Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverwalter. Inbesitznahme des zur Insollvenzmasse gehörenden Vermögens. Erteilung der Auslandsvollmacht. Zugriff auf ausländisches Vermögen. Schuldner. Auskunfts- und Mitwirkungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners nach § 97 InsO umfassen die Erteilung einer so genannten Auslandsvollmacht, wenn Anhaltspunkte für Vermögen des Schuldners im Ausland bestehen und die Befugnisse des Insolvenzverwalters im Ausland nicht ohne weiteres anerkannt werden.
Normenkette
InsO § 97
Verfahrensgang
LG Fulda (Beschluss vom 24.02.2003) |
AG Fulda (Beschluss vom 30.12.2002) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Fulda v. 24.2.2003 wird als unzulässig verworfen, soweit das LG die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Fulda v. 30.12.2002 als unzulässig angesehen hat; im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 26.2.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem dieser Unterlagen vorgefunden hatte, die Bankverbindungen der Schuldnerin zu Schweizer Kreditinstituten nahe legten, forderte er die Erteilung einer umfassenden Vollmacht (sog. Auslandsvollmacht) für alle Schweizer Banken. Die Schuldnerin erteilte für einige - vom Verwalter benannte - Banken eine Vollmacht, erklärte sich im Übrigen jedoch dazu nur bereit, soweit der Verwalter bestimmte Banken konkret bezeichne.
Mit Beschl. v. 8.11.2002 hat das AG durch den Rechtspfleger der Beschwerdeführerin aufgegeben, dem Insolvenzverwalter die von diesem begehrte umfassende Auslandsvollmacht bezogen auf die Schweiz zu erteilen. Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin "Beschwerde" eingelegt. Das AG hat mit Beschl. v. 30.12.2002 den von ihm als sofortige Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 RpflG ausgelegten Rechtsbehelf der Beschwerdeführerin gegen diese Entscheidung für zulässig erachtet, jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Mit Beschl. v. 16.1.2003 hat das AG Zwangshaft angeordnet.
Die gegen diese Beschlüsse gerichteten sofortigen Beschwerden hat das LG mit Beschl. v. 24.2.2003 zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung der gegen sie erlassenen Beschlüsse.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, soweit die Schuldnerin sich dagegen wendet, dass das LG die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG v. 30.12.2002 über die Anordnung der Erteilung der Auslandsvollmacht als unzulässig angesehen hat. Gegen die Entscheidung über die Anordnung der Auslandsvollmacht sieht die Insolvenzordnung als Rechtsmittel keine sofortige Beschwerde vor (§§ 97, 6 Abs. 1 InsO), so dass eine Rechtsbeschwerde nicht stattfindet (§ 7 InsO; vgl. Ganter in MünchKomm/InsO, Bd. 3 § 7n. F. Rz. 21). Dass das LG auch Ausführungen zur Sache gemacht hat, ändert daran nichts.
2. Statthaft ist die Rechtsbeschwerde hingegen, soweit die Schuldnerin sich gegen die bestätigende Entscheidung des LG über die Anordnung der Haft wendet (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. §§ 7, 98 Abs. 3 S. 3 InsO). Das im übrigen gem. § 574 Abs. 2, §§ 575, 576 ZPO zulässige Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
a) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das insolvenzbefangene Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über. Dieser hat nach § 148 Abs. 1 InsO das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Die hiermit verbundene Rechtsmacht gilt uneingeschränkt auch für das im Ausland belegene Vermögen und unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter sich im Ausland durchsetzen kann. Das entspricht einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum. Es gilt das Universalitätsprinzip (BGH v. 13.7.1983 - VIII ZR 246/82, BGHZ 88, 147 [150] = MDR 1983, 930; v. 11.7.1985 - IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256 [264] = MDR 1985, 1021; v. 30.4.1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 [159] = MDR 1992, 765; Kübler/Prütting/Kemper, InsO, Art. 102 EGInsO Rz. 12; Reinhart in MünchKomm/InsO, Art. 102 EGInsO Rz. 62, 81; Uhlenbruck/Lüer, InsO, Art. 102 EGInsO Rz. 19).
