Leitsatz (amtlich)
1. Zur umsatzsteuerrechtlichen Verweisung auf zolltarifliche Begriffe.
2. Zur Tarifierung von "Veteranenfahrzeugen" ("Oldtimer").
Orientierungssatz
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Nr. 47 der Anlage des UStG 1980 gilt die ermäßigte Steuer u.a. für die Einfuhr von Sammlungsstücken (Nr. 99.05 des Zolltarifs). Erfaßt sind damit neben anderen Stücken Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert i.S. der zolltariflichen Vorschriften, die infolge der im Umsatzsteuerrecht enthaltenen Verweisung unmittelbar gelten. Im Streitfall brauchte nicht entschieden zu werden, ob i.S. einer gleitenden oder dynamischen Verweisung an den jeweils geltenden Zolltarif (hier: GZT) angeknüpft wird oder ob sich die Verweisung auf den bei Inkrafttreten des UStG geltenden Deutschen Zolltarif 1966 bezieht, denn der Wortlaut der jeweiligen Tarifnr. 99.05 in beiden Zolltarifen stimmt überein.
2. Sammlungsstücke i.S. der Tarifnr. 99.05 GZT sind Gegenstände, die geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden. Dies sind verhältnismäßig seltene Gegenstände --auch frühere Serienprodukte, von denen gegenwärtig nur noch einige Exemplare vorhanden sind--, die Gegenstand eines Spezialhandels sind, einen hohen Wert haben und normalerweise nicht ihrer üblichen Zweckbestimmung gemäß verwendet werden, wobei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, daß ihre "Gebrauchstüchtigkeit" erhalten geblieben ist. Von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert sind Sammlungsstücke, die einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentieren oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichen; einen solchen Wert kann ein Gegenstand haben, der einen Bezug zu den menschlichen Errungenschaften einschließlich derjenigen auf dem Gebiet der Technik aufweist (Anschluß an EuGH-Urteil vom 10.10.1985 Rs. 252/84). Im Streitfall wurde ein im Jahr 1981 eingeführter PKW Daimler-Benz Typ 300 SL, Baujahr 1955, nicht als Sammlungsstück anerkannt.
3. NV: Ein Beteiligter, der im FG-Verfahren durch einen Steuerberater vertreten war, kann mit der Revision die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen Nichterhebung von Beweisen nicht mit Erfolg rügen, wenn er keine entsprechenden Beweisanträge gestellt und keine besonderen Gründe vorgetragen hat, aus denen solche Beweisanträge unterblieben sind und die Beweiserhebung ohne Antrag sich hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1977 VII R 5/74).
Normenkette
GZT Tarifnr 99.05; UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Anl 1 Nr. 47; FGO § 76 Abs. 1; ZT 1966 Tarifnr 99.05
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ am 11.März 1981 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) einen von ihm in Belgien für 125 000 DM gekauften gebrauchten PKW Typ Mercedes Benz 300 SL, Baujahr 1955, zum freien Verkehr abfertigen. Das HZA erhob die volle Einfuhrumsatzsteuer (EUSt), weil es das Fahrzeug nicht als ein dem ermäßigten EUSt-Satz unterliegendes Sammlungsstück der Zolltarifnr. 99.05 ansah. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Zur Begründung seines klageabweisenden Urteils führte das Finanzgericht (FG) aus, zwar könnten grundsätzlich auch Gegenstände des technischen Bereichs wie Kraftfahrzeuge aus der jüngeren Vergangenheit von der Tarifnr. 99.05 erfaßt werden, doch müsse es sich dabei um Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert handeln. Dies treffe zu, wenn ein Gebrauchsgegenstand, abgesehen von seiner Seltenheit, einen exemplarischen Entwicklungsstand verkörpere, nicht dagegen, wenn ein in jüngerer Vergangenheit hergestellter Gebrauchsgegenstand nur technische Neuerungen im Rahmen einer im wesentlichen abgeschlossenen Entwicklung aufweise. Die technische Entwicklung des Kraftfahrzeugs sei im fahrzeugtechnischen Bereich im wesentlichen abgeschlossen. Nicht jede Neuerung von besonderem technischen Interesse auf dem Gebiet der Automobiltechnik könne von allgemein-geschichtlichem Wert sein. Den Konstruktionsbesonderheiten des eingeführten PKW --Kraftstoffeinspritzung, Gitterrohrrahmen und Klapptüren (Flügeltüren)-- sei keine historische Bedeutung i.S. der Tarifnr. 99.05 beizumessen. ++/ Die Beurteilung durch ein Verkehrsmuseum, nach der der PKW "einen großen technisch-historischen Wert" darstelle, könne die Entscheidung über den geschichtlichen Wert von Sammlungsstücken nicht ersetzen. Der hohe Kaufpreis, der im Zusammenhang mit anderen Umständen den geschichtlichen Wert indizieren könne, charakterisiere sich als Liebhaberwert, wie daran deutlich werde, daß der PKW nach Ausbesserung wieder zum Straßenverkehr zugelassen werden solle. /++
