Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung anwaltlicher Pflichten. Verbotene Anwaltswerbung. Erfolgshonrar. Einzelfallbetrachtung der Pauschalvergütung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Werbung eines Rechtsanwalts mit einem nach der Berufsordnung verbotenen Erfolgshonorar stellt eine schuldhafte Berufspflichtverletzung dar.
2. Bezieht sich eine beworbene Pauschalvergütung nicht auf einen konkreten Einzelfall, sondern auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen, muss der Rechtsanwalt durch eine Gebührenstaffelung sicherstellen, dass das erforderliche angemessene Verhältnis des Pauschalbetrags zur geschuldeten Leistung, zur Verantwortung sowie zum Haftungsrisiko in jedem Einzelfall gewahrt ist.
Normenkette
BRAO §§ 43, 43b, 49b Abs. 1-2; RVG § 4 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Bayerischer AGH (Urteil vom 18.01.2005; Aktenzeichen BayAGH 8/04) |
Tenor
1. Auf die Revision des Rechtsanwalts wird das Urteil des 2. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 18. Januar 2005, soweit es den Maßnahmeausspruch betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des Anwaltsgerichtshofs zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
I.
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Das Anwaltsgericht hat gegen den Rechtsanwalt wegen schuldhafter Verletzung seiner anwaltlichen Pflichten einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 2.000 EUR verhängt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Berufung des Rechtsanwalts verworfen. Gegen dieses Urteil richtet sich die – vom Anwaltsgerichtshof zugelassene – Revision des Rechtsanwalts. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision ist nach § 145 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 146 BRAO zulässig, hat aber nur teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
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Nach den Feststellungen versandte der Rechtsanwalt im Juli 2003 e-mails an Mandanten, in denen er Inkassotätigkeit zu folgenden Konditionen anbot:
„Grundgebühr: Jeder Fall wird mit einer Grundgebühr von EUR 35,– vergütet. Für den Fall, dass wir Ihre Forderung nicht erfolgreich verwirklichen, sind Ihre Kosten auf diesen Betrag begrenzt.
Erfolgsgebühr: Im Erfolgsfall berechnen wir Ihnen bei Beträgen bis EUR 3.000,– 5% des eingezogenen Betrages und bei Beträgen ab EUR 3.000,– 3% des eingezogenen Betrages als erfolgsabhängige Vergütung. Nur wenn wir erfolgreich sind, werden wir weitergehend vergütet. Sie bezahlen nur aus dem Betrag, der auch tatsächlich für Sie durchgesetzt worden ist.
Unser Anreiz: Wir haben die Möglichkeit unsere Kosten nach der BRAGO beim Gegner geltend zu machen. Sie treten uns den Erstattungsanspruch ab. Wir haben also eine hohe Motivation, Ihre Forderung erfolgreich durchzusetzen, zu Ihrem Vorteil.
Alle Preise gelten zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer. Auslagen des Anwalts wie Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten, Kosten für Bonitätsauskünfte usw. werden gesondert nach Anfall in Absprache mit Ihnen berechnet.”
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Aus dem Angebot ergibt sich im Übrigen, dass die Abrechnung in gleicher Weise bei außergerichtlicher Tätigkeit, bei Tätigkeit im Mahnverfahren und bei Vollstreckungshandlungen gelten soll. Ausdrücklich heißt es im Text, dass vom Angebot die Durchführung des Mahnverfahrens bis zum Erlass des Vollstreckungsbescheids erfasst wird.
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Das Schreiben endet mit der Aufforderung zur Kontaktaufnahme und dem Text:
„Unsere Erfahrung: Wir werten unsere Inkassoverfahren regelmäßig statistisch aus. Unsere Erfolgsquote im Jahr 2002: 78,4 %! (Zahlung durch Gegner des vollen Betrages auch in Raten).”
III.
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Die Revision des Rechtsanwalts hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, weil die Annahme einer Berufspflichtverletzung wegen der Werbung mit Erfolgszahlen rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof eine schuldhafte Berufspflichtverletzung (§§ 43 und 43b BRAO i.V.m. § 49b Abs. 1 und Abs. 2 BRAO sowie § 3 Abs. 5 BRAGO [jetzt: § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG]) in der Preiswerbung des Rechtsanwalts gesehen.
