Normenkette
InsO § 134 Abs. 1; GmbHG § 31 Abs. 2; AktG § 62 Abs. 1 S. 2; HGB § 172 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 12. Mai 2020 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 5.143,32 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. AG, vormals F. AG (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin war zusammen mit anderen Gesellschaften der sogenannten I. -Gruppe auf dem unregulierten Kapitalmarkt tätig. Der Beklagte zeichnete bei der Schuldnerin zu einem nicht näher benannten Zeitpunkt Genussrechte, welchen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde lagen, wonach an die Genussrechtsinhaber unter bestimmten Voraussetzungen und abhängig von Jahresüberschüssen jährlich eine Basisdividende und eine Übergewinnbeteiligung ausgeschüttet werden sollten (vgl. zum Wortlaut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen: BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 1). Die Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die Jahre 2010 bis 2013 wiesen Jahresüberschüsse aus. Dementsprechend erhielt der Beklagte von der Schuldnerin am 24. September 2010 eine Basisdividende in Höhe von 620,61 € und eine Übergewinnbeteiligung in Höhe von 579,39 € (insgesamt 1.200 €), am 25. August 2011 eine Basisdividende in Höhe von 739,94 € und eine Übergewinnbeteiligung in Höhe von 340,26 € (insgesamt 1.080,20 €), am 26. September 2012 eine Basisdividende in Höhe von 763,05 € und eine Übergewinnbeteiligung in Höhe von 460,24 € (insgesamt 1.223,29 €) und am 26. September 2013 eine Basisdividende in Höhe von 884,92 € und eine Übergewinnbeteiligung in Höhe von 754,91 € (insgesamt 1.639,83 €), insgesamt mithin 5.143,32 €.
Rz. 2
Die hinter der I. -Gruppe stehenden Akteure gerieten wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs in den Blick der zuständigen Staatsanwaltschaft. Im Oktober/November 2013 kam es daher zu Durchsuchungen. Auf am 13. November 2013 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag wurde am 1. April 2014 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Juli 2018 wurden Verantwortliche der I. -Gruppe wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges beziehungsweise der Beihilfe dazu verurteilt. Der Kläger focht die Feststellung der Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die streitgegenständlichen Jahre an, soweit die Jahresabschlüsse nach § 325 Abs. 2 HGB im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden sind (§§ 256, 257 AktG).
Rz. 3
Der Kläger verlangt mit der Behauptung, die vertraglichen Voraussetzungen der Ausschüttung von Dividende und Übergewinnbeteiligung hätten in den maßgeblichen Jahren nicht vorgelegen, die von der Schuldnerin an den Beklagten erbrachten Ausschüttungen aufgrund von Schenkungsanfechtung, hilfsweise bereicherungsrechtlich, zurück. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Kläger die Verurteilung des Beklagten erreichen.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Der Rückzahlungsanspruch aus § 143 Abs. 1, § 129 Abs. 1, § 134 InsO scheide aus, weil es sich bei den Zahlungen an den Beklagten nicht um unentgeltliche Leistungen im Sinne von § 134 InsO gehandelt habe. Eine Leistung ohne Rechtsgrund könne eine in diesem Sinne unentgeltliche Leistung sein, aber nur dann, wenn der Schuldner in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes geleistet habe. Denn nur dann sei nach § 814 BGB die Rückforderung der Leistung ausgeschlossen. Es sei schon fraglich, ob es für das Bestehen des Auszahlungsanspruchs nicht auf die festgestellten Jahresabschlüsse, sondern auf die wahre Ertragslage der Schuldnerin ankomme. Diese Frage könne aber dahinstehen, weil selbst im letzteren Fall eine unentgeltliche Leistung wegen fehlender Kenntnis der Schuldnerin von dem fehlenden Rechtsgrund nicht gegeben sei. Der Leistende müsse positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung haben, wobei eine Parallelwertung in der Laiensphäre ausreiche. Dass der Vorstand der Schuldnerin eine solche positive Kenntnis im Leistungszeitpunkt gehabt habe, könne im Streitfall nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Mit dem Nachweis eines bewusst betriebenen Schneeballsystems könne nicht bewiesen werden, dass den Organen der Schuldnerin damit auch positiv bekannt gewesen sei, die Bilanzen seien bilanzrechtlich falsch gewesen. Denn auch ein bewusst betriebenes Schneeballsystem sage allein und für sich genommen nichts darüber aus, ob in diesem nur fingierte Scheingewinne erwirtschaftet würden. Gegen die Annahme, dass der Vorstand der Schuldnerin im