Entscheidungsstichwort (Thema)
GmbH. Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit. Gesellschafterklage auf Erteilung einer Auskunft an den Nachtragsliquidator. Verletzung der Organpflichten eines Gesellschaftergeschäftsführers als Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht. Prozesskostenvorschuss
Leitsatz (amtlich)
Ein Gesellschafter einer zweigliedrigen, wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten GmbH i.L. kann den Mitgesellschafter, der die Gesellschaft geschädigt haben soll, auch nach Bestellung eines Nachtragsliquidators mit einer Gesellschafterklage auf Auskunft und Schadensersatzleistung an die Gesellschaft in Anspruch nehmen.
Normenkette
GmbHG § 46 Nr. 8, § 70
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 18 U 139/02) |
LG Aachen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Köln v. 19.12.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des Klägers zum Hauptantrag Ziff. 1 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Prozessparteien sind Brüder und Gesellschafter einer Ingenieurs-GmbH. Alleingesellschafter war zunächst der Beklagte, der im Jahr 1990 die Hälfte seiner Geschäftsanteile auf den Kläger übertrug. Beide waren dann Geschäftsführer bis zum Ausscheiden des Beklagten aus diesem Amt im September 1993. Im Mai 1999 beschlossen sie die Auflösung der Gesellschaft; Liquidator wurde der Beklagte; er ließ durch einen Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss und eine Liquidationseröffnungsbilanz per 28. bzw. 29.5.1999 erstellen. Im August 2000 beantragte er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH i.L. Durch Beschluss v. 25.5.2001 lehnte das AG den Antrag auf Grund des Berichts des vorläufigen Insolvenzverwalters mangels Masse ab. Am 1.10.2001 wurde die GmbH i.L. wegen Vermögenslosigkeit gem. § 141a FGG im Handelsregister gelöscht.
Mit seiner kurz danach erhobenen Klage hat der Kläger von dem Beklagten Auskunft sowie die Vorlegung von Unterlagen über den Verbleib und die Verwertung bestimmter von der GmbH entwickelter Computerprogramme (Antrag zu 1), weiter die Aufstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen mit Lageberichten zu den Geschäftsjahren 1999 und 2000 begehrt (Antrag zu 2). Nach erstinstanzlicher Klageabweisung hat er in zweiter Instanz den zusätzlichen Hilfsantrag (zu Antrag Ziff. 1) gestellt, den Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft an einen inzwischen bestellten Nachtragsliquidator zu verurteilen, dessen Bestellung der Kläger bereits während des Rechtsstreits in erster Instanz beantragt hatte. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers - unter Abweisung des Hilfsantrags als unzulässig - zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat die Revision nur hinsichtlich der Abweisung des (zweitinstanzlichen) Hilfsantrages zugelassen, den der Kläger mit seinem Rechtsmittel weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Das Berufungsgericht hält die zweitinstanzliche Klageerweiterung um den Hilfsantrag zwar für sachdienlich (§ 533 ZPO), diesen aber für unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis zur Geltendmachung des allenfalls der GmbH i.L. zustehenden Auskunftsanspruchs fehle. Eine Gesellschafterklage sei ggü. einer möglichen Klage der Gesellschaft subsidiär und komme hier nach Bestellung des Nachtragsliquidators nicht (mehr) in Betracht, zumal das Auskunftsbegehren dem Zweck einer weiter gehenden Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft dienen solle und dafür der Nachtragsliquidator zuständig sei. Ihn könne der Kläger auch durch Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG, bei dem der Beklagte gem. § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht habe, zu der Rechtsverfolgung veranlassen. Die zweitinstanzliche Behauptung des Klägers, die GmbH verfüge laut Auskunft des Nachtragsliquidators über keine finanziellen Mittel für die Prozessführung, sei gem. § 531 Abs. 2 ZPO "präkludiert" und überdies im Hinblick auf §§ 114 ff. ZPO unerheblich.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Gesellschafter einer GmbH unter noch zu erörternden Voraussetzungen berechtigt sein, einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen (BGHZ 65, 15 [19 ff.]), was namentlich dann in Betracht kommt, wenn dieser seine zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt und durch eine damit verbundene Schädigung des Vermögens der Gesellschaft mittelbar auch dasjenige des klagenden Gesellschafters geschädigt hat (BGHZ 65, 15 - ITT; BGH, Urt. v. 28.6.1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; v. 14.5.1990 - II ZR 185/89, WM 1990, 1240). Auch in der Verletzung der Organpflichten eines Gesellschaftergeschäftsführers oder eines Gesellschafters als Liquidator kann zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht liegen (BGH, Urt. v. 14.9.1998 - II ZR 175/97, MDR 1999, 429 = GmbHR 1999, 186 = ZIP 1999, 240; v. 28.6.1982 - II ZR 121/81, GmbHR 1983, 122 = MDR 1983, 32 = ZIP 1982, 1073). Entsprechendes macht der Kläger im vorliegenden Fall sinngemäß mit der Behauptung geltend, der Beklagte habe sich unter Verstoß gegen seine Pflichten als Liquidator und Gesellschafter die von dem Auskunftsbegehren betroffenen Computerprogramme der GmbH i.L. angeeignet und diese verwertet.
