Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 23.05.2001) |
LG Rostock (Urteil vom 24.03.2000) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 23. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Widerklage zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 24. März 2000 in diesem Umfang abgeändert.
Die Widerklage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über die Höhe des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs und über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Notarvertrag vom 11. September 1997 verkaufte die Beklagte der Klägerin ein Althausgrundstück in R.. Zum Kaufpreis heißt es im Vertrag:
„§ 2
Kaufpreis
Der Kaufpreis beträgt DM 1.235.000,00 (in Worten: Deutsche Mark einemillionzweihundertfünfunddreißigtausend).
Der Kaufpreis setzt sich wie folgt zusammen:
Grund und Boden: |
DM 150.000,– |
Gebäude: |
DM 850.000,– |
Sanierungsauftrag |
DM 235.000,– |
Mit den Sanierungsaufgaben wurde noch nicht begonnen.
Der Bauauftrag über DM 230.000,– brutto wird vom Käufer übernommen …”
Der Kaufpreis war nach Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung der Klägerin auf das Anderkonto der Urkundsnotarin zu bezahlen. Die Vormerkung wurde eingetragen. Die Klägerin überwies den Betrag von 1.235.000 DM an die Notarin. Die Notarin beantragte die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks, nahm den Eintragungsantrag jedoch zurück, als die Klägerin geltend machte, der Kaufvertrag sei unwirksam. Mit Schreiben vom 8. April 1998 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Auszahlungsreife des bei der Notarin hinterlegten Kaufpreises herbeizuführen. Das lehnte die Klägerin ab. Mit Schreiben vom 21. September 1998 setzte ihr die Beklagte hierzu Nachfrist bis 25. September 1998 und erklärte, nach Ablauf dieser Frist die Leistung der Klägerin abzulehnen. Nach ergebnislosem Fristablauf gab die Beklagte aus dem Hinterlegungsbetrag 1.000.000 DM zur Rückzahlung an die Klägerin frei.
Mit der Klage hat die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur Freigabe des Restbetrages von 235.000 DM Zug um Zug gegen die Bewilligung der Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkung nach näherer Maßgabe verlangt. Nach Zustellung der Klage hat die Beklagte die verlangte Freigabe erklärt. Die Klägerin hat die Löschung der Vormerkung bewilligt und den mit der Klage geltend gemachten Anspruch für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und widerklagend den Ersatz eines Schadens von 117.495,53 DM zuzüglich Zinsen verlangt.
Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt, soweit die Klägerin die Beklagte in Anspruch genommen hat. Die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt hat, hat es zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Verurteilung der Klägerin nach dem mit der Widerklage verfolgten Antrag.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Zahlungsanspruch der Beklagten. Es stellt fest, daß werkvertragliche Verpflichtungen der Beklagten und die Übernahme derartiger Pflichten der Beklagten gegenüber Dritten durch die Klägerin nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien entgegen dem Wortlaut der Vertragsurkunde nicht begründet werden sollten. Es meint, der beurkundete Vertrag sei daher gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Dem vereinbarten Vertrag, das Grundstück für 1.235.000 DM zu verkaufen, fehle die nach §§ 313 Satz 1, 125 BGB a.F. zu seiner Wirksamkeit notwendige Form. Für den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch bestehe keine Grundlage.
Das hält der Nachprüfung nicht stand.
II.
Die Klägerin ist der Beklagten gemäß § 326 Abs. 1 BGB a.F. schadensersatzpflichtig.
1. Der am 11. September 1997 beurkundete Kaufvertrag ist wirksam.
a) Ein Vertrag ist nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, wenn nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien das Vereinbarte keine Geltung haben soll (vgl. BGHZ 21, 378, 381; 36, 84, 88; 67, 334, 339). So verhält es sich im vorliegenden Fall nicht. Die Vertragsurkunde gibt die zwischen den Parteien vereinbarten Verpflichtungen, nämlich die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, und die Verpflichtung der Klägerin, den hierfür vereinbarten Kaufpreis von 1.235.000 DM zu bezahlen, zutreffend wieder.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß § 2 Abs. 2 und Abs. 3 der Urkunde Angaben zu weiteren tatsächlich nicht gewollten Pflichten der Parteien enthalten. Diese Angaben können hinweggedacht oder gestrichen werden, ohne daß der vereinbarte Verkauf des Grundstücks durch die Beklagte an die Klägerin für 1.235.000 DM dann in dem Vertrag keinen Ausdruck mehr fände. Die vereinbarten Pflichten sind in der Vertragsurkunde vollständig verlautbart. Dem Formerfordernis von § 313 Satz 1 BGB a.F. ist genügt (vgl. Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 313 Rdn. 62 f; Staudinger/Wufka, BGB [2001], § 313 Rdn. 162).