Zeitpunkt der Auszahlung nicht nur gewusst habe, dass die Bilanzen fehlerhaft gewesen seien, sondern auch, dass bei Berücksichtigung notwendiger Abwertungserfordernisse und zutreffender Bilanzierung Jahresfehlbeträge bestanden hätten, die einem Auszahlungsanspruch des Beklagten entgegengestanden hätten, spreche entscheidend, dass die Jahresabschlüsse nicht nur mit Billigung des Aufsichtsrats verbindlich festgestellt, sondern darüber hinaus durch einen Wirtschaftsprüfer testiert worden seien. Es spreche nichts dafür, dass der Vorstand der Schuldnerin demgegenüber ein überlegenes Fachwissen gehabt habe. Auch fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass der Vorstand der Schuldnerin zumindest im Rahmen einer laienhaft rechtlichen Schlussfolgerung angenommen habe, dass die Jahresabschlüsse der Schuldnerin nichtig und damit unverbindlich gewesen seien. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass die Organe der Schuldnerin zumindest im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre gewusst hätten, was wann mit welchem Wert zutreffend hätte bilanziert werden müssen. Aus den vom Kläger vorgelegten Schriftstücken ergebe sich solches nicht.
II.
Rz. 6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Rz. 7
1. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ein Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der Ausschüttungen aus § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO nicht verneinen. Nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen lässt sich nicht ausschließen, dass der Beklagte von der Schuldnerin im Zeitraum von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unentgeltliche Leistungen erhalten hat (§ 134 Abs. 1 InsO).
Rz. 8
a) Die zugunsten des Beklagten erfolgten Ausschüttungen stellen Leistungen der Schuldnerin dar. Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) bewirkt (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 13; vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 9). Sie erfolgten innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung.
Rz. 9
b) Die Auszahlungen können eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO darstellen.
Rz. 10
aa) In einem Zwei-Personen-Verhältnis - wie vorliegend - ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 - IX ZR 208/18, NZI 2021, 26 Rn. 9). Für die Bewertung ist in erster Linie die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers ausschlaggebend (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 10; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 11). Wenn der Beklagte aufgrund des Genussrechtsvertrages Anspruch auf die Ausschüttungen gehabt hat, liegt danach eine unentgeltliche Leistung nicht vor, weil diese dann objektiv den Ausgleich für die Gewährung des Genussrechtskapitals darstellten (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO mwN).
Rz. 11
Die Vornahme der Ausschüttungen an den Beklagten ist ebenfalls nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn die Schuldnerin sie ohne Rechtsgrund vorgenommen und ihr deswegen ein Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten zugestanden hat, wenn also der Beklagte aufgrund des Genussrechtsvertrages keinen Anspruch auf die Auszahlungen gegen die Schuldnerin gehabt hat und er einem Bereicherungsanspruch der Schuldnerin nicht § 814 BGB hat entgegenhalten können. Denn es handelt sich bei der Bezahlung einer tatsächlich nicht bestehenden Schuld im Zwei-Personen-Verhältnis nicht um eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein. Auch ohne eine vertragliche Vereinbarung einer Gegenleistung fehlt es an einer für die Unentgeltlichkeit erforderlichen kompensationslosen Minderung des schuldnerischen Vermögens, wenn der Empfänger die Leistung des Schuldners auf andere Art und Weise auszugleichen hat. Leistet der Schuldner, weil er sich irrtümlich hierzu verpflichtet hält, steht ihm hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Der Empfänger ist von vornherein diesem Bereicherungsanspruch ausgesetzt. Insoweit fehlt es bei einer solchen Leistung an einem endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigiebigen Vermögensverlust des Schuldners. Daher ist eine Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Entsprechendes gilt, wenn die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht eingreift (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 10 f; vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 12).
Rz. 12
bb) Revisionsrechtlich ist davon auszugehen, dass die Ausschüttungen der Schuldnerin an den Beklagten rechtsgrundlos erfolgten.
