Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines Kaufanwartschaftsvertrages: Ist der Kaufanwärter Hersteller des Hauses oder Ersterwerber?
Normenkette
EStG § 7b
Tatbestand
Der Bg. hat am 25. August 1956 mit Dr. S. einen Kaufanwartschaftsvertrag über ein Grundstück und das darauf zu errichtende Gebäude geschlossen. In dem Vertrag verpflichtete sich Dr. S., ein Wohngebäude zu erstellen, während der Bg. alle anfallenden Baukosten übernahm. Zur Sicherung des Anspruchs des Bg. auf Auflassung wurde eine Vormerkung ins Grundbuch eingetragen. Das Wohngebäude wurde im Jahre 1956 errichtet und von dem Bg. Mitte April 1957 bezogen.
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang hat der Senat das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen. Dabei hat er zu der Frage, ob der Bg. oder Dr. S. die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen könne, darauf hingewiesen, daß es darauf, ob Dr. S. die erhöhten Absetzungen in Anspruch nehmen wolle, nicht ankomme, wenn nicht dieser, sondern der Bg. wirtschaftlicher Eigentümer und Hersteller des Hauses sei.
Das Finanzamt hatte den Antrag des Bg., ihn mit seinen lohnsteuerpflichtigen Einkünften unter Ansatz negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf Grund der Absetzungen nach § 7 b EStG zu veranlagen, abgelehnt. Es wies im zweiten Rechtsgang den Einspruch des Bg. als unbegründet zurück. Die Berufung hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht sah den Bg. als wirtschaftlichen Eigentümer an und erließ folgende Zwischenentscheidung: "Bei den Einkünften des Berufungsführers (jetzt Bg.) aus Vermietung und Verpachtung ist eine Absetzung für Abnutzung nach § 7 b EStG in Höhe von 3069 DM zu berücksichtigen".
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führte zur Aufhebung dieser Zwischenentscheidung des Finanzgerichts.
Das Finanzgericht stützt sich bei seiner Feststellung, daß der Bg. wirtschaftlicher Eigentümer und Bauherr des Hauses sei, auf die Ausführungen der auch vom Senat in seinem ersten Urteil angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 519/52 U vom 15. Mai 1953 (BStBl 1953 III S. 198, Slg. Bd. 57 S. 515). Diese Entscheidung betrifft aber einen anderen Fall. Es handelte sich nämlich damals um ein von einer Baugenossenschaft für einen ihrer Genossen erbautes Haus. Diese Entscheidung kann, wie der Vorsteher des Finanzamts zu Recht ausführt, auf den vorliegenden Fall nur mit Vorsicht angewandt werden. Eine Baugenossenschaft und ihre Genossen, die mit ihr Kaufanwärterverträge abschließen, stehen sich nicht wie einander fremde Personen gegenüber, da die Baugenossenschaft im Grunde nur ein korporativer Zusammenschluß der "Kaufanwärter" selbst ist. In dem vorliegenden Fall aber stehen sich der Erbauer und der Bg. als fremde Personen gegenüber, die ihre eigenen Interessen verfolgen.
