Alle in der KW 30 veröffentlichten BGH-Leitsatzentscheidungen

Kompakt und aktuell: Hier finden Sie einen Überblick der in der KW 30 vom Bundesgerichtshof veröffentlichten sog. Leitsatzentscheidungen.


Senat

Leitsatz

Datum und Az.

10. Zivilsenat

Das Recht auf eine anderweitige Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO setzt nicht voraus, dass die gewünschte Ersatzbeförderung in zeitlichem Zusammenhang mit dem ursprünglich vorgesehenen Flug steht.

BGH-Urteil, v.27.6.2023, X ZR 50/22

11. Zivilsenat

1. Zu den Angaben, die in einem Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen zu einem Bewertungsgutachten zu machen sind.

2. Zu der Bestimmtheit und Reichweite von Feststellungszielen.

BGH-Beschluss, v. 23.5.2023, XI ZB 30/20

11. Zivilsenat

Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag wird durch die Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch bezüglich solcher Pflichtverletzungen gehemmt, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht sind.

BGH-Urteil, v, 13.6.2023, XI ZR 464/21

3. Strafsenat

1. Zu den Voraussetzungen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens.

2. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.

BGH-Beschluss, v. 11.7.2023, AK 35/23, StB 34/23

1. Zivilsenat

Bei der Vollstreckung einer kommunalen Gebührenforderung bedarf der elektronisch einzureichende Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Abnahme der Vermögensauskunft nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen keines Dienstsiegels.

BGH-Beschluss, v. 1.6.2023, I ZB 69/22

3. Zivilsenat

Notarhaftung, Vermutung beratungsgerechten Verhaltens

Schuldet ein Notar einen bestimmten Rat, Hinweis oder eine bestimmte Warnung, so spricht der erste Anschein dafür, dass die Beteiligten dem gefolgt wären. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass bei ordnungsgemäßem Verhalten nach der Lebenserfahrung lediglich ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte oder sämtliche vernünftigen Verhaltensmöglichkeiten identische Schadensbilder ergeben hätten. Besteht dagegen nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern kommen verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht und bergen sämtliche gewisse Risiken in sich, ist für einen Anscheinsbeweis kein Raum (Bestätigung von Senat, Urteil vom 10. Juli 2008 - III ZR 292/07, WM 2008, 1753 Rn. 14; Übernahme von BGH, Urteil vom 16. September 2021 - IX ZR 165/19, NJW 2021, 3324 Rn. 36 mwN für die Notarhaftung; Abgrenzung von BGH, Urteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 und vom 15. Juli 2016 - V ZR 168/15, BGHZ 211, 216).

BGH-Beschluss, v. 15.6.2023, III ZR 44/22

11. Zivilsenat

Zur Darstellung des Totalverlustrisikos einer Kapitalanlage in eine Ölplattform gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 und 4 VermVerkProspV in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung im Rahmen eines Verkaufsprospektes.

BGH-Beschluss, v. 13.6.2023, XI ZB 11/22

4. Zivilsenat

Die sogenannte "erweiterte Schlüsselklausel" in der Hausratversicherung (hier: § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich GWW 2014), wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat, unterfällt als primäre Leistungsbeschreibung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

BGH-Urteil, v. 5.7.2023, IV ZR 118/22

7. Zivilsenat

§ 753a Satz 1 ZPO ist dahin auszulegen, dass Bevollmächtigte im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO (in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassounternehmer) bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zum Empfang des vom Gerichtsvollzieher gepfändeten oder seitens des Schuldners an den Gerichtsvollzieher freiwillig gezahlten Geldbetrags (sog. Geldempfangsvollmacht) versichern können; des Nachweises einer Geldempfangsvollmacht durch Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde bedarf es in diesen Fällen nicht.

BGH-Beschluss, v. 5.7.2023, VII ZB 35/21

9. Zivilsenat

Ein im Hauptsacheverfahren zur Regelung des Umgangs geschlossener und gerichtlich gebilligter Zwischenvergleich kann eine 1,0 Einigungsgebühr zur Entstehung bringen.

BGH-Urteil, v. 25.5.2023, IX ZR 161/22

8. Zivilsenat

Zur Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei Abweisung der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen auf Gewährung des Zutritts zur Mietwohnung und auf Duldung der Durchführung von Prüf- und Reparaturarbeiten (hier: vermuteter Rohrbruch) gerichteten Vollstreckungstitel.

BGH-Beschluss, v. 23.5.2023, VIII ZB 16/22

8. Zivilsenat

Zur Schadensersatzpflicht eines Vermieters (hier nach § 536a Abs. 1, § 536 Abs. 3 BGB), der schuldhaft nicht mehr in der Lage ist, dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung zu gewähren, wenn der Mieter hiernach zur Vermeidung sonst drohender Obdachlosigkeit in einer öffentlichen "Notunterkunft" untergebracht wird

BGH-Urteil, v. 21.6.2023, VIII ZR 303/21

11. Zivilsenat

§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung ist nicht im Lichte von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG sowie des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2020 (C-301/18, Leonhard, WM 2020, 1190) dahin teleologisch zu reduzieren, dass dem Verbraucher aus einem nach erklärtem Widerruf rückabzuwickelnden im Fernabsatz geschlossenen Darlehensvertrag kein Anspruch aus § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Nutzungsersatz hinsichtlich der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zusteht.

BGH-Urteil, v. 4.7.2023, XI ZR 77/22

1. Zivilsenat

Bei der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung unterliegt die Staatsanwaltschaft nach § 459g Abs. 2 und § 459 StPO in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG der Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente gemäß § 130d ZPO.

BGH-Beschluss, v. 1.6.2023, I ZB 80/22

9. Zivilsenat

1. Urkunden, welche die Bonität eines Drittmittelgebers belegen, gehören nicht zu den Anlagen, welche dem Insolvenzplan notwendig beizufügen sind.

2. Ein verfahrensbeendender Insolvenzplan hat offensichtlich keine Aussicht auf Bestätigung durch das Gericht, wenn von Dritten versprochene Leistungen für die Befriedigung der Masseverbindlichkeiten, insbesondere der Verfahrenskosten, erforderlich sind und nicht gewährleistet ist, dass die Dritten in dem erforderlichen Umfang zu den versprochenen Leistungen bereit und in der Lage sind.

BGH-Beschluss, v. 22.6.2023, IX ZB 15/21

6a. Zivilsenat

1. Die Sonderpflicht, für ein Kraftfahrzeug eine mit den gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller. Der Motorhersteller kann, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, weder Mittäter einer diese Sonderpflicht verletzenden Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein (Anschluss an BGH, Urteil vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 279/03, NJW-RR 2005, 556, 557).

2. Voraussetzung einer Haftung des Motorherstellers als Gehilfe des Fahrzeugherstellers nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ist, dass der Motorhersteller mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers. Die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat erfüllt die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB nicht (Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Mai 1964 - Ib ZR 4/63, BGHZ 42, 118, 122; Urteil vom 30. Januar 1967 - III ZR 185/64, VersR 1967, 471 und Urteil vom 8. Februar 2018 - IX ZR 103/17, NJW 2018, 2404 Rn. 66, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 217, 300).

3. Anders als im Verhältnis zum Fahrzeughersteller bleibt es im Verhältnis zum vom Fahrzeughersteller verschiedenen Motorhersteller bei dem allgemeinen Grundsatz, dass hinsichtlich der Schuldhaftigkeit des Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV als anspruchsbegründender Voraussetzung einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trifft (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 59 f., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).

BGH-Urteil, v. 10.7.2023, VIa ZR 1119/22


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