Rz. 13
(1) Allerdings war der Vertrag über den Erwerb der Genussrechte, welchen der Beklagte mit der Schuldnerin geschlossen hatte, unabhängig davon wirksam, ob die Schuldnerin schon von Beginn ihrer geschäftlichen Tätigkeit an oder vor Abschluss des Vertrages mit dem Beklagten ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben hat, ihr also von vornherein oder jedenfalls bei Vertragsschluss mit dem Beklagten bewusst war, dass sie auf Dauer keine hinreichenden Gewinne erwirtschaften würde, um den Erwartungen der Geldgeber zu entsprechen, sondern sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs Ausschüttungen an die Altgeldgeber mit den Einzahlungen neuer Geldgeber vornehmen müsse. Daraus ergibt sich nicht die Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB. Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB wäre nur dann anzunehmen, wenn der gemeinsame Zweck der Vertragspartner gerade darauf gerichtet gewesen wäre, ein sittenwidriges Geschäft zu betreiben. Das aber war nicht der Fall. Der Beklagte wäre von der Schuldnerin über die für ihn ungünstigen Umstände der Kapitalanlage getäuscht worden. Sittenwidrig wäre somit lediglich das von der Schuldnerin tatsächlich betriebene System, nicht aber die mit dem gutgläubigen Beklagten vereinbarte Kapitalanlage (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 15 mwN; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 14; vgl. zum Schneeballsystem im Rahmen der Haftung aus § 826 BGB: BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 - III ZR 7/20, NJW 2021, 1759 Rn. 16).
Rz. 14
Ebenso wenig ist der Vertrag zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin nach § 134 BGB nichtig, weil die Schuldnerin den Beklagten möglicherweise im Hinblick auf das von ihr installierte Schneeballsystem oder die Verwendung des Genussrechtskapitals betrogen hat (§ 263 StGB). Richtet sich das gesetzliche Verbot - wie vorliegend - nur gegen eine Partei, kann regelmäßig angenommen werden, das verbotswidrige Geschäft solle Wirkungen entfalten. Verletzt nur eine der Vertragsparteien durch den Abschluss eines Vertrages ein gesetzliches Verbot, ist der Vertrag in der Regel - wie auch hier - gültig (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 16 mwN; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 15).
Rz. 15
(2) Ob dem Beklagten ein Anspruch auf die streitgegenständlichen Ausschüttungen zustand, ergibt sich mithin aus dem Genussrechtsvertrag und aus den dem Vertrag zugrundeliegenden Genussrechtsbedingungen.
Rz. 16
(a) Diese stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Klauselwerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Kunden erkennbar sind. Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zu Lasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Hierbei bleiben allerdings Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 2034 Rn. 19 mwN; vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 17).
Rz. 17
Der Bundesgerichtshof hat zu den streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits entschieden, dass ausgehend von dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Frage stehenden Klausel diese von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der üblicherweise beteiligten Kreise dahin auszulegen ist, dass die materiellen Voraussetzungen der Ausschüttungen sich nach der objektiven (wahren) Ertragslage der Schuldnerin bestimmen, nicht nach den endgültig festgestellten Jahresabschlüssen und ihrer Wirksamkeit nach dem Aktiengesetz. Die Ansprüche der Genussrechtsinhaber sind nicht davon abhängig, dass die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse (§ 256 AktG) in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt wird. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner der Schuldnerin konnte den Bedingungen nicht entnehmen, dass er bei einer Fehlerhaftigkeit der festgestellten Jahresabschlüsse, insbesondere der Gewinn- und Verlustrechnung, an diese gebunden sei, sofern kein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 256 AktG vorliege (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 22 ff; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 18).
Rz. 18
(b) Danach kommt es - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - allein darauf an, ob die Schuldnerin in den streitgegenständlichen Jahren tatsächlich Gewinne erwirtschaftet hat. Ob dies der Fall war, hängt davon ab, ob die streitgegenständlichen Jahresabschlüsse, welche jeweils Gewinne ausgewiesen haben, fehlerhaft und bei fehlerfreier Erstellung der Jahresabschlüsse Gewinne nicht angefallen sind. Nach den Genussrechtsbedingungen durften die Anleger davon ausgehen, dass die Gewinnermittlung nach den allgemeinen Regeln erfolgen sollte. Das gilt umso mehr, als die Bedingungen in Bezug auf die Ausschüttungen an die Genussrechtsinhaber die Begriffe "Jahresergebnis", "Jahresüberschuss" und "Jahresfehlbetrag" verwenden. Dabei handelt es sich um Begriffe aus der Buchführung (§§ 238 ff HGB). Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag werden in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen; diese bildet zusammen mit der Bilanz den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 2 und Abs. 3, § 275 HGB, § 158 AktG). Der gemeinsame Oberbegriff von Jahresüberschuss und Jahresfehlbetrag ist das Jahresergebnis (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB). In Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe sind in der Regel entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen, insbesondere, wenn sie erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug nehmen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 24; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 19). Enthalten die Jahresabschlüsse handelsrechtlich zulässige Bewertungen, liegt ein Fehler nicht vor (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO).
