Leitsatz (amtlich)
a) Kündigt der Vermieter von Gewerberäumen das Mietverhältnis schuldhaft ohne Grund, so ist er dem Mieter wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.
b) Zur Frage des mitursächlichen Verschuldens des Mieters bei der Schadensentstehung aus grundloser Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter.
Normenkette
BGB §§ 254, 276, 535
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 19.07.1982) |
LG Hagen |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Juli 1982 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betrieb auf dem Grundstück H. straße … in H. in einem Holzhaus unter der Bezeichnung „Olafs Möbelshop” einen Einzelhandel mit skandinavischen Möbeln zum Mitnehmen. Über das benachbarte unbebaute Grundstück H. – straße 37/39 schloß sie mit dem Beklagten, dem Grundstückseigentümer, am 10. März 1976 einen Mietvertrag auf die Dauer von mindestens zehn Jahren „zur Herrichtung und Nutzung als Kundenparkplatz”. Als Mietzins waren 750 DM monatlich vereinbart. In dem Mietvertrag ist u. a. bestimmt:
„§ 7
Im Falle einer Bebauung des Grundstücks kann das Mietverhältnis vom Vermieter unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten gekündigt werden.
§ 8
Der Mieter hat die Absicht, das Grundstück zu befestigen. Im Falle einer Kündigung im Sinne des § 7 erfolgt eine Kostenteilung der für die Befestigung angefallenen Kosten. Als Höchstbetrag werden die Gesamtkosten auf DM 6 000 begrenzt. Die Aufteilung der Kosten erfolgt im Verhältnis der bis zum Kündigungszeitpunkt abgelaufenen Vertragszeit zur vorgesehenen Gesamtlaufzeit des Vertrages.”
Das dem Grundstück des Beklagten benachbarte Grundstück der Firma Brückner hatte die Klägerin für ihre geschäftlichen Zwecke ebenfalls gemietet. Wegen eines von dem Holzhaus her in das Grundstück des Beklagten hineinragenden Dachüberbaus und von der Klägerin auf dem gemieteten Grundstück angelegter hölzerner Fußwege führten die Parteien einen Rechtsstreit mit umgekehrtem Rubrum, in dem der jetzige Beklagte die Firma O. (Klägerin) u. a. auf Beseitigung der Baulichkeiten in Anspruch nahm. In diesem Vorprozeß, der mit teilweiser Erledigung der Hauptsache und im übrigen durch Abschluß eines Vergleichs endete, ließ der Beklagte mit Schriftsatz vom 1. September 1977 vortragen, er beginne „eigene Bebauungspläne seines Grundstücks zu verwirklichen, die in § 7 des Mietvertrages bereits in Aussicht genommen waren”. Da er nunmehr bebauen wolle, habe er gemäß § 7 den Mietvertrag zum 28. Februar 1978 gekündigt. Das Kündigungsschreiben datiert vom 26. August 1977 und lautet:
„Unter Bezugnahme auf § 7 des … Mietvertrages kündige ich hiermit das Mietverhältnis zu Ende Februar 1978, da ein bereits seit längerer Zeit geplanter Wiederaufbau erfolgen soll.”
Mit Schreiben vom 22. November 1977 fragte der Beklagte bei der Klägerin an, ob sie daran interessiert sei, ein Ladenlokal in dem geplanten Neubau auf dem Grundstück H. – straße 37/39 anzumieten. Die Klägerin bekundete ihr Interesse Am 5. Februar 1978 erhielt sie vom Beklagten eine Skizze der geplanten Bebauung, die der Architekt Peter D. am 26. Oktober 1977 erstellt hatte.