b) Wird die dem Insolvenzverwalter nach inländischem Insolvenzrecht zukommende Rechtsmacht im Ausland nicht beachtet, ist der Insolvenzverwalter zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 148 InsO auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen. Die in § 97 InsO festgelegten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners umfassen auch die Erteilung einer so genannten Auslandsvollmacht. Dies ist allgemeine Ansicht (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 97 Rz. 9m. w. N.; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., §§ 237, 238 Rz. 64, 65; Passauer in MünchKomm/InsO, § 97 Rz. 32; Reinhart in MünchKomm/InsO, Art. 102 EGInsO Rz. 84; OLG Koblenz v. 30.3.1993 - 4 W 91/93, ZIP 1993, 844; vgl. auch Begründung RegE zu § 110 RegE/§ 98 InsO, BT-Drucks. 12/2443, 142, abgedr. in Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. I, S. 281).
c) Die Verpflichtung zur Erteilung einer solchen Vollmacht setzt nicht voraus, dass die Existenz ausländischen Schuldnervermögens feststeht. Vielmehr reicht es aus, wenn es auf Grund konkreter Umstände nicht ganz unwahrscheinlich ist, dass der Schuldner über Auslandsvermögen verfügt. Schutzwürdige Interessen des Schuldners, die eine weitere Einschränkung dieser Voraussetzungen für die Erteilung einer Auslandsvollmacht rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
aa) Hat der Insolvenzverwalter Hinweise auf etwaiges Auslandsvermögens des Schuldners, dann muss er von diesem die Vornahme aller jener notwendigen Handlungen verlangen können, die ihn - den Verwalter - zur Erfüllung der ihm auferlegten Pflicht zur Inbesitznahme, Verwaltung und Verwertung befähigen (vgl. Hanisch, ZIP 1980, 170 [171]). Hierzu gehört nicht nur die Erteilung entsprechender Auskünfte, sondern auch einer Vollmacht, die den Zugriff auf das ausländische Vermögen eröffnet, soweit sein Ausweis als Insolvenzverwalter dazu nicht ausreicht. Weigert sich der Schuldner, entsprechende Auskünfte zu erteilen, oder sind die bisherigen Angaben des Schuldners unzuverlässig (insbesondere falsch oder unvollständig), hat der Insolvenzverwalter aber gleichwohl Anhaltspunkte für etwaiges Auslandsvermögen, dann muss die zu erteilende Vollmacht den Insolvenzverwalter auch in die Lage versetzen, eigene Ermittlungen anzustellen, um das - möglicherweise - vorhandene Vermögen auffinden zu können.
bb) Um einen möglichst effizienten Zugriff auf etwaiges Auslandsvermögen des Schuldners sicherzustellen, sind an die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Vollmacht keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. So können z. B. bloße Geschäfts- und Bankverbindungen des Schuldners in bestimmte Auslandsstaaten genügen, um die Erteilung einer Vollmacht im Rahmen der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners gem. § 97 InsO bezogen auf diese Fremdstaaten zu rechtfertigen. Denkbar erscheint auch, dass Hinweise auf einzelne Auslandsstaaten einer bestimmten "Sachgruppe" (z. B. Steueroasen) ausreichen, eine Vollmacht auch für solche Staaten zu fordern, für die zwar (noch) keine konkreten Anhaltspunkte ausländischen Schuldnervermögens vorliegen, die aber nach allgemeiner Auffassung dieser "Sachgruppe" angehören. Da im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Insolvenzverwalter - allein schon um Schadensersatzansprüche zu vermeiden - sachgerecht mit derartigen weitgefassten Vollmachten umgehen wird, besteht kein Grund, die Anforderung an die Erteilung und den Umfang einer Vollmacht noch weiter einzuschränken.
Deswegen ist z. B. bei vermuteten ausländischen Bankverbindungen des Schuldners nicht zu verlangen, dass der Insolvenzverwalter Hinweise auf bestimmte Banken haben muss und auch nur dann auf diese Banken bezogene Vollmachten einfordern kann. Eine solche Einengung der rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollmacht würde zudem auf eine Warnung des (unlauteren) Schuldners hinauslaufen und ihm Gelegenheit geben, etwa vorhandenes Vermögen zu Lasten der Masse nunmehr anderweitig beiseite zu schaffen.