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1. Ohne Rechtsfehler hat der Anwaltsgerichtshof einen Pflichtenverstoß damit begründet, dass der Rechtsanwalt damit geworben hat, sich für die Inkassotätigkeit mit einem nach § 49b Abs. 2 BRAO verbotenen Erfolgshonorar vergüten zu lassen.
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a) § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO erklärt zwar nur die Vereinbarung eines Erfolgshonorars für unzulässig. Mit der beanstandeten Werbung erklärt der Rechtsanwalt jedoch die Bereitschaft zum Abschluss einer solchen unzulässigen Vereinbarung. Dass der Rechtsanwalt nicht mit ihm verbotenen Handlungen werben darf, versteht sich von selbst.
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b) Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof die Anwendbarkeit der Bestimmung auf den vorliegenden Sachverhalt bejaht. Entgegen der Auffassung des Rechtsanwalts finden die hier zur Beurteilung stehenden Gebührenregelungen auch auf die Inkassotätigkeit Anwendung. Es kann dahinstehen, ob dies entsprechend der von dem Generalbundesanwalt geäußerten Auffassung bereits deshalb gelten muss, weil dem Rechtsanwalt nur als solchem erlaubt ist, eine Inkassotätigkeit auszuüben (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 RBerG i.V.m. Art.1 § 3 Nr. 2 RBerG). Jedenfalls dann, wenn der beworbene Vertrag als echter Anwaltsvertrag zu qualifizieren ist, ergeben sich daraus die für einen Rechtsanwalt geltenden Pflichten. Nach den allgemeinen Grundsätzen, nach denen sich die Qualifizierung eines Vertrages als echtem Anwaltsvertrag bestimmt, liegt hier eine solche anwaltstypische Tätigkeit vor.
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(1) Die Abgrenzung zwischen Anwalts- und reiner Inkassotätigkeit hängt davon ab, ob die dem Rechtsanwalt eigentümliche Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, so in den Hintergrund getreten ist, dass es gerechtfertigt ist, die beworbene Aufgabe als reine Inkassotätigkeit zu werten (vgl. BGH, Urt. vom 5. April 1976 – III ZR 79/74, WM 1976, 1135, 1136; vom 2. Juli 1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Wenn sich ein Mandant statt an ein Inkassobüro an einen Rechtsanwalt mit dem Auftrag der Forderungseinziehung wendet, erwartet er von ihm, falls nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist, dass er bei seiner Tätigkeit insbesondere seine rechtlichen Interessen betreut, also als Rechtsanwalt tätig wird (vgl. BGH, Urt. vom 5. April aaO S. 1136; Terbille in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl., 2005, Rdn. 7 und 8).
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(2) Dass die Werbung des Rechtsanwalts auf den Abschluss eines Anwaltsvertrages gerichtet war, folgt im Übrigen aus dem Angebot einer Inkassotätigkeit, die auch das gerichtliche Mahn- und das Vollstreckungsverfahren umfasste. Damit hat der Rechtsanwalt den für Inkassobüros geltenden Tätigkeitsrahmen verlassen. Inkassobüros ist es nach Sinn und Systematik des Rechtsberatungsgesetzes zwar erlaubt, beim Forderungseinzug Rechtsberatung zu leisten. Ihnen ist es aber gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RBerG nicht gestattet, prozessuale Erklärungen gegenüber dem Gericht abzugeben (BVerfG, Beschl. vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 423/99, 1 BvR 821/00 und 1 BvR 1412/01, NJW 2002, 1190, 1192; 14. August 2004 – 1 BvR 725/03, NJW-RR 2004, 1570, 1572). Diese Beschränkung umfasst auch das gerichtliche Mahn- und Vollstreckungsverfahren, wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und der Gesetzgebungsgeschichte ergibt. Die Beschränkung der Inkassounternehmen auf die außergerichtliche Tätigkeit geht auf einen Erlass des Reichsjustizministers vom 24. September 1936 zurück, in welchem er den Genehmigungsbehörden eine einheitliche Formulierung der Erlaubnisurkunden vorschrieb (vgl. zur Darstellung der geschichtlichen Entwicklung: Triendl, Rechtsbeistand 1983, 59, 63 f.). In der Allgemeinen Verfügung des Reichsjustizministers vom 