Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldhaft verspäteter Konkursantrag durch den GmbH Geschäftsführer. Klagebefugnis der Neugläubiger hinsichtlich Quotenschadens und Ausgleichs des negativen Interesses. Klagebefugnis des Konkursverwalters für den Quotenverringerungsschaden der Altgläuber. Fiktive Quote. Reale Quote. Zweistufiger Überschuldungsbegriff. Negative Fortbestehens- und Überlebensprognose
Leitsatz (amtlich)
a) Der Verwalter im Konkurs einer GmbH ist nicht berechtigt, einen Quoten- oder sonstigen Schaden der Neugläubiger wegen schuldhaft verspäteter Stellung des Konkursantrages gegen den Geschäftsführer der GmbH geltend zu machen (Ergänzung zu BGHZ 126, 181).
b) Zur Berechnung des Quotenschadens der Altgläubiger bei einem Zusammentreffen mit sonstigen Ansprüchen der GmbH gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer.
c) Bei der Ermittlung der fiktiven (und der realen) Quote der Altgläubiger darf nur die zu ihrer Befriedigung zur Verfügung stehende „freie” Masse berücksichtigt werden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; GmbHG § 64
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Düsseldorf |
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter in dem am 9. Dezember 1988 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der C. GmbH. Ihr Stammkapital von 200.000,– DM hielten der Beklagte zu 1, der zugleich ihr alleiniger Geschäftsführer war, und die als Angestellte für sie tätige Beklagte zu 2 je zur Hälfte. Die Gemeinschuldnerin handelte mit Möbelstoffen. Sie geriet u.a. wegen Zahlungsschwierigkeiten ihrer beiden australischen Hauptabnehmer in den Jahren 1985/86 selbst in entsprechende Schwierigkeiten. Ab Mitte 1986 verhandelte sie mit ihrer Hauptlieferantin, der E. S. GmbH & Co. KG (im folgenden: S. KG) wegen dieser gegenüber aufgelaufener Verbindlichkeiten von ca. 2,7 Mio. DM. Nachdem die beiden australischen Unternehmen sich Ende Oktober 1986 zu der Zusage außerstande erklärt hatten, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Gemeinschuldnerin von 1,94 Mio. DM innerhalb der nächsten 18 Monate abzutragen, kam es am 26. November 1986 zu einer „Vergleichsvereinbarung” zwischen der S. KG und der Gemeinschuldnerin, wonach dieser ein Teil ihrer „Altschulden” von ca. 1 Mio. DM erlassen wurde und sie den Rest von 1,7 Mio. DM „nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten im Laufe von 36 Monaten” begleichen sollte. Sie zahlte hierauf nichts mehr. Im Juni 1987 meldeten die beiden australischen Firmen Konkurs an.
Die Gemeinschuldnerin hatte bei ihrer Bank einen laufenden – durch Bürgschaften und Grundschulden der Beklagten in Höhe von 400.000,– DM besicherten – Kredit, der per 30. August 1986 ca. 1,256 Mio. DM betrug. Diesen Kredit führte die Gemeinschuldnerin auf Verlangen der Bank bis Ende Dezember 1986 vollständig zurück. Unter dem, 31. Dezember 1986 vereinbarten die Beklagten mit der Gemeinschuldnerin die Auflösung ihrer Arbeitsverhältnisse gegen eine Abfindung in Form des Erlasses einer gemeinsamen Darlehensschuld von 40.000,– DM, verpflichteten sich aber gleichzeitig, für die Gemeinschuldnerin weiterhin gegen ein monatliches Entgelt von zusammen 6.000,– DM tätig zu sein. Sie bezogen daraus bis zur Konkurseröffnung am 9. Dezember 1988 126.000,– DM.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Beklagten zu 1 wegen Verletzung seiner Konkursantragspflicht gem. § 64 Abs. 1 GmbHG auf Ersatz eines Quotenschadens sämtlicher Konkursgläubiger in Höhe von 1.184.888,80 DM, hilfsweise auf Wertersatz in Höhe von 400.000,– DM wegen der Auslösung eigenkapitalersetzender Sicherheiten in Anspruch genommen. In Höhe eines Teilbetrages von 166.000,– DM hat er die Klage außerdem auf einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Abfindung und der Arbeitsvergütung gestützt und diesen Anspruch auch gegenüber der Beklagten zu 2 als Gesamtschuldnerin geltend gemacht. Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen den Beklagten zu 1 zur Zahlung von 712.154,35 DM (586.154,35 DM Quotenschaden + 126.000,– DM) und darüber hinaus beide Beklagte gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 40.000,– DM verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist im Ergebnis erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen sie ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision auch der nur zur Zahlung von 40.000,– DM verurteilten Beklagten ist gem. §§ 5, 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig, weil ihre Beschwer und diejenige des Beklagten zu 1, soweit dieser nicht als Gesamtschuldner mit ihr verurteilt worden ist, zusammenzurechnen sind (vgl. BGH, Beschlüsse v. 28. Oktober 1980 – VI ZR 303/79, NJW 1981, 578; v. 23. Juni 1983 – IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927).
Die Revision der Beklagten zu 2 bleibt insgesamt, die des Beklagten zu 1 zum Teil erfolglos und führt im übrigen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte zu 1 sei gem. § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet gewesen, spätestens Ende 1986 für die Gemeinschuldnerin Konkursantrag zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Gemeinschuldnerin überschuldet und ihre Fortbestehensprognose ungünstig gewesen. Bei pflichtgemäßer Stellung des Konkursantrages Ende 1986 hätten einer hypothetischen Konkursmasse von 852.843,30 DM damals bestehende „Altgläubigerforderungen” in Höhe von 2.908.138,33 DM gegenübergestanden, denen zur Berechnung des Quotenschadens die danach entstandenen „Neugläubigerforderungen”; in Höhe von 163.540,31 DM hinzuzurechnen seien. Der Gesamtbetrag der tatsächlichen Konkursforderungen der Alt- und Neugläubiger belaufe sich auf 2.064.737,39 DM, mithin auf 67% der fiktiven Konkursforderungen per 31. Dezember 1986. Auf dieser Grundlage errechne sich der Anteil der jetzigen Konkursgläubiger an der fiktiven Konkursmasse, der ihnen bei pflichtgemäßer Konkursanmeldung Ende 1986 zur Verfügung gestanden hätte, mit 67% von 852.843,30 DM = 571.405,01 DM. Die Differenz gegenüber der tatsächlich vorhandenen „Ist-Masse” von 36.691,46 DM ergebe einen Quotenschaden von 534.713,55 DM, den der Beklagte zu 1 gem. §§ 64 Abs. 1 GmbHG., 823 Abs. 2 BGB zu ersetzen habe. Die von ihm darüber hinaus aus anderen Gründen zur Masse zurückzugewährenden Leistungen seien bei der Berechnung des Quotenschadens nicht in Ansatz zu bringen, weil sie sowohl die Ist-Masse als auch die hypothetische Masse erhöhten.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung zum Teil nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der klagende Konkursverwalter hinsichtlich eines etwaigen Quotenschadens der sogenannten Neugläubiger nicht klageberechtigt. Wie der Senat bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 6. Juni 1994 (BGHZ 126, 181, 201) ausgeführt hat, sind die einzelnen Neugläubiger befugt, ihren nicht auf Ersatz eines Quotenschadens begrenzten Anspruch auf Ausgleich ihres negativen Interesses gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 64 Abs. 1 GmbHG gegenüber dem Geschäftsführer der GmbH – auch in deren Konkurs – selbst geltend zu machen (ebenso Sen. Urt. v. 7. November 1994 – II ZR 108/93, ZIP 1995, 211, 212 f.). Für eine konkurrierende, im Senatsurteil vom 6. Juni 1994 (aaO) noch offengelassene Befugnis des Konkursverwalters zur Geltendmachung eines Quotenschadens der Neugläubiger nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG oder eines solchen Schadens als Gesellschaftsschaden nach § 64 Abs. 2 GmbHG ist daneben kein Raum.