Rz. 19
(c) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Jahresabschlüsse fehlerhaft sind, die Schuldnerin entgegen den Abschlüssen tatsächlich Verluste erwirtschaftet hat und ein Auszahlungsanspruch des Beklagten danach nicht bestand, die Auszahlungen mithin ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Insbesondere hat es dahinstehen lassen, ob die Jahresabschlüsse nach § 256 AktG nichtig waren, ob die in den im Strafverfahren eingeholten Gutachten enthaltenen Bewertungen zu den Bilanzierungsfehlern zutreffen und ob die Jahresabschlüsse nach Zerschlagungswerten hätten aufgestellt werden müssen. Davon ist deswegen revisionsrechtlich auszugehen.
Rz. 20
cc) Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Kondiktionssperre des § 814 BGB nicht verneint werden.
Rz. 21
(1) Allerdings trifft der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zu. Nach § 814 Fall 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung. Zur Kenntnis der Nichtschuld genügt es nicht, dass dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt; der Leistende muss vielmehr aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Wird die Leistung, deren Rückabwicklung im Streit steht, durch einen Vertreter erbracht, so kommt es für die Kenntnis des Nichtbestehens eines Rechtsgrundes auf das Wissen des die Leistung bewirkenden Vertreters an. Scheitert ein Anspruch des Schuldners an § 814 BGB, ist auch dem Insolvenzverwalter ein Bereicherungsanspruch abzusprechen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 30 mwN; vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 22).
Rz. 22
(2) Bereits die Formulierung im Berufungsurteil, es fehle an Anhaltspunkten, dass der Vorstand der Schuldnerin zumindest im Rahmen einer laienhaft rechtlichen Schlussfolgerung angenommen habe, die Jahresabschlüsse der Schuldnerin seien nichtig und deshalb habe ein Auszahlungsanspruch des Beklagten nicht bestanden, weckt Zweifel, ob das Berufungsgericht vom richtigen Maßstab ausgegangen ist. Die Schuldnerin leistete ohne Rechtsgrund, wenn sie nach ihrer wahren Ertragslage nur Verluste erwirtschaftete, die positiven Jahresabschlüsse also fehlerhaft wären, ohne dass es auf deren Nichtigkeit nach § 256 AktG ankäme (vgl. oben Rn. 17 f). Nur darauf musste sich daher die Kenntnis der Schuldnerin beziehen.
Rz. 23
(3) Aber auch im Übrigen ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts fehlerhaft. Die Schuldnerin und die für sie handelnden Personen mussten nicht wissen, was wann mit welchem Wert hätte bilanziert werden dürfen. Sie mussten nicht wissen, ob die Versicherungen und die Edelmetallsparpläne im Anlageoder Umlaufvermögen und mit welchen Werten hätten bilanziert werden müssen und ob und in welchem Umfang und mit welchem Wert die Provisionsansprüche hätten ausgewiesen werden müssen. Schon das Wissen, dass verschiedene bilanzielle Wertansätze aufgrund der ihnen bekannten Tatsachen überhöht waren, kann dafür sprechen, dass ihnen die Unrichtigkeit der einen Überschuss ausweisenden Jahresabschlüsse bewusst war. Nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre können sie dann auch die rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben, dass Ansprüche der Genussrechtsinhaber nicht bestanden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 25 ff).
