Leitsatz (amtlich)
1. Wird bei der Bewertung eines vom Eigentümer selbst genutzten Einfamilienhauses bei der Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1964 als übliche Miete die in einem vergleichbaren Fall vereinbarte Jahresrohmiete angesetzt, so kann ein Zuschlag wegen der Kosten der Schönheitsreparaturen nur gemacht werden, wenn festgestellt ist, daß der Mieter in dem Vergleichsfall diese Kosten übernommen hat.
2. Zum Begriff der Schönheitsreparaturen.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 1 Nr. 4, § 76 Abs. 1 Nr. 4, §§ 78-82; I. BVO (BGBl 1950, 753) § 22 Abs. 3 S. 2; II. BV (BGBl I 1957, 1719) § 28 Abs. 3 S. 2; II. BV (BGBl I 1963, 594) § 28 Abs. 4 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) und seine Ehefrau sind Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein 1958 errichtetes Einfamilienreihenhaus steht. Das Haus, das von dem Kläger und seiner Ehefrau selbst bewohnt wird, hat eine Wohnfläche von 84 qm. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) stellte bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 für das Grundstück durch Bescheid vom 26. Februar 1969 einen Einheitswert von 32 000 DM fest. Das FA bewertete das Grundstück nach dem Ertragswertverfahren. Dabei ging es von einem dem örtlichen Mietspiegel entnommenen Preis von etwa 2,40 DM für den qm aus. Es erhöhte die Jahresrohmiete um einen Zuschlag von 5 v. H. wegen Schönheitsreparaturen und einen Zuschlag von 12 v. H. wegen der laufenden Grundsteuervergünstigung. Von dem so errechneten Wert gewährte es wegen der Belästigung durch Gerüche durch ein etwa 120m entfernt liegendes Industriewerk einen Abschlag von 5 v. H. Der Einspruch, mit dem der Kläger die Herabsetzung des Einheitswerts auf 5 000 DM erstrebte, hatte keinen Erfolg. Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das FG zog durch Beschluß vom 1. August 1972 die Ehefrau des Klägers nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren bei. Es gewährte wegen behebbarer Baumängel und Bauschäden am Dachstuhl einen Abschlag von 7 v. H. auf den Gebäudewertanteil und setzte den Einheitswert auf 30 200 DM herab. Im übrigen wies es die Klage ab. Es hielt weitere Ermäßigungen nicht für gerechtfertigt. Die Nachteile durch den Straßenverkehr vor dem Grundstück des Klägers stellten keine ungewöhnlich starken Beeinträchtigungen im Sinne des § 82 BewG 1965 dar. Die persönlichen Verhältnisse müßten unberücksichtigt bleiben, weil allein der objektive Wert des Grundstücks zu ermitteln sei.
Mit der Revision beantragen der Kläger und seine beigeladene Ehefrau (Revisionskläger) weiterhin, unter Aufhebung des FG-Urteils, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Einheitswertbescheides den Einheitswert auf 5 000 DM festzustellen. Es werden Verletzung des rechtlichen Gehörs und Verletzung des bestehenden Rechts gerügt. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sehen die Revisionskläger darin, daß ihnen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht die Möglichkeit gelassen worden sei, den Inhalt der Klageschrift und der weiteren im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze vorzutragen, damit sich das Richterkollegium und die zwei ehrenamtlichen Richter in den Tatbestand hätten einfühlen und überhaupt folgen können. Die Verletzung des materiellen Rechts sehen die Revisionskläger darin, daß ein Zuschlag für Schönheitsreparaturen gemacht worden sei, "weil ich an meinem Haus keine Schönheiten habe". Sie halten auch den Zuschlag für Grundsteuervergünstigung nicht für gerechtfertigt, "weil das Grundstück in keinem Fall grundsteuerbegünstigt, sondern mit außergewöhnlich hohen Hypothekenzinsen belastet" gewesen sei. Die Baumängel und Bauschäden seien nicht mehr behebbar, wie das Gericht schreibe. Eine Teilbehebung würde unzumutbare Kosten erfordern. Ein neuer Dachstuhl würde mindestens 10 000 DM kosten. Auch die Schäden an den stützungsbedürftigen zwei Hauswänden seien nicht behebbar. Im übrigen enthalten die Revisionsbegründungen Ausführungen über das persönliche Schicksal der Revisionskläger als Vertriebene und die hohen Schäden, die sie durch die Vertreibung erlitten haben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist im Streitfall nicht festzustellen. Die Revisionskläger haben während des ganzen Klageverfahrens ausreichend Gelegenheit gehabt, ihre Einwendungen gegen den angefochtenen Einheitswertbescheid geltend zu machen und zu begründen. Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ist zu entnehmen, daß den Beteiligten Gelegenheit zur Erörterung der Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegeben worden ist.
