Befugnis zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Fremdgeschäftsführer
An einer in Liquidation befindlichen GmbH waren zwei Gesellschafter beteiligt; ein Gesellschafter hielt 80 % der Geschäftsanteile, der andere – der spätere Kläger – hielt 20 % der Geschäftsanteile. Die GmbH hatte einen Geschäftsführer; dieser war an der Gesellschaft nicht beteiligt.
Der Geschäftsführer hatte für die GmbH nicht werthaltige Forderungen in nahezu siebenstelliger Höhe begründet. Der Minderheitsgesellschafter wollte den Geschäftsführer für diese wertlosen Forderungen für die GmbH auf Schadensersatz nach § 43 Abs. 2 GmbH in Anspruch nehmen und verklagte ihn. Diese Klage war zunächst erfolglos, in der Berufungsinstanz wurde ihr jedoch stattgegeben. Über die dagegen gerichtete Berufung entschied der BGH.
Das Urteil des BGH v. 25.1.2022 (II ZR 50/20)
Die Revision war erfolgreich. Aus Sicht des BGH fehlte dem Minderheitsgesellschafter die Klagebefugnis. Gegen einen Fremdgeschäftsführer könne er keine Ansprüche für die GmbH geltend machen; ein solches Recht zur Gesellschafterklage bestehe allenfalls gegen Gesellschafter-Geschäftsführer. Wenn ein Gesellschafter Ansprüche gegen einen Fremdgeschäftsführer verfolgen wolle, müsse er sich dazu an seine Mitgesellschafter halten. Sofern seine Mitgesellschafter die Mitwirkung verweigerten, könne dem durch Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklagen entgegengewirkt werden.
Praxishinweis
Der BGH befasst sich im Grundsatz mit einer prozessualen Frage – der Klagebefugnis bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen (Fremd-)Geschäftsführer. Das Urteil ist für die Praxis allerdings von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn es zeigt, dass es bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer auf Details und ein sorgfältiges Vorgehen ankommt. Der BGH ruft in Erinnerung: Als Gesellschafter den Geschäftsführer auf Zahlung von Schadensersatz an die GmbH verklagen – das geht nicht einfach so, erst recht nicht bei Fremdgeschäftsführern. Im Grundsatz gilt: Verletzen GmbH-Geschäftsführer ihre Pflichten, haften sie gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz (§ 43 Abs. 2 GmbH). Über die Geltendmachung der Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer – also über die Frage, ob und wie Ansprüche geltend gemacht werden – entscheidet die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 8 alt. 1 GmbHG). Abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. in Einpersonen-GmbHs) sind Schadensersatzklagen gegen Geschäftsführer daher nur auf Grundlage eines solchen Gesellschafterbeschlusses zulässig.
Kommt ein Beschluss nicht zustande (z.B. weil die Gesellschaftermehrheit wegen einer unklaren Rechtslage oder mit Blick auf die negative Außenwirkung eines Gerichtsverfahrens sich gegen die Anspruchsverfolgung ausspricht), müssen die Gesellschafter das grundsätzlich akzeptieren und können nicht einfach „auf eigene Faust“ gegen den Geschäftsführer klagen. Sie müssen diesen Punkt vielmehr unter sich klären. Hält ein Gesellschafter den Beschluss der Gesellschafter, nicht gegen den Geschäftsführer vorzugehen, für unzulässig, muss er gegen diese Entscheidung vorgehen. Denkbar sind Beschlussanfechtungs- und Beschlussfeststellungsklagen, die auf eine Verfolgung der Ansprüche, ggf. unter Bestellung eines besonderen Prozessvertreters, gerichtet sind. Es gibt zudem die Möglichkeit, treuwidrig agierende Mitgesellschafter auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
Diese Grundsätze gelten – das hat der BGH deutlich festgehalten – jedenfalls für Fremdgeschäftsführer. Eine Ausnahme, also ein Direktzugriff auf den Fremdgeschäftsführer durch einen Gesellschafter, käme allenfalls in Betracht, wenn die anderen Gesellschafter die Verfolgung des Anspruchs aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und der Geschäftsführer am gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Im entschiedenen Fall lag das fern.
Damit bleibt die Möglichkeit, als Gesellschafter einen Geschäftsführer direkt zu verklagen allenfalls für Fälle, in denen es um die Inanspruchnahme eines Gesellschafter-Geschäftsführers geht. Die Rede ist dann von einer sog. Gesellschafterklage (actio pro socio). Sie erlaubt es einem Gesellschafter, ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter im eigenen Namen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis (z.B. gegen einen Mitgesellschafter, der zugleich Geschäftsführer ist) auf Leistung an die Gesellschaft geltend zu machen. Auch dabei handelt es sich jedoch um einen Ausnahmefall, der v.a. dann eingreift, wenn die Ansprüche von der Geschäftsführung oder den übrigen Gesellschaftern pflichtwidrig nicht verfolgt werden.
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