b) Daß über den Verkauf des Grundstücks zum Preis von 1.235.000 DM hinaus entgegen den Angaben in der Vertragsurkunde keine Pflichten der Parteien begründet wurden, der Vertrag insoweit also eine Scheinabrede enthält, läßt ihn auch nicht nach § 139 Halbsatz 1 BGB nichtig sein. Nach § 139 BGB führt die Nichtigkeit eines Teils eines Vertrages zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages, sofern nicht anzunehmen ist, daß die Parteien den Vertrag in seinem wirksamen Teil auch ohne die nichtige Regelung geschlossen hätten. Zweck der Regelung ist es, zu verhindern, daß den Parteien anstelle eines als ganzes gewollten Rechtsgeschäfts ein Teil ihres Geschäfts aufgedrängt wird (Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 139 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 139 Rdn. 1; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 139 Rdn. 1, 44; Staudinger/Roth, BGB [1996], § 139 Rdn. 1). So verhält es sich im vorliegenden Fall nicht: Aus den in die Vertragsurkunde über die kaufvertraglichen Verpflichtungen hinaus aufgenommenen Angaben sollten nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine vertraglichen Pflichten folgen. Sie bezweckten lediglich die Inanspruchnahme steuerlicher Vorteile durch die Klägerin, die ihr nach den getroffenen Vereinbarungen nicht zustanden. Darauf, daß der Vertrag ohne sie nicht abgeschlossen worden wäre, kann sich die Klägerin nicht berufen.
c) Die zur Täuschung der Finanzbehörde geeigneten Angaben in der Vertragsurkunde führen auch nicht gem. §§ 134, 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des vereinbarten Verkaufs. Die Absicht einer Steuerhinterziehung läßt einen Vertrag nur dann nichtig sein, wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 14, 25, 31 f; Senatsurt. v. 17. Dezember 1965, V ZR 115/63, NJW 1966, 588, 589; Erman/Palm, § 138 BGB Rdn. 158; Soergel/Hefermehl, § 138 BGB Rdn. 200; Staudinger/Sack, BGB [1996], § 134 Rdn. 287). So verhält es sich bei fehlerhaften Angaben in einem Kaufvertrag über ein Grundstück nicht, sofern die Begründung der Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks und die Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises ernstlich gewollt sind (Senatsurt. v. 8. November 1968, V ZR 60/65, WM 1969, 163, 164; v. 23. März 1979, V ZR 81/77, WM 1979, 692, 693; Senatsbeschl. v. 4. März 1993, V ZR 121/92, BGHR-BGB § 138 Steuerhinterziehung 1; RGZ 107, 357, 364). So liegt der Fall hier.
d) Die von der Klägerin erklärte Anfechtung hat ebenfalls nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrags geführt. Die vom Berufungsgericht hierzu hilfsweise vorgenommen Erwägungen sind mit der Feststellung unvereinbar, daß durch die in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 der Vertragsurkunde verlautbarten Erklärungen keine Pflichten der Parteien begründet wurden. Ist das der Fall, kann die Klägerin aber weder über die Vereinbarung werkvertraglicher Verpflichtungen zwischen den Parteien und die Übernahme derartiger Pflichten getäuscht worden, noch einem Irrtum hierüber erlegen sein.
2. Die Vorraussetzungen des mit der Widerklage geltend gemachten Ersatzanspruchs sind gegeben. Die Klägerin schuldete aus dem Kaufvertrag nicht nur die Überweisung des Kaufpreises auf das Anderkonto der Urkundsnotarin, sondern auch, an der Auszahlungsreife mitzuwirken, von der die Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung abhing (Senat, BGHZ 87, 156, 162). Die Aufforderung der Klägerin an die Notarin, den Kaufvertrag nicht zu vollziehen, bedeutete die ernstliche und endgültige Ablehnung der Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin. Zur Begründung des Schadensersatzanspruchs der Beklagen hätte es daher der erfolgten Mahnung, Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung seitens der Beklagten noch nicht einmal bedurft (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 2, 310, 312; 65, 372, 377; RGZ 67, 313, 317; 90, 317, 318; 96, 341, 343).
III.
Zur abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage. Hierzu ist die Höhe des Schadens festzustellen, den die Beklagte durch das Verhalten der Klägerin erlitten hat.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Krüger, Klein, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 788828 |
NWB 2002, 4232 |
NJW-RR 2002, 1527 |
IBR 2002, 573 |
DNotZ 2003, 123 |
LL 2003, 72 |