a) Anders als bei den Altgläubigern, die infolge der Konkursverschleppung regelmäßig einen einheitlichen Quotenverringerungsschaden und insofern einen Gesamtgläubigerschaden erleiden (vgl. BGHZ 126, 181, 190), besteht grundsätzlich kein einheitlicher Quotenschaden der Neugläubiger, der einer Geltendmachung durch den Konkursverwalter zugänglich wäre. Vielmehr müßte – entsprechend der früheren (in BGHZ 126, 181, 191 im einzelnen dargestellten) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – für jeden einzelnen Neugläubiger ermittelt werden, um wieviel sich dessen Quote ab dem Zeitpunkt der Begründung seiner Forderung durch die weitere Konkursverschleppung verringert hat, was in der Insolvenzpraxis nicht darstellbar ist und in dieser Form von dem Kläger im vorliegenden Fall auch nicht geltend gemacht oder dargetan ist. Bei Einziehung seines Schadensersatzanspruches zur Masse erhielte der einzelne betroffene Gläubiger überdies in der Regel nur eine minimale Quotenaufbesserung. Die Alternative wäre die Bildung einer Sondermasse nicht nur für die Neugläubiger insgesamt (so ursprünglich Uhlenbruck, ZIP 1994, 1153 zum Anspruch der Neugläubiger auf das negative Interesse; anders nunmehr ders. EWiR 1995, 263), sondern für jeden einzelnen der jeweils unterschiedlich geschädigten Neugläubiger, was aber dem Zweck des Konkursverfahrens und der Funktion des Konkursverwalters zuwiderliefe.
b) Ebensowenig kommt – entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht – die Geltendmachung eines einheitlichen Quotenschadens der Alt- und Neugläubiger durch den Konkursverwalter in Betracht, wodurch die Neu- den Altgläubigern gleichgestellt und so behandelt würden, als ob sie ihre Forderung schon bei Eintritt der Konkursreife erworben hätten. Diese in der Rechtsprechung und im Schrifttum bislang verbreitete Auffassung (vgl. z.B. Sen. Urt. v. 14. Oktober 1985 – II ZR 276/84, WM 1986, 237 sub. II 3. sowie insbesondere Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 64 Rdn. 54; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 64 Rdn. 33, 38; K. Schmidt, ZGR 1996, 209, 213 f.; vgl. auch Bork, ZGR 1995, 505, 510 f., 521; dagegen Eyber, NJW 1994, 1622) mag wegen der praktischen Schwierigkeiten des Schadensnachweises der Neugläubiger bis zu der Rechtsprechungsänderung durch das Senatsurteil vom 6. Juni 1994 (BGHZ 126, 181) noch eine Berechtigung gehabt haben, sah und sieht sich aber dem Einwand ausgesetzt, daß damit ein so nicht bestehender Schaden fingiert wird (gegen eine Gleichstellung aus bloßen Praktikabilitätserwägungen Flume, ZIP 1994, 337, 339; vgl. auch Goette, DStR 1994, 1048, 1052). Die Annahme, gemäß dem Schutzzweck des § 64 GmbHG habe der Geschäftsführer einen einheitlichen Quotenschaden der Alt- und Neugläubiger als „Gesamtgläubigerschaden” zu ersetzen (Scholz/K. Schmidt aaO, Rdn. 33), läuft auf eine petitio principii hinaus, weil es einen einheitlichen bzw. „gemeinschaftlichen” Schaden von Alt- und Neugläubigern nicht gibt und dieser auch durch die Zugehörigkeit beider zum Kreis der Konkursgläubiger nicht geschaffen wird (vgl. schon Sen. Beschl. v. 1. März 1993 – II ZR 292/91, ZIP 1993, 763, 768 vor 2.). Außerdem würde dadurch der einheitliche Anspruch des Neugläubigers auf Ersatz seines Vertrauensschadens ohne schadensersatzrechtlich überzeugenden Grund aufgespalten und – mit der Folge einer Prozeßvermehrung – der Geltendmachung durch verschiedene Anspruchsinhaber überantwortet (vgl. v. Gerkan in: Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB, § 130a Rdn. 22, aber auch Rdn. 13).