13. Juli 1940 wird hierzu ausgeführt: „Den … erwähnten Inkassounternehmen ist lediglich gestattet, sich mit der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen zu befassen. Sie sind insbesondere nicht befugt, Mahnverfahren einzuleiten, Erinnerungen gegen die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers einzulegen, Anträge auf Ableistung des Offenbarungseids zu stellen sowie Prozesse schriftsätzlich zu bearbeiten, auch soweit sie sich anlässlich der Zwangsvollstreckung ergeben. Hierbei ist ihnen vielmehr nur die Informationserteilung an den Prozessbevollmächtigten erlaubt” (Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Anh. H. S. 414). An dieser Einschätzung hat sich seitdem nichts geändert. Sowohl der Bundesgerichtshof (Beschl. vom 7. November 1995 – XI ZR 114/95, NJW 1996, 393) als auch das BVerwG (Urt. vom 29. September 1998 – 1 C 4-97, NJW 1999, 440, 441) haben hieran festgehalten und lediglich ausgesprochen, dass es den Inkassounternehmen nicht verwehrt ist, an sie zedierte Forderungen durch einen Rechtsanwalt gerichtlich geltend zu machen.
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(3) Der Umstand, dass der Rechtsanwalt in der Werbung die Mandanten darauf hinwies, er verlange unabhängig vom Erfolg der Beitreibung eine Grundgebühr, hindert die Annahme der Anpreisung eines Erfolgshonorars nicht. Solche Gebührenvereinbarungen werden vom Wortlaut des § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO eindeutig erfasst. Denn danach ist es nicht nur unzulässig, die Vergütung überhaupt, sondern auch ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig zu machen (vgl. zu § 52 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts in der Fassung vom 21. Juni 1973 und 1. August 1977: BGHSt 30, 22, 24/25).
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c) Die Anwendung des § 49b Abs. 2 BRAO begegnet weder verfassungsrechtlichen (1) noch europarechtlichen (2) Bedenken.
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(1) Das Bundesverfassungsgericht hat zwar mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 (BVerfGE 117, 163, 181 ff.) das Verbot des Erfolgshonorars insoweit als mit Artikel 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt, als es keine Ausnahme für den Fall zulässt, dass der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Es hat aber für den Erlass einer verfassungsgemäßen Neuregelung dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2008 gewährt und ausgesprochen, dass § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO bis zur Neuregelung anwendbar bleibt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist daher diese Bestimmung für das vorliegende Verfahren weiterhin maßgeblich, zumal ein Ausnahmefall im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hier ersichtlich nicht in Betracht kommt. Nichts anderes gilt im Übrigen auch mit Blick auf die geplante Neuregelung in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren vom 19. Dezember 2007 (BR-Drucks. 6/08). Danach soll die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nur im Einzelfall zulässig sein, wenn damit besonderen Umständen der Angelegenheit Rechnung getragen wird. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde (§ 49b Abs. 2 BRAO – Entwurf, § 4 a Abs. 1 RVG – Entwurf).
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Bedenken begegnet die Regelung des § 49b Abs. 2 BRAO auch nicht, weil sie dem Rechtsanwalt die Vereinbarung eines Erfolgshonorars auch bei außergerichtlicher Inkassotätigkeit verbietet. Zwar ist Inkassobüros im Sinne des Art.1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG eine solche Vereinbarung gestattet (Lappe, RPfleger 1985, 282; Graf von Westphalen, BB 1994, 1721, 1722; Rieble, DB 1995, 195, 196). Denn Inkassounternehmen sind nach Art. IX Abs. 2 KostenÄnderungsG in der Fassung von Art. 2 Abs. 1 des 5. BRAGOÄnderungsG vom 18. August 1980 (BGBl. I, 1503) von dem Verbot des Erfolgshonorars ausgenommen (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 8/4277 S. 21 f.).
