Leitsatz (amtlich)
›Ein Rechtsanwalt, der sich zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze eines Telefaxgerätes bedient, genügt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nicht, wenn er es unterläßt anzuordnen, daß im Anschluß an den Sendevorgang ein Sendebericht des Gerätes erstellt und auf Übermittlungsstörungen überprüft wird.‹
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 12 UF 1182/92) |
Gründe
I. Gegen das ihm am 30. Juli 1992 zugestellte Urteil des Familiengerichts, das ihn zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Klägerin verpflichtete, legte der Beklagte am 31. August 1992 (Montag) Berufung ein. Am 30. September 1992 übermittelten seine Prozeßbevollmächtigten durch Telefax neun Seiten einer insgesamt zehn Seiten umfassenden Berufungsbegründungsschrift an das Oberlandesgericht; die zehnte Seite, die die Unterschrift des sachbearbeitenden Anwalts trug, reichten sie am 1. Oktober 1992 nach. Am 6. Oktober 1992 beantragte der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung. Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Der Beklagte hat die Frist zur Begründung der Berufung, die am 30. September 1992 endete, versäumt. Zwar kann eine Rechtsmittelbegründungsschrift auch durch Telefax übermittelt werden. Erforderlich ist jedoch, daß die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden ist und daß dessen Unterschrift auf der Kopie wiedergegeben wird. In dieser Form muß das Telefax dem Rechtsmittelgericht fristgerecht zugehen (BGH, Beschluß vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - WM 1989, 1820, 1821). Daran fehlt es hier. Die Kopie mit der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Rechtsmittelgericht eingegangen. Die Berufung mußte daher als unzulässig verworfen werden (§§ 519 Abs. 2 Satz 2, 519b Abs. 1 ZPO).
2. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist zu Recht abgelehnt. Diese Frist wurde nicht ohne Verschulden der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß, versäumt.
a) Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat sich der Beklagte auf ein Versagen des Telefaxgerätes seiner Prozeßbevollmächtigten berufen und dazu ausgeführt: Die Berufungsbegründungsschrift sei von der ordnungsgemäß eingewiesenen und ständig überwachten Mitarbeiterin M. seiner Prozeßbevollmächtigten übermittelt worden. Die Handhabung des Telefaxgerätes durch Frau M. habe noch nie Anlaß zu Beanstandungen gegeben. Fehler bei der Übertragung würden sowohl durch einen durchdringenden Piepston als auch auf dem Display angezeigt. Außerdem werde bei fehlerhafter Übertragung automatisch ein Fehlerbericht ausgedruckt. Bei der Übermittlung des Schriftsatzes am 30. September 1992 sei weder ein akustisches Signal zu vernehmen gewesen noch sei im Display eine Fehlermeldung erschienen. Auch sei kein Fehlerbericht ausgedruckt worden. Zur Glaubhaftmachung hat der Beklagte eidesstattliche Versicherungen der Frau M. sowie des sachbearbeitenden Anwalts Dr. B. vorgelegt.
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten aufgefordert, nähere Angaben über das von seinen Anwälten benutzte Telefaxgerät zu machen, ein etwaiges Übertragungsprotokoll vom 30. September 1992 vorzulegen und darzulegen, welche organisatorischen Maßnahmen in der Anwaltskanzlei für die Versendung von fristgebundenen Schriftsätzen durch Telefax, insbesondere hinsichtlich einer fehlerfreien und vollständigen Ausgangskontrolle bestehen. In Erfüllung dieser Auflage hat er u.a. die sog. Aktivitätenliste für den 30. September 1992 vorgelegt, die nach 25 Sendevorgängen automatisch ausgedruckt wird und auch manuell angefordert werden kann. Aus ihr ergibt sich, daß nur neun Seiten der Begründungsschrift übertragen wurden. Das zugleich angegebene Ergebnis "T.4.1." bedeutet nach dem Bedienungshandbuch, daß der Sendevorgang nicht abgeschlossen wurde.