Das Finanzgericht hat den Bg. auf Grund des Kaufanwartschaftsvertrages, insbesondere weil er das Risiko der Kostenentwicklung getragen habe, als Hersteller (Bauherrn) und wirtschaftlichen Eigentümer angesehen. Es ist dem Finanzgericht zuzugeben, daß die von ihm angeführten Punkte für diese Auffassung sprechen. Auf der anderen Seite ist aber in § 3 des Vertrages ausdrücklich festgestellt, daß der Bg. als Kaufanwärter darauf hingewiesen worden sei, "daß es zum Erwerb des wirtschaftlichen und rechtlichen Eigentums noch des Abschlusses des späteren Kaufvertrages, der Auflassung und der Eintragung im Grundbuch bedarf". Das spricht dafür, daß nach dem Willen der Beteiligten Dr. S. Hersteller des Hauses und der Bg. lediglich Erwerber sein sollte. Selbst der Kaufvertrag sollte nach § 11 des Vertrages nicht alsbald, sondern erst nach dem 31. Dezember 1959 abgeschlossen werden. Das läßt den Hinweis des Finanzamts wahrscheinlich erscheinen, daß Dr. S. die Vergünstigung des § 7 b EStG habe in Anspruch nehmen wollen und daß der Kaufanwärter damit einverstanden gewesen sei. Die Rechtsprechung der Einkommensteuersenate des Bundesfinanzhofs geht dahin, nicht ohne gewichtigen Grund von der von den Beteiligten ernsthaft gewählten bürgerlich-rechtlichen Gestaltung abzuweichen (vgl. zum Beispiel das Urteil des Senats VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 188, Slg. Bd. 72 S.515). Es liegt auch hier, soweit bisher ersichtlich, kein Grund vor, steuerlich von der von den Beteiligten freiwillig gewählten Gestaltung, nämlich daß zunächst nur ein Kaufanwartschaftsvertrag geschlossen und der endgültige Kaufvertrag und die übereignung ausdrücklich hinausgeschoben wurden, abzuweichen und den Vereinbarungen der Beteiligten die dem Wortlaut und Sinn des Vertrages widersprechende Wirkung beizulegen, daß der Bg. bereits vor der bürgerlich-rechtlichen übereignung wie ein Eigentümer zu behandeln sei. Zwar wird steuerlich in Fällen, in denen der Käufer eines Grundstücks noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, aber das Grundstück schon gekauft und bezogen hat, in der Regel wirtschaftliches Eigentum des Käufers angenommen. Das entspricht aber auch der von den Beteiligten gewählten Gestaltung, weil beide Beteiligten das ihrige im wesentlichen getan haben und im Grunde nur noch der Käufer an dem Grundstück interessiert ist. Diese Voraussetzungen sind aber wohl im Streitfall nicht gegeben. Dr. S. wollte anscheinend, um die erhöhten Absetzungen des § 7 b EStG in Anspruch zu nehmen, selbst Hersteller des Hauses sein und das Eigentum an dem Haus nicht bloß rechtlich sondern auch wirtschaftlich solange behalten, bis er in den Genuß der erstrebten Vergünstigung gekommen war. Eine solche Vertragsgestaltung wirkt sich, wie das Finanzamt zu Recht betont, in der Regel auch in der Kalkulation der vom "Kaufanwärter" aufzubringenden Kosten aus. Jedenfalls legen hier der Inhalt des Vertrages und die von den Beteiligten damit verfolgten Ziele die Annahme nahe, daß zunächst allein Dr. S. das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum an dem Haus zugerechnet werden sollte. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß der Bg. entgegen dem geschlossenen Vertrag Hersteller und wirtschaftlicher Eigentümer sein solle, wäre nur vertretbar, wenn das Finanzgericht Dr. S. hört und dieser damit einverstanden wäre, daß der Vertrag so ausgelegt wird, daß der Bg. die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen kann. Es besteht kein Bedenken, in Grenzfällen wie dem Streitfall bei der Gewährung der Sonderabschreibung nach § 7 b EStG auch dem Willen der Beteiligten Rechnung zu tragen, wenn ein steuerlicher Mißbrauch ausgeschlossen ist (Urteil des Senats VI 223/59 U vom 6. Mai 1960, BStBl 196O III S. 289, Slg. Bd. 71 S. 108).
Das angefochtene Zwischenurteil, das mit den vorentwickelten Grundsätzen nicht in Einklang steht, war danach aufzuheben. Das Finanzgericht muß vor der Entscheidung nochmals prüfen, ob der Bg. unter den gegebenen Umständen als Hersteller oder nur als Erwerber des Hauses angesehen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 410672 |
BStBl III 1963, 118 |
BFHE 1963, 323 |
BFHE 76, 323 |