Der erkennende Senat konnte zwar im Urteil vom 6. Juni 1994 (aaO S. 201) offenlassen, ob neben der Befugnis des Neugläubigers, seinen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses abzüglich seiner normalen, nicht erhöhten Konkursquote auch während eines Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH gegen den Geschäftsführer geltend zu machen, eine konkurrierende Berechtigung des Konkursverwalters nach § 64 Abs. 2 GmbHG besteht. Der Senat hat dies aber implizit bereits dadurch verneint, daß er dem Einzelgläubiger die Klagebefugnis in vollem Umfang belassen hat; andernfalls wäre nämlich sowohl nach gegenwärtigem als auch nach künftigem Insolvenzrecht die Befugnis des Konkursverwalters vorrangig (vgl. K. Schmidt, ZGR 1996, 213; Uhlenbruck, ZIP 1996, 1641, 1642; ders. WIB 1996, 466, 468). Die Höhe des negativen Interesses des einzelnen Neugläubigers hängt von individuellen, für den Konkursverwalter gar nicht durchschaubaren Gegebenheiten ab und ist ein Individualschaden, der mit einer Verkürzung der Haftungsmasse nichts zu tun hat. Daher kann auch nicht ein Teil dieses Anspruchs als fingierter, an den Quotenschaden der Altgläubiger angelehnter Schaden der Neugläubiger vom Konkursverwalter geltend gemacht werden.
Gegenteiliges läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß man auf die Gesellschaft abstellt und einen ihr entstandenen Schaden darin sieht, daß sie infolge der Konkursverschleppung „nicht mehr die Quote prästieren kann, die sie bei rechtzeitigem Konkursantrag geboten hätte” (so Flume, ZIP 1994, 337, 339). Denn das ist bei realistischer Betrachtung nichts anderes als der Quotenschaden der Altgläubiger, der bei richtiger Berechnung (dazu unten 3.) auch deren Quotenverringerung durch das Hinzukommen von Neugläubigern mitumfaßt. Die Quotenverminderung als solche berührt nicht die Gesellschaft, sondern die Gläubiger. Ein Anspruch der Gesellschaft wegen der Belastung ihres Vermögens mit neuen Verbindlichkeiten bzw. Neugläubigerforderungen würde deren Gleichstellung mit „Zahlungen” i.S.v. § 64 Abs. 2 GmbHG voraussetzen, was zwar im Schrifttum weithin vertreten wird (so Flume aaO; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 64 Rdn. 8; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl., § 64 Rdn. 14; Scholz/K. Schmidt aaO, § 64 Rdn. 24; Baumbach/Schulze-Osterloh, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rdn. 14; a.A. aber Hachenburg/Ulmer aaO, § 64 Rdn. 40; Karollus, ZIP 1995, 269, 271 f. und die h.M. zum entspr. § 92 Abs. 2 AktG; vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 92 Rdn. 14 m.w.N.), ohne daß indessen von den meisten Vertretern dieser Auffassung die sich daraus ergebenden Konsequenzen gewollt sind (konsequent dagegen Wilhelm, ZIP 1993, 1833). Sie würde nämlich dazu führen, daß der Konkursverwalter vom Geschäftsführer Zahlungsausgleich nicht nur in Höhe der quotalen Mehrbelastung des Gesellschaftsvermögens, sondern in voller Höhe der zur Konkurstabelle festgestellten Neugläubigerforderungen (positives Interesse) verlangen (vgl. BGHZ 57, 78, 83) und den Betrag zur Masse ziehen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 16. September 1993 – IX ZR 255/92, ZIP 1993, 1656) mit der Folge, daß dieser allen Konkursgläubigern unter Einschluß der für ihren Quotenschaden auf anderer Grundlage abzufindenden Altgläubiger zugute käme und der einzelne Neugläubiger wegen des verbleibenden Restes seines Vertrauensschadens womöglich leer ausginge (vgl. Karollus, Festschrift für Steffen, S. 212, 218 f.). Infolgedessen hat es bei dem allein von ihm geltend zu machenden Vertrauensschaden zu verbleiben. Aus denselben Gründen kann der Konkursverwalter einen Neugläubigerschaden auch nicht über § 43 GmbHG als Gesellschaftsschaden geltend machen.
