Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Lebt eine geschiedene Ehefrau, die selbst kein Einkommen oder Vermögen hat, mit ihren berufstätigen Kindern in einer Haushaltsgemeinschaft, so ist es nicht zulässig, die Einkünfte der Kinder der Mutter zuzurechnen und dem Unterhalt leistenden geschiedenen Ehemann deshalb den Freibetrag des § 33 a EStG zu versagen.
Die in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 207/57 U vom 31. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 108, Slg. Bd. 66 S. 277) bei zusammenlebenden Ehegatten zugelassene Zusammenrechnung der Einkünfte gilt nicht für Haushaltsgemeinschaften von Mutter und berufstätigen Kindern. Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1957 entspricht, soweit er etwas anderes bestimmt, nicht dem Gesetz.
Zur Frage, ob einer geschiedenen Ehefrau, die zwei berufstätige Kinder versorgt, zuzumuten ist, sich durch Berufsarbeit selbst den Unterhalt zu verdienen.
Normenkette
EStG § 33a
Tatbestand
Der Bg. will Unterhaltsleistungen an seine geschiedene Ehefrau und seine beiden im Jahre 1936 geborenen Zwillingstöchter nach § 33 a EStG berücksichtigt haben. Er ist auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs verpflichtet, an die Ehefrau und an die Töchter jährlich mindestens 6.000 DM Unterhalt zu zahlen; tatsächlich zahlt er mehr; er muß auch zahlen, wenn die Kinder eigene Einkünfte haben. Die Töchter waren im Streitjahr 1957 Beamtenanwärterinnen und hatten Einkünfte aus Unterhaltszuschüssen von zusammen (5.328 ./. Werbungskosten 1.124 =) 4.204 DM; die Mutter hatte kein eigenes Einkommen. Mutter und Töchter führten einen gemeinsamen Haushalt.
Das Finanzamt lehnte unter Hinweis auf Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1957 ab, dem Bg. einen steuerfreien Betrag nach § 33 a EStG 1957 zu gewähren. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Nach Abschn. 190 Abs. 3 EStR seien, wenn mehrere unterhaltene Personen einen gemeinsamen Haushalt führten, die Einkünfte und Bezüge aller Personen zusammenzurechnen. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 207/57 U vom 31. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 108, Slg. Bd. 66 S. 277) sei Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1955 bei in Haushaltsgemeinschaft lebenden Ehegatten als rechtlich zutreffend anerkannt worden. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Einkünfte auch zusammenzurechnen seien, wenn Eltern mit Kindern in jugendlichem Alter einen gemeinsamen Haushalt führten. Bei Kindern, die eigene Arbeitseinkünfte hätten, sei die Zusammenrechnung der Einkünfte jedenfalls nicht gerechtfertigt; denn solche Kinder lebten nicht wie Eheleute aus einer gemeinsamen Wirtschaftskasse. Das Finanzamt meine, § 33 a EStG sei auch deshalb nicht anwendbar, weil der Bg. der Mutter den Unterhalt nicht zwangsläufig im Sinn des § 33 Abs. 2 EStG gewähre; denn sie sei arbeitsfähig und hätte ihren Unterhalt selbst verdienen können. Dem sei nicht zu folgen. Schon die Tatsache, daß die Mutter sich der Erziehung ihrer Töchter widme, schließe es aus, sie als Person zu behandeln, die arbeitsfähig, aber nicht arbeitswillig sei. Die Frage, ob die Unterhaltsgewährung nicht schon deshalb zwangsläufig sei, weil der Bg. sich ihr nach dem gerichtlichen Vergleich nicht habe entziehen können, brauche deshalb nicht erörtert zu werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 33 a EStG 1957 rügt, ist nicht begründet.