Mit der Revision macht der Kläger unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 10.Oktober 1985 Rs.200/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1986, 431 f, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1986, 14) und die Schlußanträge des Generalanwalts in dieser Rechtssache geltend, Tarifnummer 99.05 GZT müsse großzügig ausgelegt werden, auch, soweit es um das Tatbestandsmerkmal "(Sammlungsstücke) von geschichtlichem ... völkerkundlichem Wert" gehe. Dieses Tatbestandsmerkmal sei im Streitfalle erfüllt, weil das Fahrzeug sowohl kennzeichnende Fortschritte im Entwicklungsprozeß des Automobilbaus verkörpere als auch ein Teilstück in diesem Entwicklungsprozeß darstelle. In dem Fahrzeug seien --richtungweisend-- erstmals serienmäßig die Benzineinspritzung beim Vier-Takt-Otto-Motor verwendet, erstmals die Zusammenarbeit zwischen Formgestaltern und Ingenieuren verwirklicht und erstmals im Serienbau die Rahmenkonstruktion gewählt worden. ++/ Verfahrensrechtlich sei zu beanstanden, daß das FG zu der Frage, ob das Fahrzeug technisch-historischen Wert habe, Sachverständige nicht gehört habe.
Ferner macht der Kläger geltend, das FG habe den Sachverhalt nicht hinreichend erforscht, insbesondere es unterlassen, seine --des Klägers-- im Aufbau befindliche Privatsammlung, für die das streitbefangene Fahrzeug bestimmt gewesen sei, darauf zu prüfen, ob sie einer nach wissenschaftlichen Grundsätzen aufgebauten öffentlichen Sammlung gleichzusetzen sei. Es habe auch kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob sich das Fahrzeug, entsprechend den Erläuterungen des Bundesministers der Finanzen zur Voraussetzung der Steuerermäßigung (BStBl I 1968, 978, BStBl I 1975, 193; s. jetzt BStBl I 1983, 567 Tz. 162, Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung Z 8212-1 Abs. 95 Nr. 2), zur Aufnahme in eine solche Sammlung eigene. Die Wiederzulassung für den Straßenverkehr sei Nebenergebnis der Restaurierung des Wagens im originalen Neuzustand gewesen. /++
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet.
++/ Die Verfahrensrüge des Klägers hat keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob sie --soweit beanstandet wird, das FG habe zur Frage eines technisch-historischen Werts des Fahrzeugs kein Sachverständigengutachten eingeholt-- als neues, dann verspätetes (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) Geltendmachen eines Verfahrensmangels zu bewerten ist. Auch wenn dieses Vorbringen als Klarstellung und Weiterführung der rechtzeitig erhobenen Rüge angesehen wird, das FG habe unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht die Eignung des Fahrzeugs zur Einstellung in eine nach wissenschaftlichen Grundsätzen aufgebaute öffentliche Sammlung geprüft, kann die Aufklärungsrüge nicht durchdringen. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der Kläger, wiewohl in der Vorinstanz durch eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft vertreten (diese wiederum u.a. durch einen der Prozeßbevollmächtigten für das Revisionsverfahren), keine entsprechenden Beweisanträge gestellt (vgl. --für den Fall der Vertretung durch einen Rechtsanwalt-- Urteil des Senats vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 108 f., BStBl II 1978, 274, 276; siehe im übrigen --Vertretung durch ein Mitglied der steuerberatenden Berufe-- Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 8162; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 120 FGO Tz. 63) und keine besonderen Gründe vorgetragen hat, aus denen solche Beweisanträge unterblieben sind und die Beweiserhebung ohne Antrag sich hätte aufdrängen müssen.