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Diese Ungleichbehandlung ist jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Anders als das Inkassounternehmen unterliegt der Rechtsanwalt den besonderen anwaltlichen Pflichtenbindungen in Bezug auf Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Neutralität (vgl. BVerfG, Beschl. vom 4. Dezember 2006 – 1 BvR 1198/06, NZI 2007, 181, 182). Das Bundesverfassungsgericht hat die Annahme des Gesetzgebers, dass die zur Wahrung der Unabhängigkeit gebotene kritische Distanz des Rechtsanwalts Schaden nehmen könne, wenn sich ein Rechtsanwalt auf eine Teilhabe am Erfolgsrisiko einer Rechtsangelegenheit eingelassen hat, nicht beanstandet (vgl. BVerfG, Beschl. vom 12. Dezember 2006 aaO Tz. 66). Das Inkasso durch gewerbliche Unternehmen und Rechtsanwälte ist lediglich hinsichtlich seines Ziels, nämlich der Beitreibung von Forderungen, vergleichbar. Strukturell und organisatorisch gibt es gewichtige Unterschiede (Giebel, Rechtsbeistand 1982, S. 211). Alle Aktivitäten des Inkasso-Unternehmers sind – zumindest in der Anfangsphase der Einziehungsbemühungen – darauf ausgerichtet, eine außergerichtliche Erledigung der Aufträge zu erreichen (Giebel aaO). Dagegen muss ein Rechtsanwalt, der den Einzug einer Forderung übernimmt, deren Berechtigung prüfen, bevor er seine Tätigkeit aufnimmt und bevor er die jeweils weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung unternimmt (OLG Köln, NJW 2006, 923, 924). Ferner unterscheiden sich die Methoden der Inkassounternehmen in der Regel von denjenigen des Rechtsanwalts (Giebel aaO; Rudloff, Ausgewählte Rechtsfragen der Inkassounternehmen, 1997, S. 95 f.).
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Die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung ergibt sich entgegen der Auffassung des Rechtsanwalts auch nicht aus Art. 3 GG, weil Erfolgshonorare in zahlreichen Mitgliedstaaten zulässig sind. Da der Gesetzgeber nur innerhalb seines Herrschaftsbereichs an den Gleichheitssatz gebunden ist, begründet es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Bundesrepublik Regelungen erlässt, die von jenen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union abweichen (BVerfG, Beschl. vom 1. Oktober 2004 – 1 BvR 2221/03, NJW 2005, 737, 738).
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(2) Der Senat ist an der Anwendung des § 49b Abs. 2 BRAO auch nicht durch das europäische Gemeinschaftsrecht gehindert. Der Rechtsanwalt kann sich auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG schon deshalb nicht berufen, weil der Sachverhalt lediglich Inlandsbezüge aufweist (vgl. EuGH, Urt. vom 16. Januar 1997 Rs. C-134/95, Slg. I-195 Tz. 19 – USSL; BGH, Beschl. vom 27. September 2006 – VII ZR 11/06, mitgeteilt von Thode, IBR 2006, 679). Das deutsche Recht verlangt nicht, dass einem deutschen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen wie dem Staatsbürger eines anderen Mitgliedstaats (BVerfG, Beschl. vom 1. Oktober 2004 – 1 BvR 2221/03, NJW 2005, 737, 738).
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2. Ohne Rechtsfehler hat der Anwaltsgerichtshof die Unsachlichkeit der Werbung auch damit begründet, dass der Rechtsanwalt durch die beanstandete Werbung seine Bereitschaft zu erkennen gegeben hat, gegen das Verbot der Gebührenunterschreitung gemäß § 49b Abs. 1 BRAO zu verstoßen. Diese Werbung ist unsachlich und damit unzulässig (Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 43b Rdn. 16), weil das Gebührenunterschreitungsverbot den Preiswettbewerb um Mandate im gerichtlichen Verfahren verhindern soll (vgl. Gesetzesbegründung BR-Drucks. 93/93 S. 134; BGHSt 31, 66, 70; BGH, Urt. vom 1. Juni 2006 – I ZR 268/03, NJW 2006, 3569 Tz. 11 – Gebührenvereinbarung II).