Rz. 24
Wenn das Geschäftsmodell der Schuldnerin darauf gerichtet war, Lebensversicherungspolicen aufzukaufen und so lange als Versicherungsnehmerin weiterzuführen, bis der innere Wert der Versicherungen realisiert war (garantierte Versicherungssumme zuzüglich Überschussbeteiligung), musste sie die Versicherungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalls (in der Regel der Erlebensfall), mithin langfristig, halten. Jede Kündigung einer Lebensversicherung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Rückkaufswert unter dem Anschaffungswert lag, führte zu einem Verlust. Haben die für die Schuldnerin verantwortlich Handelnden das Konzept aufgegeben, die "gebrauchten" Lebensversicherungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalls weiterzuführen, sondern sollten diese nach Liquiditätslage der Schuldnerin unabhängig von entstehenden Verlusten kurzfristig gekündigt werden, war den verantwortlich Handelnden auch bekannt, dass der mit den Anschaffungskosten (Kaufpreis und nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe der zu aktivierenden Aufwendungen; vgl. dazu Kemsat/Wichmann, BB 2004, 2287, 2291 f) in der Bilanz ausgewiesene Wert unrichtig war (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 28).
Rz. 25
Entsprechendes gilt für die fondsgebundenen hochvolumigen Lebensversicherungen, welche die Schuldnerin als Versicherungsnehmerin, und für die Goldsparverträge, welche die Schuldnerin unter Leistung einer einmaligen hohen Gebühr abgeschlossen hat. Wenn die für die Schuldnerin verantwortlich Handelnden wussten, dass die Lebensversicherungen schon nach kurzer Zeit gekündigt und die Goldsparverträge nach kurzer Zeit aufgelöst werden sollten, kann ihnen bewusst geworden sein, dass die mit den hohen Anschaffungskosten bilanzierten Vermögensgegenstände nicht den bilanzierten Wert besaßen. Bei den Goldsparverträgen war nach klägerischem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag zu wenig Gold angespart, als dass damit - auch unter Berücksichtigung der Steigerung des Goldwerts - die hohen Gebühren hätten ausgeglichen werden können. Der Wert der fondsgebundenen Lebensversicherungen überstieg nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Klägers bei einer vorzeitigen Kündigung ebenfalls nicht die Abschlusskosten. Dann war den für die Schuldnerin verantwortlich Handelnden unter Berücksichtigung der Parallelwertung in der Laiensphäre möglicherweise klar, dass die auf den hohen Werten basierenden Jahresabschlüsse fehlerhaft waren (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 29).
Rz. 26
Hinsichtlich der bilanzierten Forderungen auf Zahlung der vereinbarten ratierlich auszuzahlenden Provisionen gegen den Lebensversicherer wegen der Vermittlung der hochvolumigen Lebensversicherungen an Unternehmen der I. -Gruppe mussten die für die Schuldnerin verantwortlich Handelnden die Bilanzierungsfragen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 30) nicht in allen Einzelheiten kennen. Für die Parallelwertung in der Laiensphäre reicht es aus, dass sie wussten, dass die Auszahlung der für die Vermittlung verdienten hohen Provisionsraten davon abhängig war, dass der vermittelte Versicherungsnehmer, eine Gesellschaft der I. -Gruppe, für die Dauer der Zahlung der Provisionsraten monatlich die hohen Versicherungsprämien zahlte. Wenn sie darüber hinaus wussten, dass der Versicherungsnehmer die Prämien voraussichtlich nicht über den (langen) Zeitraum der Provisionszahlungen werde aufbringen können, wussten sie auch, dass der Provisionsanspruch der Schuldnerin gegen den Versicherer zweifelhaft war. Dann aber wussten sie in einer Parallelwertung in der Laiensphäre, dass die Bilanzierung des Provisionsanspruchs in voller Höhe ohne jede Abschreibung fehlerhaft war und den tatsächlichen Wert des Anspruchs nicht wiedergab (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 31).
Rz. 27
(4) Das Berufungsgericht hat den vorgelegten Urkunden und dem durch die Aussage des Zeugen P. unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers kein Indiz für die Kenntnis der Schuldnerin von der Nichtschuld entnommen. Da das Berufungsgericht bei dieser Würdigung für entscheidend hält, ob die für die Schuldnerin handelnden Personen wussten, wie rechtstechnisch die Geschäftstätigkeit der Schuldnerin zu bilanzieren gewesen sei, ist die Beweiswürdigung jedoch unvollständig und trägt deswegen den Schluss des Berufungsgerichts nicht, der Kläger habe nicht bewiesen, die Schuldnerin beziehungsweise die für sie verantwortlich handelnden Personen hätten Kenntnis von der etwaigen Nichtschuld im Sinne von § 814 BGB gehabt.
