Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue. Untreue durch die Verwendung von Geldern, die ein Mandant seinem Rechtsanwalt zur Ausführung eines Auftrags überlassen hat, für eigene Zwecke des Rechtsanwalts. Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots gegen einen Rechtsanwalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Rechtsanwalt, der Gelder, die er von seinem Mandanten zur Ausführung eines Auftrags erhalten hat, für eigene Zwecke verwendet, macht sich der Untreue strafbar, wenn er nicht uneingeschränkt und jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszugleichen.
2. Bei der Anordnung eines Berufsverbots nach § 56 Abs. 2 StGB darf die Tatsache, dass der Angeklagte an seiner Rechtsauffassung festhält, wonach die ihm vorgeworfene Handlung keinen Straftatbestand erfüllt, nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet werden.
3. Für die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung eines vorläufigen Berufsverbots ist das Tatgericht zuständig.
Normenkette
StGB §§ 266, 56 Abs. 2, § 70 Abs. 1 S. 1, § 132a
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 10.02.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. Februar 2003 im Strafausspruch und soweit dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren verboten ist, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Antrag des Angeklagten auf Aufhebung des vorläufigen Berufsverbots durch das Revisionsgericht wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht sich ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, grundsätzlich der Untreue schuldig. Das Verhalten des Rechtsanwalts stellt nur dann keinen Verstoß gegen die Treupflicht dar und führt nur dann nicht zu einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB, wenn er uneingeschränkt bereit und jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (BGH wistra 1988, 191 f.; BGHSt 15, 342, 344; RGSt 73, 284 f.). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gelten diese Grundsätze auch dann, wenn der Rechtsanwalt die Mittel nicht von einem Dritten zur Auskehrung an den Mandanten erhalten, sondern dieser ihm Gelder zur Ausführung eines Auftrags überlassen hat (BGH NStZ 1982, 331; BGH bei Dallinger MDR 1975, 23; BayObLG GA 1969, 308; OLG Stuttgart NJW 1968, 1340). Zwar ist richtig, daß die bloße Nichterfüllung eines Auftrags ebenso wie dessen verzögerte Erfüllung nicht als solche zwingend eine tatbestandsmäßige Untreue darstellt. Verwendet der Rechtsanwalt indes die ihm vom Mandanten zur Verfügung gestellten Gelder für eigene Zwecke, statt sie getrennt von seinem Vermögen auf einem Anderkonto zur jederzeitigen Durchführung des erteilten Auftrags bereit zu halten, so ist nicht ersichtlich, warum dieses Verhalten strafrechtlich anders bewertet werden sollte als der zweckwidrige Einsatz von Mitteln, die für den Mandanten in Empfang genommen wurden.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt gibt auch keinen Anlaß, die von der Revision aufgeworfene Frage näher zu erörtern, ob zumindest in solchen Fällen der Untreuevorwurf zu verneinen ist, in denen zwar nach der abredewidrigen Verwendung der Gelder die jederzeitige Verfügbarkeit von Ersatzmitteln nicht sichergestellt ist, aber nach Inhalt und Umständen des Auftragsverhältnisses eine zeitliche Verzögerung bei der Erfüllung des Auftrags unwesentlich erscheint. Diese Besonderheit war bei der Entgegennahme der Beträge von 490.000 DM und 500.000 DM, die als Sicherheitsleistung für eine angestrebte Außervollzugsetzung des Haftbefehls dienen sollten, ersichtlich nicht gegeben. Für den Mandanten des Angeklagten war die naheliegende Gefahr einer – sei es auch nur kurzen – zeitlichen Verzögerung bei der Auftragsabwicklung als mögliche Folge der abredewidrigen Einzahlung dieser Gelder auf sein im Soll geführtes Geschäftskonto nicht ohne Bedeutung. Ihm war nach den Feststellungen sehr an einer möglichst schnellen Freilassung gelegen; diese war „sein vordringliches Ziel” (UA S. 5). Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftverschonung bei Leistung einer Sicherheit in Höhe von zwei Millionen DM in Aussicht gestellt. Auch wenn der Angeklagte über die Höhe der Kaution noch verhandeln sollte, mußte er in dieser Situation jederzeit mit einem Aussetzungsbeschluß nach § 116 StPO rechnen und in der Lage sein, die erforderliche Kaution unverzüglich bereit zu stellen, um die umgehende Freilassung seines Mandanten zu gewährleisten. Eine „Vorlaufzeit”, die es dem Angeklagten ermöglicht hätte, rechtzeitig Verhandlungen mit seiner Bank zur Beschaffung etwa einer Bürgschaft oder von Barmitteln unter Beleihung seines Immobilienvermögens zu führen, besteht bei einer solchen Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht. Denn Haftverschonungsbeschlüsse werden von den Haftgerichten, sobald sie sich von den Voraussetzungen des § 116 StPO überzeugt haben, regelmäßig unverzüglich gefaßt und bekanntgegeben. Auch für den Betrag von 353.250,01 DM, der primär für eine Wiedergutmachungsleistung vorgesehen war, kann nichts anderes gelten. Das Landgericht hat zu Recht darauf abgestellt, daß der Angeklagte auch diese Gelder für seinen Mandanten verfügbar halten mußte, weil die Höhe einer eventuellen Kaution ungewiß war und angesichts der Forderung der Staatsanwaltschaft den Betrag von einer Million DM übersteigen konnte. Für diesen Fall hätte der Angeklagte in der Lage sein müssen, auf entsprechenden Wunsch seines Mandanten diese Mittel unverzüglich für das „vordringliche” Ziel der Freilassung einzusetzen.
