Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 02.07.2014) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. Juli 2014 im Strafausspruch hinsichtlich der Taten 3 bis 7 und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen (Tatvorwürfe 1 und 2) – wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 8), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 3) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen (Taten 4 bis 7) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.960 EUR angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ebenso wie die Revision des Angeklagten unbegründet.
Rz. 2
1. Nach den Urteilsfeststellungen verkaufte der mehrfach wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestrafte Angeklagte um den 30. Juli 2013 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 3 % THC gewinnbringend für 2.500 EUR an den Zeugen K., der das Rauschgift seinerseits gewinnbringend weiterverkaufte (Tat 3).
Rz. 3
Am 8. November 2013 veräußerte der Angeklagte für 90 EUR zwei Kügelchen Kokain (1,3 Gramm mit mindestens 40 % KHC) an den Zeugen D., bei dem das Betäubungsmittel sichergestellt wurde (Tat 4).
Rz. 4
Ferner verkaufte der Angeklagte gewinnbringend an eine von den Ermittlungsbehörden eingesetzte Vertrauensperson (VP) am 1. November 2013 1,03 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt rund 57 % KHC) für 100 EUR, am 16. November 2013 1,61 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt rund 57 % KHC) für 170 EUR und am 7. Dezember 2013 1,57 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt rund 44 % KHC) für 100 EUR (Taten 5 bis 7). In den ersten beiden Verkaufsfällen bot der Angeklagte der VP die Lieferung von 50 bis 100 Gramm Kokain bester Qualität an. Beim letzten Verkaufsvorgang äußerte die VP Interesse an dem Kauf von 100 Gramm Kokain.
Rz. 5
Am 12. Dezember 2013 suchte die VP den Angeklagten in dessen Unterkunft im Asylbewerberheim auf; die Beteiligten einigten sich auf den Kauf von 115 Gramm Kokain zu je 75 EUR pro Gramm. Nachdem der Angeklagte das Rauschgift abgewogen und verpackt hatte, übergab er es an seinen Bekannten Ka., der ihn zur Abwicklung des Geschäfts auf einen nahe gelegenen Parkplatz begleiten sollte. Der Angeklagte selbst nahm zwei spitz zulaufende Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm an sich und steckte sie sich seitlich in den Hosenbund, um sich „notfalls damit zu verteidigen”. Bei der anschließenden Übergabe des Rauschgifts (rund 111 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 59 %) an die VP und einen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten wurden der Angeklagte und Ka. festgenommen (Tat 8).
Rz. 6
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt – angesichts des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN) – lediglich in Bezug auf die Taten 3 bis 7 zur Aufhebung des Strafausspruchs. Das Landgericht hat in diesen Fällen bei der Strafzumessung im engeren Sinn rechtsfehlerhaft zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „durch den angeordneten Verfall von Wertersatz zusätzlich getroffen” werde (UA S. 21). Die mit dem (Wertersatz-)Verfall verbundene Vermögenseinbuße stellt keinen Strafmilderungsgrund dar. Der Verfall dient allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 1995 – 2 StR 691/94, NStZ 1995, 491 und vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369; Beschluss vom 22. November 2000 – 1 StR 479/00, NStZ 2001, 312; vgl. für die Einziehung von Beziehungsgegenständen bei Geldwäsche: BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 StR 490/14).
Rz. 7
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der für die Taten 3 bis 7 verhängten Einzelstrafen und somit zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Der Senat weist zudem darauf hin, dass die Verhängung jeweils der Mindeststrafe für die Taten 5 bis 7 angesichts der festgestellten strafschärfenden Umstände – zumal ohne eingehendere Erörterung – rechtlich bedenklich erscheint.
Rz. 8
3. Der Strafausspruch hinsichtlich der Tat 8 hat hingegen Bestand. Die Annahme eines minder schweren Falls des § 30a Abs. 3 BtMG durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es ist Sache des Tatgerichts, die strafschärfenden und strafmildernden Strafzumessungsgesichtspunkte gegeneinander abzuwägen; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN).
Rz. 9
Gemessen daran greifen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts nicht durch. Das Landgericht hat Art und Intensität der Tatprovokation eingehend dargestellt und bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt. Es war entgegen der Revision nicht gehalten, eine differenzierende Betrachtung anzustellen, dass die Tatprovokation sich lediglich auf die Durchführung des Betäubungsmittelgeschäftes und nicht auf das Mitführen der beiden Messer bezog. Auch die Wertung, dass die Gefährlichkeit der „kleinen handelsüblichen Küchenmesser weit hinter der Gefährlichkeit einer Schusswaffe” zurückstehe (UA S. 20), ist nicht rechtsfehlerhaft. Entsprechendes gilt für die Erwägung, der Angeklagte habe die Messer bei sich geführt, um sie „lediglich in einem Angriffsfall einsetzen zu können”. Ungeachtet dessen, dass entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rechtsfigur eines „normativen” oder „forensischen” Regelfalls nicht anerkannt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, aaO), versteht der Senat die kritisierte Formulierung nicht dahin, dass die Strafkammer die bloße Erfüllung des Tatbestands ohne Hinzutreten erschwerender Umstände zugunsten des Angeklagten gewertet hat. Vielmehr dienen diese Ausführungen nach dem – maßgebenden – Zusammenhang (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, aaO, S. 349 f.; Urteil vom 19. Februar 2014 – 5 StR 626/13, Rn. 21 insoweit in NStZ 2014, 476 nicht abgedruckt) ersichtlich der Absicherung des zuvor gefundenen Ergebnisses der Annahme eines minder schweren Falles.
Rz. 10
Es ist vorliegend schließlich auch nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl nicht die Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG geprüft und erörtert hat, denn es hat sich vorliegend bei einer Einzelstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe ersichtlich nicht an der Strafrahmenuntergrenze orientiert.
Rz. 11
4. Die Überprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
Unterschriften
Sander, Dölp, König, Berger, Bellay
Fundstellen
Haufe-Index 7639473 |
NStZ-RR 2015, 281 |
NStZ-RR 2015, 6 |