Rn 115

Entgegen seiner bisherigen Ansicht[408] geht der BGH nunmehr zu Recht davon aus, dass der Anfechtungsanspruch (soweit er auf Rückgewähr in natura gerichtet ist) in der Insolvenz des Anfechtungsgegners nicht eine einfache Insolvenzforderung, sondern ein Aussonderungsrecht nach § 47 begründet.[409] Hiergegen spricht insbesondere nicht die schuldrechtliche Natur des Anspruchs (siehe hierzu oben Rn. 19); denn die haftungsrechtliche Zuordnung eines Gegenstands zum Schuldnervermögen kann – wie der Wortlaut des § 47 zeigt – sowohl auf sachenrechtlichen als auch auf schuldrechtlichen Gesichtspunkten beruhen. Letzteres ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Anspruch dem Insolvenzschuldner den Substanzwert des Gegenstands vorbehält, und diese schuldrechtliche Vermögenszuordnung – vergleichbar dem Treuhandverhältnis–[410] Ausdruck eines Herrschaftsverhältnisses an der Sache und nicht – wie etwa im Rahmen des § 433 Abs. 1 BGB – auf die Sache vermittelt.[411] Beide Anforderungen sind im Falle des § 143 Abs. 1 (soweit es um den Anspruch nach Satz 1, Herausgabe des Surrogats oder der vorhandenen Nutzungen geht) erfüllt; denn zum einen ist es Sinn und Zweck des Anspruchs aus § 143, die Masse anzureichern und dadurch den aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand haftungsrechtlich wieder dem Schuldnervermögen zuzuweisen. Zum anderen führt nicht allein die Geltendmachung des Anspruchs zur Verwirklichung der (haftungsrechtlichen) Güterzuordnung; denn der Rückgewähranspruch stellt nicht das einzige rechtstechnische Mittel dar, um die dem Anfechtungsrecht zugrunde liegende Vermögenszuordnung zu verwirklichen (siehe auch oben Rn. 22, 35 ff.). Das Anfechtungsrecht erschöpft sich m. a. W. also nicht im Anfechtungsanspruch. Demgegenüber fehlt es an den vorstehenden Voraussetzungen, wenn der Anspruch nicht auf Rückgabe in natura, sondern auf Wertersatz (oder auf Rückgewähr schuldhaft nicht gezogener Nutzungen) gerichtet ist. Die Voraussetzungen einer Ersatzaussonderung nach § 48 (oder ein Bereicherungsanspruch gegen die Masse) im Falle des Wertersatzanspruchs sind zudem auch dann nicht gegeben, wenn die Gegenleistung für das anfechtbar Erlangte nicht mehr unterscheidbar im Vermögen des Anfechtungsgegners vorhanden ist.[412]

[408] BGHZ 71, 296, 302 zu § 7 AnfG a. F. wegen der schuldrechtlichen Natur des Anfechtungsanspruchs; ebenso BGH NJW 1990, 990 (992); FK-Dauernheim, § 143 Rn. 2; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 143 Rn. 9; Häsemeyer, ZIP 1994, 418 (423); Eckardt, KTS. 2005, 15 (35 ff.); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678
[409] BGHZ 156, 350 (358 ff.) = BGH ZIP 2003, 2307 [BGH 23.10.2003 - IX ZR 252/01]; vgl. BGHZ 155, 199 (202 ff.) = BGH ZIP 2003, 1554 [BGH 24.06.2003 - IX ZR 228/02]; Kreft, ZInsO 1999, 370 (372); Haas-H. Müller, ZIP 2003, 49 (57 ff.); ebenso Jaeger-Henckel, § 143 Rn. 77 ff; HK-Kreft, § 129 Rn. 75; MünchKomm-Ganter, § 47 Rn. 346; Uhlenbruck-Hirte, § 129 Rn. 139 f.; Gottwald-Huber, § 52 Rn. 3 f.; Eckardt, KTS. 2005, 15 ff.
[410] BGH NJW 1959, 1223 [BGH 07.04.1959 - VIII ZR 219/57] (1224 f.); BGH ZIP 1993, 213 (214) [BGH 19.11.1992 - IX ZR 45/92]; BGH NJW 1996, 1543 [BGH 08.02.1996 - IX ZR 151/95] (1543 f.); ausführlich hierzu Haas-H. Müller, ZIP 2003, 49 (50 ff.); vgl. zu den Anforderungen an eine Treuhandvereinbarung BGH NJW 2003, 3414 [BGH 24.06.2003 - IX ZR 75/01] (3415 ff.)
[411] Haas-H. Müller, ZIP 2003, 49 (50 ff.); Jacoby, in: Bork (Hrsg), Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 12 Rn. 17.
[412] BGHZ 155, 199 (203) = BGH ZIP 2003, 1554 = EWiR 2004, 347 [BGH 24.06.2003 - IX ZR 228/02] (Haas-H. Müller); HK-Kreft, § 143 Rn. 35; Kübler/Prütting/Bork-Jacoby, § 143.

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