Rz. 28
(5) Das Berufungsgericht hätte den nicht widerlegten Vortrag des Klägers, dass die Schuldnerin in den maßgeblichen Geschäftszweigen bewusst ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben habe, bei der Würdigung nicht in Gänze außer Acht lassen dürfen. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Schneeballsystem sage für sich genommen nichts darüber aus, ob lediglich (fingierte) Scheingewinne im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erwirtschaftet würden, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Zwar trifft es zu, dass ein Unternehmen, welches ein Schneeballsystem betreibt und von den Neuanlegern Geld einsammelt, um es wieder an die Altanleger als Zinsen auszuzahlen, so lange nicht "defizitär" arbeitet, wie die neu eingeworbenen Gelder zur Begleichung der Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen ausreichen. Diese Überlegungen beziehen sich jedoch allein auf die Liquidität des Unternehmens, seine (drohende) Zahlungsunfähigkeit. Dem Umstand, dass ein solches Unternehmen so lange nicht zahlungsunfähig ist, wie es ausreichend Gelder von Neuanlegern einsammeln kann, ist keine Bedeutung für die Frage beizumessen, ob ein solches Unternehmen Gewinne erwirtschaftet. Ebenso ist es richtig, dass allein die Behauptung, ein Schuldner betreibe ein Schneeballsystem, nichts darüber aussagt, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO verwirklicht sind. Wenn jedoch ein Schuldner, der seinen Vertragspartnern gewinnabhängige Ausschüttungen schuldet, weiß, dass er nur von den Anlegern Geld einsammelt und keine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet, weiß er auch, dass er keine Gewinne erwirtschaftet und Jahresabschlüsse, welche für ihn dennoch Gewinne ausweisen, fehlerhaft sind, weil es sich um Totalfälschungen handelt. Ein Schuldner, der weiß, dass er zwar in einem geringen Umfang eine gewinnbringende Geschäftstätigkeit entfaltet, aber im Übrigen von den Neuanlegern Gelder einsammelt, um aus dem eingesammelten Geld an die Altanleger über die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne hinausgehende Scheingewinne auszuzahlen, weiß, dass die über die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne weitere Gewinne ausweisenden Jahresabschlüsse fehlerhaft sind, weil sie - wenn es sich um keine Fälschungen handelt - unzulässige Bewertungen enthalten, wie vorliegend der Kläger behauptet (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 35).
Rz. 29
Nach diesen Maßstäben hat ein Schuldner deswegen Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund, wenn er weiß, dass er keine Gewinne, sondern im Gegenteil Verluste erwirtschaftet und ein betrügerisches Schneeballsystem betreibt, er also weiß, dass er an die Genussrechtsinhaber statt der versprochenen Gewinne und Dividenden lediglich Scheingewinne und Scheindividenden aus den Einzahlungen von ihm getäuschter Geldgeber auszahlt. Denn dann weiß er, dass die vereinbarten Voraussetzungen für die Ausschüttung von Gewinnbeteiligung und Dividende nicht vorliegen und die Genussrechtsinhaber keine Ansprüche auf die Ausschüttungen gegen ihn haben. Dagegen spricht nicht, dass die festgestellten Jahresabschlüsse fälschlich Gewinne und keine Jahresfehlbeträge ausweisen und von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt worden sind. Denn der Schuldner hat aufgrund seiner Kenntnis, dass er nur noch Verluste erwirtschaftet und das eingeworbene Kapital ganz oder aber zu einem großen Teil benutzen muss, um die alten Genussrechtsinhaber zu bezahlen, auch Kenntnis davon, dass die streitgegenständlichen Jahresabschlüsse fehlerhaft sind und keine Grundlage für die vereinbarten Ausschüttungen darstellen können (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 31; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 36).