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a) Zwar war es dem Rechtsanwalt nach § 49b Abs. 1 BRAO i.V.m. § 3 Abs. 5 Satz 1 BRAGO (jetzt: § 4 Abs. 2 Satz 1 RVG) gestattet, für die außergerichtliche Inkassotätigkeit eine Pauschalvergütung zu vereinbaren, die niedriger ist als die gesetzlichen Gebühren. Das Pauschalangebot des Beschwerdeführers bezog sich jedoch auch auf die Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens und des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Dies war und ist nach § 49b Abs. 1 BRAO nicht zulässig. Denn § 3 Abs. 5 Satz 2 (jetzt: § 4 Abs. 2 Satz 2 RVG) erlaubt für das gerichtliche Mahnverfahren und das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht die Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren, sondern sieht lediglich die Möglichkeit vor, dass ein Teil des Erstattungsanspruchs des Auftraggebers an den Rechtsanwalt an Erfüllungs Statt abgetreten wird.
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b) Im Übrigen muss gemäß § 3 Abs. 5 Satz 3 BRAGO (jetzt: § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG) die Vergütung in angemessenem Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen. Der Anwaltsgerichtshof hat daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass sich die von dem Beschwerdeführer vorgenommene Pauschalierung auf eine ganz bestimmte Vergütung ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelmandats verbietet (so auch OLG Hamm, NJW 2004, 3269; OLG Köln, NJW 2006, 923, 924; a.A. Braun in Festschrift für Madert, 2006, S. 43, 51; vgl. aber für Zeitvereinbarungen: BGHZ 152, 153, 160/161 – Anwalts-Hotline; BGH, Urt. vom 30. September 2004 – I ZR 261/02, NJW 2005, 1266, 1267 – Telekanzlei). Wenn sich – wie hier – die in Aussicht gestellte Pauschalvergütung nicht auf einen konkreten Einzelfall, sondern auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen bezieht, wird das Erfordernis nach § 3 Abs. 5 Satz 3 BRAGO (jetzt: § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG) nur dann eingehalten, wenn – etwa durch eine Gebührenstaffelung – sichergestellt ist, dass in sämtlichen Fällen das erforderliche angemessene Verhältnis des Pauschalbetrags zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko gewahrt ist (OLG Hamm aaO S. 3269; OLG Köln aaO S. 924; Teubel in Mayer/Kroiß, RVG, 2. Aufl. § 4 Rdn. 73).
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Es trifft zwar zu, dass der von dem Rechtsanwalt angebotene Forderungseinzug, solange er die Durchführung gerichtlicher Verfahren nicht einschließt, in hohem Maße ein Routinegeschäft darstellt und mit Hilfe EDV-technischer Unterstützung weitgehend standardisiert und mit vergleichbarem und vorhersehbaren Aufwand abgewickelt werden kann. Das ändert aber nichts daran, dass ein Rechtsanwalt, der den Einzug einer Forderung übernimmt, deren Berechtigung vor Beginn seiner Tätigkeit und bevor er die jeweils weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung unternimmt, prüfen muss. Der Aufwand für diese Prüfung ist unterschiedlich hoch (OLG Köln aaO S. 924). Eine Vergütung in Höhe von 35,00 EUR wird dem nicht in allen Fällen gerecht.
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c) § 49b Abs. 1 BRAO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Dittmann in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 49 b BRAO Rdn. 6; Feuerich/Weyland, BRAO, § 49b Rdn. 7; Schons in Madert/Schons, Die Vergütungsvereinbarung des Rechtsanwalts, 3. Aufl., 2006, S. 39 [Rdnr. 143]). Das Verbot der Gebührenunterschreitung verstößt weder gegen das Grundrecht des Rechtsanwalts auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) noch verletzt es den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
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(1) Durch das gesetzliche Verbot wird in den Schutzbereich der Berufsfreiheit eingegriffen. Die Regelung hindert Rechtsanwälte daran, mit ihren Auftraggebern vertragliche Vereinbarungen zu treffen, die zur Folge haben, dass die Vergütung unter den gesetzlich vorgesehenen Gebühren liegt. Die Garantie der freien Berufsausübung schließt auch die Freiheit ein, das Entgelt für berufliche Leistungen mit den Interessenten auszuhandeln (BVerfGE 101, 331, 347; BVerfG, Beschl. vom 12. Dezember 2006 aaO S. 181).