Streitig ist, ob der Bg. für die Zahlungen, die er auf Grund bürgerlich-rechtlicher Verpflichtung an seine geschiedene Ehefrau und seine beiden Töchter als Unterhalt geleistet hat, auf Grund von § 33 a EStG 1957 bei der Ermittlung seines Einkommens etwas absetzen darf. Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen - dazu gehören auch schuldlos geschiedene Ehegatten - können seit dem 1. Januar 1955 nur nach § 33 a EStG berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift zur Vereinfachung und zur Förderung einer gleichmäßigen Handhabung Voraussetzungen und Umfang der Steuerermäßigung in verschiedener Hinsicht typisiert. Schon unter der Herrschaft des § 33 EStG, nach dem bis zum 31. Dezember 1954 Fälle dieser Art beurteilt wurden, war eine Voraussetzung der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Angehörige, daß diese auf die Leistungen zu einer angemessenen Lebensführung angewiesen waren. Gewährte ein Steuerpflichtiger einer nahestehenden Person Unterhalt, obwohl diese ein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen hatte oder in der Lage war, sich selbst den Unterhalt zu verdienen, oder gewährte der Steuerpflichtige einer solchen Person einen höheren als den notwendigen Unterhalt, so waren seine Leistungen nicht zwangsläufig im Sinn des § 33 EStG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 EStDV 1953 und konnten deshalb steuerlich nicht abgesetzt werden. Die Vorschrift des § 33 a Abs. 1 EStG geht von demselben Grundsatz aus, wenn sie die Steuerermäßigung für Unterhaltsleistungen an die Voraussetzung knüpft, daß die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen hat und ferner, daß ihre eigenen Einkünfte und Bezüge eine bestimmte Grenze nicht übersteigen. Nach der gesetzlichen Regelung kann, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Unterstützten unter 480 DM jährlich bleiben, der Geber seine Leistungen bis zum Höchstbetrag von 900 DM (bis zum 31. Dezember 1956 = 720 DM) jährlich voll absetzen; wird die Grenze von 480 DM überschritten, so mindert sich der beim Geber abzugsfähige Höchstbetrag von 900 DM in gleichem Umfang, so daß, wenn der Unterstützte eigene Bezüge von (480 + 900 =) 1.380 DM oder mehr hat, die Unterhaltszahlungen beim Geber nicht zu einer Steuerermäßigung führen, auch wenn er sich ihnen nach bürgerlichem Recht nicht entziehen kann.
Im Streitfall hat die Mutter keine eigenen Einkünfte, so daß, wenn sie allein stünde, der Bg. also wegen seiner Unterhaltsleistungen an sie einen Betrag von 900 DM von seinem Einkommen absetzen könnte. Die beiden Töchter haben dagegen eigene Einkünfte in einer solchen Höhe, daß der Bg. wegen des für sie geleisteten Unterhalts keine Steuerermäßigung erhalten kann.
Das Finanzamt will nun die Einkünfte der Mutter und der Töchter nicht gesondert betrachten, sondern verlangt unter Berufung auf Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1957, die Einkünfte (Unterhaltszuschüsse) der Töchter der Haushaltsgemeinschaft von Mutter und Töchtern zuzurechnen; bei dieser Berechnung steht dem Bg. unstreitig keine Steuerermäßigung nach § 33 a EStG zu.
Der Wortlaut der Verwaltungsanweisung spricht für die Auffassung des Finanzamts. Der Senat ist aber an die der Verwaltungsanweisung zugrunde liegende Rechtsauslegung der Bundesregierung nicht gebunden. Nach Auffassung des Senats geht die Rechtsauslegung der Verwaltungsanweisung über das Gesetz hinaus. In der Entscheidung VI 207/57 U a. a. O. ist die Zusammenrechnung der Bezüge der in Haushaltsgemeinschaft lebenden Ehegatten als dem Gesetz entsprechend bezeichnet worden. Zu der Frage, ob auch in anderen Fällen einer Haushaltsgemeinschaft die Zusammenrechnung der Einkünfte zulässig oder geboten ist, hat der Senat bewußt nicht Stellung genommen. Wie in der Entscheidung VI 207/57 U a. a. O. ausgeführt ist, kann man aus dem Wortlaut des § 33 a EStG ein Gebot der Zusammenrechnung der Einkünfte mehrerer zusammenlebender Personen nicht entnehmen; der Wortlaut läßt vielmehr die Auslegung zu oder legt sie vielleicht sogar nahe, die Einkünfte jeder unterstützten Person selbständig zu prüfen. Die Zusammenrechnung der Einkünfte von in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterstützten Ehegatten wurde aus der Besonderheit des ehelichen Verhältnisses abgeleitet. Wesentlich war vor allem, daß Ehegatten vor allen anderen Personen einander gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind. Es wäre widersinnig, wenn, wie in der Sache VI 207/57 U a. a. O., ein Sohn seine zusammenlebenden Eltern unterstützt, zu unterscheiden, ob er seine Mutter oder seinen Vater unterstützt hat. Hat z. B. der Vater erhebliches Einkommen oder Vermögen, so kann man nicht die mit ihm zusammenlebende Mutter bedürftig nennen, weil sie nicht selbst Einkommen oder Vermögen hat.