c) Da sonach zwischen den Schadensersatzansprüchen der Neu- und der Altgläubiger zu differenzieren ist und der Konkursverwalter nur letztere geltend machen kann, darf er die hierauf eingezogenen Beträge nur für die Altgläubiger verwenden und muß dies bei der Masseverteilung entsprechend berücksichtigen. Der für Konkurssachen zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Anfrage des erkennenden Senates erklärt, daß dagegen aus konkursrechtlicher Sicht keine Bedenken bestünden.
Daß in dem Quotenschaden der Altgläubiger auch anteilige „Zahlungen” i.S.v. § 64 Abs. 2 GmbHG enthalten sind, die bei isolierter Geltendmachung der Gesellschaft und damit der Masse insgesamt zu erstatten wären, spielt im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien keine Rolle. Der Senat hat auch nicht darüber zu entscheiden, ob der Konkursverwalter künftig im Verhältnis zu der Gläubigergesamtheit gehalten ist, zunächst „Zahlungen” gegen den nach § 64 Abs. 1 GmbHG haftenden Geschäftsführer geltend zu machen oder jene aus dem Quotenschaden herauszurechnen.
2. Die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten zu 1 gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG hat das Berufungsgericht unter zutreffender Anwendung des von dem erkennenden Senat zu § 63 Abs. 1 GmbHG entwickelten zweistufigen Überschuldungsbegriffs (BGHZ 119, 201, 211 ff.) ohne Rechtsfehler festgestellt. Die auf Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen können nur darauf nachgeprüft werden, ob sie in sich widersprüchlich sind, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderlaufen oder Teile des Beweisergebnisses bzw. des Parteivortrags ungewürdigt lassen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., § 550 Rdn. 13).
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Beklagte zu 1 spätestens Ende Dezember 1986 Konkursantrag stellen müssen; die Gemeinschuldnerin sei damals bei negativer Fortbestehensprognose mit ca. 900.000,– DM rechnerisch überschuldet gewesen. In einem zu diesem Zeitpunkt zu erstellenden Überschuldungsstatus seien die Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen ihre beiden australischen Großabnehmer bei Ansatz von Liquidationswerten wertberichtigend mit allenfalls 720.000,– DM (ca. 37%) anzusetzen gewesen, nachdem sich Ende Oktober 1986 beide Firmen zur Begleichung ihrer Schulden innerhalb von 18 Monaten für außerstande erklärt hätten und die Durchsetzbarkeit der Forderungen schon allein aufgrund der großen räumlichen Entfernung als sehr erschwert anzusehen gewesen sei. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
Das gilt zunächst für die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob das zwischen der S. KG und der Gemeinschuldnerin vereinbarte Stillhalteabkommen vom 26. November 1986 einen – eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gem. § 63 GmbHG ausschließenden – Rangrücktritt enthalten habe. Der Vereinbarung, in der es lediglich heißt, die Gemeinschuldnerin werde den Restbetrag von 1,7 Mio. DM „nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten im Laufe von 36 Monaten an die Firma S. überweisen”, ist nicht zu entnehmen, daß die S. KG mit ihrer Forderung hinter diejenigen aller übrigen Gläubiger zurücktreten und nur aus künftigem Bilanzgewinn oder aus Liquidationserlös befriedigt werden wollte.