Die Klägerin schloß ihr Ladengeschäft zum Jahresende 1977 und räumte das Grundstück zum 28. Februar 1978. Eine Bebauung nahm der Beklagte nicht vor. Er vermietete das Grundstück vielmehr unbebaut aufgrund Vertrages vom 6. Juli 1978 an die Firma K., nachdem er es der Klägerin – erneut – zur Miete zu einem monatlichen Zins von 1 300 DM angeboten hatte.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz sinnlos gewordenen Investitionsaufwandes in Anspruch und hat geltend gemacht, sie habe sich bei Vertragsschluß auf das Kündigungsrecht gemäß § 7 Mietvertrag nur eingelassen, weil sich die Vertragsparteien einig gewesen seien, der Beklagte werde davon nur Gebrauch machen, wenn es ihm – wider eigenes Erwarten – gelingen sollte, das Grundstück B. hinzuzuerwerben, so daß er beide Grundstücke bebauen könne. Der Kündigung habe sie Rechnung getragen, weil sie irrtümlich angenommen habe, dem Beklagten sei der Erwerb des Nachbargrundstücks gelungen.
Die Klägerin hat den nutzlos gewordenen Investitionsaufwand mit 112 941,82 DM beziffert. Davon hat sie 22 588,36 DM an erwirtschafteter Abschreibung und eine vom Beklagten am 11. Januar 1980 geleistete Teilzahlung von 3 533,25 DM auf zunächst mit Mahnbescheid geltend gemachte anteilige Kosten für die Befestigung des Parkplatzes abgesetzt. Den Differenzbetrag von 86 820,21 DM hat sie eingeklagt.
Der Beklagte hält die Kündigung zum 28. Februar 1978 für gerechtfertigt und ist dem Ersatzanspruch u. a. auch mit der Behauptung entgegengetreten, die Klägerin habe den Möbelshop deshalb geschlossen, weil er unrentabel gewesen sei. Gegenüber den nach Zahlung von 3 533,25 DM verbliebenen anteiligen Parkplatzkosten (4 800 DM–3 533,25 DM) hat der Beklagte mit Mieterhöhungsbeträgen für Februar 1977 bis Februar 1978 aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Im zweiten Rechtszuge hat die Klägerin die Klage hilfsweise auf jährlich entgangenen Gewinn, den sie mit 100 000 DM beziffert hat, gestützt. Das Oberlandesgericht hat ihr lediglich 9 320,91 DM zugesprochen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter. Der Beklagte erstrebt im Wege der Anschlußrevision die vollständige Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. 1. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe sich gegenüber der Klägerin einer positiven Vertragsverletzung schuldig gemacht, denn er habe das Mietverhältnis ohne Grund gekündigt.
a) Die Kündigungsklausel gemäß § 7 Mietvertrag habe den Sinn gehabt, den Beklagten in die Lage zu versetzen, im Falle des Eigenbedarfs zum Zweck der Bebauung, sei es unter Einbeziehung des Nachbargrundstücks der Firma B., sei es ohne dieses Gelände, wieder in den Besitz seines Grundstücks zu gelangen. Die Klausel sei nach ihrem Wortlaut, der die Bebauung als solche sogar zur Kündigungsvoraussetzung erhebe, nach der Interessenlage beider Vertragspartner und als eine Ausnahmeregelung eng auszulegen. Für die Klägerin sei, dem Beklagten erkennbar, die Nutzung des gemieteten Grundstücks über einen Zeitraum von zehn Jahren von erheblicher Bedeutung gewesen. Die bloße Absicht, das Grundstück zu bebauen, habe die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der „Fall einer Bebauung” im Sinne von § 7 Mietvertrag könne nur bejaht werden, wenn nach dem Stand der Planung die Durchführung des Bauvorhabens tatsächlich und rechtlich gesichert sei. Im Kündigungszeitpunkt sei die Realisierung des ins Auge gefaßten Wiederaufbaus dagegen noch offen gewesen. Weder die wirtschaftliche Durchführbarkeit noch die baurechtliche Zulässigkeit seien geklärt gewesen. Durch die Formulierung des Kündigungsschreibens habe der Beklagte jedoch bei der Klägerin den Eindruck erweckt, die Bebauung sei schon beschlossen und gesichert. Sie sei geeignet gewesen, über die Gründe der Kündigung falsche Vorstellungen zu erwecken und die Klägerin zu nachteiligen Dispositionen zu veranlassen. Damit habe der Beklagte schuldhaft gegen seine vertraglichen Sorgfaltspflichten verstoßen. Eine schuldhaft unberechtigt ausgesprochene Kündigung eines Mietverhältnisses erfülle den Tatbestand einer positiven Vertragsverletzung und begründe die Pflicht zur Schadensersatzleistung.
