Leitsatz (amtlich)
Auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann ein Zuschlag auf die Vergütung gewährt werden, wenn in der Eröffnungsphase der Betrieb des Schuldners fortgeführt worden ist und sich für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters dadurch erhebliche Erschwernisse ergeben haben.
Normenkette
InsO § 63; InsVV § 11
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 25.05.2005; Aktenzeichen 4 T 1374/05) |
AG Traunstein (Entscheidung vom 11.01.2005; Aktenzeichen 4 IN 183/03) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Traunstein vom 25.5.2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4.209,67 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1]Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin, eines regionalen Kabelfernsehunternehmens, wurde der Antragsteller (weiterer Beteiligter, Rechtsbeschwerdeführer) mit Beschluss des AG - Insolvenzgerichts - vom 3.7.2003 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt (§ 22 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2). Den Drittschuldnern wurde verboten, an die Schuldnerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wurde ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder der Schuldnerin entgegenzunehmen; die Drittschuldner wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnungen zu leisten. Mit Beschluss vom 1.9.2003 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren und bestellte den Antragsteller zum Insolvenzverwalter.
[2]Dieser hat beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 9.979,84 EUR zzgl. Auslagenerstattung und Umsatzsteuer festzusetzen. Dabei hat er - ausgehend von dem Regelsatz von 25 vom Hundert der fiktiven Insolvenzverwaltervergütung - Zuschläge von 25 vom Hundert wegen der Betriebsfortführung und 5 vom Hundert wegen der vom Normalfall abweichenden Dauer der vorläufigen Insolvenzverwaltung begehrt. Mit Beschluss vom 11.1.2005 hat das AG die Vergütung auf 6.350,81 EUR zzgl. Auslagenerstattung und Umsatzsteuer festgesetzt. Die geltend gemachten Zuschläge hat es nicht für gerechtfertigt erachtet. Stattdessen hat es wegen der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts und der Ermächtigung zum Forderungseinzug zwei Zuschläge von jeweils 5 vom Hundert, insgesamt also 35 vom Hundert der fiktiven Regelvergütung eines Insolvenzverwalters, zugebilligt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das LG mit Beschluss vom 25.5.2005 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.
[3]II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§§ 6, 7, 63 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
[4]1. Das Beschwerdegericht hat einen Zuschlag für die Betriebsfortführung mit der Begründung versagt, der Antragsteller sei nur ein "schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen, dem nicht die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen worden sei. Da die Unternehmensfortführung somit nicht zu seinen Aufgaben gehört habe, sei sie ihm - selbst wenn er sie tatsächlich wahrgenommen habe - nicht zu vergüten. Soweit er den Betrieb aufgrund der insolvenzgerichtlichen Anordnungen "finanziell begleitet" habe, sei dies bereits durch den vom AG gewährten Zuschlag abgedeckt.
[5]In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob auch dem "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ein Zuschlag auf die Vergütung gewährt werden kann, wenn in der Eröffnungsphase der Betrieb des Schuldners fortgeführt worden ist (ablehnend LG Hamburg ZInsO 2003, 1094 [1095]; befürwortend LG Potsdam ZInsO 2005, 588 [590]; Frind/Förster, ZInsO 2004, 76 f.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 76; Kübler/Prütting/Eickmann, InsO, § 11 InsVV Rz. 27).
[6]Diese Frage ist im vorliegenden Fall erheblich. Zwar ist dem Antragsteller in den Vorinstanzen für die "finanzielle Begleitung" der Schuldnerin im Eröffnungsverfahren bereits ein Zuschlag gewährt worden; dies schließt es jedoch nicht aus, dass der Zuschlag höher ausgefallen wäre, wenn AG und LG dem Antragsteller nicht nur die "finanzielle Begleitung", sondern die Begleitung der Betriebsfortführung zugute gehalten hätten.
[7]Nach Ansicht des Senats kann die Fortführung des Schuldner-Betriebs für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters auch dann, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht allgemein auf ihn übergangen ist, eine Erschwernis bedeuten, die einen Zuschlag entsprechend § 3 InsVV rechtfertigt. Zwar ist einem derartigen "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht nicht die Aufgabe übertragen worden, den Betrieb fortzuführen. Diese Anordnung und die Bestellung eines bloß "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters schließen sich im Allgemeinen sogar aus (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl., § 22 Rz. 47). Auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis, aber mit Zustimmungsvorbehalt, obliegt jedoch die Sicherung des vorhandenen Vermögens. Dies hat das Insolvenzgericht im vorliegenden Fall sogar ausdrücklich ausgesprochen. Führt der Schuldner seinen Betrieb im Eröffnungsverfahren fort, kommt es laufend zu betrieblich bedingten Rechtsgeschäften und somit zu Verfügungen. Diese muss der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt darauf überprüfen, ob sie für die künftige Masse nicht nachteilig und somit zustimmungsfähig sind. Damit ist eine weitgehende Kontrolle der Geschäftsführung des Schuldners erforderlich. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter im Einzelfall seine Zustimmung zu einer masseschädlichen Verfügung erteilt, muss er sich dafür verantworten. Arbeitsaufwand und Verantwortung gehen über die "finanzielle Begleitung", die das Beschwerdegericht honoriert hat, deutlich hinaus. In der Praxis erfordert die Betriebsfortführung eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Schuldner und dem mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter. Für diesen kann die Zusammenarbeit ähnlich aufwendig werden, wie wenn er die Betriebsfortführung selbst übernimmt und sich dabei der Hilfe des Schuldners bedient.
[8]Diese Auffassung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats, der schon in früheren Entscheidungen an der Gewährung eines auf die Betriebsfortführung gestützten Zuschlags an vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt keinen Anstoß genommen hat (BGH, Beschl. v. 4.11.2004 - IX ZB 52/04, BGHReport 2005, 403 = MDR 2005, 477 = NZI 2005, 106 m. Anm. Nowak; v. 12.1.2006 - IX ZB 127/04, BGHReport 2006, 683 = NZI 2006, 235 [236]).
[9]2. Gegen die Versagung eines Zuschlags wegen der Dauer des Eröffnungsverfahrens von fast 2 Monaten wendet sich die Rechtsbeschwerde vergebens. Eine solche Verfahrensdauer ist nach der Erfahrung des Senats nicht ungewöhnlich.
[10]III.
Da der Vergütungsanspruch nur einheitlich festgesetzt werden kann, ist die Beschwerdeentscheidung insgesamt aufzuheben (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - IX ZB 50/03, MDR 2004, 656 = BGHReport 2004, 701 = NZI 2004, 251 [253]).
Fundstellen