2. In sachlicher Hinsicht hat das FA das Grundstück der Revisionskläger zu Recht im Wege des Ertragswertverfahrens bewertet. Es handelt sich unbestritten um ein Einfamilienhaus im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 4 BewG, das nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78-82 BewG) zu bewerten ist. Der Grundstückswert ergibt sich beim Ertragswertverfahren nach § 78 Abs. 2 BewG durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete. Als Jahresrohmiete gilt bei eigengenutzten Grundstücken nach § 79 Abs. 2 Nr. 1 BewG die übliche Miete, die in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen ist, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art und Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Nach den Feststellungen des FG waren in der Reihenhaussiedlung, zu der das Grundstück der Revisionskläger gehört, am 1. Januar 1964 drei Häuser zu qm-Preisen von 2,40 DM bis 3,72 DM vermietet. Das FG hat deshalb zu Recht die Schätzung der üblichen Miete durch das FA mit etwa 2,40 DM qro qm nicht beanstandet. Das Einfamilienhaus der Revisionskläger war nach dem Akteninhalt durch einen Anerkennungsbescheid vom 16. Januar 1959 vom 1. April 1959 ab auf die Dauer von 10 Jahren nach § 92 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) grundsteuerbegünstigt. Das FA hat deshalb auch zu Recht nach § 79 Abs. 3 Nr. 3 BewG auf die Jahresrohmiete einen Zuschlag von 12 v. H. vorgenommen. Dagegen bestehen Bedenken gegen den vom FA vorgenommenen Zuschlag wegen der Kosten für die Schönheitsreparaturen in Höhe von 5 v. H. der Jahresrohmiete. Entgegen der Auffassung der Revisionskläger fallen solche Schönheitsreparaturen auch in ihrem Einfamilienhaus an. Sie umfassen nach § 22 Abs. 3 Satz 2 der Ersten Berechnungsverordnung (BGBl 1950, 753) das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Fenster von innen und der Türen, nach § 28 Abs. 3 Satz 2 der Zweiten Berechnungsverordnung (BGBl I 1957, 1719) auch das Streichen der Heizkörper und nach § 28 Abs. 4 Satz 2 der Zweiten Berechnungsverordnung in der Fassung vom 1. August 1963 (BGBl I 1963, 594) das Streichen der Heizkörper einschließlich der Heizröhren. Diese Schönheitsreparaturen gehören zu den in § 536 BGB genannten Aufwendungen, die erforderlich sind, das Haus in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Bei vermieteten Wohnräumen hat diese Reparaturen nach der gesetzlichen Regelung des § 536 BGB der Vermieter auf seine Kosten durchzuführen. Wie der Senat in dem Urteil vom 2. Juni 1971 III R 105/70 (BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675) ausgeführt hat, geht die gesetzliche Regelung des Ertragswertverfahrens, insbesondere die Bestimmung der Vervielfältiger (§ 80 BewG), von dieser Rechtslage nach bürgerlichem Recht aus. Es müßte deshalb der jeweilige Vervielfältiger geändert werden, wenn die Schönheitsreparaturen nicht vom Vermieter, sondern vom Mieter zu tragen sind. Zu demselben Ergebnis kommt man aber, wenn statt der Veränderung des Vervielfältigers ein Zuschlag zur Jahresrohmiete gemacht wird. Der Senat hat in dem Urteil III R 105/70 weiter dargetan, daß es sich bei der Bemessung dieser Zuschläge in Abschn. 22 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens vom 19. September 1966 (BewRGr) um Erfahrungssätze handelt, die nicht zu beanstanden sind. Im Streitfall muß aber beachtet werden, daß es sich nicht um ein vermietetes Einfamilienhaus handelt. Die übliche Miete ist zwar anhand von Vergleichsmieten geschätzt worden. Das FG hat jedoch keine Feststellungen darüber getroffen, ob in dem Vergleichsfall, dem es die übliche Miete von 2,40 DM je qm entnommen hat, der Mieter die Schönheitsreparaturen zu tragen hatte. Es ist nicht auszuschließen, daß das FG rechtsirrig der Auffassung war, daß es auf diese Feststellungen nicht ankomme. Die Vorentscheidung war aus diesem Grunde aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird noch Feststellungen darüber zu treffen haben, ob in dem für die Schätzung der üblichen Miete herangezogenen Vergleichsfall die Kosten der Schönheitsreparaturen von dem Mieter übernommen wurden. Nur wenn das der Fall ist, ist ein Zuschlag von 5 v. H. gerechtfertigt. Das FG wird außerdem noch das Vorbringen der Revisionskläger über die Bauschäden am Dachstuhl und an den beiden Hauswänden zu prüfen haben, insbesondere, ob es sich dabei um nicht behebbare Bauschäden handelt. Denn wenn das der Fall wäre, wäre weiter zu prüfen, ob dadurch die Lebensdauer des Gebäudes wesentlich verkürzt worden ist, so daß nach § 80 Abs. 3 BewG der Vervielfältiger nach einem um die verkürzte Lebensdauer früheren Baujahr zu ermitteln wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 70894 |
BStBl II 1974, 445 |
BFHE 1974, 288 |