Auch der Sachrüge der Revision muß der Erfolg versagt bleiben. /++
Das Urteil der Vorinstanz beruht auf der Erwägung, das Fahrzeug verkörpere keinen exemplarischen Entwicklungsstand; seine konstruktiven Besonderheiten stellten keinen grundlegenden Wandel in der Entwicklungsgeschichte des Gebrauchsgegenstandes dar. Zu diesem Ergebnis konnte das FG auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen, die mangels durchgreifender Verfahrensrüge für den Senat bindend sind (§ 118 Abs.2 FGO), ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze --damit ohne revisionsgerichtlich zu beanstandenden Rechtsfehler-- gelangen.
a) Nach § 12 Abs.2 Nr.1 Satz 1, Nr.47 der Anlage des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 gilt die ermäßigte Steuer u.a. für die Einfuhr von Sammlungsstücken (Nr.99.05 des Zolltarifs). Erfaßt sind damit neben anderen Stücken Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert im Sinne der zolltariflichen Vorschriften, die infolge der im Umsatzsteuerrecht enthaltenen Verweisung unmittelbar gelten (Christiansen in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, E I/12 Rdziff.4 und E I/21 Rdziff.8, 13; Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuer, § 12 UStG Anm.26; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10.Aufl., § 12 Rdziff.50). Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob im Sinne einer gleitenden oder dynamischen Verweisung an den jeweils geltenden Zolltarif angeknüpft wird (so Plückebaum/Malitzky, a.a.O., Rdziff.58; vgl. auch Schwarz/Wockenfoth/Rahn, Zollgesetz, Teil C-EUSt, Anm.143) --dann wäre im Streitfall der Gemeinsame Zolltarif (GZT) maßgebend-- oder ob sich die Verweisung auf den bei Inkrafttreten des UStG geltenden Deutschen Zolltarif (DZT) 1966 bezieht (so Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz, 1975, § 12 Abs.2 Nr.1 und 2 Tz.4,4 a), denn der Wortlaut der jeweiligen Tarifnr. 99.05 in beiden Zolltarifen stimmt überein ("... Sammlungsstücke von geschichtlichem, ... völkerkundlichem ... Wert").
b) Der EuGH hat durch Urteil vom 10.Oktober 1985 Rs.200/84 den Begriff "Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert" i.S. der Tarifnr. 99.05 GZT in einem Vorabentscheidungsverfahren ausgelegt, das die Tarifierung eines PKW Daimler-Benz Typ 300 SL-Coupe, Baujahr 1955, betraf. Er hat entschieden, Sammlungsstücke im Sinne dieser Tarifnummer seien Gegenstände, die geeignet seien, in eine Sammlung aufgenommen zu werden. Dies seien verhältnismäßig seltene Gegenstände --auch frühere Serienprodukte, von denen gegenwärtig nur noch einige Exemplare vorhanden seien--, die Gegenstand eines Spezialhandels seien, einen hohen Wert hätten und normalerweise nicht ihrer üblichen Zweckbestimmung gemäß verwendet würden, wobei jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, daß ihre "Gebrauchstüchtigkeit" erhalten geblieben sei. Von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert seien Sammlungsstücke, die einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentierten oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichten; einen solchen Wert könne ein Gegenstand haben, der einen Bezug zu den menschlichen Errungenschaften einschließlich derjenigen auf dem Gebiet der Technik aufweise (vgl. auch Absätze 18, 21 und 24 der Entscheidungsgründe; s. ferner EuGH-Urteil vom 10.Oktober 1985 Rs.252/84 - Pistolen -). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Auch insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob es bereits aufgrund der in § 12 Abs.2 Nr.1 UStG 1980 in Verbindung mit seiner Anlage --hier Nr.47-- veranlaßt ist, das zur Auslegung des GZT ergangene EuGH-Urteil zu berücksichtigen (vgl. Christiansen, a.a.O., E I/12 Rdziff.4). Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß das Umsatzsteuerrecht nicht auf den GZT, sondern, im Sinne einer statischen Verweisung, auf den DZT 1966 Bezug nimmt, würde die Übereinstimmung des Wortlauts der Tarifnr. 99.05 DZT 1966 mit dem der Tarifnr. 99.05 GZT es nahelegen, der Auslegung dieser Tarifnummer durch den EuGH zu folgen. Der Umstand, daß der EuGH bei der Entscheidungsfindung auch die Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens berücksichtigt hat (Erläuterungen zum Zolltarif --ErlZT-- zu Kap.99 Teil I Rdziff.9 und 10; zu Tarifnr. 99.05 Teil I Rdziff.10, erster Satzteil), die in den Erläuterungen zum DZT 1966 noch keine Entsprechung fanden, stände einer Auslegung der Tarifnr. 99.05 DZT 1966 im gleichen Sinne nicht entgegen, da der Wortlaut dieser Rechtsvorschrift mit dem des GZT voll übereinstimmt und die vom EuGH angeführten Erläuterungen nichts besagen, was mit dem Wortlaut beider Zolltarife nicht in Einklang stände.