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Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (BVerfG, Beschl. vom 12. Dezember 2006 aaO S. 182). Die Beschränkungen stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfG aaO). Diesen Anforderungen genügt das Verbot der Gebührenunterschreitung.
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Mit dem Verbot der Gebührenunterschreitung verfolgt der Gesetzgeber Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die Beschränkung der Berufsausübung legitimieren können (vgl. BVerfG, Beschl. vom 26. September 2005 – 1 BvR 82/03, NJW 2006, 495, 496 – zu § 4 Abs. 2 HOAI). Die Regelung schützt im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege die Anwaltschaft. Sie soll einen Preiswettbewerb um Mandate verhindern (Gesetzesbegr. BR-Drucks. 93/93, S. 134; BGH, Urt. vom 1. Juni 2006 aaO S. 3569 Tz. 11). Auch angesichts der starken Konkurrenz der Anwälte untereinander soll kein Anreiz bestehen, die gesetzlich vorgesehene Mindestgebühr zu unterschreiten (BVerfG, Beschl. vom 13. Februar 2007 – 1 BvR 910/05, NJW 2007, 2098 Tz. 70; vgl. zu den Standesrichtlinien: Senat, Urt. vom 17. Mai 1982 – AnwSt (R) 1/82, NJW 1982, 2329, 2330). Die damit einhergehenden „Billigangebote” wären mit dem Risiko eines Verfalls der Qualität der erbrachten Dienstleistungen verbunden.
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Die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Tätigkeit des Rechtsanwalts stellt ein legitimes Ziel dar. Zu seiner Herbeiführung sind verbindliche Mindesthonorarsätze geeignet, da sie dem Rechtsanwalt jenseits von Preiskonkurrenz den Freiraum schaffen, hochwertige Arbeit zu erbringen, die sich im Leistungswettbewerb der Rechtsanwälte bewähren muss (vgl. für das Architektenrecht: BVerfG, Beschl. vom 26. September 2005 aaO S. 496; vgl. auch EuGH NJW 2007, 281 Tz. 67-Cipolla; Mailänder, NJW 2007, 883, 886; a.A. Sagawe, ZRP 2002, 281, 284).
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Zwar gilt für Inkassobüros, die ebenfalls in diesem Geschäftsbereich tätig sind, gemäß Art. IX Abs. 2 KostenÄnderungsG in der Fassung von Art. 2 Abs. 1 des 5. BRAGOÄnderungsG vom 18. August 1980 (BGBl. I, 1503) die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung bzw. das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 8/4277 S. 21 f.; Ohle in Seitz, Inkasso-Handbuch, 3. Aufl., 1999, Rdn. 89; Jenisch, ZVI 2003, 441, 443). Das führt aber nicht dazu, dass das für Rechtsanwälte geltende Verbot der Gebührenunterschreitung im Rahmen der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen sein Ziel verfehlt, weil Rechtsanwälte in diesem Bereich der Konkurrenz durch die Inkassounternehmen ausgesetzt sind. Wegen der oben dargestellten grundlegenden Unterschiede zwischen der Geschäftsbesorgung durch Inkassounternehmen und der Tätigkeit des Rechtsanwalts sind unterschiedliche Märkte betroffen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – der zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschlossene Vertrag als echter Anwaltsvertrag qualifiziert werden kann.
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Das Verbot der Gebührenunterschreitung ist auch erforderlich. Da es den Mandanten wegen der bestehenden Informationsasymmetrie schwer fällt, die Qualität der erbrachten Dienstleistung zu beurteilen (EuGH, NJW 2007, 281 Tz. 68 unter Hinweis auf Mitteilung der Kommission, KOM(2004) 83 endg. S. 10), vermag es der Wettbewerb nicht, ein angemessenes Preisniveau sicherzustellen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dadurch gewahrt, dass der Rechtsanwalt gemäß § 49b Abs. 1 Satz 2 BRAO den besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers dadurch Rechnung tragen darf, dass er nach Erledigung des Auftrags die Gebühren oder Auslagen ermäßigt oder erlässt. Darüber hinaus besteht nach § 3 Abs. 5 Satz 2 BRAGO bzw. § 4 Abs. 2 Satz 2 RVG die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt im Mahn- und Vollstreckungsverfahren das Beitreibungsrisiko teilweise übernimmt.
