Entscheidungsstichwort (Thema)
Depotverwahrung
Leitsatz (amtlich)
a) Beim Oder-Depot ist § 430 BGB nur für die Rechte aus dem Depotverwahrungsvertrag, nicht für die Eigentumsläge an den verwahrten Wertpapieren von Bedeutung.
b) Für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere stellt § 1006 BGB eine Vermutung und § 742 BGB eine schwach ausgeprägte Auslegungsregel für gleiche Anteile der Oder-Depotinhaber auf.
c) Die Errichtung eines Oder-Depots gibt über die Eigentumslage in der Regel keinen Aufschluß.
Leitsatz (redaktionell)
Zur Anwendbarkeit des § 430 BGB hinsichtlich eines Gemeinschaftsdepots mit Einzelverfügungsberechtigung (Oder-Depot).
Normenkette
BGB §§ 430, 742, 1006
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.05.1995) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Mai 1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die jetzt 74 Jahre alte Klägerin ist die Witwe des im November 1990 im Alter von 87 Jahren verstorbenen Erblassers, der Beklagte eines seiner drei Kinder aus erster Ehe. Die Parteien streiten u.a. um Wertpapiere aus dem Gemeinschaftsdepot des Erblassers und der Klägerin. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Erblasser vereinbarte mit der Klägerin im Jahre 1967 Gütertrennung sowie gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Zugleich setzte er seine Kinder als Erben ein. Den Beklagten bestimmte er später zum Testamentsvollstrecker. Der nicht unvermögenden Klägerin schenkte er 100.000 DM. Außerdem vermachte er ihr den lebenslangen Nießbrauch an seinem Hausgrundstück und Hausrat. Sein Vermögen bestand vor allem aus diesem Grundstück und Wertpapieren, insbesondere Rentenwerten, über mehr als 300.000 DM.
Die Wertpapiere befanden sich zunächst in einem Einzeldepot des Erblassers. Im Jahre 1985 wurde dieses von ihm und der Klägerin im Zusammenwirken mit der Bank in ein Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsberechtigung (Oder-Depot) umgewandelt. Entsprechendes geschah bei den Bankkonten des Erblassers. Nach dessen Tode ließ der Beklagte die Wertpapiere in ein Depot übertragen, über das nur er verfügen kann.
Mit der Klage begehrt die Klägerin u.a., den Beklagten zur Übertragung des halben Depotbestandes und zur Abrechnung mehrerer Wertpapiere zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage u.a. hinsichtlich des Abrechnungsbegehrens durch Teilurteil stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie insoweit abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils in diesem Punkt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet
I.
Das Berufungsgericht hat das Abrechnungsbegehren der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, es könne nicht festgestellt werden, daß die Klägerin Miteigentümerin der streitigen Wertpapiere geworden sei: Die Errichtung eines Gemeinschaftsdepots gebe keinen Aufschluß darüber, wer von den Depotinhabern Eigentümer dar verwahrten Wertpapiere sei. Insoweit sei auf die Parteivereinbarungen abzustellen. Bei Ehegatten, die in Gütertrennung lebten, könne nicht angenommen werden, daß mit der Umwandlung eines Einzeldepots in ein Gemeinschaftsdepot auch die Eigentumsverhältnisse am Depotbestand geändert werden sollten. In derartigen Fällen diene die Einrichtung eines Gemeinschaftsdepots dazu, beiden Ehegatten einen Herausgabeanspruch gegen die Bank zu geben. Miteigentum beider Depotinhaber an neu erworbenen Wertpapieren sei allerdings anzunehmen, wenn nach Einrichtung des Gemeinschaftsdepots beide Ehepartner aus getrennten Vermögensmassen Geld eingebracht hätten, um Wertpapiere anzukaufen und den Depotbestand zu erhöhen. Das habe die Klägerin indes ebenso wenig dargelegt wie eine Schenkung des Erblassers. Da die Wertpapiere nicht zur Vermögensmasse der Klägerin gehörten, habe sie auch keinen Anspruch auf die Hälfte der Wertpapiererträge.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Entgegen der Ansicht der Revision steht der Klägerin nach § 430 BGB kein Anspruch gegen den Beklagten auf hälftige Beteiligung an den Wertpapieren aus dem Oder-Depot zu. Die Eigentumslage bei Wertpapieren in einem solchen Depot ist unter Berücksichtigung der §§ 742, 1006 BGB zu beurteilen.
