Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung. Gegenstandswert. Anwaltliche Tätigkeit. Revisionsverfahren. Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
- Die Verweisung in § 197a Abs. 1 SGG auf die kostenrechtlichen Vorschriften der VwGO haben das Kostenrisiko des um die Zulassung streitenden Vertrags(zahn)arztes/Psychotherapeuten erheblich erhöht, da er neben den Anwaltskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten seit dem 2. 1. 2002 auch Gerichtskosten und evtl. die erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen zu tragen hat.
- In Hinblick auf die veränderte Sach- und Rechtslage legt der Senat für nach dem 1. 1. 2002 in erster Instanz anhängig gewordene Zulassungsverfahren künftig Einnahmen aus der angestrebten vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Tätigkeit in einem Zeitraum von drei Jahren für die Ermittlung des Streitwerts zu Grunde. Für Verfahren, in denen das alte Kostenrecht weiter gilt, bleibt es bei dem bisher angewandten Fünf-Jahres-Zeitraum.
Normenkette
BRAGO § 116 Abs. 2, § 8 Abs. 2 S. 2; SGG § 197a Abs. 1 S. 1; GKG § 63 Abs. 1-2, § 52; RVG § 23
Tenor
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Revisionsverfahren wird auf
116.063 €
festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Revisionsverfahren beruht auf § 116 Abs 2 iVm § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) in der vom 1. September 2003 bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Allerdings ist das erstinstanzliche Verfahren bereits im Jahre 1999 anhängig geworden. Die Vergütung des Rechtsanwalts im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich jedoch gemäß § 134 Abs 1 Satz 2 BRAGebO (in der vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung) nach den Vorschriften, die zu dem Zeitpunkt gegolten haben, in dem das Rechtsmittel eingelegt worden ist. Die Revision ist am 26. Mai 2004 eingelegt worden.
Die ab 1. Juli 2004 geltenden Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) wie des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) kommen hier nicht zur Anwendung. Zwar gehört das Revisionsverfahren, in dem die Zulassung der Klägerin zur vertragszahnärztlichen Versorgung Streitgegenstand gewesen ist, zu den in § 197a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (≪SGG≫ – in der ab dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 – BGBl I 2144) genannten Verfahren. In diesen Verfahren ist aber aus Gründen des Vertrauensschutzes insgesamt das bis zum 1. Januar 2002 geltende alte Kostenrecht weiter anzuwenden, wenn die Klage vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden ist (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff; SozR 4-1930 § 8 Nr 1 RdNr 1). Das ist hier der Fall.
Auf der Grundlage der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Vorschriften der BRAGebO hat der Senat in Anlehnung an § 13 Abs 1 Satz 1 GKG (ebenfalls in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung) für die Höhe des Gegenstandswertes maßgeblich auf die sich aus dem Antrag des Rechtsuchenden für ihn ergebende Bedeutung der Sache, dh in der Regel auf dessen wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen, abgestellt (BSG SozR 1930 § 8 Nr 2 S 2 ff; SozR 3-1930 § 8 Nr 1 S 2; aaO Nr 2 S 8). Wie der Wortlaut des § 13 Abs 1 Satz 1 GKG aF und die dazu ergangene Rechtsprechung klar stellen, ist dabei der wirtschaftliche Wert des in Streit befindlichen Anspruchs entscheidend. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierzu keine genügenden Anhaltspunkte, ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert auf 4.000 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 € anzunehmen (§ 8 Abs 2, 2. Halbs BRAGebO).
In vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Zulassungsangelegenheiten ist der Senat in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Gegenstandswert in der Regel in Höhe der Einnahmen anzusetzen ist, die der Zulassungsbewerber (bzw -inhaber) im Falle der (weiterbestehenden) Zulassung innerhalb der nächsten fünf Jahre hätte erzielen können, wobei die erzielbaren Einkünfte um die durchschnittlichen Praxiskosten in der jeweiligen Behandlergruppe zu vermindern sind (zB Beschluss vom 17. Juni 2003 – B 6 KA 33/02 B, mwN – juris; Beschluss vom 7. April 2000 – B 6 KA 61/99 B, mwN – juris; vgl auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, 2005 § 197 RdNr 7h; Wenner/Bernard, NZS 2001, 57, 59). Anlass zum Unterschreiten des Zeitraums von fünf Jahren hat der Senat nur dann gesehen, wenn von vornherein feststand oder nach Lage der Umstände mit Gewissheit zu erwarten war, dass die vertrags(zahn)ärztliche/-psychotherapeutische Tätigkeit lediglich für eine kürzere Dauer ausgeübt werden sollte oder konnte (so für vertragsärztliche Ermächtigungen BSG SozR 3-1500 § 193 Nr 6 S 16).
Der 3. Senat des BSG hat bisher in Verfahren, die den Zugang von Personen bzw Institutionen zur ambulanten oder stationären Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen betreffen, den Gegenstandswert ebenfalls unter Zugrundelegung eines Fünf-Jahres-Zeitraums festgesetzt (vgl zB BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 4; aaO Nr 5; SozR 4-1930 § 8 Nr 2).
Der erkennende Senat hält an der aufgezeigten Rechtsprechung für die Zukunft mit der Maßgabe fest, dass an die Stelle des Zeitraums der nächsten fünf Jahre die nächsten drei Jahre treten. Die Instanzgerichte sind der bisherigen Rechtsprechung zur Festsetzung des Gegenstandswertes in Zulassungsangelegenheiten nur zum Teil gefolgt. Insbesondere nach dem In-Kraft-Treten des neuen Kostenrechts im sozialgerichtlichen Verfahren am 2. Januar 2002 sind die kritischen Stimmen stärker geworden. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen und später das LSG Niedersachsen-Bremen (3. Senat) halten den vom Senat bisher zu Grunde gelegten Fünf-Jahres-Zeitraum nicht mehr für sachgerecht, weil er Gerichtskosten – soweit solche anfallen – und Anwaltskosten so unangemessen hoch werden lasse, dass für die Betroffenen (Zahn)Ärzte/Psychotherapeuten die Möglichkeit der Anrufung der Sozialgerichte (SG) in Zulassungsangelegenheiten praktisch unmöglich gemacht werde (zB Beschluss vom 24. Januar 2002 – L 3 B 6/02 KA – unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 311 ff; Beschluss vom 23. März 2004 – L 3 KA 101/01 –). Dem hat sich für die Zeit ab dem 2. Januar 2002 das SG Gotha angeschlossen (Beschluss vom 12. Mai 2005 – S 7 KA 2157/02 –), und auch das SG Hannover folgt dieser Auffassung (Beschluss vom 23. Oktober 2003 – S 16 KA 156/01 –). Demgegenüber führen die LSGe Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 25. April 2005 – L 5 B 39/05 KA –), Niedersachsen-Bremen – 11. Senat – (Beschluss vom 7. Januar 2005 – L 11 B 6/01 KA –), Bayern (Beschluss vom 25. April 2005 – L 12 B 390/04 KA –) und Thüringen (Beschluss vom 12. März 2004 – L 4 B 15/01 KA –) die bisherige Rechtsprechung des Senats auch nach Inkrafttreten des neuen Kostenrechts fort.
Im Hinblick auf die veränderte Sach- und Rechtslage legt der Senat für Zulassungsverfahren, in denen § 197a SGG Anwendung findet – mithin für solche, die nach dem 1. Januar 2002 in erster Instanz anhängig geworden sind –, künftig Einnahmen aus der (angestrebten) vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Tätigkeit in einem Zeitraum von drei Jahren für die Ermittlung des Streitwerts zu Grunde. Die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs 1 oder Abs 2 GKG nF bestimmt sich vor allem nach der auf § 52 GKG beruhenden Wertberechnung, und der gerichtlich festgesetzte Wert ist nach § 23 Abs 1 Satz 1 RVG auch für die Anwaltsvergütung maßgeblich.
