Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 21. November 1997 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen (Umsatzsteuerjahreserklärung 1992, Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Dezember 1993) verurteilt ist,
- im gesamten Strafausspruch.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im übrigen – wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge teilweise Erfolg; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I. Die Rüge, dem Angeklagten sei das letzte Wort nicht gewährt worden, ist erfolgreich, soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in den Jahren 1992 und 1993 (Umsatzsteuerjahreserklärung 1992 und Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Dezember 1993) verurteilt und soweit der gesamte Rechtsfolgenausspruch betroffen ist.
1. Nach Beendigung der Beweisaufnahme und den Schlußvorträgen hatte der Angeklagte das letzte Wort erhalten. Anschließend unterbrach das Gericht die Hauptverhandlung und trat danach nochmals in die Beweisaufnahme ein; der Verteidiger des Angeklagten stellte klar, daß der von ihm zuvor gestellte Antrag – der die steuerstrafrechtliche Verantwortung des Angeklagten ab 1991 betraf – als Hilfsbeweisantrag für den Fall einer Verurteilung wegen Umsatzsteuerhinterziehung in den Jahren 1991 bis 1993 zu verstehen sei. Die Verfahrensbeteiligten erhielten daraufhin die Gelegenheit zur Stellungnahme. Danach wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen und – ausweislich der Sitzungsniederschrift – „wiederholten alle Beteiligten ihre Anträge”. Nach Beratung verkündete das Gericht sodann das Urteil. Der Sitzungsniederschrift läßt sich nicht entnehmen, daß dem Angeklagten nach Schluß der erneuten Beweisaufnahme und den Schlußvorträgen nochmals das letzte Wort gewährt wurde. Dies hätte jedoch geschehen müssen, weil jeder Wiedereintritt in die Verhandlung den vorausgegangenen Ausführungen des Angeklagten die rechtliche Bedeutung als Schlußvortrag und letztes Wort nimmt und die erneute Beachtung des § 258 StPO erforderlich macht (BGHSt 22, 278, 279/280; BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 1; BGH NStZ-RR 1998, 15).
2. Soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in den Jahren 1992 und 1993 (Umsatzsteuerjahreserklärung 1992 und Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Dezember 1993) verurteilt worden und soweit der gesamte Rechtsfolgenausspruch betroffen ist, kann der Senat nicht sicher ausschließen, daß das Urteil auf dem Verstoß gegen § 258 Abs. 2 und 3 StPO beruht. Das Urteil ist deshalb insoweit aufzuheben.
Die Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen in den Jahren 1988 bis 1990 können dagegen bestehen bleiben, weil sie nicht auf dem Verfahrensfehler beruhen können. Nach den Feststellungen war der Angeklagte hinsichtlich der Steuerhinterziehungen in den Jahren 1988 bis 1990 in vollem Umfang geständig. Er hatte vor dem Wiedereintritt in die Verhandlung Gelegenheit, sich zu diesen Taten in seinem letzten Wort umfassend zu äußern. Der Hilfsbeweisantrag, der Gegenstand der Erörterung in der erneuten Beweisaufnahme war, betraf diese vom Angeklagten eingestandenen Taten nicht. Es ist deshalb auszuschließen, daß das Landgericht hinsichtlich dieser Taten zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es dem Angeklagten nochmals das letzte Wort gewährt hätte.
II. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat vorsorglich folgendes zu bedenken:
Bei gleichem Beweisergebnis zur Frage der Unternehmereigenschaft des Angeklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG wird der neue Tatrichter sich mit der Frage zu befassen haben, ob in der verspätet eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 1992 eine wirksame (Teil-)Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO zu sehen sein könnte. Darauf hat der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen.
1. Nach den bisherigen Feststellungen wurden von der BGB-Gesellschaft, deren Gesellschafter der Angeklagte und sein Bruder waren, im Laufe des Jahres 1992 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Fristen (§ 149 Abs. 2 AO) reichte der Bruder des Beschwerdeführers am 21. Juni 1993 – nachdem das Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet, aber dem Angeklagten noch nicht bekanntgegeben worden war – eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 1992 beim Finanzamt ein, in der allerdings nur Umsätze in Höhe von rund einer Million DM erklärt wurden, während die Firma tatsächlich Umsätze von rund 3,3 Millionen DM ausgeführt hatte.