b) Das Berufungsgericht hat aufgrund der erhobenen Beweise die Überzeugung gewonnen, daß die Klägerin das Geschäftslokal nicht geschlossen hätte, wenn ihr der Mietvertrag über den Parkplatz nicht gekündigt worden wäre. Es sei nicht ersichtlich, weshalb sie sonst das Ladenlokal nicht hätte weiterbetreiben sollen, zumal sich, entgegen der Darstellung des Beklagten, keinerlei Anhaltspunkte für eine mangelnde Rentabilität des Geschäfts ergeben hätten.
c) Durch die Geschäftsaufgabe seien die Aufwendungen zur Herrichtung des Geschäftslokals und des Parkplatzes weitgehend nutzlos geworden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Klägerin einen Ertrag erwirtschaftet hätte, der eine Amortisation der Investitionen gewährleistet hätte.
2. Die restriktive Auslegung der Kündigungsklausel des § 7 Mietvertrag läßt die Revision als einen ihr günstigen Ausgangspunkt gelten. Die Anschlußrevision bekämpft die Wertung, die sich in den Grenzen tatrichterlichen Ermessens hält und interessengerecht ist, vergeblich. Die Vertragsparteien haben sich auf eine „Mindestmietdauer von zehn Jahren” geeinigt. Die Mindestlaufzeit sicherte dem Beklagten langfristig feste Einnahmen. Der Tod des Vermieters sollte die Mindestlaufzeit nicht abkürzen. Auch die Klägerin durfte sich deshalb mit ihren wirtschaftlichen Dispositionen, insbesondere was die Amortisation ihres Investitionsaufwandes angeht, grundsätzlich auf zehn Jahre einrichten. Unter diesen Umständen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, den Kündigungsgrund des Falles einer Bebauung des Grundstücks, ausgehend vom Wortlaut der Klausel, eng zu fassen und ihn nur zu bejahen, wenn nach Abschluß einer wirtschaftliche Gesichtspunkte einschließenden Bauplanung der Bebauungsentschluß gefaßt und die baurechtliche Durchführbarkeit – etwa durch eine Bauvoranfrage – soweit geklärt war, daß die Realisierung des Vorhabens ins Werk gesetzt werden konnte. So hat der Beklagte die Klausel im übrigen selbst verstanden. Das zeigt nicht nur das Kündigungsschreiben selbst, sondern auch der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Sachvortrag im Vorprozeß, soweit es darin heißt, daß er „nunmehr beginne eigene Bebauungspläne seines Grundstücks zu verwirklichen, die in § 7 des Mietvertrages bereits in Aussicht genommen waren”. Daran muß sich der Beklagte festhalten lassen. Die Anschlußrevision läßt dies außer acht und versucht im übrigen, ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen.
Unstreitig ist, daß der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung keineswegs entschlossen war, das an die Klägerin vermietete Grundstück zu bebauen. Das Berufungsgericht hat darin recht, daß er gleichwohl bei der Klägerin den Eindruck erweckt hat, die Bebauung stünde bevor und er sei deshalb zur Kündigung gemäß § 7 Mietvertrag berechtigt. Anders konnte insbesondere seine bereits zitierte Sachdarstellung im Vorprozeß und seine Anfrage vom 22. November 1977 nicht verstanden werden, ob die Klägerin auf die Einbeziehung ihres Möbelgeschäfts in die Raumgestaltung Wert lege, was diese in ihrer Antwort vom 28. Dezember 1977 im Prinzip bejahte.