1. Bei Oder-Konten ist die Anwendung des § 430 BGB allerdings anerkannt. Derjenige, der eine andere als die dort vermutete hälftige Beteiligung der Kontoinhaber oder einen Ausschluß der Ausgleichspflicht behauptet, hat dies darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteile vom 29. November 1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239, 240 und vom 23. September 1992 – XII ZR 66/91, WM 1993, 1005). Ob dies auch bei Oder-Depots gilt, hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden; in BGHZ 4, 295, 297 wird § 430 BGB nicht erwähnt. Das OLG Hamm (WM 1991, 130, 131 und OLG-Report 1992, 333, 334) hat sich zwar für die Anwendung des § 430 BGB ausgesprochen. Dem kann aber nur mit folgender erheblicher Einschränkung zugestimmt werden:
Beim Oder-Depot ist zwischen der Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden (MünchKomm/Karsten Schmidt, BGB 2. Aufl. § 741 Rdn. 52). § 430 BGB, der das Innenverhältnis von Gesamtgläubigern regelt, ist nur für die Rechte aus dem Verwahrungsvertrag von Bedeutung. Nur in bezug auf sie, nicht aber in bezug auf die verwahrten Wertpapiere sind die Inhaber eines Oder-Depots Gesamtgläubiger. Gesamtgläubigerschaft bei Inhaberpapieren, zumal wenn es sich um Beteiligungspapiere handelt, gibt es nicht. Bei diesen folgt das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier. Maßgebend ist somit die dingliche Berechtigung, also die Eigentumslage. Über diese gibt die Errichtung eines Depots als Oder-Depot in der Regel keinen Aufschluß (BGHZ 4, 295, 297; OLG München WM 1951, 731, 733 und WM 1953, 594, 596; KG WM 1951, 867, 868; Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl. Rdn. 2095; Heinsius/Horn/Than, DepotG § 2 Rdn. 11). Das gilt schon deshalb, weil der Depotinhaber nicht Eigentümer der verwahrten Wertpapiere sein muß. Daß es sich, wie etwa bei Bundesobligationen und -schatzbriefen, zum Teil um unverbriefte Wertrechte handelt, ist insoweit ohne Belang. Diese sind rechtlich wie verbriefte Wertpapiere zu behandeln (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht Rdn. 9.163, 9.169).
2. Für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere stellt § 1006 BGB eine Vermutung auf. Diese streitet im Falle von mittelbarem Besitz für den mittelbaren Besitzer (§ 1006 Abs. 3 BGB) und im Falle von Mitbesitz für gemeinschaftliches Eigentum. Im Hinblick auf § 741 BGB ist in der Regel Miteigentum nach Bruchteilen anzunehmen (BGHZ 4, 295, 298; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91, WM 1993, 902, 905 m.w.Nachw.), wobei den Teilhabern im Zweifel gleiche Anteile zustehen (§ 742 BGB).
Da die Inhaber eines Oder-Depots als mittelbare Mitbesitzer zu behandeln sind, greift zugunsten der Klägerin zwar die vorgenannte Auslegungsregel ein (vgl. Hansen, Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und -depot Diss. Köln 1967 S. 87; Schoele WM 1951, 301; Koller JZ 1972, 646, 649; a.A. Canaris a.a.O. Rdn. 2095). Diese ist aber nur schwach ausgeprägt. Sie kommt nicht zum Zuge, wenn sich aus dem Parteiwillen etwas anderes ergibt oder wenn sie der Sachlage nicht gerecht wird. Bei einem Oder-Depot wird das grundsätzlich der Fall sein, weil die Errichtung eines Oder-Depots über die Eigentumslage in der Regel keinen Aufschluß gibt (BGHZ 4, 295, 297).