Für Verfahren, in denen aus Vertrauensschutzgründen das alte Kostenrecht weiter gilt, bleibt es indessen bei dem bisher angewandten Fünf-Jahres-Zeitraum. Das gilt unabhängig davon, ob die Rechtsgrundlage der Anwaltsvergütung § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung oder § 23 Abs 3 Satz 2 RVG ist (dazu näher Beschluss vom 1. Februar 2005 – B 6 KA 70/04 B –, SozR 4-1935 § 33 Nr 1).
Der Änderung der Rechtsprechung des Senats steht das ursprüngliche Bestreben um eine gewisse Vereinheitlichung der Wertfestsetzung in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten bei Zulassungsangelegenheiten nicht entgegen. Die nach wie vor sachgerechte Annäherung der Wertfestsetzung in vergleichbaren Verfahren gebietet vielmehr eine Reduzierung der Werte im vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Bereich.
Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Senats zur Ermittlung des Gegenstandswertes in Zulassungssachen war der Beschluss vom 14. November 1977 – 6 BKa 7/76 – (SozR 1930 § 8 Nr 2 S 3). Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Geschäftswert (§ 30 Kostenordnung ≪KostO≫ iVm § 202 Bundesrechtsanwaltsordnung) in anwaltlichen Zulassungsangelegenheiten (BGHZ 39, 110, 115) hatte der Senat im Interesse einer Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und der Gleichbehandlung der Betroffenen auf die Einnahmen aus der kassenärztlichen Tätigkeit “im Laufe von etwa 5 bis 10 Jahren” abgestellt. Diese vom Senat herangezogene Rechtsprechung des BGH ist nunmehr aber überholt. Der Senat für Anwaltssachen nimmt den Geschäftswert in anwaltlichen Zulassungssachen inzwischen regelmäßig mit pauschal ca 100.000 DM an. Die Höhe der Einnahmen aus der Anwaltspraxis “im Laufe von etwa fünf bis zehn Jahren” ist dabei lediglich ein Element der Begründung der Festsetzung des Geschäftswertes auf diese Summe; der BGH ermittelt nicht konkret, welche Einnahmen der betroffene Anwalt tatsächlich erzielt hat (Beschluss vom 23. Februar 1987 – AnwZ (B) 33/86 – BRAK-Mitt 1987, 154). In nachfolgenden Beschlüssen wird die Geschäftswertfestsetzung auf 100.000 DM bzw 51.129,19 € oder später genau auf 50.000 € vom BGH nicht mehr näher begründet (Beschlüsse vom 12. März 2001 – AnwZ (B) 27/00, vom 13. Januar 2003 – AnwZ (B) 59/01 – und vom 2. Dezember 2004 – AnwZ (B) 72/02 –).
Der Bundesfinanzhof (BFH) setzt in vergleichbaren Streitigkeiten, etwa bei einem Streit um den Widerruf der Bestellung als Steuerberater, nach einer Änderung seiner Rechtsprechung im November 2003 den Gegenstandswert auf der Grundlage von § 8 Abs 1 BRAGebO iVm § 13 Abs 1 GKG aF ebenfalls pauschalierend auf 50.000 € fest (vgl Beschluss vom 15. März 2004 – VII B 66/03, mwN – juris; bis dahin wurde der Gegenstandswert auf ca 25.000 € festgesetzt).
Auch in der Wertfestsetzungspraxis der Verwaltungsgerichte in Angelegenheiten, die den Berufszugang betreffen, hat sich im Laufe der Jahre eine erhebliche Diskrepanz zur Rechtsprechung des erkennenden Senats gezeigt, ohne dass dafür in vollem Umfang sachbezogene Erwägungen angeführt werden können. So ist nach dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der seit Juli 2004 praktizierten Fassung (NVwZ 2004, 1327 ff) bei einem Streit um die Berufsberechtigung bzw die Eintragung oder Löschung in einem einschlägigen Register Grundlage für den Streitwert der Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens 15.000 € (Nr 14.1, 54.1). Im Sachbereich des Gesundheitsverwaltungsrechts wird in Approbationsverfahren der Streitwert auf den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes, mindestens 30.000 €, festgesetzt (Nr 16.1). Diese auf Absprachen innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit beruhenden Leitlinien des Streitwertkatalogs knüpfen offenkundig an die Regelung in § 52 Abs 5 Nr 1 GKG in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung zum Streitwert bei Streitigkeiten über die Begründung oder das Bestehen eines Beamtenverhältnisses dem Grunde nach (“großer Gesamtstatus”) an.