c) Zwar steht nach den vom EuGH entwickelten Auslegungsgrundsätzen einer Wertung als "Sammlungsstück" nicht von vornherein entgegen, daß Fahrzeuge dieses Typs früher serienmäßig gefertigt wurden, doch dürfen von dem früheren Serienprodukt gegenwärtig nur noch einige Exemplare vorhanden sein. Im EuGH-Urteil vom 10.Oktober 1985 Rs.200/84 (Absatz 7 der Entscheidungsgründe) ist --als Feststellung des vorlegenden Gerichts-- wiedergegeben, von den 1955 insgesamt gebauten 1 400 Wagen seien noch rund 400 Stück erhalten. Das FG hat eine derartige Feststellung, die allein schon geeignet sein könnte, den für die Anerkennung als Sammlungsstück erforderlichen Seltenheitswert auszuschließen, nicht getroffen. Es fehlen auch Feststellungen darüber, ob das Fahrzeug, das für die Wiederzulassung zum Verkehr "repariert" worden ist, normalerweise seiner ursprünglichen Zweckbestimmung gemäß verwendet (wie üblich gefahren) wird. Letzteres käme bei einem Kraftfahrzeug in Betracht, wenn im maßgebenden Zeitpunkt (§ 21 Abs.2 UStG 1980, § 35 Abs.1 des Zollgesetzes) die Zulassung des Fahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen beabsichtigt ist, falls sich die Gebrauchsfähigkeit auch ohne Zulassung erhalten läßt (durch Betrieb außerhalb öffentlicher Straßen oder, unter Befreiung vom Zulassungszwang, § 18 Abs.1, § 70 Abs.1 Nr.2 oder 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, durch Teilnahme an "Veteranen-Treffen").
Auf solche Feststellungen kommt es jedoch im Streitfall nicht an. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, daß das Fahrzeug des Klägers alle Voraussetzungen erfüllt, denen ein Fahrzeug als Sammlungsstück genügen muß --darunter der Seltenheitswert und die grundsätzliche Nichtverwendung als Beförderungsmittel--, so fehlt ihm doch der geschichtliche ... Wert (im Sinne der maßgebenden Vorschriften), den ein Sammlungsstück für die Zuweisung zur Tarifnr. 99.05 aufweisen muß. Zwar kann --was das FG im übrigen nicht verkannt hat-- auch ein Gegenstand, der einen Bezug zu den Errungenschaften auf dem Gebiet der Technik aufweist, einen solchen Wert haben, weil der Geschichtsbegriff neben der politischen Geschichte auch die Kulturgeschichte und die Geschichte der Technik, die Entwicklung der Menschheit und die menschlichen Errungenschaften in allen Bereichen, umfaßt. Erforderlich ist jedoch, daß das betreffende Sammlungsstück einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentiert oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulicht. Ob ein Sammlungsstück diesen Anforderungen entspricht, die für die Zuweisung zur Tarifnr. 99.05 zu stellen sind, haben die Steuerbehörden und -gerichte zu entscheiden; das schließt jedoch nicht aus, daß sie, soweit sie ihre Sachkunde nicht für ausreichend halten, Sachverständige hören. Das FG hat nicht die Eignung des Fahrzeugs zur Aufnahme in eine Sammlung verneint --sie hängt von einzelnen Merkmalen und Umständen ab, über deren Vorliegen nach pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters (vgl. Urteil des Senats vom 11.Januar 1977 VII R 4/74, BFHE 121, 152, 156, BStBl II 1977, 310, 311) ggf. Beweis durch Sachverständige zu erheben wäre--, sondern den geschichtlichen Wert des Fahrzeugs als Sammlungsstück. Es hat dabei einen Maßstab zugrunde gelegt --Erfordernis der Verkörperung eines exemplarischen Entwicklungsstandes bei Gegenständen des technischen Bereichs--, der im wesentlichen den vom EuGH entwickelten Auslegungsgrundsätzen (charakteristischer Schritt in der Entwicklung oder "Abschnitt" einer solchen) entspricht. Zur Gewinnung dieses Auslegungsmaßstabs brauchte das FG Sachverständige nicht hinzuziehen, da die Gesetzesauslegung eine Aufgabe der Gerichte ist.