Rz. 30
(6) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung stehen der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO auch nicht § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 172 Abs. 5 HGB, § 31 Abs. 2 GmbHG entgegen. Den genannten Regelungen ist kein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen, dass Gewinnausschüttungen auch bei fehlerhafter Grundlage nicht zurückzuzahlen sind, wenn sie in gutem Glauben empfangen wurden. Denn sowohl die Voraussetzungen der Schutzvorschriften als auch ihre Rechtsfolgen sind zu unterschiedlich, als dass ihnen ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könnte. Nach § 31 Abs. 1 GmbHG müssen Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider geleistet sind, der Gesellschaft erstattet werden. War der Empfänger in gutem Glauben (Fahrlässigkeit schadet nicht), kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (Abs. 2). Nur wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GmbHG nicht vorliegen, sind Auszahlungen auf Gewinnanteile nach § 32 GmbHG insgesamt geschützt, sofern der Empfänger sie in gutem Glauben bezogen hat. Nach § 172 Abs. 5 HGB muss der Kommanditist das nicht zurückzahlen, was er auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht. Voraussetzung ist hier, dass nicht nur der Zahlungsempfänger gutgläubig sein muss, sondern auch die Bilanz in gutem Glauben erstellt sein muss. Nach § 62 Abs. 1 AktG haben die Aktionäre der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Dieser Anspruch kann nach § 62 Abs. 2 Satz 1 AktG auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Haben die Aktionäre Beträge als Gewinnanteile bezogen, so besteht die Verpflichtung allerdings nur, wenn sie wussten oder infolge von Fahrlässigkeit nicht wussten, dass sie zum Bezug nicht berechtigt waren. Die Schutzvorschrift des § 172 Abs. 5 HGB ist zudem durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436; MoPeG) mit Wirkung zum 1. Januar 2024 ersatzlos gestrichen worden (vgl. Bachmann, NJW 2021, 3073, 3077 Rn. 29; vgl. auch BeckOGK-HGB/Foerster, 2021, § 172 Rn. 133, 138).
Rz. 31
dd) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, die Leistungen der Schuldnerin an den Beklagten seien nicht deswegen unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO, weil die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB eingriffe. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Voraussetzungen dieser Regelung nicht vorliegen. Die Norm schließt die Rückforderung einer Leistung nicht nur in den Fällen des § 817 Satz 1 BGB aus, sondern in allen Fällen einer Leistungskondiktion. Ihre Anwendung setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat. Die Bestimmung verkörpert den Grundsatz, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt. Dabei bezieht sich das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB nur auf das, was aus den vom Gesetz missbilligten Vorgängen geschuldet wird. Dagegen lässt es Bereicherungsansprüche unberührt, die sich aus nicht zu beanstandenden Leistungen ergeben, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis entstammen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 33 mwN; vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 37).
Rz. 32
Die Ausschüttungen an den Beklagten hatten ihre Grundlage in dem nicht zu beanstandenden Genussrechtsvertrag. Auch wenn die vertraglichen Voraussetzungen für die Ausschüttungen nicht vorgelegen haben sollten und dem Geschäftsmodell der Schuldnerin ein betrügerisches Schneeballsystem von Anfang an oder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Beklagten oder aber zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Ausschüttungen an den Beklagten zugrunde gelegen haben sollte, waren diese selbst weder verbots- noch sittenwidrig. § 817 Satz 2 BGB greift nicht ein, wenn die Rückgewähr von Leistungen begehrt wird, die an sich nicht zu beanstanden sind, aber in ein gesetz- oder sittenwidriges Gesamtverhalten eingebettet sind. Gerade das Bewirken der Leistung muss vom gesetzlichen Verbot oder vom Sittenwidrigkeitsurteil erfasst sein (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 34; vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 38).
Rz. 33
2. Soweit das Berufungsgericht einen etwaigen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB für verjährt gehalten hat, macht die Revision keine Einwendungen geltend. Insoweit ist ein Rechtsfehler auch nicht ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2021, aaO Rn. 39).
III.
Rz. 34
Das Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 35
Das Berufungsgericht wird die Frage, ob die für die Schuldnerin verantwortlich handelnden Personen wussten, dass keine Verpflichtung zur Zahlung von Basisdividenden und einer Übergewinnbeteiligung bestand, nach den dargestellten Maßstäben neu zu beurteilen haben. Da für das Bestehen einer solchen Verpflichtung die objektive Ertragslage der Schuldnerin maßgeblich ist und nicht der Inhalt der festgestellten Jahresabschlüsse, wird die Kenntnis der Schuldnerin von einer fehlenden Leistungspflicht kaum beurteilt werden können, wenn nicht zunächst festgestellt wird, ob und in welchem Umfang die Jahresabschlüsse - gegebenenfalls aufgrund von die bilanzrechtlich eingeräumten Bewertungsspielräume überschreitenden Bewertungen - unzutreffende, von der objektiven Ertragslage abweichende Jahresüberschüsse ausweisen.
Grupp |
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Lohmann |
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Möhring |
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Röhl |
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Schultz |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15061405 |