Zu den organisatorischen Maßnahmen seiner Anwälte hat der Beklagte vorgetragen, es sei angeordnet, während des Sendevorgangs zu überwachen, ob Störungen aufträten, insbesondere ob durch akustische oder visuelle Signale oder ein Fehlerprotokoll eine fehlerhafte Übertragung angezeigt werde. In diesem Falle sei der Übertragungsvorgang zu wiederholen. Sollten die Versuche fehlschlagen oder aber auch nur unklar sein, ob eine korrekte Übertragung erfolgt sei, so sei die Angelegenheit dem Rechtsanwalt vorzulegen, der über das weitere Vorgehen zu entscheiden habe. Sofern es diesem nicht gelinge, eine Fristverlängerung bei Gericht zu erhalten, fahre er nachts noch zum entsprechenden Nachtbriefkasten der Gerichte. Liege keinerlei Störungsmeldung bei der Übertragung vor, so habe die Mitarbeiterin auf die erste Seite des zu übersendenden Schriftsatzes den Stempel "per Telefax versandt ..." anzubringen und auszufüllen, an wen, wann, um wieviel Uhr die Übermittlung vorgenommen wurde, sowie mit Namenszeichen abzuzeichnen. So sei vorliegend auch von Frau M. verfahren worden. Auch zu diesem Vortrag hat der Beklagte eidesstattliche Versicherungen der Frau M. sowie des sachbearbeitenden Rechtsanwalts Dr. B. vorgelegt.
Das Oberlandesgericht hat ein Organisationsverschulden der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten darin gesehen, daß keine Anweisung erteilt sei, von einer tatsächlichen Übermittlung erst dann auszugehen, wenn ein von dem Gerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis vorliege, der die ordnungsgemäße Übermittlung belege. Von einer entsprechenden Anweisung habe nicht deshalb abgesehen werden dürfen, weil das verwendete Telefaxgerät auf Übertragungsfehler durch akustische und visuelle Signale hinweise. Solche Signale könnten überhört oder übersehen werden. Auch der normalerweise bei Übertragungsfehlern zu erwartende Fehlerbericht des Gerätes könne den positiven Nachweis der fehlerfreien Übertragung durch einen Übertragungsbericht nicht ersetzen. Darüber hinaus müsse wegen der großen Bedeutung, die der Wahrung von Rechtsmittelfristen zukomme, verlangt werden, daß ein Rechtsanwalt durch entsprechende Anweisung sicherstelle, daß seine Mitarbeiter vor Büroschluß noch die Aktivitätenliste des Telefaxgerätes für den betreffenden Tag auf Übertragungsfehler bei fristwahrenden Schriftsätzen überprüfen.
Demgegenüber macht der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde geltend, die organisatorischen Vorkehrungen seiner Anwälte, daß durch Kontrolle und Bestätigung der Mitarbeiterin überprüft werde, ob ein Schriftsatz überhaupt und auch in voller Seitenzahl versendet werde, seien ordnungsgemäß und ausreichend. Durch die technische Ausstattung des Gerätes werde sichergestellt, daß auch ohne speziellen Sendebericht von einer fehlerfreien Übermittlung ausgegangen werden könne. Das hier angewandte System sei sicherer als das bloße Ausdrucken eines Sendeberichts. Dieser könne falsch sein oder von der Mitarbeiterin falsch oder oberflächlich gelesen werden. Hingegen schließe das verwendete System es nahezu aus, daß Fehlermeldungen unbemerkt blieben, da sie akustisch oder optisch angezeigt würden und zudem - und zwar nur beim Vorliegen eines Fehlers - ein Protokoll ausgedruckt werde. Es könne kein Organisationsverschulden begründen, wenn ein noch besseres System als früher zum Ausschließen möglicher Fehlerquellen verwendet werde. Das Faxgerät stamme von einem renommierten Hersteller, befinde sich seit rund 1 1/2 Jahren auf dem Markt und ein Fehler der hier vorliegenden Art. sei nicht bekannt und bisher nicht aufgetreten. Das vom Oberlandesgericht als weitere Sicherung vorgeschlagene zusätzliche Ausdrucken der Aktivitätenliste vor Büroschluß sei überflüssig und auch nicht praktikabel. Der Arbeitsaufwand, die entsprechenden Akten herauszusuchen und auf fristwahrende Schriftsätze zu überprüfen, sei immens hoch und mit vielen Fehlerquellen behaftet. Letztendlich würde dies wieder dazu führen, daß bei jedem Sendevorgang dem Gerät ein Sendebericht abgefordert werde; der beabsichtigte Fortschritt (Eindämmung sinnloser Papierflut) würde sich ins Gegenteil verkehren, da diese Sendeberichte nur auf DIN-A4-Blättern ausgedruckt würden.