b) Ggü. einer Gesellschafterklage besteht allerdings ein grundsätzlicher Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft (BGH, Urt. v. 28.6.1982 - II ZR 121/81, GmbHR 1983, 122 = MDR 1983, 32 = ZIP 1982, 1073; v. 4.2.1991 - II ZR 246/89, MDR 1991, 1095 = GmbHR 1991, 363 = ZIP 1991, 582; missverständlich BGH, Urt. v. 14.5.1990 - II ZR 185/89, WM 1990, 1240), der aber jedenfalls dann entfällt, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (BGHZ 65, 15 [21]; BGH, Urt. v. 28.6.1982 - II ZR 121/81, GmbHR 1983, 122 = MDR 1983, 32 = ZIP 1982, 1073). Weiter hat der Senat im Urteil v. 4.2.1991 (BGH, Urt. v. 4.2.1991 - II ZR 246/89, MDR 1991, 1095 = GmbHR 1991, 363 = ZIP 1991, 582) eine Gesellschafterklage im Fall einer im Handelsregister gelöschten zweigliedrigen GmbH mit Rücksicht darauf zugelassen, dass ihr ein Vertretungsorgan fehlte und das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses gem. § 46 Nr. 8 GmbHG hier wegen des Stimmrechtsausschlusses des in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters (§ 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG) eine überflüssige Formalität bedeuten würde.
c) Im vorliegenden Fall verfügt die GmbH i.L. zwar nach Bestellung des Nachtragsliquidators wieder über ein Vertretungsorgan. Sie verfügt aber nicht über die Mittel für die Prozessführung, was - zumindest prima facie - schon auf Grund ihrer Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit anzunehmen ist, ohne dass es insoweit auf den vom Berufungsgericht gem. § 531 Abs. 2 ZPO als "präkludiert" angesehenen Vortrag des Klägers ankommt. Prozesskostenhilfe könnte die GmbH i.L. - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - gem. § 116 Nr. 2 ZPO nicht beanspruchen, weil die Kosten von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Prozessparteien aufgebracht werden könnten und der Rechtsstreit allgemeine Interessen nicht berührt. Ein Anspruch der GmbH i.L. gegen den Kläger auf Prozesskostenvorschuss folgt aber weder aus § 116 Nr. 2 ZPO noch aus dem GmbH-Recht. Auf die Möglichkeit, ihr die Prozesskosten gleichwohl vorzustrecken, um ihr damit die Prozessführung zu Lasten der eigenen bereits begonnenen zu ermöglichen, muss sich der Kläger nicht verweisen lassen. Maßgebend ist vielmehr, dass die GmbH i.L. von sich aus zur Klageerhebung nicht in der Lage und der Beklagte deshalb - im vorliegenden Fall einer zweigliedrigen Gesellschaft auch ohne förmlichen Gesellschafterbeschluss gem. § 46 Nr. 8 GmbHG (BGH, Urt. v. 4.2.1991 - II ZR 246/89, MDR 1991, 1095 = GmbHR 1991, 363 = ZIP 1991, 582) - zu der Gesellschafterklage befugt ist.
Die Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger werden durch die Gesellschafterklage nicht berührt, weil mit ihr grundsätzlich nur eine Leistung an die Gesellschaft begehrt werden kann. Letzteres gilt auch für den hier geltend gemachten Anspruch auf Auskunft zur Bestimmung und als Annex eines etwaigen Schadensersatzanspruchs. Ebenso wie der ggf. in das Gesellschaftsvermögen zu leistende Schadensersatz steht auch das Ergebnis der begehrten Auskunft primär der Gesellschaft zu. Von ihr kann der Kläger gem. § 51a GmbHG ggf. die Weitergabe der für eine Gesellschafterklage auf Schadensersatz erforderlichen Informationen verlangen.
2. Sonach scheitert die Zulässigkeit des Hilfsantrages des Klägers - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht daran, dass inzwischen ein Nachtragsliquidator für die GmbH i.L. bestellt worden ist, zu dessen Händen die von dem Kläger begehrte Auskunft ggf. zu erteilen ist (BGH, Urt. v. 4.2.1991 - II ZR 246/89, MDR 1991, 1095 = GmbHR 1991, 363 = ZIP 1991, 582). Das angefochtene Urteil kann daher mit der ihm von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben.
II. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Hilfsantrag des Klägers auch nicht deshalb unzulässig, weil er dazu in seiner Berufungsbegründung nichts ausgeführt, sondern erst in einem späteren Schriftsatz vorgetragen hat, der Nachtragsliquidator sei auf die im Rechtsstreit begehrten Auskünfte angewiesen. Wie die Revisionserwiderung selbst sieht, gilt § 520 ZPO für eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht, weil es sich insoweit nicht um eine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils handelt (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 520 Rz. 27, m.w.N.). Die Begründung für den Hilfsantrag als solchen ergibt sich ohnehin aus den Ausführungen des Klägers zu seinem Hauptantrag auf Auskunftserteilung in Zusammenhang mit den Grundsätzen der Gesellschafterklage von selbst.
III. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Sie käme in dem hier gegebenen Fall fehlerhafter vorinstanzlicher Abweisung einer Klage als unzulässig nur dann in Betracht, wenn die getroffenen Feststellungen ein abschließendes Urteil erlaubten und bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erschiene (BGH v. 7.7.1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137 [141 f.] = MDR 1993, 1117; Urt. v. 29.9.1993 - VIII ZR 107/93, MDR 1994, 319 = NJW-RR 1994, 175 f., jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall, weil das Berufungsgericht zum Grund des Auskunftsanspruchs und zu dem von dem Beklagten erhobenen Einwand sachfremder Rechtsverfolgung, worauf die Revisionserwiderung hinweist, keine Feststellungen getroffen hat.
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 1308061 |
BB 2005, 456 |
DB 2005, 331 |
DStR 2005, 342 |
DStZ 2005, 244 |
WPg 2005, 162 |
Inf 2005, 129 |
NWB 2005, 1020 |
BGHR 2005, 642 |
EBE/BGH 2005, 4 |
GmbH-StB 2005, 74 |
NZG 2005, 216 |
WM 2005, 281 |
WuB 2005, 295 |
ZAP 2005, 447 |
ZIP 2005, 320 |
ZInsO 2005, 313 |
GmbHR 2005, 301 |