Bei diesen besonderen Tatumstände müßte nach den Grundsätzen des subjektiven Schadenseinschlags (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 43) eine Untreuehandlung selbst dann angenommen werden, wenn man – wie die Revision – für die Herbeiführung eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB eine bloße zeitliche Verzögerung bei der Stellung der Ersatzmittel nicht für ausreichend erachten würde.
2. Der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt, daß der von ihm angerichtete „Schaden bzw. die Vermögensgefährdung immens” war. Diese Formulierung läßt befürchten, daß die Strafkammer dem Angeklagten – im Widerspruch zu ihrer Annahme, es sei unerheblich, ob seine Behauptung zutreffe, er sei in der Lage gewesen, aus seinem Immobilienvermögen die anvertrauten Mittel wieder auszukehren – die Zufügung eines Vermögensnachteils (bzw. die Verursachung einer schadensgleichen Gefährdung) in voller Höhe der ihm überlassenen Beträge doch strafschärfend angelastet hat. Von ihrem Ansatz aus hätte die Strafkammer allein auf den Nachteil abstellen dürfen, der dem Mandanten durch die Gefahr einer verzögerten Bereitstellung der Mittel entstanden war. Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich dies zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
3. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landgericht den „Verfall bzw. Wertersatz eines Geldbetrages von 175.500,94 EUR”, der dem für die Wiedergutmachungszahlung bestimmten Betrag entspricht, angeordnet hat. Entgegen den Ausführungen, mit denen der Beschwerdeführer dieser Bewertung entgegentritt, kann mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB offenbleiben, ob es zu einem wirksamen Erlaßvertrag gekommen ist. Da der von der Untreuehandlung des Angeklagten geschädigte Mandant in der Hauptverhandlung gegen ihn auf seine Ersatzforderung ausdrücklich verzichtet und in Übereinstimmung mit dieser Erklärung keine Ansprüche gegen den Angeklagten geltend gemacht hat, durfte das Landgericht davon ausgehen, daß weder diesem durch die Anordnung des Verfalls eine Ersatzmöglichkeit entzogen wird noch dem Angeklagten umgekehrt eine doppelte Inanspruchnahme droht. Unter diesen besonderen Umständen, die mit den Fällen unbekannter Geschädigter nicht vergleichbar ist (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 39 m. w. N.), steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Verfallsanordnung nicht entgegen.
4. Dagegen hält die Anordnung eines Berufsverbotes einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
„Im Rahmen der Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB hat das Landgericht ausgeführt, aufgrund der bisherigen Straffreiheit des Angeklagten und der erfolgten Schadenswiedergutmachung sei zu erwarten, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen werde und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Im Rahmen der Entscheidung über die Maßregelanordnung kommt das Landgericht zu einer abweichenden Prognoseentscheidung. Dies mag seine Erklärung darin finden, dass die Gefahr weiterer Taten vom Landgericht bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB deshalb anders beurteilt wurde, weil durch das Berufsverbot die Gefahr weiterer einschlägiger Taten nicht mehr besteht. Gleichwohl hätte es auch bei der nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB gebotenen Gesamtwürdigung eines Eingehens auf die bisherige Straffreiheit des Angeklagten, die Schadenswiedergutmachung und sein Alter bedurft, um die Gefahr ähnlicher rechtswidriger Taten umfassend zu beurteilten.