Damit räumt die sofortige Beschwerde ein Organisationsverschulden der Prozeßbevollmächtigen des Beklagten nicht aus.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anwalt verpflichtet, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen (BGH, Beschluß vom 17. November 1992 - X ZB 20/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen, m.N.). Dazu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die zuverlässig gewährleistet wird, daß fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen (Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1; BGH, Beschluß vom 28. September 1989 - VII ZB 9/89 - NJW 1990, 187 = BGHR aaO. Rechtsmitteleinlegung 3). Für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax bedeutet dies, daß die Pflicht des Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann endet, wenn feststeht, daß der Schriftsatz auch wirklich übermittelt worden ist (BGH, Beschluß vom 28. September 1989 aaO.; Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 3/91 - VersR 1992, 638; Beschluß vom 17. November 1992 aaO.). Auch wenn die Kopiervorlage in das Telefaxgerät eingegeben wird, kann es aus verschiedenen Gründen (etwa schlechte Telefonverbindung, Vorlagenstau oder Störungen bei der Gegenstelle) dazu kommen, daß ein Schriftsatz nicht oder nur teilweise oder in unleserlicher Form übermittelt wird. Der Absender kann sich daher einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt oder Störungen anzeigt. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, daß dies vorliegend auch bei dem von seinen Prozeßbevollmächtigten verwendeten Gerät möglich ist. Sie hätten deshalb ihren Mitarbeitern die Weisung erteilen müssen, den Übermittlungsvorgang erst dann als abgeschlossen zu betrachten, wenn ein entsprechender Ausdruck des Telefaxgerätes vorliegt. Diese Anweisung war nicht deshalb entbehrlich, weil das verwendete Gerät akustische, optische und schriftliche Anzeigen bei Übermittlungsstörungen vorsieht. Gerade der vorliegende Fall zeigt, daß solche technische Sicherungen versagen können. Demgegenüber gibt der nach Abschluß des Sendevorgangs angeforderte Sendebericht zusätzlich schriftliche Auskunft, ob der Übermittlungsvorgang geglückt ist oder nicht. Wie sich aus der vorgelegten Aktivitätenliste ergibt, hat das Gerät hier die Übermittlungsstörung bemerkt und festgehalten. Ein Sendebericht ist mithin der Überwachung des Sendevorgangs lediglich durch die die Übermittlung ausführende Bürokraft überlegen und als zusätzliche Kontrolle unverzichtbar. Das Oberlandesgericht hat deshalb mit Recht ein Organisationsverschulden der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten darin gesehen, daß sie nicht durch entsprechende Anweisung an ihr Büropersonal sichergestellt haben, daß bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Telefax ein Sendebericht des Gerätes erstellt und auf etwaige Übermittlungsfehler überprüft wird. Wäre hier so verfahren worden, wäre die Störung bemerkt worden. Dann hätte entweder die Übermittlung wiederholt werden können oder die Berufungsbegründungsschrift hätte bei erneutem Fehlschlagen eines Übermittlungsversuches noch rechtzeitig durch Boten vor 24.00 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen werden können. In beiden Fällen wäre die Frist nicht versäumt worden.
Der Pflicht zur Erstellung eines Sendeberichts kann nicht entgegengehalten werden, solche Sendeberichte würden nur im DIN-A4-Format erstellt, was dem Ziel, die Papierflut einzudämmen, zuwiderlaufe. Abgesehen davon, daß es Geräte gibt, die diese Sendeberichte auf schmalen Papierstreifen ausdrucken, kommt der Einhaltung einer Rechtsmittelfrist eine derartige Bedeutung zu, daß es gerechtfertigt ist, ein weiteres DIN-A4-Blatt als Nachweis der Übermittlung zu den Akten zu nehmen. Der Gefahr, daß ein Sendebericht falsch oder oberflächlich gelesen wird, kann und muß durch entsprechende Unterweisung des Bedienungspersonals begegnet werden. Wer sich bei der Wahrung einer Rechtsmittelfrist moderner Kommunikationsmittel bedient, muß alle von ihnen zur Verfügung gestellten Kontrollmöglichkeiten für eine sichere Informationsübertragung benutzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993193 |
BB 1993, 966 |
DB 1993, 1236 |
NJW 1993, 1655 |
BRAK-Mitt 1993, 231 |
BRAK-Mitt 1994, 54 |
LM ZPO § 233 (Fc) Nr. 52 |
BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 2 |
DRsp IV(412)222 Nr. 3e |
FuR 1993, 234 |
CR 1993, 47 |
EzFamR aktuell 1993, 226 |
EzFamR ZPO § 233 Nr. 49 |
Jur-PC 1993, 2094 |
MDR 1993, 580 |
VersR 1994, 453 |