Erfolglos bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die von ihm als kapitalersetzend eingestuften Sicherheiten, die der Beklagte zu 1 für die im Jahr 1986 getilgte Bankschuld der Gemeinschuldnerin gestellt habe, in der Überschuldungsbilanz aktivieren müssen. Ob das zutrifft (bejahend Scholz/K. Schmidt aaO, § 63 Rdn. 20; Baumbach/Schulze-Osterloh aaO, § 63 Rdn. 13), kann dahinstehen, weil die Höhe der Sicherheiten die rechnerische Überschuldung der Gemeinschuldnerin bei weitem nicht aufgewogen hätte.
Fehl geht auch die Rüge, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen zur Fälligkeitsstruktur der Bilanzpositionen getroffen, weil es darauf für die Frage der rechnerischen Überschuldung – anders als für die der Zahlungsunfähigkeit – nicht ankommt.
b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zur negativen Fortbestehens- und Überlebensprognose der Gemeinschuldnerin per 31. Dezember 1986.
Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Ermäßigung der Altschulden der Gemeinschuldnerin gegenüber der S. KG von 2,7 Mio. DM auf 1,7 Mio. DM sowie die Stundung dieser Restforderung auf 36 Monate aufgrund der Vereinbarung vom 26. November 1986 habe vorhersehbar nicht zu einer mittelfristig zur Fortführung des Unternehmens ausreichenden Stärkung seiner Finanzkraft geführt. Zu Unrecht meint die Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß die Stundung auf 36 Monate in Zusammenhang mit den Zahlungsschwierigkeiten der beiden australischen Abnehmer der Gemeinschuldnerin erfolgt und deshalb zu prüfen gewesen sei, ob die Gemeinschuldnerin mit dem Eingang der ihr von den australischen Abnehmern geschuldeten Zahlungen von ca. 1,9 Mio. DM binnen 36 Monaten habe rechnen können. Die Erklärung, sie seien außerstande, eine Begleichung ihrer Forderungen innerhalb von 18 Monaten zusagen zu können, läßt offen, ob und wann sie dazu überhaupt in der Lage sein würden. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht den Zahlungseingang als nicht absehbar angesehen. Darüber hinaus übersieht die Revision, daß es an einer Rechtfertigung für die Fortführung des Betriebes der Gemeinschuldnerin schon deshalb fehlte, weil die S. KG mit der Gemeinschuldnerin am 26. November 1986 vereinbart hatte, die australischen Abnehmer der Beklagten künftig selbst direkt zu beliefern, so daß der Gemeinschuldnerin nach dem zuvor erfolgten Konkurs eines anderen, südafrikanischen Großabnehmers zwei weitere Großabnehmer verlorengegangen waren und deshalb ein Geschäftsbetrieb, der es ihr ermöglicht hätte, selbst Einnahmen in größerem Umfang zu erzielen, nicht mehr stattfinden konnte.
Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich keinen Beleg für die Finanzkraft der Gemeinschuldnerin darin gesehen, daß sie den Kreditsaldo auf ihrem Geschäftskonto in Höhe von 1.265.000,– DM in der zweiten Jahreshälfte 1986 auf Verlangen ihrer Bank vollständig zurückgeführt hat. Denn die Rückzahlung erfolgte nicht aus erwirtschafteten Gewinnen, sondern auf Kosten der Gläubiger, wie ihr vom Berufungsgericht festgestellter und von der Revision nicht in Abrede gestellter Schuldenstand von ca. 2,9 Mio. DM per 31. Dezember 1986 (trotz des Forderungserlasses der S. KG von ca. 1 Mio. DM) zeigt. Daß der Stand ihrer Verbindlichkeiten zur Zeit der Konkurseröffnung am 9. Dezember 1988 nur noch ca. 2 Mio. DM betrug, beruht ersichtlich sehr wesentlich auf Umschichtungen der am 31. Dezember 1986 noch vorhandenen Masse von knapp 853.000,– DM auf schließlich 36.000,– DM (ohne Berücksichtigung der Rückforderungsansprüche gegenüber den Beklagten).