Für den Bereich der vertragszahnärztlichen bzw vertragspsychotherapeutischen Zulassungsstreitigkeiten haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen zwischenzeitlich verändert. Vor allem die Neuregelung des Kostenrechts des sozialgerichtlichen Verfahrens mit der Einführung von Gerichtskosten insbesondere für die vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten (§ 197a Abs 1 SGG) und auch die Verweisung in dieser Vorschrift auf die kostenrechtlichen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben das Kostenrisiko des um seine Zulassung streitenden Vertrags(zahn)arztes/Psychotherapeuten erheblich erhöht. Neben den Anwaltskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten muss er seit dem Inkrafttreten des § 197a SGG – also seit dem 2. Januar 2002 – auch Gerichtskosten tragen. Ihn kann – im Unterschied zum bisher geltenden Recht – zudem die Verpflichtung treffen, die Kosten der Beigeladenen zu tragen, soweit diese nach § 197a SGG iVm § 162 Abs 3 VwGO erstattungsfähig sind. So entstehen in einer Zulassungsangelegenheit einer Arztgruppe, die durchschnittliche Jahreseinnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit von knapp 200.000 € bei Annahme eines Praxiskostensatzes von 60 % aufweist, bereits bei Zugrundelegung eines Drei-Jahres-Zeitraums für den Arzt in der ersten Instanz Anwaltskosten von ca 5.100 €. Lässt sich auch der Berufungsausschuss als Beklagter anwaltlich vertreten, wie das in einigen Bezirken Kassenärztlicher Vereinigungen (KÄV) regelmäßig geschieht, erhöhen sich die Kosten ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer auf ca 10.000 €. Sofern Kläger und Beklagter in der zweiten Instanz ebenfalls anwaltlich vertreten sind, belaufen sich die Anwaltskosten auf insgesamt ca 21.750 €. Hinzu kommen für Verfahren, die ab dem 2. Januar 2002 anhängig geworden sind, für zwei Instanzen Gerichtskosten von ca 12.300 €.
Das Kostenrisiko verschärft sich noch, wenn sich auch die Beigeladenen anwaltlich vertreten lassen. In Zulassungsangelegenheiten sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sowohl die KÄVen als auch die örtlich zuständigen Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen notwendig beizuladen(§ 75 Abs 2 SGG). Deren außergerichtliche Kosten sind erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt (§ 162 Abs 3 VwGO). Diese Voraussetzung ist in der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel zwar nur dann als erfüllt angesehen worden, wenn ein Beigeladener erfolgreich Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat (vgl Nachweise bei Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 197a RdNr 29). Selbst wenn die damit potenziell verbundene Kostenbelastung des im Rechtsstreit unterlegenen Vertragsarztes sachgerecht eingegrenzt werden kann (s zur niedrigeren Streitwertfestsetzung nach altem Recht: Beschluss des Senats vom 19. Februar 1996 – SozR 3-1930 § 8 Nr 2; vgl auch Engelhard, NZS 2004, 299 ff), muss der Vertragsarzt aber vor Klageerhebung jedenfalls damit rechnen, dass ihn ggf die Verpflichtung trifft, auch die Anwaltskosten der beigeladenen Körperschaften zu übernehmen. Diese sind künftig ebenfalls auf der Grundlage des Streitwertes zu berechnen, der für das gerichtliche Verfahren festgesetzt wird (§ 23 Abs 1 Satz 1 RVG) und führen zu einem erheblichen Kostenrisiko des Vertragsarztes.
