Leitsatz (amtlich)
a) Im Rahmen der Berechnung des Quotenschadens der Altgläubiger (§§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG) sind unter einfachem Eigentumsvorbehalt des Lieferanten stehende und damit dessen Aussonderungsrecht gemäß § 43 KO unterliegende Warenbestände des Gemeinschuldners nicht der hypothetisch im Zeitpunkt rechtzeitiger Konkursanmeldung für die Verteilung verfügbaren Masse zuzurechnen.
b) Entsprechendes gilt auch für vom Gemeinschuldner sicherungszedierte Forderungen, wenn der Zessionar ihren Wert aufgrund seines Absonderungsrechts (§§ 4 Abs. 2, 48 KO) der Aktivmasse entzieht, wovon im Regelfall auszugehen sein wird.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; GmbHG § 64 Abs. 1; KO § 4 Abs. 2, §§ 43, 48
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.12.1995) |
LG Duisburg |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08. Dezember 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt als Konkursverwalter über das Vermögen der I. GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) den Beklagten, der bis zum 12. Februar 1991 deren Geschäftsführer war, wegen Verletzung der Konkursantragspflicht auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Hauptgläubigerin der Gemeinschuldnerin, die D. N. Bank (im folgenden: DNB), nahm im April 1989 einen zuvor wegen des Verdachts der Überschuldung gestellten Konkursantrag im Hinblick auf eine Tilgungsabrede zur Rückführung ihrer Darlehensforderung von ca. 70 Mio. DM zurück. Nach Einstellung der vereinbarten Tilgungsleistungen im Herbst 1989 und langwierigen, jedoch ergebnislosen Verhandlungen über eine neue Tilgungsvereinbarung wurde auf erneuten Antrag der DNB am 22. August 1991 das Konkursverfahren eröffnet. Zur Konkurstabelle wurden Forderungen in Höhe von 64.657.812,84 DM festgestellt, davon 62.024.881,63 DM zugunsten der DNB; die zu verteilende Masse beträgt derzeit 62.107,42 DM, kann sich allerdings im Hinblick auf eine Konkursanfechtung des Klägers noch um ca. 1,1 Mio. DM erhöhen. Der Beklagte hat es – nach den von ihm nicht mehr angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen – zumindest fahrlässig versäumt, spätestens zum 31. Dezember 1989 Konkursantrag zu stellen, weil die Gemeinschuldnerin bereits damals konkursreif war. Die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin betrugen zu diesem Zeitpunkt 65.878.000,– DM; ihnen standen nach der Behauptung des Klägers Vermögenswerte von ca. 8,5 Mio. DM, überwiegend in Form von Forderungen aus Lieferungen, Leistungen und Darlehen sowie von unter Eigentumsvorbehalt stehenden Warenbeständen, gegenüber. Bereits am 15. Dezember 1988 hatte die Gemeinschuldnerin an die DNB wegen ihrer Kreditverbindlichkeiten sicherungshalber sämtliche Forderungen gegen Dritte mit Ausnahme solcher aus drittfinanzierten Geschäften abgetreten.
Das Landgericht hat der auf Ersatz eines Teilquotenschadens von 2 Mio. DM gerichteten Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Oberlandesgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß der vom Kläger geltend gemachte Quotenschaden gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG für alle Altgläubiger zusammen hier in der Differenz zwischen dem Masseerlös, der sich bei rechtzeitiger Konkursanmeldung ergeben hätte, und dem späteren im Konkurs tatsächlich erzielten Erlös besteht.
Revisionsrechtlicher Nachprüfung hält jedoch die Berechnung dieses Quotenschadens mit mindestens 2 Mio. DM nicht stand, weil dabei die Feststellung einer am 31. Dezember 1989 hypothetisch verteilbaren Masse von 8,5 Mio. DM einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Zugrundelegung einer derartigen hypothetischen Masse stehe weder die zwischen der Gemeinschuldnerin und der DNB am 15. Dezember 1988 vereinbarte Sicherungszession aller Forderungen noch der Eigentumsvorbehalt Dritter am gesamten Warenlager entgegen, weil „derartige Kreditsicherheiten auf der Aktivseite nicht in Abzug zu bringen” seien. Das begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Oberlandesgericht verwechselt ersichtlich die bilanzielle Behandlung von Kreditsicherheiten mit der Frage nach der freien Konkursmasse. Die Aktivierung der Gegenstände und Rechte des Schuldners, die Gläubigern als Sicherheit dienen, und die gleichzeitige Passivierung der gesicherten Verbindlichkeiten entsprechen zwar anerkannten Bilanzierungsgrundsätzen (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB). Das bedeutet aber nicht, daß solche bilanziell erfaßten Kreditsicherheiten auch als Masse tatsächlich und rechtlich für die Befriedigung der Konkursgläubiger im Falle rechtzeitiger Konkursanmeldung zur Verfügung standen. Nur auf die effektive Verfügbarkeit kommt es indes für die Ermittlung des Quotenschadens an.