c) Aus den oben dargelegten Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich zur Genüge, daß alle für die Konkursantragspflicht maßgebenden Umstände dem Beklagten bekannt oder zumindest erkennbar waren, unter Einschluß der für die negative Fortsetzungsprognose maßgebenden Umstände.
d) Die weiteren von der Revision im Zusammenhang mit der Konkursantragspflicht des Beklagten erhobenen Revisionsrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565a ZPO).
3. a) Hinsichtlich der Höhe des ausgeurteilten Quotenschadens kann das angefochtene Urteil indessen schon deshalb nicht bestehenbleiben, weil das Berufungsgericht rechtsirrtümlich (und mit in sich fehlerhafter Berechnungsweise) den Neugläubiger-Quotenschaden in den dem Kläger zuerkannten Anspruch einbezogen hat (vgl. oben 1.). Unrichtig ist weiter die Ansicht des Berufungsgerichts, die von dem Kläger außerhalb des Quotenschadens (zum Teil hilfsweise) geltend gemachten Ansprüche der Gesellschaft wegen Verletzung des Kapitalerhaltungsgebots und aus Eigenkapitalersatz (insgesamt 440.000,– DM) seien bei der Berechnung des Quotenschadens nicht in Ansatz zu bringen. Es trifft zwar zu, daß diese sowohl die Ist-Masse als auch die hypothetische Masse erhöhen. Die rechnerische Relevanz zeigt sich aber bei richtiger Berechnung des Quotenschadens, der durch das Bestehen von zur Masse gehörenden Ansprüchen der Gesellschaft, sei es gegenüber Dritten oder dem Geschäftsführer selbst, verändert wird. Die fiktive Quote ist aus dem Verhältnis der den Altgläubigern bei Konkursreife zur Verfügung stehenden Masse zu ihren damaligen Forderungen zu ermitteln. Diese Quote ist mit den tatsächlichen Konkursforderungen der (im Konkurs noch vorhandenen) Altgläubiger zu multiplizieren; von dem Ergebnis ist der auf die Altgläubiger entfallende Masseanteil abzuziehen, der sich aus dem Verhältnis ihrer Forderungen zur Summe der Konkursforderungen ergibt.
b) Eine eigene Sachentscheidung über die Höhe des Altgläubigerschadens anhand des Zahlenmaterials in dem angefochtenen Urteil ist dem Senat wegen nicht hinreichender Feststellungen zur fiktiven Altgläubigerquote verwehrt. Zwar hat das Berufungsgericht die hypothetische Masse der Gemeinschuldnerin Ende 1986 insoweit zutreffend aus retrospektiver Sicht unter Einbeziehung der inzwischen erlangten Erkenntnisse, insbesondere zur Werthaltigkeit der damaligen Aktivforderungen, ermittelt. Jedoch darf aus Rechtsgründen nur die „freie”, den damals vorhandenen Altgläubigern (als Konkursgläubigern) zur Verfügung stehende Masse berücksichtigt werden, weshalb neben dem Anteil von gemäß §§ 58, 59 KO bevorrechtigten Gläubigern auch Aus- oder Absonderungsrechte – unter Einschluß solcher aus Sicherungszessionen – von der Masse ebenso abzusetzen sind, wie die bevorrechtigten bzw. gesicherten Forderungen von der Summe der bilanzierten Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin (vgl. Sen. Urt. v. 28. April 1997 – II ZR 20/96, WM 1997, 1679). Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, daß diesen Grundsätzen bei der Ermittlung der fiktiven Altgläubigerquote Rechnung getragen wurde.
