Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem sie beherrschenden Gesellschafter werden nur anerkannt, wenn sie klar und eindeutig sind.
2. Es besteht keine Vermutung, daß der Hauptgesellschafter einer Kapitalgesellschaft Betriebsanlagen auf Grund eines Mietvertrags (Pachtvertrags) und nicht auf gesellschaftlicher Grundlage überlassen hat.
3. Rückwirkende Vertragsgestaltungen, die zu einer willkürlichen Beeinflussung des Einkommens des Gesellschafters und seiner Gesellschaft führen können, werden steuerlich nicht anerkannt.
EStG § 4 Abs. 4, § 5; KStG § 6 Satz 2.
Normenkette
KStG § 6 S. 2; EStG § 4 Abs. 4, § 5
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine GmbH, betreibt ein Preß- und Stanzwerk. Sie wurde im März 1947 mit einem Stammkapital von 20.000 RM gegründet. Gesellschafter sind zu 75 v. H. Herr G., der gleichzeitig Geschäftsführer ist (abgekürzt: Gesellschafter), und zu 25 v. H. seine Ehefrau. Streitig ist, in welcher Höhe Zahlungen aus einem Pachtvertrag zwischen der Bfin. und dem Gesellschafter steuerlich anzuerkennen sind.
Der Gesellschafter, der früher an einer im Jahre 1946 enteigneten KG in der sowjetischen Besatzungszone als Komplementär beteiligt war, gründete in der Westzone eine Einzelfirma. Im März 1947 überließ er der Bfin. ohne vertragliche Grundlage die Maschinen und Einrichtungen seines Betriebs. Er entnahm laufend Beträge aus der GmbH. Im Mai 1949 wurden im Zuge der Aufarbeitung der vernachlässigten Buchführung und der Aufstellung der Bilanzen für die Jahre 1947und I/1948 erstmalig Pachtzinsen bei der Bfin. verbucht, und zwar für 1947 = 10.147 RM und für I/1948 = 10.482 RM. Als Berechnungsgrundlage wurde die steuerliche Absetzung für Abnutzung zuzüglich 7 v. H. vom letzten jeweiligen Buchwert zugrunde gelegt. In den Abschlüssen für II/1948 und 1949 sowie 1950, die am 15. Juni 1951 aufgestellt wurden, wurde die Bfin. mit folgenden Pachtzahlungen belastet: II/1948 und 1949 134 404 DM. 1950 ------------ 110 743 DM.
Die Bfin. beruft sich auf einen schriftlichen Pachtvertrag mit dem Gesellschafter, der auf den 15. Dezember 1948 datiert ist. Unstreitig ist dieser Pachtvertrag aber erst am 15. Juni 1951 geschrieben und zurückdatiert worden. Der Betriebsprüfer erkannte erst ab Mai 1949 ein Pachtverhältnis an; bis dahin habe der Gesellschafter die Maschinen und Einrichtungen der Bfin. unentgeltlich überlassen. Eine Rückwirkung des Vertrags vom 15. Juni 1951 auf die Streitjahre ließ er nicht zu. Im Einspruchsverfahren erkannte das Finanzamt ein Pachtverhältnis ab 21. Juni 1948 an. Bezüglich der Höhe des Pachtzinses für II/1948 und 1949 folgte es der Berechnung des Prüfers, der die Pacht nach den gleichen Grundsätzen wie für 1947und I/1948 berechnet hatte.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führte aus: Das Finanzamt sei, indem es einen entgeltlichen Überlassungsvertrag auch schon für die Zeit vor dem 15. Juni 1951 anerkannt habe, der Bfin. entgegengekommen. Das Finanzgericht folge aber insoweit der Auffassung des Finanzamts. Die Abmachungen vom 15. Juni 1951 könnten aber, was die Höhe der Pacht betreffe, nicht auf die streitigen Veranlagungszeiträume II/1948 bis 1950 bezogen werden, soweit sie eine Erhöhung des bis dahin geltenden Pachtzinses enthielten. Auf die Frage, ob der Pachtzins, wie er im Vertrag vom 15. Juni 1951 vereinbart sei, der Höhe nach anerkannt werden könne, brauche das Finanzgericht nicht einzugehen, da die Vereinbarung allenfalls nur für die Zukunft Wirkung haben könne.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Da die Vorinstanzen schon für die Zeit ab 21. Juni 1948 ein Pachtverhältnis angenommen haben, ist nur noch die Höhe des Pachtzinses streitig. Ein Gesellschafter kann einer von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft Betriebsanlagen auf gesellschaftlicher Grundlage ohne bestimmte Gegenleistung zur Verfügung stellen. Er kann sie aber auch auf der Grundlage von Leistung und Gegenleistung vermieten (verpachten). Wenn es auch üblich ist, einen Mietvertrag (Pachtvertrag) zu schließen, so besteht doch keine Vermutung, daß der Überlassung von Betriebsanlagen ein Mietvertrag (Pachtvertrag) zugrunde liegt. Einen ähnlichen Rechtsgrundsatz hat der Senat im Urteil I 47/55 U vom 11. Oktober 1955 (Slg. Bd. 61 S. 515, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 397) zur Frage rückwirkender Gehaltsvereinbarungen für Gesellschafter-Geschäftsführer ausgesprochen. Die Rechtsprechung räumt der Willensentschließung der Gesellschafter bei der Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu der von ihnen beherrschten Gesellschaft einen weiten Spielraum ein. Das gilt nicht nur hinsichtlich des Abschlusses schuldrechtlicher Verträge, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Leistungen, sofern sie die Grenze des Angemessenen nicht übersteigen. Angemessen ist der Betrag, den die