Der Senat sieht es daher vor allem im Hinblick auf die mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz (vom 17. August 2001, BGBl I 2144) verbundene erhöhte Kostenbelastung des Vertrags(zahn)arztes/Psychotherapeuten nicht mehr als sachgerecht an, an den bisherigen Grundsätzen zur Wertfestsetzung in Zulassungssachen – unter Zugrundelegung eines Fünf-Jahres-Zeitraums – festzuhalten. In der Bezugnahme auf die Einnahmen aus vertrags(zahn)ärztlicher/-psychotherapeutischer Tätigkeit in einem Zeitraum von drei Jahren liegt ein angemessener Kompromiss zwischen den Erwägungen, die für ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung anzuführen sind, und einer vollständigen Annäherung an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die für ein Abstellen lediglich auf die Einnahmen eines Jahres spräche. Für die Zugrundelegung eines Drei-Jahres-Zeitraumes ist insbesondere anzuführen, dass nach § 42 Abs 3 GKG nF (= § 17 Abs 3 GKG aF) beim Streit um wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis und um andere wiederkehrende Leistungen seit dem 2. Januar 2002 (auch) vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für den Wert der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend ist. Diese Bestimmung, die dem Wortlaut nach nur für Leistungsklagen und nicht für Bestandsfeststellungsklagen gilt (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl 2005, § 42 GKG RdNr 41, 44), wendet der BGH entsprechend (“in Anlehnung an”) auf den Streit über den Bestand eines dauernden Dienstverhältnisses an (im Falle des BGH: Hauptgeschäftsführer einer Handwerkskammer). Der BGH begründet die Heranziehung des § 42 Abs 3 GKG damit, dass der Betroffene mit der Klage auf Fortbestehen des Dienstverhältnisses seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung wahren wolle (Beschluss vom 9. Juni 2005 – III ZR 21/04 – juris). Diese Erwägung gilt in gleicher Weise für das Verhältnis von Zulassungsstatus und Anspruch auf Honorar aus der vertragsärztlichen Tätigkeit. Auch hier bildet der Status als Vertrags(zahn)arzt/Psychotherapeut den Streitgegenstand, und dessen wirtschaftlicher Wert wird durch die Möglichkeit der Erzielung von Einnahmen in einer bestimmten Höhe auf längere Dauer bestimmt.
Demgegenüber trüge eine Reduzierung der Basis der Wertermittlung auf die Einnahmen nur aus einem Jahr dem wirtschaftlichen Wert der Zulassung für den Betroffenen nicht hinreichend Rechnung. Im Schrifttum ist die Festlegung im Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Approbationen auf den Jahresbetrag des erzielten oder des zu erwartenden Verdienstes kritisiert worden, weil dies der Bedeutung der Sache nicht gerecht werde (vgl Hartmann, aaO, GKG Anhang I B § 52 RdNr 22 S 250 und auch S 241 sowie Schmidt, AnwBl 1983, 303, 304, 305). Dort wird vorgeschlagen, für die Wertfestsetzung die zu erwartenden Bruttoeinnahmen abzüglich der Praxiskosten für die Dauer von mindestens drei Jahren im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats auch für die Approbation zu Grunde zu legen. Allerdings trifft die Annahme, die wirtschaftliche Bedeutung einer Approbation sei typischerweise für den Kläger höher als die einer Zulassung als Vertragsarzt, so nicht zu. Zwar ist richtig, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit ohne Approbation nicht ausgeübt werden kann. Die Approbation hat jedoch nicht für jeden Approbationsbewerber den Wert einer vertragsärztlichen Zulassung. Erstrebt ein Bewerber nach Abschluss von Studium und Qualifikationsphase die Approbation als Arzt, steht typischerweise nicht fest, welche ärztliche Tätigkeit dies ihm zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang ermöglicht. Konsequenterweise sieht deshalb der Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei dem Streit um eine Diplomprüfung einen Wert von 15.000 € vor (Nr 18.4), ohne darauf abzustellen, welches Arbeitseinkommen oder welche Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit der Inhaber eines Diploms in seinem Qualifikationsbereich erzielen könnte. Wer sich dagegen als approbierter (Zahn)Arzt/Psychotherapeut um die Zulassung zur vertragsärztlichen/-psychotherapeutischen Versorgung bewirbt oder sich gegen eine Zulassungsentziehung wendet, will typischerweise zumindest die durchschnittlichen Einnahmen erzielen, die mit dieser Tätigkeit verbunden sind. Über deren Höhe liegen seit Jahrzehnten aussagekräftige Unterlagen vor, die vom Senat auch stets herangezogen worden sind.