Die Sache ist daher unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Ermöglichung der noch erforderlichen Feststellungen und zur Neuberechnung des Quotenschadens an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte sich bei der anderweiten Verhandlung und Entscheidung ein geringerer Quotenschaden als bisher ergeben, wird das Berufungsgericht über den noch nicht zuerkannten Teil des Hilfsanspruchs von 400.000,– DM (dazu unten III.) zu entscheiden haben, der neben dem Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens besteht. Soweit die Klage auf Ersatz eines höheren Quotenschadens vom Berufungsgericht abgewiesen worden ist, hat es damit sein Bewenden, weil der Kläger nicht Revision eingelegt hat.
III.
Zurückzuweisen ist dagegen die Revision des Beklagten zu 1 hinsichtlich seiner vorinstanzlichen Verurteilung in Höhe von 177.440,80 DM aus dem vom Kläger geltend gemachten Hilfsanspruch, der aus der Auslösung der von den Beklagten gestellten und in Eigenkapital umqualifizierten Sicherheiten in Höhe von 400.000,– DM durch Rückzahlung des dadurch zum Teil besicherten Bankkredits der Gemeinschuldnerin in der zweiten Jahreshälfte 1986 resultiert.
Das Berufungsgericht hat den Hilfsanpruch aufgrund von §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG für begründet erachtet, weil der Kläger die Jahresfrist für einen an sich begründeten Rückerstattungsanspruch nach § 32b Satz 1 GmbHG nur wegen der vom Beklagten zu 1 pflichtwidrig versäumten Konkursantragstellung (Ende 1986) nicht habe wahren können. Ob dieser Begründung zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn der Anspruch ist jedenfalls nach den weiterhin neben § 32a, b GmbHG fortgeltenden Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG in entsprechender Anwendung), für welche die Jahresfrist des § 32b Satz 1 GmbHG nicht gilt, gegeben. Nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts war die Gemeinschuldnerin Ende 1985 bei negativem Stand ihres Eigenkapitals von fast 1 Mio. DM kreditunwürdig. Hinreichende Umstände, die den Beklagten zu 1 daran gehindert hätten, die Krise der Gesellschaft zu erkennen und darauf binnen einer kurzen Überlegungsfrist durch Abzug seiner Kredithilfe oder durch Liquidation der GmbH zu reagieren (vgl. Sen. Urt. v. 11. Dezember 1995 – II ZR 128/94, ZIP 1996, 273, 275 m.N.), werden auch von der Revision nicht aufgezeigt. Der Beklagte hätte daher die Gemeinschuldnerin in Höhe der von ihm stehengelassenen Sicherheiten aus eigenen Mitteln freistellen müssen, als die Bank Mitte 1986 die Kreditrückzahlung verlangte (vgl. Sen. Urt. v. 9. Dezember 1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108).
IV.
Zurückzuweisen ist schließlich die Revision beider Beklagter gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung der von ihnen unter dem 31. Dezember 1986 mit der Gemeinschuldnerin vereinbarten Abfindung von 40.000,– DM. Angesichts des verlorenen Stammkapitals der Gemeinschuldnerin handelte es sich um eine gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen. Der „Verzicht” der Beklagten auf ihre bisherige, höher dotierte Tätigkeit bei der Gemeinschuldnerin, um deren Betrieb gegen geringere Vergütung noch aufrechtzuerhalten und daneben als Handelsvertreter für die S. KG tätig zu sein, war keine Gegenleistung, die einen gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnden Geschäftsführer einer Gesellschaft in der Lage der Gemeinschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung veranlaßt hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 604859 |
BGHZ, 211 |
BB 1998, 1277 |
BB 1998, 969 |
DB 1998, 978 |
DStR 1998, 651 |
NJW 1998, 2667 |
KTS 1998, 462 |
NZG 1998, 424 |
WM 1998, 944 |
WuB 1998, 789 |
ZAP 1998, 423 |
ZIP 1998, 776 |
MDR 1998, 787 |
NZI 1998, 38 |
ZInsO 1998, 41 |
GmbHR 1998, 594 |