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, das Verhalten des Beklagten sei als positive Vertragsverletzung zu werten, macht die Revision sich zu eigen. Die Anschlußrevision wendet sich dagegen ohne Erfolg.
a) Die Frage, ob die unberechtigte Kündigung des Mietverhältnisses Ersatzpflichten auslöst, ist in Literatur und Rechtsprechung bisher vorwiegend im Zusammenhang mit der Kündigung von Wohnraum erörtert und unterschiedlich beurteilt worden. So hat das Landgericht Kassel (MDR 1970, 683) ausgeführt, dem Mieter, der nach unbegründeter fristloser Kündigung seitens des Vermieters das für mehrere Jahre abgeschlossene Mietverhältnis beende, stehe ein Schadensersatzanspruch nicht zu. Das Landgericht Hamburg (MDR 1976, 844) hat demgegenüber gemeint, der Vermieter von Wohnraum könne sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er eine unwirksame Kündigung ausspreche. Den Mieter könne ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens treffen, wenn er der Kündigung nicht widersprochen habe. In der Literatur wird das Problem im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 564 b BGB (vgl. BGB-RGRK, 12. Aufl., § 564 b Rdn. 40, 41; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., § 564 b Rdn. 134-136; MünchKomm, BGB, § 564 b Rdn. 75-79), aber auch im Rahmen der fristlosen Kündigung gemäß § 542 BGB erörtert (vgl. BGB-RGRK, aaO § 542 Rdn. 13; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., IV Rdn. 44 m.w.Nachw.). Danach werden zugunsten des Mieters Ersatzansprüche auch bei fahrlässig unbegründeter Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarf begründet (BGB-RGRK, aaO Rdn. 41). Voelskow (MünchKomm aaO) verneint eine Ersatzpflicht des Vermieters, wenn die angegebenen Gründe die Kündigung erkennbar nicht rechtfertigen.
b) Die Frage nach den Rechtsfolgen einer unbegründeten Kündigung, stellt sich bei Wohn- und Gewerberaummiete, bei fristgebundener und fristloser Kündigung gleichermaßen. Fehlt ein Kündigungsgrund, so tritt die Gestaltungswirkung der Kündigung nicht ein; das Mietverhältnis besteht vielmehr fort. Mit der wegen fehlender materieller Gründe unwirksamen Kündigung macht der Vermieter dem Mieter indessen den Gebrauch der Mietsache streitig und verletzt damit seine Vertragspflichten. Geschieht das schuldhaft, wobei Fahrlässigkeit genügt und erwächst dem Mieter daraus ein Schaden, so ist der Vermieter dem Mieter aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung ersatzpflichtig.
So liegt der Fall hier. Da die Bebauungspläne entgegen der Darstellung des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht vor der Verwirklichung standen, ein Kündigungsgrund also nicht vorlag, hat das Berufungsgericht im Ergebnis darin recht, daß der Beklagte durch die Kündigung der Klägerin die weitere Nutzung des Mietobjekts in vorwerfbarer Weise streitig gemacht hat. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe sich für berechtigt gehalten, die Kündigung schon in dem frühen Vorbereitungsstadium auszusprechen. Er befand sich in einem Rechtsirrtum. Das Risiko, die Rechtslage unzutreffend zu beurteilen, trägt grundsätzlich der Schuldner. Nur wenn der Beklagte unverschuldet zu der irrtümlichen Beurteilung des Kündigungsrechts aus § 7 des Mietvertrages gelangt wäre, würde der Vorwurf einer fahrlässig begangenen positiven Vertragsverletzung entfallen. Der erkennende Senat hält daran fest, daß an die Beurteilung dieser Frage strenge Maßstäbe anzulegen sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1974 – KZR 6/73 = NJW 1974, 1903, 1904). Mit Rücksicht darauf, daß hier, wie dargelegt, gewichtige Gründe für die Ansicht der Klägerin sprechen, ein Kündigungsrecht sei nur für den Fall einer unmittelbar bevorstehenden Verwirklichung der Baupläne vereinbart worden, mußte der Beklagte bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt damit rechnen, daß ihm ein Kündigungsrecht nicht zur Seite stand. Der Rechtsirrtum war mithin nicht entschuldbar.
c) Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision kann eine unwirksame Kündigung nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich nicht in ein Angebot zur Vertragsaufhebung umgedeutet werden, das die Klägerin durch Räumung und Herausgabe des Grundstücks angenommen habe (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1980 – VIII ZR 299/79 = WM 1980, 1397 m.w.Nachw.). Für eine andere Beurteilung, insbesondere für die Annahme eines Verzichts der Klägerin auf ihre Rechte aus der sachlich nicht begründeten Kündigung fehlt nach den tatrichterlichen Feststellungen jeglicher Anhaltspunkt.
d) Die Anschlußrevision zieht nicht in Zweifel, daß ein infolge unberechtigt herbeigeführter vorzeitiger Vertragsbeendigung teilweise nutzlos gewordener Investitionsaufwand erstattungsfähiger Schaden sein kann. Die Verfahrensrüge, es habe an einer ausreichenden Grundlage für eine Schätzung der Ertragslage gemäß § 287 ZPO für die restliche Mietzeit gefehlt, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat seine Bewertung im Rahmen tatrichterlichen Ermessens auf die Bekundungen des Zeugen Heidbrede und auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Die ermittelte Ertragslage erlaubt die Annahme einer Amortisation des Investitionsaufwandes bei zehnjähriger Vertragsdauer.
II. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte sei nur zu einem Teil schadensersatzpflichtig, weil die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden treffe (§ 254 BGB).
a) Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, die Klägerin habe es unterlassen, den Schaden durch Abschluß des ihr vom Beklagten am 26. Juni 1978 angebotenen Mietvertrages über den Parkplatz zu einem monatlichen Mietzins von 1 300 DM zu mindern. Sie hätte bei einem Vertragsschluß das Möbelgeschäft wieder eröffnen können; „der Gewinnentgang hätte sich dann auf wenige Monate beschränkt”. Einleuchtende Gründe, die gegen eine erneute Anmietung des Grundstücks sprechen könnten, habe die Klägerin nicht angeführt. Soweit ihr ein Schaden dadurch entstanden sei, daß sie das Parkplatzgelände nicht erneut angemietet habe, müsse die Klägerin ihn selbst tragen. Den Beklagten treffe wohl eine Verantwortung dafür, daß die Klägerin infolge der unberechtigten Kündigung das Geschäft eingestellt habe, nicht aber dafür, daß sie es nicht wieder eröffnet und weiterbetrieben habe. Erstattungsfähig sei daher nur derjenige Schaden, der der Klägerin entstanden wäre, wenn sie nach Abschluß eines neuen Mietvertrages das Geschäft im September 1978 wieder eröffnet hätte. Unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten und die darin fortgeschriebene Umsatzstatistik hat das Berufungsgericht den mutmaßlichen monatlichen Gewinn gemäß § 287 ZPO auf 2 200 DM geschätzt und ihr diesen Betrag für sieben Monate, gerechnet von März 1978 an, insgesamt also 15 400 DM, zugebilligt. Als ausgleichspflichtig hat die Vorinstanz außerdem Werbekosten im Zusammenhang mit der Wiedereröffnung des Möbelshops in Höhe von 11 012,49 DM angesehen. Der 26 412,49 DM (15 400 DM + 11 012,49 DM) übersteigende Schaden brauche vom Beklagten nicht mitgetragen zu werden (§ 254 Abs. 2 BGB).
b) Das Berufungsgericht hat ferner gemeint, der Klägerin könne Schadensersatz auch insoweit nicht zugebilligt werden, als sie nach dem neu abzuschließenden Vertrag einen höheren Mietzins zu zahlen gehabt hätte. Sie hätte, da die Kündigung unberechtigt gewesen sei und der Beklagte sich seinerseits schadensersatzpflichtig gemacht habe, Anspruch auf Freistellung von der Mietzinsmehrforderung gehabt und dies einredeweise geltend machen können.