Unabhängig davon würde die Wertermittlung im Zulassungsrecht auf der Basis der Einnahmen lediglich eines Jahres zu Friktionen mit der Rechtsprechung zur Gegenstandswertfestsetzung in anderen vertragsärztlichen Bereichen führen. Der Senat legt der Berechnung des Gegenstandswertes in vertragsärztlichen Ermächtigungsstreitigkeiten den Zeitraum zu Grunde, für den die streitige Ermächtigung erteilt werden sollte oder erteilt worden ist, mithin typischerweise den Zeitraum von zwei Jahren (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr 6 S 16), weil sich hiernach das wirtschaftliche Interesse am Streitverfahren bemisst (entsprechend zur Festsetzung des Gegenstandswertes bei befristeten vertragsärztlichen Abrechnungsgenehmigungen: Schleswig-Holsteinisches LSG – Beschluss vom 14. Januar 2004 – NZS 2005, 446). Für den Gegenstandswert bei einem Streitverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Ermächtigung kann aber kein längerer Zeitraum maßgeblich sein als bei einem Streitverfahren über die Zulassung zur vertragsärztlichen/-psychotherapeutischen Versorgung. Entsprechendes gilt für die Streitwertfestsetzung in disziplinarrechtlichen Streitverfahren. Wird als Sanktion das Ruhen der Zulassung angeordnet, wie dies in § 81 Abs 5 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch für die Dauer von maximal zwei Jahren zugelassen wird, richtet sich die Wertermittlung nach dem Betrag der verlorenen Einnahmen aus der vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Tätigkeit während des Ruhenszeitraums. Der Gegenstandswert im Streit über die Rechtmäßigkeit einer Ruhensanordnung kann aber nicht nach einem längeren Zeitraum bemessen werden als für Verfahren, in denen um die Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen/-psychotherapeutischen Versorgung gestritten wird.
Für das Abstellen auf einen Drei-Jahres-Zeitraum zur Wertermittlung in vertrags(zahn) ärztlichen/-psychotherapeutischen Zulassungsstreitigkeiten bestehen danach hinreichende sachbezogene Gesichtspunkte, und der Zusammenhang zu den für andere Sachbereiche gesetzlich normierten Wertermittlungsgrundsätzen bleibt gewahrt.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus: In Übereinstimmung mit dem in dieser Sache ergangenen Kostenbeschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (11. Senat) ist zur Wertermittlung zunächst von den landesdurchschnittlichen Honorareinnahmen der Zahnärzte im Zulassungsbezirk Bremen im Jahre 1999 auszugehen, in dem die Klägerin zu 1. zugelassen werden wollte. Diese betragen 302.800 DM. Soweit die zu 1. beigeladene KÄV lediglich 212.800 DM ansetzen will, beachtet sie nicht hinreichend, dass diese Summe sich nur auf die Leistungsbereiche der konservierend-chirurgischen Behandlung, der Parodontosebehandlung und der Kieferbruchbehandlung ohne Individualprophylaxe bezieht. Hinzu kommen durchschnittlich 90.000 DM für Zahnersatz (ohne Material- und Laborkosten), die ebenfalls zu berücksichtigen sind. Da in diesem Verfahren wegen der Klageerhebung im Jahre 1999 für die gerichtliche Kostenentscheidung § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung maßgeblich ist, deshalb Gerichtskosten nicht erhoben werden und außergerichtliche Kosten der beigeladenen Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig sind (vgl § 193 Abs 4 SGG aF), ist nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen an dem Fünf-Jahres-Zeitraum festzuhalten, sodass sich ein Betrag von 1.514.000 DM ergibt.