Gesellschaft auch einer gesellschaftsfremden Person für eine gleiche Leistung gewähren würde. Sind zunächst nur geringere Leistungen festgelegt worden, so kann die Gesellschaft sie nicht rückwirkend zugunsten des Gesellschafters beliebig erhöhen. Sonst könnte der Gewinn der Kapitalgesellschaft willkürlich so beeinflußt werden, wie es bei einer steuerlichen Gesamtbeurteilung des Einkommens der Gesellschaft und der Gesellschafter jeweils am günstigsten ist. Wenn die Rechtsprechung schuldrechtliche Verträge zwischen dem Gesellschafter und seiner Kapitalgesellschaft grundsätzlich anerkennt, so soll damit kein Freibrief für willkürliche Gewinnbeeinflussungen gegeben werden. Die Beteiligten müssen gerade wegen der nahen Beziehungen ihre Verhältnisse für die Zwecke der Besteuerung klar und eindeutig regeln, um Mißbräuche auszuschließen. Schaffen sie keine klare Regelung, so müssen sie in Kauf nehmen, daß die Finanzbehörden diesen Umstand gegen sie verwerten. Dieser Rechtsgedanke ist schon mehrfach ausgesprochen worden, z. B. bei Gesellschaftsverträgen zwischen Eltern und Kindern (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951, Slg. Bd. 55 S. 449, BStBl 1951 III S.181, und IV 83/50 U vom 17. Oktober 1951, Slg. Bd. 55 S. 548, BStBl 1951 III S. 223); ferner bei Arbeitsverträgen zwischen Eltern und Kindern (Urteil des Bundesfinanzhofs I 193/55 U vom 6. Dezember 1955, Slg. Bd. 62 S. 43, BStBl 1956 III S. 17); bei Organvereinbarungen zwischen mehreren Kapitalgesellschaften (Urteil des Bundesfinanzhofs I 73/55 U vom 14. Februar 1956, Slg. Bd. 62 S. 407, BStBl 1956 III S. 151) sowie bei Dienstverträgen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter (Urteil des Bundesfinanzhofs I 47/55 U a. a. O.). Er gilt auch bei Vermietung (Verpachtung) von Betriebsanlagen.
Im vorliegenden Fall ist der Pachtzins, den die Bfin. absetzen will, der Höhe nach erst am 15. Juni 1951 festgelegt worden. Die Behauptung der Bfin., das Pachtentgelt habe erst nach Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz festgesetzt werden können, ist nicht schlüssig. Ungewiß war bis zur Aufstellung der DM- Eröffnungsbilanz allenfalls, mit welchen Höchstwerten die der Bfin. überlassenen Güter in der DM-Eröffnungsbilanz des Gesellschafters angesetzt werden könnten. Die Beteiligten waren aber nicht gehindert, wenigstens die Berechnungsgrundlagen der Pacht schon für die Zeit ab II/1948 im voraus festzulegen. Vor allem hätten sie die Höhe des Zinssatzes und die erhebliche Umsatzbeteiligung, die als zusätzliches Pachtentgelt erstmalig in dem Vertrag vom 15. Juni 1951 erscheint, schon vorher festlegen können. Im Verhältnis zu einem Dritten, der nicht ihr Gesellschafter war, hätte sich die Bfin. jedenfalls auf die unklare Rechtslage, die bis zum 15. Juni 1951 bestand, kaum einlassen können. Es kommt zwar auch bei Vertragsverhältnissen zwischen Fremden vor, daß einzelne Punkte zunächst offen bleiben. Im Streitfall fehlte es aber bis zum Vertrag vom 15. Juni 1951 überhaupt an einer klaren Grundlage. Die Tatsache, daß es sich um einen Flüchtlings- und Aufbaubetrieb handelte, heilt diesen Mangel nicht. Die Bfin. räumt ein, daß sie bei der rückwirkenden Pachtfestsetzung im Jahre 1951 die Erfahrungen ab II/1948 berücksichtigt habe. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß die verspätete Vertragsschließung gerade dem Zwecke diente, bei der Pachtfestsetzung die steuerliche Auswirkung bei der Bfin. und ihrem Gesellschaftern berücksichtigen zu können. Diese Vermutung entfällt nicht dadurch, daß die Bfin. in den späteren Jahren bei dem Vertrag vom 15. Juni 1951 geblieben ist.
Das Finanzgericht konnte deshalb die Rückbeziehung der Pachtvereinbarung vom 15. Juni 1951 auf die Streitjahre ohne Rechtsirrtum ablehnen. Welcher Pachtzins für die Streitjahre als vereinbart gilt, ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Feststellung. Wenn das Finanzgericht sich dabei an die Berechnung für die Jahre 1947und I/1948 anlehnte, so ist das rechtlich einwandfrei. Das Vorbringen der Bfin., es müßten wenigstens die auf dem Konto Pachtvorauszahlungen gebuchten Beträge oder für 1950 eine Verzinsung von 10 v. H. zugrunde gelegt werden, greift nicht durch. Die Buchungen sind nach den Feststellungen des Finanzgerichts nicht Ausdruck einer klaren Regelung. Diese ist vielmehr erstmalig im Juni 1951 getroffen worden.
Die Vorentscheidung ist aber aufzuheben, da möglicherweise bei der Berechnung der Pacht nicht berücksichtigt worden ist, daß die Maschinenwerte später höher festgesetzt wurden, als der Prüfer vorgeschlagen hatte, so daß sich auch die vom Prüfer berechnete Pacht erhöhen mußte. Die nicht entscheidungsreife Sache wird an das Finanzamt zurückverweisen, damit es die Berechnung der Pacht in dieser Hinsicht prüft.
Fundstellen
Haufe-Index 408530 |
BStBl III 1956, 288 |
BFHE 63, 237 |
BB 1956, 1714 |
DB 1956, 981 |