Auf andere Fälle von Haushaltsgemeinschaften unterstützter Personen können diese Gedanken aber nicht übertragen werden. Leben die Mutter und ihre Kinder in Haushaltsgemeinschaft, so sind sie zwar einander gesetzlich unterhaltspflichtig (ß 1601 BGB). Aber da die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehemannes gegenüber der Ehefrau grundsätzlich der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber der Mutter vorgeht (ß 1608 BGB), so könnte sich der Bg. der Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau nicht unter Berufung auf die daneben bestehende Unterhaltspflicht der Kinder entziehen. Diese Rangfolge der gesetzlichen Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kindern ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber der in der Entscheidung VI 207/57 U a. a. O. behandelten Unterhaltspflicht gegenüber zusammenlebenden Ehegatten. Es mag auch sein, daß im Streitfall die Mutter und die Töchter tatsächlich zusammen wirtschaften und die Töchter ihre Einkünfte in eine gemeinsame Wirtschaftskasse legen. Die Regel ist das aber nicht. Berufstätige Töchter verwenden ihren Verdienst, soweit sie ihn nicht zum eigenen Lebensunterhalt verbrauchen, im allgemeinen zu Ersparnissen für eine Aussteuer oder zur Begründung einer eigenen wirtschaftlichen Existenz. Heranwachsende Kinder streben natürlicherweise aus der Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern heraus und sorgen für ihre eigene Zukunft, während die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten in einer gesunden Ehe erfahrungsgemäß um so enger wird, je länger die Ehegatten zusammenleben. Es ist darum nicht gerechtfertigt, wie das Finanzamt will, die Haushaltsgemeinschaft der Mutter mit den selbstverdienenden Töchtern der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten gleichzustellen und die Einkünfte aller Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft zusammenzurechnen. Die Grundsätze, die wegen der Besonderheiten für die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten gelten, können jedenfalls nicht auf solche Haushaltsgemeinschaften übertragen werden. Zu dem vom Finanzgericht erwähnten Fall, daß die zum Haushalt gehörenden minderjährigen Kinder nicht Arbeitseinkünfte, sondern andere Einkünfte oder Bezüge haben, die in eine gemeinsame Wirtschaftskasse fließen, braucht der Senat hier nicht Stellung zu nehmen.
Die vom Finanzamt für den Streitfall erstrebte Auslegung würde auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Einengung der ohnehin engen Vorschrift des § 33 a EStG 1957 führen. Es ist auch ohne weiteres möglich, die eigenen Einkünfte und Bezüge der Mutter festzustellen und den vom Bg. für sie anteilig geleisteten Unterhalt damit zu vergleichen, so daß die Durchführung des § 33 a EStG 1957 bei dieser Art der Betrachtung keine Schwierigkeiten macht.
Die Auffassung des Finanzamts, daß die Unterhaltszuschüsse der Töchter nicht deren Einkünfte, sondern solche der Mutter seien, trifft nicht zu. Unterhaltszuschüsse sind Arbeitslohn der Bezieher (Urteil des Bundesfinanzhofs III 276/52 U vom 1. Juli 1952, BStBl 1955 III S. 14, Slg. Bd. 60 S. 36).
Auch den Einwand des Finanzamt, daß die Mutter sich selbst den Unterhalt verdienen könne und dann auf den Unterhalt durch den geschiedenen Ehemann nicht angewiesen sei, hat das Finanzgericht zutreffend zurückgewiesen. Die Mutter, die für ihre beiden Töchter sorgt, hat damit eine wichtige, sie ausfüllende Aufgabe; der Bg. erkennt das an, indem er sich seiner Ehefrau gegenüber zur Unterhaltszahlung verpflichtet hat. Es ist nicht Sache des Finanzamts, in Fragen der persönlichen Lebensgestaltung der Steuerpflichtigen einzudringen und - entgegen der Auffassung der unmittelbar Beteiligten - festzustellen, daß die geschiedene Ehefrau berufstätig sein und sich den Unterhalt selbst verdienen könne.
Fundstellen
Haufe-Index 410080 |
BStBl III 1961, 311 |
BFHE 1962, 116 |
BFHE 73, 116 |