2. Bei einer solchen Sachlage ist folgendes zu bedenken:
a) § 371 Abs. 1 AO fordert für die Selbstanzeige, daß jemand in den Fällen des § 370 AO unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt. Insoweit müssen die unrichtigen oder fehlenden durch richtige und wahrheitsgemäße Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen ersetzt werden (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 4. Aufl., § 371 Rdn. 48). Nach der Rechtsprechung des Senats kann in der Einreichung einer (wahrheitsgemäßen) Umsatzsteuerjahreserklärung im Verhältnis zu den zuvor unterlassenen oder unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen eine Selbstanzeige zu sehen sein, ohne daß es ausdrücklich eines entsprechenden Hinweises seitens des Steuerpflichtigen bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 5 StR 516/90 -, NJW 1991, 2844, 2846 = wistra 1991, 223, 225, insoweit in BGHSt 37, 340 nicht abgedruckt).
Dies gilt auch nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung (BGHSt 40, 138; 40, 195). Zwar handelt es sich bei der Verkürzung von Umsatzsteuern durch die monatlichen oder vierteljährlichen Voranmeldungen und die entsprechende Jahreserkärung desselben Jahres nunmehr um materiellrechtlich selbständige Taten, denen jeweils ein eigener Unrechtsgehalt zukommt (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 1996, 215). Steueranmeldungen und Jahreserklärung beziehen sich jedoch auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines jeweiligen Jahres. Auch die Umsatzsteuer ist eine Jahressteuer (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG); die Voranmeldungen dienen nur der zeitnahen Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer, auf der Grundlage der monatlichen oder vierteljährlichen Anmeldungen wird die Steuer als Vorauszahlung vom Steuerpflichtigen berechnet oder vom Finanzamt festgesetzt (§ 168 AO). Mit Ablauf des Veranlagungszeitraums ist die Aufgliederung der Umsätze nach Monaten oder Kalendervierteljahren entbehrlich (Joecks aaO Rdn. 69). Dies gilt auch im Hinblick auf eine Berichtigungserklärung im Sinne von § 371 AO; eine Zuordnung nach Voranmeldungszeiträumen wäre eine unnötige Förmelei (so auch Joecks aaO).
b) Eine unvollständige Jahreserklärung, die nicht nur geringfügige Differenzen zu den wahrheitsgemäßen Angaben enthält, kann als Selbstanzeige allerdings nur in dem Umfang strafbefreiend wirken, in dem zutreffende Angaben nachgeholt werden (vgl. Joecks aaO Rdn. 75). Eine solche Erklärung vermindert im Ergebnis den Schuldumfang; sie ist nicht anders zu behandeln, als wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der gesetzlichen Frist nach § 149 Abs. 2 AO – daß heißt hier vor Vollendung und Beendigung der Tat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO – eine entsprechende unvollständige Jahreserklärung abgegeben hätte.
Eine Teilbarkeit war innerhalb der fortgesetzten Handlung stets anerkannt (vgl. BGHSt 35, 36, 37; BGHR AO § 371 Abs. 1 Fortsetzungszusammenhang 1; Unvollständigkeit 1). Sowohl nach Sinn und Zweck des § 371 AO, bisher unerkannte Steuerquellen aus fiskalischen Gründen aufzudecken (BGHSt 35, 36, 37), als auch nach dem Gesetzeswortlaut, der eine Strafbefreiung „insoweit” zuläßt, als berichtigt und nachgezahlt worden ist, gilt dies aber auch innerhalb einer einzigen Hinterziehungshandlung (so schon der 3. Senat nicht tragend in: BGHR AO § 371 Abs. 1 Fortsetzungszusammenhang 1). Dies setzt hier allerdings voraus, daß die nunmehr erklärten Umsätze – abgesehen von den weiterhin verschwiegenen – tatsächlich bewirkt worden sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muß ebenso in einer erneuten Verhandlung aufgeklärt werden wie die übrigen Voraussetzungen des § 371 AO. Daß die Jahressteuererklärung 1992 auch für den Angeklagten abgegeben worden ist, liegt nach den bisherigen Feststellungen zwar nahe. Ob allerdings die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vorliegt und – falls dies zu verneinen ist – eine Nachzahlungsfrist gemäß § 371 Abs. 3 AO gesetzt worden ist, bedarf weiterer Klärung durch den neuen Tatrichter.
Unterschriften
Laufhütte, Harms, Häger, Basdorf, Gerhardt
Fundstellen
HFR 1999, 579 |
NStZ 1999, 38 |
wistra 1999, 27 |
NStZ-RR 1999, 260 |
StV 1999, 27 |