Rn 4
§ 144 Abs. 1 führt die rigorose Vorschrift des § 143 auf das haftungsrechtlich "gesollte Maß" zurück. Da die Leistung des Gesamtschuldners aus einem anfechtbaren Rechtsgeschäft an die Masse zurückzugewähren ist, wäre die Masse ihrerseits besser gestellt als ohne das Rechtsgeschäft, würde nicht dem Anfechtungsgegner ein Anspruch auf Rückgewähr seiner erbrachten Leistung zustehen. § 144 Abs. 1 stellt jedoch klar, dass der Anfechtungsgegner mit seinem Rückgewähranspruch den anderen kreditgebenden Gläubigern gleichzustellen ist. In der "Vorleistung" des Anfechtungsgegners liegt nämlich gewissermaßen eine Kreditgewährung zugunsten des Schuldners. Daher wäre es unbillig, dem Anfechtungsgegner seine Gegenleistung voll zu erstatten, müsste er doch als Kreditgeber das volle Insolvenzrisiko tragen. Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 kann es daher nur sein, die Masse so zu stellen, wie sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung stünde.
Rn 5
Fraglich ist, ob es der ausdrücklichen Anordnung in § 144 Abs. 1 bedarf, damit die zuvor erloschene Forderung nach Rückerstattung der (anfechtbaren) Leistung wieder auflebt. Mitunter wird diese Folge bereits aus dem Erfüllungstatbestand abgeleitet, nämlich dass die Erfüllung nur unter der auflösenden Bedingung eintritt, dass das Erlangte nicht zurückzugewähren ist.
2.1 Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Forderung
Rn 6
Das Wiederaufleben der Forderung nach § 144 Abs. 1 setzt voraus, dass diese durch die Leistung erloschen ist und das anfechtbar Erlangte vom Anfechtungsgegner an die Masse tatsächlich zurück gewährt wurde. Geregelt ist in § 144 Abs. 1 dabei nur das Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners. Nicht von der Vorschrift wird hingegen der umgekehrte Fall erfasst, dass nämlich die Tilgung eines Anspruchs des Schuldners gegen den Anfechtungsgegner anfechtbar wäre. Das Wiederaufleben der Forderung gegen den Anfechtungsgegners folgt hier nicht aus § 144 Abs. 1, sondern aus § 143 Abs. 1 InsO.
2.1.1 Erlöschen der Forderung
Rn 7
Damit der Anwendungsbereich des § 144 Abs. 1 eröffnet ist, muss die Forderung des Anfechtungsgegners durch die anfechtbare Leistung zunächst erloschen sein. Dabei spielt es keine Rolle, auf welche Art und Weise die Forderung zum Erlöschen gebracht wurde. Erfasst sind beispielsweise die Erfüllung nach § 362 BGB oder auch die Leistung an Erfüllungs Statt. Gleiches gilt für die Aufrechnung, Hinterlegung (§ 378 BGB) oder den Erlass. Im Falle einer Aufrechnung ist freilich auch die Spezialregelung in § 96 Abs. 1 Nr. 3 zu beachten.
Rn 8
Die zum Erlöschen gebrachte Forderung muss nicht gegen den Insolvenzschuldner gerichtet sein. Erfasst werden von § 144 Abs. 1 auch Fälle, in denen der Insolvenzschuldner in anfechtbarer Weise auf die Schuld eines Dritten gegenüber dem Anfechtungsgegner zahlt. Auch muss der Insolvenzschuldner die Forderung des Anfechtungsgegners nicht selbst unmittelbar zum Erlöschen gebracht haben. Erfasst werden von § 144 Abs. 1 auch Fälle der so genannten mittelbaren Leistung. Hierunter sind die Fälle zu verstehen, in denen der Insolvenzschuldner eine Forderung durch Einschaltung eines Dritten begleicht, wenn also der Dritte auf Weisung des Insolvenzschuldners an dessen Gläubiger leistet (und von Letzterem das Empfangene anfechtungsrechtlich an die Masse zurückverlangt werden kann).
Rn 9
Hat der Insolvenzschuldner seinem (Dritt-)Schuldner eine Ermächtigung erteilt, befreiend an einen seiner Gläubiger leisten zu können, verliert diese Ermächtigung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Wirkung. Eine dennoch erbrachte Leistung des (Dritt-)Schuldners führt daher nicht zum Erlöschen der Forderung gegen den Insolvenzschuldner.
2.1.2 Anfechtbare Leistung
Rn 10
Die Leistung, die den Erlöschenstatbestand herbeigeführt hat, muss anfechtbar sein. Als Anfechtungsgrund kommen alle in den §§ 130 ff. genannten Anfechtungstatbestände in Betracht. §...