Steuerpflichtigen in den gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren nicht darauf berufen können, daß ihnen die Namhaftmachung der Geschäftsfreunde nicht zugemutet werden könne. Dies gelte auch dann, wenn sich die Steuerpflichtigen gegenüber den Geldgebern durch Ehrenwort oder Vertrag verpflichtet hätten, deren Namen nicht zu nennen und wenn durch deren Benennung geschäftliche Nachteile zu befürchten seien. Der IV. Senat des BFH ist mit Urteil IV 579/56 S vom 29. Oktober 1959 (BFH 70, 68, BStBl III 1960, 26) dieser Rechtsprechung gefolgt, wobei besonders hervorgehoben wurde, daß das FA nicht verpflichtet sei, sich auf anderweitige Beweisangebote der Steuerpflichtigen einzulassen. Wer einem Dritten verspreche, dessen Namen als Darlehnsgeber auch gegenüber der Steuerbehörde zu verschweigen, habe keinen Anspruch darauf, daß die Steuerbehörde deshalb von dem Verlangen nach Namensnennung Abstand nehme und sich auf andere Beweisangebote einlasse.
Der Senat sieht - insbesondere im Hinblick auf den gerade im Streitjahr bei ungefähr gleichem Umsatz auffallend niedrigen Gewinn - keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Insbesondere lassen die möglichen wirtschaftlichen Folgen einer Benennung der Darlehnsgeber - z. B. Kündigung der Darlehen - die Aufforderung des FA nicht als unzumutbar erscheinen.
Es kann schon zweifelhaft sein, ob die Benennung der Darlehnsgeber überhaupt zu einer Kündigung der Darlehen hätte führen können. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre die Angabe der Namen gleichwohl zumutbar gewesen. Ein Steuerpflichtiger, welcher nichtversteuerte Gelder annimmt, muß das sich daraus ergebende Risiko selbst tragen.
Der Senat sieht in der Vorentscheidung im Ergebnis auch insoweit keinen Rechtsverstoß, als der Betrag von 20 800 DM dem Gewinn 1958 zugerechnet wurde. Die in § 205a Abs. 3 AO getroffene Regelung muß auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden mit der Folge, daß das Betriebsvermögen der Stpfl. zum 31. Dezember 1958 nicht um die genannten Verbindlichkeiten "M." und "A." gemindert werden darf. Dies führt zu einer Erhöhung des erklärten Betriebsvermögens zum genannten Zeitpunkt um 25 000 DM. Da weder vorgetragen wurde noch den Akten entnommen werden kann, daß die Erhöhung des Betriebsvermögens auf eine Einlage zurückzuführen ist, bringt sie nach den für die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich geltenden Grundsätzen notwendigerweise eine Erhöhung des Gewinns um denselben Betrag mit sich. Dabei kann es dahingestellt bleiben, auf welche (nicht verbuchten) Geschäftsvorfälle im einzelnen diese Gewinnerhöhung zurückzuführen ist; insbesondere ob sie in vollem Umfang oder teilweise auf einer Erhöhung der Betriebseinnahmen beruht. Zwar liegt es im Bereich des Möglichen, daß der Erhöhung des Betriebsvermögens zum 31. Dezember 1958 um 25 000 DM eine entsprechende Erhöhung der Betriebseinnahmen zugrunde liegt. Es ist deshalb auch möglich, daß steuerpflichtige Entgelte im Sinne des Umsatzsteuerrechts vereinnahmt, aber nicht verbucht wurden, so daß die Stpfl. im Streitjahr eine Umsatzsteuerrückstellung - wie geschehen - bilden durfte. Der Senat braucht indes nicht zu prüfen, ob und inwieweit diese Rückstellung zu Recht gebildet wurde, denn eine solche Überprüfung könnte allenfalls zu einer Verminderung der Rückstellung und damit zu einer Erhöhung des gewerblichen Gewinns - nicht aber umgekehrt - führen; § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 121 FGO stehen aber einer Erhöhung des von der Vorinstanz festgestellten Gewinns im Revisionsverfahren entgegen.
Schließlich durfte das FG ohne Verfahrensverstoß davon absehen, den Betriebsprüfer sowie weitere Zeugen über die Möglichkeit einer Einnahmeverkürzung zu vernehmen.
a) Gegen die vom Betriebsprüfer früher einmal geäußerte Meinung, es handele sich um nichtversteuerte Einnahmen der Darlehnsgeber, wandte sich die Stpfl. mehrfach selbst, so u. a. in der Berufungsbegründung mit dem Hinweis, weder sie noch ihre Angestellten haben gegenüber dem Betriebsprüfer eine derartige Äußerung getan. Es bestand angesichts dieses eigenen Vorbringens der Stpfl. für das FG keine Veranlassung, den Betriebsprüfer zu vernehmen. Das FG durfte vielmehr der Behauptung der Stpfl. folgend davon ausgehen, daß die Äußerungen, an welche sich der Betriebsprüfer zu erinnern glaubte, tatsächlich nicht gefallen sind.
b) Die übrigen Zeugen hätten allenfalls bekunden können, daß ihnen von einer Einnahmeverkürzung nichts bekannt wurde. Hierauf kam es aber im Hinblick auf die Notwendigkeit, das anonyme Darlehen nicht vom Betriebsvermögen abzuziehen (§ 205a Abs. 3 AO), nicht mehr an. Entscheidungserheblich wären Zeugenaussagen nur dann gewesen, wenn sie über die Herkunft der fraglichen Beträge Aufschluß hätten geben können. Gerade zu dieser Frage aber war weder ein Zeuge benannt noch dem FG von Amts wegen bekanntgeworden.
Der Senat sieht schließlich keine Möglichkeit, auf das nunmehrige neue tatsächliche Vorbringen der Stpfl. einzugehen, wonach sie jetzt in der Lage sei, einen der Darlehnsgeber zu benennen (§ 118 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1968, 67 |
BFHE 1968, 255 |