c) Das Berufungsgericht hat schließlich gemeint, der Beklagte brauche den festgestellten Gesamtschaden von 26 412,49 DM nicht voll zu erstatten, weil die Klägerin schon an der Entstehung seines Schadens eine erhebliche Mitschuld treffe. Es habe nämlich nichts näher gelegen, als beim Beklagten nachzufragen, wann das Bauvorhaben durchgeführt werden solle und ob dessen Realisierung schon gesichert sei. Bei einer entsprechenden Erkundigung, die sich angesichts der vagen Angaben im Kündigungsschreiben geradezu aufgedrängt habe, hätte sich sogleich herausgestellt, daß die Kündigung nicht berechtigt und mithin unwirksam gewesen sei. Die Klägerin habe deshalb in grobem Maße gegen die in eigenen Angelegenheiten gebotene Sorgfalt verstoßen. Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens sei zu berücksichtigen, daß der Vertragsverstoß und das Verschulden des Beklagten nicht sehr schwerwiegend seien. Der Beklagte habe grundsätzlich die Kündigung aussprechen dürfen und hätte in dem Kündigungsschreiben nur anzugeben brauchen, daß sich die Bauplanung noch in einem unverbindlichen Stadium befände. Der Klägerin sei anzulasten, daß sie noch nicht einmal den Versuch unternommen habe aufzuklären, wie weit die Baupläne schon gediehen waren. Ihr falle insbesondere zur Last, daß sie viel eher als der Beklagte habe beurteilen können, ob sie ohne den Parkplatz das Geschäft noch werde weiterbetreiben können. Unter diesen Umständen treffe sie das größere Verschulden daran, daß ihr überhaupt ein Schaden entstanden sei. Die Klägerin müsse deshalb zwei Drittel des Schadens selbst tragen und könne vom Beklagten nur Ersatz für ein Drittel (= 8 804,16 DM) verlangen.
2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten weder den Angriffen der Revision noch den Rügen der Anschlußrevision stand.
a) War die Klägerin, wie das Berufungsgericht meint, verpflichtet, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen und auf diese Weise der Entstehung eines Schadens entgegenzuwirken, und kann sie demzufolge nur einen Teil des durch ihr Untätigbleiben entstandenen Schadens ersetzt verlangen, so kann ihr nicht zusätzlich angelastet werden, sie habe den eingetretenen Schaden mindern müssen. Die Sachverhalte, aus denen die Vorinstanz einerseits die Schadensabwendungspflicht und andererseits die Schadensminderungspflicht hergeleitet hat, schließen einander aus. War die Klägerin verpflichtet, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen und demgemäß am Mietvertrage festzuhalten, so kann sie nicht gleichzeitig verpflichtet gewesen sein, der Kündigung nachzugeben und sodann einen neuen Mietvertrag abzuschließen. Abgesehen davon ist überhaupt fraglich, ob es der vorliegende Sachverhalt rechtfertigt, eine Pflicht der Klägerin zu bejahen, das Angebot des Beklagten zum erneuten Abschluß eines Mietvertrages über das Grundstück Hindenburgstraße 37/39 anzunehmen. Die Frage müßte gegebenenfalls bejaht werden, wenn der Beklagte bereitgewesen wäre, den Vertrag zu denselben Regelungen abzuschließen, wie sie in dem von ihm zu Unrecht gekündigten Mietvertrage vereinbart waren. Das ist jedoch nicht der Fall. Aufgrund des Vertrages vom 10. März 1976 schuldete die Klägerin, selbst wenn – was das Berufungsgericht annimmt – das geltend gemachte Mieterhöhungsverlangen berechtigt gewesen wäre, monatlich 789,75 DM. Im Vertragsangebot vom 26. Juni 1978 verlangte der Beklagte einen monatlichen Mietzins von 1 300 DM. Das entspricht einer Mietzinserhöhung von knapp 65 %. Der wegen vertragswidrigen Verhaltens auf Schadensersatz in Anspruch genommene Beklagte kann von der vertragstreuen Klägerin nicht verlangen, daß sie sich auf derart ungünstige neue Vertragsbedingungen einließ.