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(2) Wegen der Unterschiede, die zwischen den Pflichten des Rechtsanwalts, die sich aus einem echten Anwaltsvertrag ergeben, und den Verpflichtungen aus einem reinen Inkassovertrag bestehen, ist die Ungleichbehandlung auch für das Verbot der Gebührenunterschreitung sachlich gerechtfertigt.
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d) Aus den unter III. 1. c (2) genannten Gründen ist auch hinsichtlich des Verbots der Gebührenunterschreitung die Prüfung nicht veranlasst, ob die dadurch bewirkte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt ist.
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3. Rechtsfehlerhaft hat der Anwaltsgerichtshof die Verhängung der anwaltsgerichtlichen Maßnahme allerdings auch auf einen Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 1 BORA (a.F.) i.V. mit § 43b BRAO gestützt. Die beanstandete Passage, in der der Rechtsanwalt auf eine Erfolgsquote bei Inkassoverfahren im Jahre 2002 von 78,4 % hingewiesen hat, verstößt nicht ohne Weiteres gegen § 43b BRAO. Zwar ist nach § 6 Abs. 3 BORA a.F. (jetzt: § 6 Abs. 2 BORA) die Angabe von Erfolgszahlen unzulässig. Im Hinblick auf die durch Art. 12 GG gewährleistete Werbefreiheit (vgl. BGH, Urt. vom 27. Januar 2005 – I ZR 202/02, NJW 2005, 1644 – Optimale Interessenvertretung) ist das Verbot jedoch eng auszulegen (vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 12. Dezember 2007 – 1 BvR 1625/06, NJW 2008, 838 zur Veröffentlichung sog. „Gegnerlisten” im Internet). Nur in Fällen, in denen durch die Erfolgsangabe eine Irreführung zu befürchten ist, ist eine solche Angabe verboten (Feuerich/Weyland, BRAO, § 6 BORA Rdn. 36; Römermann in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 6 BORA Rdn. 136). Solche Feststellungen hat der Anwaltsgerichtshof nicht getroffen.
IV.
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Obwohl in der Werbung mit Erfolgszahlen im vorliegenden Fall keine Berufspflichtverletzung zu sehen ist, hat der Schuldspruch Bestand. Im anwaltsgerichtlichen Verfahren wird ein Sachverhalt, der sich aus mehreren Anschuldigungspunkten zusammensetzt, nur einheitlich beurteilt und die Frage, ob der Rechtsanwalt seine Pflichten schuldhaft verletzt hat, nur einheitlich entschieden (BGHZ 35, 395; BGHSt 16, 237, 240 f.). Der Rechtsanwalt ist daher zu Recht der Verletzung anwaltlicher Pflichten für schuldig befunden worden. Der geringere Schuldumfang führt jedoch zur Teilaufhebung des angefochtenen Urteils.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Anwaltsgerichtshof ohne den aufgezeigten Rechtsfehler auf eine mildere Maßnahme erkannt hätte. Über die Rechtsfolgen ist daher neu zu entscheiden.
Unterschriften
Ganter, Ernemann, Frellesen, Roggenbuck, Hauger, Wosgien, Martini
Fundstellen
Haufe-Index 2073725 |
DStR 2008, 2510 |
DStRE 2009, 189 |
NJW 2009, 534 |
NWB 2009, 914 |
FA 2008, 278 |
JurBüro 2008, 593 |
StuB 2009, 406 |
AnwBl 2008, 880 |
HRA 2008, 3 |
NJW-Spezial 2008, 639 |
NWB direkt 2009, 304 |
BRAK-Mitt. 2008, 221 |
Rafa-Z 2009, 10 |