Die Rechtfertigung für diese in erster Linie die Interessen der Insolvenzgläubiger berücksichtigende Sichtweise ergibt sich aus dem mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner verbundenen Verlust seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen.
d) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen, gegen die die Rechtsbeschwerde keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhebt, tragen die Entscheidung.
aa) Danach hat die Schuldnerin schon im Fragebogen v. 7.12.2001 gegenüber dem Insolvenzgericht unvollständige und unrichtige Angaben gemacht. Sie hat angegeben, über keine Bankkonten zu verfügen. Der Verwalter hingegen hat ein Konto bei der S. F. festgestellt, ebenso ein zu diesem Zeitpunkt bestehendes Privatkonto und ein Depot bei der C.S. in Sch.
Damit konnte sich das Gericht nicht auf die Angaben der Schuldnerin verlassen, so dass es notwendig wurde, die Ermittlung entsprechender Bankverbindungen über die begehrte Auslandsvollmacht in das pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzverwalters zu stellen.
Darüber hinaus rechtfertigen die weiteren Nachforschungen des Verwalters seine Forderung nach einer auf Schweizer Banken bezogene Auslandsvollmacht. So hat er die Schenkung eines am Luganer See gelegenen Grundstücks, die Eintragung einer Grundschuld der Schweizer Bank C. & Co AG betreffend das Grundstück T. straße 7 in L. und die Einrichtung eines Kontos und eines Depots bei der C. S. in Sch. ermittelt. Weiterhin hat er zufällig im Privathaus der Schuldnerin zusätzliche Unterlagen aufgefunden, die Geschäftsverbindungen zu mehreren Schweizer Banken belegen, welche entweder von der Schuldnerin oder ihrem Ehemann unterhalten werden oder wurden.
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde entfällt die Notwendigkeit einer Vollmachtserteilung nicht deswegen, weil das Schweizer Internationale Privatrecht die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren ermöglicht. Das Beschwerdegericht hat unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Insolvenzgerichts - von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet - festgestellt, dass ausländische Insolvenzverfahren in der Schweiz nicht unmittelbar anerkannt werden. Vielmehr ist dort erst ein formelles Anerkennungsverfahren zu durchlaufen (vgl. Kübler/Prütting/Kemper, InsO, Art. 102 EGInsO Rz. 177). Auf ein solches (zeit- und kostenaufwendiges) Verfahren muss sich der Insolvenzverwalter nicht verweisen lassen.
cc) Schließlich ist die Anordnung der Haft zur Durchsetzung der Erteilung einer Auslandsvollmacht auch nicht unverhältnismäßig.
Wie bereits dargelegt, ist der Insolvenzverwalter auf Grund des unkooperativen Verhaltens der Schuldnerin auf die Erteilung der Vollmacht angewiesen, um seinen Pflichten aus § 148 InsO nachkommen zu können. Die Schuldnerin hingegen muss lediglich eine Unterschrift leisten. Dies ist ihr angesichts der auf dem Spiel stehenden Gläubigerinteressen zumutbar. Die möglicherweise mit den Nachforschungen des Insolvenzverwalters verbundene Schädigung ihrer Kreditwürdigkeit muss die Schuldnerin hinnehmen. Sie ist eine Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Fundstellen
Haufe-Index 1059044 |
DB 2004, 1097 |
DStZ 2004, 59 |
NJW 2004, 855 |
BGHR 2004, 129 |
NJW-RR 2004, 134 |
EWiR 2004, 293 |
KTS 2004, 108 |
StuB 2004, 288 |
WM 2003, 2344 |
WuB 2004, 179 |
ZIP 2003, 2123 |
DSB 2004, 19 |
DVP 2006, 172 |
MDR 2004, 233 |
NZI 2004, 21 |
ZInsO 2003, 1043 |
ZVI 2003, 666 |