Rn 51
Die Verjährung von Insolvenzforderungen und damit auch von nachrangigen Insolvenzforderungen wird nur dann gehemmt, wenn die Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 Var. 1 BGB). Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle ist für nachrangige Insolvenzforderungen jedoch erst dann zulässig, wenn das Insolvenzgericht die Gläubiger zur Anmeldung auffordert (§ 174 Abs. 3 Satz 1). Diese Aufforderung erfolgt regelmäßig jedoch erst zum Ende des Insolvenzverfahrens, wenn die Verjährungsfristen häufig bereits abgelaufen sind. Nach der hier vertretenen Auffassung muss die Verjährung nachrangiger Forderungen bis zur Aufforderung zur Anmeldung durch das Insolvenzgericht nach dem Rechtsgedanken der §§ 203 ff. BGB (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 Var. 1 BGB analog) gehemmt sein, da der Gläubiger durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 174 Abs. 3 an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Insoweit besteht eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke.
Die für Insolvenzforderungen allein vorgesehene Art der Rechtsverfolgung ist die Anmeldung zur Insolvenztabelle. Eine andere Form der Rechtsverfolgung; insbesondere die Zwangsvollstreckung ist Insolvenzgläubigern und ebenso den nachrangigen Insolvenzgläubigern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwehrt (§ 89 Abs. 1). Der nachrangige Insolvenzgläubiger hat also keine rechtliche Möglichkeit, seine Forderung durchzusetzen. Er ist der Verjährung schutzlos ausgesetzt. Die Rechtsordnung sieht keinen Rechtsbehelf vor, der als alleiniges Rechtschutzziel die Verhinderung der Verjährung vorsieht. Auch verfahrensökonomisch wäre es widersinnig, den Gläubiger zu einem Rechtsbehelfsverfahren zu zwingen, das allein die Verjährung verhindern soll, den Gläubiger aber seinem Rechtschutzziel nicht näher bringt. Die Rechtsordnung hat denjenigen vor Verjährung zu schützen, der sein eigentliches Rechtschutzziel vorübergehend nicht verfolgen kann. Das ergibt insbesondere auch die historische Auslegung der §§ 203 ff. BGB.
Rn 52
Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gab es nur drei Vorschriften, die eine Verjährungshemmung regelten: § 202 BGB a.F. regelte die Verjährungshemmung aus rechtlichen Gründen, § 203 BGB a.F. regelte die Verjährungshemmung aus tatsächlichen Gründen während § 204 BGB a.F. die Verjährungshemmung aus familiären Gründen regelte. Nach § 202 BGB a.F. war die Verjährung gehemmt, solange der Verpflichtete vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt war. Mit der Neufassung der Norm wurden einzelne Unterbrechungstatbestände in Hemmungstatbestände umgewandelt. Das alte System der Hemmungstatbestände und insbesondere § 202 BGB a.F. sollte nach der Gesetzesbegründung nicht inhaltlich verändert, sondern nur "entsprechend der geringen Bedeutung der Vorschrift erheblich vereinfacht" werden, damit sie sich weniger für Umgehungsversuche anbietet. Der weite Wortlaut führte dazu, dass der Hemmungstatbestand "aus rechtlichen Gründen" sich weitgehend überschnitt mit anderen, strenger formulierten Verjährungsvorschriften und dahinter zurücktrat.
Hauptanwendungsbereiche der früheren Vorschrift waren die vereinbarten Leistungsverweigerungsrechte, so dass die Neufassung sich nur noch ausschließlich auf diese bezog. Wie oben dargestellt, war eine echte Einschränkung des Anwendungsbereiches damit nicht beabsichtigt. Die weitgehend erscheinende Veränderung der Norm beruht also im Wesentlichen auf dem für gering gehaltenen Anwendungsbereich und nicht auf einer absichtlichen Einschränkung des Anwendungsbereichs auf vertragliche Leistungsverweigerungsrechte.
Schließlich streitet auch die Ratio der Hemmungsvorschriften für eine analoge Anwendung der Hemmungstatbestände. Die §§ 203 bis 208 BGB sind Ausdruck des römischen Rechtsgedanken "agere non valenti non currit praescriptio": Wenn der Gläubiger sein Recht nicht durchsetzen kann (und damit die Verjährung auch nicht seinerseits hemmen kann), darf die Verjährung nicht gegen ihn laufen. Dabei regelt § 204 BGB abschließend die rechtlichen Durchsetzungshindernisse. Bei Verabschiedung der Norm ging der Gesetzgeber davon aus, dass die gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechte vom Gläubiger grundsätzlich überwunden werden können.
Teleologisch ergibt es keinen Sinn, den Gläubiger zu einer Feststellungsklage zu zwingen, die den einzigen Zweck hat, eine Verjährung zu verhindern. Es dürfte sich ohnehin die Frage stellen, ob einer solchen Klage ohne materielles Feststellungsziel nicht ohnehin das Rechtschutzbedürfnis fehlt, zumal das gleiche Ergebnis durch Normauslegung erreicht werden kann.
Rn 53
Meldet ein Gläubiger eine aus Sicht des Verwalters nachrangige Forderung i.S.d. § 39 als Insolvenzforderung i.S.d. § 38 zur Tabelle an, muss der Verwalter die Forderung in die Tabelle aufnehmen und bestreiten, da es sich nicht um eine allgemeine Insolvenzforderung handelt. Der Gläubiger muss die Möglichkeit erhalten, mit einem Feststellungsverfahren nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1...