Die Reduzierung des von der Klägerin geltend gemachten Gesamtschadens im Wege der Schadensminderung auf 26 412,49 DM kann danach keinen Bestand haben.
b) Soweit das Berufungsgericht ausführt, die Klägerin habe schon der Entstehung eines Schadens dadurch entgegenwirken müssen, daß sie sich nach Zugang des Kündigungsschreibens vom 26. August 1977 beim Beklagten nach den näheren Umständen der Bebauung des Grundstücks erkundigte, begegnet das zwar im Grundsatz keinen Bedenken. Die Revision insbesondere hat indessen darin recht, daß die Wertung des Geschehensablaufs, die das Berufungsgericht im Zusammenhang des § 254 BGB vorgenommen hat, zwar nicht gänzlich unvereinbar mit den Ausführungen zur positiven Vertragsverletzung ist, davon jedoch nicht unwesentlich abweicht. Das gilt in gleicher Weise für die Auslegung des § 7, die darin gipfelt, daß der Beklagte die Kündigung habe aussprechen dürfen, sofern er nur darauf hinwies, die Bauplanung befände sich noch in einem unverbindlichen Stadium, aber auch für die Kündigungserklärung und die begleitenden Umstände, sowie für die Beurteilung des beiderseitigen Verschuldens. Das Berufungsgericht hat unberücksichtigt gelassen, daß die Anfrage der Klägerin nach dem Stand der Verwirklichung des Bauvorhabens vermutlich nur zu einer Vorverlegung des Streites über die Bedeutung der Kündigungsklausel geführt hätte, in dessen Verlauf der Beklagte seine später im vorliegenden Rechtsstreit eingenommene Position ebenso nachdrücklich vertreten, d. h. entsprechend dem tatsächlichen Stand seiner Planung ein Kündigungsrecht für sich in Anspruch genommen hätte. Daß die Klägerin in diesem Falle anders gehandelt hätte, als sie es im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung nach ihrem Verständnis der Kündigungsklausel getan hat, erscheint zumindest zweifelhaft. Was ihr an Gegenwehr zumutbar war, kann nicht ohne Berücksichtigung der damit für sie unter Umständen verbundenen Nachteile beurteilt werden. Je gewichtiger die Gründe sind, die für die Wirksamkeit einer umstrittenen Kündigung sprechen, desto weniger kann dem gekündigten Mieter zugemutet werden, sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Vermieter einzulassen oder es auf einen Prozeß ankommen zu lassen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, ob und in welcher Höhe er sich Ersatzansprüchen des Vermieters aussetzt, wenn er der Kündigung entgegentritt. Nur wenn das Fehlen eines Kündigungsgrundes auf der Hand liegt oder wenn dem Mieter aus anderen Umständen des konkreten Einzelfalles zumutbar ist, sich gegen die Kündigung zu wehren, kann eine Ersatzpflicht des Vermieters für Kündigungsfolgeschäden aus dem Gesichtspunkt mitwirkenden Verschuldens des Mieters ganz oder teilweise entfallen (§ 254 BGB).
Ob sich danach die Schadensverteilung im Verhältnis 1/3 (Beklagter) zu 2/3 (Klägerin) halten läßt, begegnet durchgreifenden Bedenken. Eine sachgerechte Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang die Vertragsparteien beide zur Entstehung des durch die Kündigung des Mietvertrages entstandenen Schadens beigetragen haben, erfordert eine erneute Wertung der in § 7 Mietvertrag getroffenen Vereinbarung und der sie begleitenden Umstände. Das muß dem Tatrichter vorbehalten werden. Da nicht auszuschließen ist, daß eine anderweite Gesamtschau des Geschehens dazu führt, der Klägerin die erlittenen Nachteile allein anzulasten, war das angefochtene Urteil auf die Revision und die Anschlußrevision aufzuheben. In der anderweiten Verhandlung wird im übrigen Gelegenheit sein zu prüfen, ob dem Beklagten aus § 3 Mietvertrag weitere 516,75 DM zustehen. Das vom Berufungsgericht hierzu vermißte tatsächliche Vorbringen wird der Beklagte nachholen können.
3. Da der endgültige Erfolg der Rechtsmittel vom Ergebnis der erneuten Verhandlung und Entscheidung abhängt, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung aber die Kosten des Revisionsverfahrens vorzubehalten.
Unterschriften
Braxmaier, Wolf, Dr. Skibbe, Treier, Dr. Paulusch
Fundstellen
Haufe-Index 538051 |
BGHZ |
BGHZ, 296 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1984, 632 |