Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Gegenstandswerts. vertragsärztliches Streitverfahren. Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen eines Verfahrens, mit welchem die klagenden Ärzte für Laboratoriumsmedizin die Genehmigung zur Führung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung begehren, ist ein Gegenstandswert von 100.000 EUR angemessen.
Normenkette
BRAGO § 116 Abs. 2, § 8 Abs. 2 S. 2, § 10 Abs. 1, § 134 Abs. 1 S. 2; GKG § 13 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Revisionsverfahren wird auf
100.000 €
festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit für das Revisionsverfahren beruht auf § 116 Abs 2 in Verbindung mit § 8 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1, § 10 Abs 1 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO). Diese Regelungen sind im vorliegenden Fall noch anwendbar, weil die Klage vor dem 2. Januar 2002 und die Revision vor dem 1. Juli 2004 erhoben worden sind (s § 134 Abs 1 Satz 2 BRAGO und zu den Einzelheiten Senatsbeschluss vom 1. September 2005 – B 6 KA 41/04 R –, GesR 2006, 79 ff, auch zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
Die auf § 116 Abs 2 iVm § 8 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO gestützte Festsetzung des Wertes erfolgt in Anlehnung an § 13 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Die Bedeutung der Sache für den Kläger ergibt sich dabei in der Regel aus seinem wirtschaftlichen Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (vgl BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 2 S 2 f; SozR 3-1930 § 8 Nr 1 S 2 und Nr 2 S 8; Senatsbeschluss vom 1. September 2005, aaO).
Bei der Wertfestsetzung in vertragsärztlichen Streitverfahren, in denen die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis streitbefangen ist, wird in der Rechtsprechung des Senats differenziert. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 6 RKa 7/81, in dem es um die grundsätzliche Zulässigkeit der Führung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis gegangen ist (s dazu Urteil vom 22. April 1983, BSGE 55, 97 = SozR 5520 § 33 Nr 1 ff), hat der Senat den Gegenstandswert mit Beschluss vom 6. Januar 1984 auf 120.000 DM festgesetzt. Er hat dazu ausgeführt, die umstrittene Genehmigung zur Bildung einer kassenärztlichen Gemeinschaftspraxis iS des § 33 Abs 2 Zulassungsordnung-Ärzte habe für die Ärzte eine erheblich geringere Bedeutung als die Zulassung zur Kassenpraxis. Andererseits aber könne das Interesse an einer gemeinsamen Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit durch Ärzte verschiedener Fachgebiete auch nicht gering erachtet werden. Das Interesse an einer solchen auf Dauer angelegten ärztlichen Zusammenarbeit sei deshalb mit dem Regelbetrag von (damals) 4.000 DM nicht annähernd ausreichend bewertet. Allerdings wäre es auch mit dem vom Bevollmächtigten der betroffenen Ärzte geforderten Höchstbetrag von 1.000.000 DM weit überbewertet. Der Senat hat unter Berücksichtigung dieser Aspekte den Wert auf 120.000 DM veranschlagt.
In Streitverfahren dagegen, in denen eher technische Fragen der Abwicklung einer Gemeinschaftspraxis Gegenstand des Rechtsstreits waren, geht der Senat zumindest als Ausgangspunkt vom Regelwert iS des § 8 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO iVm § 13 Abs 1 Satz 2 GKG aus. Mit Beschluss vom 14. März 2000 hat der Senat daher in einem Verfahren, in dem sich ein Arzt dagegen gewandt hatte, dass seinem Praxispartner genehmigt wird, seinen Vertragsarztsitz aus der Gemeinschaftspraxis an einen anderen Ort innerhalb desselben Planungsbereichs zu verlegen, den Regelwert von 4.000 € mit dem Faktor 5 multipliziert und ist entsprechend von einem Gegenstandswert von 20.000 € ausgegangen (B 6 KA 60/00 B, juris; vgl in dem Sinne auch SG Nürnberg, Urteil vom 17. Dezember 2003 – S 6 KA 1/03 – bei Wenner/Bernhard, NZS 2006, 1, 5). Ebenfalls vom Fünffachen des Regelwertes ist der Senat im Beschluss vom 12. Oktober 2005 im Verfahren B 6 KA 63/03 B ausgegangen, in dem sich der klagende Arzt gegen die rückwirkende Rücknahme der Genehmigung zur Führung der Gemeinschaftspraxis infolge der Beendigung der Zulassung eines Partners der Gemeinschaftspraxis gewandt hatte.
Im vorliegenden Fall hatten die klagenden Ärzte für Laboratoriumsmedizin die Genehmigung zur Führung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung begehrt (vgl Senatsurteil vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 34/02 R –, SozR 4-5520 § 33 Nr 2). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Führung überörtlicher Gemeinschaftspraxen entspricht das wirtschaftliche Interesse der Kläger zumindest derjenigen der klagenden Ärzte im Verfahren 6 RKa 7/81, in dem die Zulässigkeit einer fachgebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxis Streitgegenstand war. Der Senat geht deshalb für die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit von den Grundsätzen seines Beschlusses vom 6. Januar 1984 aus. Im Hinblick auf die seit 1984 eingetretene Geldentwertung sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Genehmigung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis unter dem Gesichtspunkt der Chancen zur Vermehrung des Umsatzes aus vertragsärztlicher Tätigkeit noch höher zu veranschlagen ist als die Genehmigung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis an einem einheitlichen Standort, ist ein Gegenstandswert von 100.000 € angemessen.
Fundstellen