3. Unter Berücksichtigung dessen ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Umwandlung des Einzeldepots in ein Oder-Depot habe an der Eigentumslage der darin verwahrten Wertpapiere nichts geändert und nicht zum hälftigen Miteigentum der Klägerin an später erworbenen Papieren geführt. Dies ist entgegen der Ansicht der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die vorgenommene tatrichterliche Würdigung ist ohne weiteres möglich. Erfahrungsgemäß dient die Errichtung eines Oder-Depots bei Eheleuten häufig nur dem Zweck, neben dem Eigentümer auch dem dinglich nicht berechtigten anderen Ehegatten Verfügungen über die Wertpapiere zu ermöglichen (BGHZ 4, 295, 297; Canaris a.a.O. Rdn. 2095; Hansen a.a.O. S. 86 f.). Dies liegt im vorliegenden Falle besonders nahe. Bei Umwandlung seines Depots in ein Oder-Depot war der Erblasser bereits 82 Jahre alt und gesundheitlich beeinträchtigt. Der Erblasser, der den Beklagten damals noch nicht zum Testamentsvollstrecker bestimmt hatte, mochte es deshalb für sinnvoll halten, der Klägerin insbesondere für den Fall seines Todes ein Recht zur Verfügung über seine Depotwerte einzuräumen.
b) Eine mit der Umwandlung des Depots in ein Oder-Depot verbundene Schenkung des Erblassers an die Klägerin hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung früher geschlossener Verträge rechtsfehlerfrei verneint.
aa) Der Erblasser hatte mit der etwa 20 Jahre jüngeren Klägerin Gütertrennung sowie gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart und gleichzeitig seine drei Kinder aus erster Ehe als Erben eingesetzt. Mit diesem Vertrag verfolgte er ersichtlich das Ziel, sein Vermögen unter weitgehendem Ausschluß der Klägerin seinen Kindern zukommen zu lassen. Zur Versorgung der nicht unvermögenden Klägerin trug er durch die Bestellung eines lebenslangen Nießbrauchsrechts an seinem Hausgrundstück und durch die Schenkung von 100.000 DM bei. Ein formloses Wegschenken der Hälfte des Wertpapierdepots, vom Hausgrundstück abgesehen der einzige bedeutsame Vermögenswert des Erblassers, konnte das Berufungsgericht als mit der vom Erblasser durch Gütertrennung, Erb- und Pflichtteilsverzicht gezeigten wohlüberlegten Einstellung unvereinbar ansehen.
bb) Einen besonderen Grund des Erblassers, ihr das hälftige Miteigentum an den im Depot verwahrten Wertpapieren schenkweise zu übertragen, hat auch die Klägerin nicht behauptet. Sie hat insoweit lediglich vorgetragen, der Erblasser habe sich „sehr wohl erklären lassen, daß die Umschreibung als Gemeinschaftsdepot mit der Klägerin eine Schenkung des hälftigen Depotbestandes an die Klägerin war”. Wann und aus welchem Anlaß diese – unrichtige – Auskunft erteilt worden sein soll, trägt die Klägerin nicht vor. Substantiierter, einer Beweisaufnahme zugänglicher Tatsachenvortrag für einen zwischen dem Erblasser und der Klägerin geschlossenen Schenkungsvertrag fehlt. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Klägerin insoweit nicht ausgeschöpft, ist unbegründet.
c) Hat das Berufungsgericht danach eine Schenkung oder ehebedingte Zuwendung durch Errichtung des Oder-Depots ohne Rechtsfehler verneint, so spricht nichts dafür, der Erblasser habe der Klägerin bei später gekauften Wertpapieren Miteigentum verschaffen wollen. Neu erworbene Papiere fallen regelmäßig in das Alleineigentum des Anschaffenden (Canaris a.a.O. Rdn. 2095). Daß die Kauforders für diese Papiere nicht der Erblasser erteilt oder die Klägerin Mittel für den Erwerb zur Verfügung gestellt hat, hat sie selbst nicht behauptet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stehen dem Erwerb neuer Papiere vielmehr Verkäufe anderer gegenüber. Es liegen also bloße Ersatzbeschaffungen des Erblassers vor.
III.
Die Revision der Klägerin war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen
Haufe-Index 1122705 |
NJW 1997, 1434 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 674 |
MDR 1997, 560 |
ZBB 1997, 181 |