Dieser Betrag ist zu ermäßigen, weil die Klägerin zu 1. im Berufungsverfahren nur einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt hat, nachdem sie zwischenzeitlich als Vertragszahnärztin in einem anderen Planungsbereich zugelassen worden war. Dieser Umstand kann allerdings entgegen der Auffassung des LSG nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert lediglich in Höhe von nur einem Viertel des Fünf-Jahres-Umsatzes angenommen wird. Vielmehr ist eine Halbierung geboten, weil es der Klägerin stets vorrangig darum ging, in dem von ihr gewünschten Zulassungsbezirk in Bremen zugelassen zu werden, um mit ihrem Ehemann dort zusammen eine Gemeinschaftspraxis zu führen. Dies ergibt als Grundlage der Wertermittlung einen Betrag von 757.000 DM.
Von diesem Betrag sind die Praxiskosten in Abzug zu bringen. Diese belaufen sich seit Jahren mit geringfügigen Schwankungen auf ca 70 % des Umsatzes aus selbstständiger zahnärztlicher Tätigkeit (KZBV Jahrbuch 2004, Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung, hrsg von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, 2004, Tabelle 5.1, S 112). Selbst wenn dieser Prozentsatz auf den gesamten Umsatz aus selbstständiger zahnärztlicher Tätigkeit bezogen ist, und dieser in den alten Bundesländern nur zu ca 57 % über die KZV vereinnahmt wird (KZBV-Jahrbuch aaO S 116), spricht doch nichts dafür, dass der Betriebskostenanteil bei der vertragszahnärztlichen Tätigkeit signifikant niedriger ist als bei der übrigen selbstständigen zahnärztlichen Tätigkeit. Wird von einem Praxiskostenanteil von ca 70 % der Einnahmen ausgegangen, ist von den 757.000 DM ein Betrag von ca 530.000 DM abzuziehen, sodass sich ein Gegenstandswert von 227.000 DM ergibt.
Entgegen der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen (11. Senat) hält der Senat es nicht für sachgerecht, diesen Betrag um einen Zuschlag für die von der Klägerin zu 1. begehrte Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis mit dem Kläger zu 2. zu erhöhen. Zwar hat grundsätzlich die Berechtigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis (§ 33 Abs 2 Zahnärzte-ZV) ihren Wert (zur Festsetzung des Gegenstandswertes im Genehmigungsverfahren für eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis s Beschluss des Senats vom 6. Januar 1984 – 6 RKa 7/81 – juris). Dieser Aspekt kommt in der hier zu beurteilenden Konstellation jedoch nicht zum Tragen. Das Zulassungsinteresse der Klägerin war von vornherein darauf gerichtet, eine Gemeinschaftspraxis mit ihrem Ehemann zu betreiben. Allein deshalb wollte sie in dem Planungsbereich zugelassen zu werden, in dem ihr Ehemann seine Praxis führt, und hat sie die Möglichkeiten einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit in anderen Planungsbereichen in Bremen bzw im angrenzenden Niedersachsen zunächst nicht oder nur zeitweise wahrgenommen. Da im Übrigen der Genehmigung der Gemeinschaftspraxis keinerlei rechtliche Hindernisse entgegengestanden haben, hat hier allein die Zulassung für die Klägerin zu 1. einen messbaren wirtschaftlichen Wert.
Damit bleibt es bei dem Gegenstandswert von 227.000 DM. Das entspricht einem Betrag von 116.063 €.
Fundstellen
Haufe-Index 1426783 |
NZS 2006, 445 |
GesR 2006, 79 |
RVGreport 2006, 39 |
Breith. 2006, 161 |
www.judicialis.de 2005 |