a) Unter (einfachem) Eigentumsvorbehalt stehende Warenbestände gehören nicht zur Konkursmasse (§ 1 KO) und unterliegen daher dem Aussonderungsrecht des Eigentums-Vorbehaltsverkäufers gemäß § 43 KO (vgl. z.B. BGHZ 100, 19, 24). Dementsprechend hat der Wert derartiger Warenbestände – der sich hier allenfalls mittelbar aus der A.-Bilanz mit ca. 1,4 Mio. DM ergibt – bei der Berechnung der hypothetischen Masse zum 31.12.1989 außer Betracht zu bleiben; daß etwa hinsichtlich solcher Waren Anwartschaftsrechte der Gemeinschuldnerin wertmäßig zu realisieren gewesen wären, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
b) Bei Wirksamkeit der Sicherungszession vom 15. Dezember 1988 – wovon aufgrund der Unterstellung des Berufungsgerichts jedenfalls für das Revisionsverfahren auszugehen ist – hätte der DNB als Treunehmerin an den abgetretenen Forderungen im Wert von 6,5 Mio. DM kein Aussonderungs-, sondern nur ein Absonderungsrecht gemäß § 48 KO zugestanden (vgl. z.B. BGHZ 109, 47, 53; BGH, Urt. v. 17. April 1986 – IX ZR 54/85, ZIP 1986, 720, 721 m.w.N.). Als Inhaberin eines solchen Vorzugsrechts war sie befugt, abgesonderte Befriedigung aus den ihr dinglich verhafteten Rechten, die (begrifflich) zur Masse gehören, unabhängig vom Konkursverfahren zu suchen (§ 4 Abs. 2 KO). Die Ausübung des Absonderungsrechts (sei es nach § 127 Abs. 2 KO oder infolge der Freigabe durch den Konkursverwalter) hat rechtlich und – bei Werthaltigkeit – auch tatsächlich eine Verminderung der Aktivmasse zur Folge (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 9. Aufl. § 4 Rdn. 1). Da die sicherungshalber abgetretenen Forderungsrechte selbst bei (voller) Werthaltigkeit die persönlichen Forderungen der DNB auch nicht annähernd abdeckten, hätte diese am 31. Dezember 1989 im Wege der Absonderung den Verwertungserlös in vollem Umfang beanspruchen können und nicht etwa teilweise der Masse den Wert gewähren müssen (vgl. schon RGZ 124, 73, 75). Insofern hätten also die dem Absonderungsrecht der DNB unterliegenden Forderungsrechte seinerzeit nicht als – hypothetische – freie Masse zur Befriedigung der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger zur Verfügung gestanden. Dafür, daß etwa die DNB darauf verzichtet hätte, durch Ausübung ihres Absonderungsrechts die Forderung der Masse effektiv zu entziehen (vgl. § 64 KO), hat der – insoweit darlegungspflichtige – Kläger bislang nichts vorgetragen.
Bereits wegen der fehlerhaften rechtlichen Einordnung von Eigentumsvorbehalt und Sicherungszession, von der vermeintliche hypothetische Massewerte im Umfang von ca. 7,9 Mio. DM betroffen sind, hat die Annahme eines Teilquotenschadens von 2 Mio. DM keinen Bestand.