Nicht frei von Bedenken ist auch die Erwägung, die Gefahr ähnlicher rechtswidriger Taten ergebe sich ‚insbesondere aus dem Umstand, dass der Angeklagte hartnäckig daran festhält, in der Rückführung des überzogenen Geschäftskontos mit Mandantengeldern keine Untreue zu sehen’ (UA S. 28). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf einem bestreitenden Angeklagten sein Verteidigungsverhalten auch im Hinblick auf die Gefährlichkeitsprognose beim Berufsverbot nicht angelastet werden (BGH NJW 2001, 3349; BGH, B.v. 26.2.2003 – 2 StR 411/02; BGHR StGB § 46 Nachtatverhalten 2; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Dauer 1). Zwar hat das Landgericht vorliegend nicht verkannt, dass es das ‚gute Recht’ des Angeklagten ist, kein Geständnis in öffentlicher Hauptverhandlung abgeben zu müssen. Die für die Verhängung des Berufsverbots herangezogene Erwägung, der Angeklagte wolle sich ‚einfach nicht mehr belehren lassen, wie er seine Geschäfte abzuwickeln habe’ (UA S. 28) beinhaltet jedoch keinen zusätzlichen Aspekt, sondern beschreibt lediglich die in der Hauptverhandlung festgestellte – möglicherweise im Verteidigungsverhalten begründete – Uneinsichtigkeit mit anderen Worten.”
Dem schließt sich der Senat an.
5. Für die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung des vorläufigen Berufsverbots nach § 132 a StPO ist der Senat nicht zuständig. Nach allgemeiner Meinung obliegt die richterliche Überprüfung dieser Maßnahme dem Tatgericht, während das Revisionsgericht nur dann entscheidet, wenn es das Berufsverbot endgültig aufhebt oder das Verfahren einstellt (vgl. Boujong in KK 5. Aufl. § 132 a Rdn. 14; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 132 a Rdn. 20; Paeffgen in SK-StPO § 132 a Rdn. 15; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 132 a Rdn. 13). Der Senat teilt diese Auffassung. Zu einer abweichenden Beurteilung besteht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Anlaß. Mit Blick auf die Grundrechte des Beschwerdeführers, insbesondere seine durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit, hat dieser zwar Anspruch auf eine richterliche Überprüfung der Anordnung des vorläufigen Berufsverbots. Daß bei Aufhebung der Entscheidung über das Berufsverbot das Revisionsgericht stets – also auch im Falle der Zurückverweisung der Sache in diesem Punkt – zugleich über die Fortdauer des vorläufigen Berufsverbotes zu befinden hätte, läßt sich der Verfassung hingegen nicht entnehmen. Selbst wenn man weitergehend – etwa in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 3 StPO – die Möglichkeit einer Aufhebung des vorläufigen Berufsverbots im Revisionsverfahren auch dann in Erwägung ziehen wollte, wenn sich „ohne weiteres ergibt”, daß dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, käme hier eine solche Entscheidung nicht in Betracht. Denn die Aufhebung des im Urteil ausgesprochenen endgültigen Berufsverbotes nach § 70 StGB erfolgte lediglich im Hinblick auf eine unzulässige Erwägung des Landgerichts, die eine neue tatrichterliche Entscheidung erfordert. Angesichts der Anzahl und des Gewichts der begangenen Taten, des erheblichen Maßes an Pflichtwidrigkeit und des vom Angeklagten zu vertretenden Umstandes, daß sein Mandant länger als notwendig in Untersuchungshaft verbleiben mußte, weil er die Kautionsgelder zur Ersparnis erheblicher Zinslasten auf seinem überzogenen Geschäftskonto genutzt hatte, sind durchaus dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß auch der neue Tatrichter ein Berufsverbot verhängen wird.
Unterschriften
Tolksdorf, RiBGH Miebach ist durch Urlaub gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Winkler, Tolksdorf, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 1093704 |
Inf 2004, 130 |
NWB 2004, 600 |
ZAP 2004, 115 |
wistra 2004, 61 |
NStZ-RR 2004, 54 |
Kriminalistik 2004, 456 |
NJW-Spezial 2004, 43 |
StV 2004, 80 |
StraFo 2004, 33 |
LL 2004, 313 |