d) Der EuGH hat entschieden, daß ein Gegenstand, der einen Bezug zu den menschlichen Errungenschaften einschließlich derjenigen auf technischem Gebiet aufweist, von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert im Sinne der Tarifnr. 99.05 sein "kann", wenn er einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentiert oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulicht (Urteil in Rs.200/84, Absatz 24 der Entscheidungsgründe). Daraus folgt, daß nicht jede technische Neu- oder Weiterentwicklung --einschließlich einer solchen, die für das betreffende Gebiet der Technik bedeutsam ist-- notwendig einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften oder einen Abschnitt dieser Entwicklung verkörpert. Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß der Generalanwalt in der Rechtssache 200/84 einen weitergehenden Standpunkt vertreten, nämlich ausgeführt hat, es beständen auf Grund der Vorschrift 4a zu Kap.99 keine Bedenken, den Vorrang dieses Kapitels selbst dann zu bejahen, wenn letztlich Zweifelsfragen übrig blieben, was jedoch in dem von ihm zu beurteilenden Fall --bezogen auf ein gleichartiges Fahrzeug-- nicht zutreffe. Der EuGH hat indessen, seiner Aufgabe im Vorabentscheidungsverfahren bei Auslegung einer Norm des Gemeinschaftsrechts gemäß, nur über die Auslegung der Tarifnr. 99.05 entschieden. Er hat auch nicht die Auffassung des Generalanwalts übernommen, Kap.99 gehe selbst dann anderen Tarifnummern vor, wenn letztlich noch Zweifel beständen. Dieser Auffassung vermag auch der Senat nicht zuzustimmen. Denn die Konkurrenzvorschrift --Vorschrift 4a zu Kap.99-- setzt voraus, daß (auch) Kap.99 für die Tarifierung in Betracht kommt (vgl. auch Urteil des Senats vom 29.Oktober 1985 VII R 164/82, BFHE 144, 500 f). Sind die Voraussetzungen für die Zuweisung zu einer Tarifnummer des Kapitels 99 nicht (zweifelsfrei) erfüllt, so muß die Ware anderweitig tarifiert werden (vgl. ErlZT zu Kapitel 99 Teil I Rdziff.7).
e) Ob im Einzelfall ein als Sammlungsstück anzusehendes Kraftfahrzeug die erforderlichen Merkmale besitzt, damit --im Sinne der vom EuGH aufgestellten Grundsätze-- ein geschichtlicher oder völkerkundlicher Wert anerkannt werden kann, hat der Senat nicht zu entscheiden. Der Senat ist als Revisionsgericht nicht nur an die eigentlichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz, sondern auch an die tatrichterliche Würdigung der ermittelten Tatumstände gebunden, es sei denn, die Folgerungen des FG wären mit den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen unvereinbar (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 1977, § 118 Anm.10; Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Tz.55 mit Rechtsprechungsnachweisen). Wenn das FG, ungeachtet des von ihm anerkannten großen technischen Interesses an dem Fahrzeug und seiner "Attraktivität", in den Besonderheiten des Fahrzeugs lediglich technische oder stilistische Varianten sieht, aber keine Verkörperungen charakteristischer Schritte in der Entwicklung der "menschlichen Errungenschaften", keine Veranschaulichung eines Abschnitts dieser Entwicklung, so kann dies aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
Diese Bewertung der das Fahrzeug auszeichnenden Merkmale, deretwegen es schon von Beginn an durch die Fachwelt überaus positiv beurteilt wurde, ist, ausgehend von einer Auslegung der maßgebenden Rechtsnorm (Tarifnr. 99.05), die der durch den EuGH entspricht, möglich und läßt Verstöße gegen Denkgesetze oder --allgemeine-- Erfahrungssätze nicht erkennen.
Fundstellen
BFHE 148, 90 |
BFHE 1987, 90 |
DB 1987, 314-314 (S) |
HFR 1987, 90-91 (ST) |
UStR 1987, 18-20 (ST) |
ZfZ 1987, 49-51 (ST) |