2. Abgesehen davon hat das Berufungsgericht aber auch die Werthaltigkeit des gesamten von ihm zugrunde gelegten Massebestandes nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
a) Von einer Werthaltigkeit der vom Kläger ohnehin nur pauschal unter Bezugnahme auf das K.-Gutachten behaupteten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie privaten Darlehensforderungen von insgesamt 6,5 Mio. DM (Sicherungszession) kann zum maßgeblichen Zeitpunkt des 31. Dezember 1989 entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht hinreichend sicher ausgegangen werden. Denn der Kläger hat zugleich – insoweit in Übereinstimmung mit dem Beklagtenvorbringen – vorgetragen, es sei „der Gemeinschuldnerin jedenfalls in der Zeit zwischen Oktober 1989 und dem Konkursantrag Mitte 1991 nicht im entferntesten gelungen, die in der A.-Bilanz noch als voll werthaltig eingestuften Forderungen, insbesondere gegenüber diversen im Ausland ansässigen Unternehmen, zu realisieren”; dies sei im K.-Gutachten eindrucksvoll dargelegt, wonach „es feststehe, daß nicht eine der dort näher aufgeführten Forderungen mit Aussicht auf Erfolg eingeklagt werden könne”. Danach ist auch mangels effektiv verteilungsfähiger Masse in Höhe von 6,5 Mio. DM ein vom Beklagten zu verantwortender Schaden nicht schlüssig dargetan.
b) In der vom Kläger mit pauschal 2 Mio. DM bewerteten Position „Grundstücks- und Warenbestand, geleistete Anzahlungen” sind laut A.-Gutachten die bereits erwähnten Warenbestände mit 1,4 Mio. DM enthalten. Hierzu hat der Beklagte – bislang unwidersprochen – vorgetragen, daß sich abgesehen von dem Eigentumsvorhalt diese Waren praktisch alle außerhalb Deutschlands bei Lieferanten und Verarbeitungsbetrieben befinden. Damit wäre auch deren wertmäßige Realisierbarkeit zum 31. Dezember 1989 zu bezweifeln.
c) Hinsichtlich der restlichen 0,6 Mio. DM hat der Kläger nicht hinreichend spezifiziert dargetan, welche Vermögensgegenstände hiervon konkret erfaßt werden und inwiefern die Annahme ihrer Werthaltigkeit gerechtfertigt sein könnte, obwohl sich die A.-Bilanz als überwiegend fehlerhaft erwiesen hat.
3. Eine abschließende Abweisung der Teilklage durch den Senat gemäß § 565 Abs. 3 ZPO kommt allerdings nicht in Betracht, weil nicht auszuschließen ist, daß – entsprechend dem derzeit noch pauschalen Klägervortrag – die Globalzession und damit das aus ihr abgeleitete Absonderungsrecht als unwirksam anzusehen sind, und zwar sowohl formal im Sinne von § 9 AGBG (vgl. hierzu BGH, Vorlagebeschluß v. 6. März 1997 – IX ZR 75/95, ZIP 1997, 632) als auch inhaltlich nach § 138 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 16. März 1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630). Dann wären die davon betroffenen Forderungen rechtlich und wirtschaftlich der Konkursmasse zuzuordnen. Überdies erscheint es möglich, daß der Kläger noch konkrete Umstände für eine – zumindest teilweise – Werthaltigkeit von Vermögen der Gemeinschuldnerin am 31. Dezember 1989 vortragen kann, und zwar insbesondere hinsichtlich folgender Werte: Forderungen von 364.296,59 DM (Zahlung der Firma I. noch 1990 an die Gemeinschuldnerin, vgl. K.-Gutachten, S. 29) und von 1,364 Mio. DM (Tilgung der Firma V. ebenfalls in 1990, vgl. K.-Gutachten S. 27); ca. 922.847,– DM Guthaben bei Kreditinstituten pp. zum Stichtag laut A.-Bilanz; 307.709,20 DM „Grund- und Bodenwert B.” gemäß A.-Bilanz. Auch kann nunmehr der Wert des – vom Kläger bislang wegen der laufenden Konkursanfechtung vollständig unberücksichtigt gelassenen – Grundstücks „M.” bedeutsam sein (mindestens 700.000,– DM erzielter Kaufpreis).
II.
Auf die weiteren Revisionsrügen kommt es nicht mehr an; sie wären im übrigen unbegründet (§ 565 a S. 1 ZPO).
III.
Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen ergänzenden Feststellungen zu den vorstehend unter Nr. I aufgezeigten Umständen treffen kann und die Parteien gleichzeitig insoweit Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag erhalten.
Unterschriften
Röhricht, Dr. Goette, Dr. Kapsa ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben Röhricht, Dr. Kurzwelly, Kraemer
Fundstellen
Haufe-Index 1128058 |
HFR 1998, 130 |
NJW 1997, 3021 |
KTS 1998, 84 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 1542 |
MDR 1997, 955 |